Donnerstag, 26. August 2010

Huánuco - Huaraz: ¡Regálame tu Matamoscas!

Gestern Vormittag sind wir in Huaraz angekommen. Die Gefühle für diese Etappe sind gemischt. Absolutes Plus: endlich richtige, verschneite und vereiste Berge! Eher ein Minus: In den letzten Tagen wurden wir im Vorbeifahren häufig angebettelt, nach Geld oder unseren Matamoscas, Fliegenklatschen, die wir zusammengebastelt und hinten an die Velos gesteckt haben, um die Autofahrer zum Abstandhalten motivieren. Sorry Kinder, aber die brauchen wir nun mal wirklich.

Die Steigung des ersten Passes, knapp 4'000 m hoch, begann gleich nach Huánuco, soweit alles normal und wie immer. Glücklicherweise waren die ersten ca. 15 km nicht sehr steil und wir konnten uns gemütlich warmfahren. Auf der ersten Seite des Höhenprofils und in diversen anderen Reiseberichten wird die Strasse bis zur Corona del Inca (erste Passhöhe) als extrem miese "Naturstrasse" bezeichnet (der Begriff Naturstrasse widerspricht sich selber, die Natur baut keine Strassen). Inzwischen wurde die Strecke aber asphaltiert und ist so um vieles einfacher zu beradeln. Sie ist zwar immer noch schmal und man muss oft anhalten, um Autos oder Lastwagen durchzulassen, das taten wir aber gerne, wir wurden dabei ja nicht eingestaubt und blieben kaum im Kies am Wegrand stecken.

Viel passierte an jenem ersten Tag nicht. Ich war zwar der Meinung, dass es dort durchaus einiges an Verkehr gab, offensichtlich waren aber gewisse Anwohner anderer Meinung und ruhten sich mitten auf der Strasse aus.



Bei unserem Mittagessplatz gab es auch hübsche Dinger zu bestaunen. Ich weiss, ich habe schon viele dieser Flatterviecher gezeigt, sie sind aber immer wieder schön und wenn man es schon schafft, ein gutes Bild zu knipsen:

Schmettervogel (oder Sommerling?) irgendwo nach Huánuco


Kurz nachdem wir weitergefahren sind, trafen wir Agustí, einen spanischen Radfahrer und nutzten den Vorwand, nochmals eine Pause einzulegen und zu schwatzen. Irgendwann mussten wir aber doch weiter, plaudern ist zwar interessant, brachte uns aber nicht konkret den Hügel hoch. Am späteren Nachmittag begannen wir uns zu fragen, wo wir wohl die Nacht verbringen könnten. Der Hang war steil, flache Stellen zum campen gab es so gut wie keine, ausserdem waren überall Dörfer oder Häuser vor denen man sich kaum hätte verstecken könnte. Im kleinen Dorf Pampas fanden wir schliesslich ein "Zimmer" mit einem Bett, in das wir zu zweit gerade knapp draufpassten. Auf der anderen Strassenseite im Garten der Besitzer gab es eine Latrine und am Dorfbach Wasser. Ok, gar nicht so schlecht. Besoners gemütlich wurde die Nacht allerdings nicht, erstens war es eng, zweitens teilten wir den Raum mit einer Ratte, die vom oberen Stock runtergeklettert war und unser Zeug durchwühlte.

Am Morgen standen wir wieder früh auf um die letzten ca. 10 km Steigung vor der Hitze des Tages abzuspulen. In Punto Union, dem Dorf oben am Pass, wurde ich zum ersten Mal so richtig unfreundlich behandelt, ja mit einem Stein bedroht, und das als Antwort auf mein Grüssen und Winken. Das finster dreinblickende Gesicht gehörte einem 4-5-jährigen Mädchen! Die Frauen in der Nähe lachten nur, ich fragte mich, was ich der Kleinen wohl angetan hatte. Die Mehrheit der Leute dort war nähmlich nett. Kurz nach der Passhöhe trafen wir auf Dave, Ciclista aus England, mit dem wir natürlich auch Informationen und Web-Adressen austauschten. Dann sausten wir, dick eingepackt in warme Kleider, die auch hier schmale Passstrasse hinunter. Nach ca. 15 km war fertig lustig, es ging wieder aufwärts. Hier wurde uns schnell warm und wir mussten Pulis und Jacken wieder ausziehen.

Als wir an einem gefällten Eukalyptus vorbeikamen, brachen wir uns je einen Ast ab, der von nun an als Mataperros, als Hundeklatsche verwendung finden wird. In Huánuco hatten wir dafür auch je eine Fliegenklatsche gekauft, sind aber zum Schluss gekommen, dass die zu kurz ist und zu wenig Eindruck machte. Wievield die zusammengebundenen Klatschen, die Matacoches, gegen gedankenlose Autofahrer bringen, ist noch nicht empirisch erwiesen, die Tendenz erscheint aber positiv. Auf jener Strecke sind auch viele Herden an uns vorbeigezogen, Rinder, Schafe, Esel, Schweine und Pferde. Eines dieser Ponies ist uns besonders negativ aufgefallen. Es hatte am Rücken eine grossflächige, offene rote Wunde. Wie lange musste dieses arme Tier wohl harte, schwere Lasten schleppen, die ihm den Rücken bis auf den Knochen aufgerieben haben?

Nach jenem kleinen Hügeli fetzten wir wieder etwa 10 km abwärts, dann führte die Strasse flach durch ein Tal bis zur kleinen Ortschaft Tingo Chico. Wir kamen schon um ca. 15 Uhr dort an und entschieden uns dort zu bleiben. Martina hatte seit ein paar Tagen Magenprobleme und ein früher Feierabend kam da richtig. Ein älterer Herr gab uns den Tipp eines Geländes ausserhalb des Dorfes, wo man campen könne, der spanische Besitzer sei nicht dort, viele Touris würden dort übernachten. Wir auch, mit der freundlichen Bewilligung des "Hauswarts", den wir gegen Abend trafen.

Für den nächsten Tag hatten wir ausgemacht, nur die 30 km bis nach La Union zu fahren und dort die Ruinen Huánuco Viejo anzuschauen. Selbstverständlich musste da erst ein Hügel bezwungen werden, der war aber nur so um die 400 m hoch, easy also. Hier glaubten wir erst, wir hätten eine Art Sprach- oder Kulturgrenze überschritten. Wir hörten stundenlang keine "Gringa!"-Rufe, wir wurden teilweise sogar mit "Hola Señorita" gegrüsst. Wow, was für eine Beförderung! Die Gringo-Rufer tauchten später allerding wieder auf, oder aber wir ernteten auf unser "Hola" eisernes Schweigen. Wir kamen am späten Vormittag in La Union an, fanden ein akzeptables Hostal und gingen erst mal auf Futtersuche.

Nach dem Mittag fanden wir ein bezahlbares Taxi, das uns zu den erwähnten Ruinen (oder zumindes in die Nähe) brachte. Huánuco Viejo, oder Huánuco Pampa, wie die Anlage dort genannt wurde, war einmal eine Stadt mit schätzungsweise 30'000 Einwohnern gewesen, die via Inka-Trail mit Cusco verbunden gewesen war. Dieser Weg führt übringens in 6'000 km von Mendoza im Norden Argentiniens bis nach Quito in Ecuador, so gross war das Reich der Inka. Auf meine Frage, wie es möglich gewesen war, ein solches Riesenreich zu kontrollieren (die Leute gingen zu Fuss, Pferde gab es keine), wusste unser Führer (eigentlich ein Wächter der Anlage) keine Antwort. Anscheinend wurden Nachrichten mit einem System von Meldeläufern überbracht. Mündlich, geschrieben wurde hier ja nicht. Ich versuchte mir vorzustellen, wie eine Meldung von hier nach Cusco, immerhin ca. 1'400 km, wortgetreu an ihrem Bestimmungsort ankommen soll. Eher unwahrscheinlich. Vielleicht haben die Spanier den Krieg ja gewonnen, weil die Kommunikation unter den Quechua nicht korrekt funktionierte??

Die Eingangstür zum Haus des Inca in Huánuco Pampa


Wir konnten die Ruinen übrigens gratis besichtigen. Eigentlich hätte das je 4 Soles gekostet, die Person, die einkassieren sollte, war aber nicht dort. Der Wächter, der auch die Besucher durch den Komplex führt, fühlte sich dafür nicht zuständig. Dafür erhielt er mehr Trinkgeld, seine Erläuterungen waren sehr interessant gewesen und seine Demonstration mit seiner Steinschleuder echt beeindruckend. Das Strohdach über den Ruinen dient übringens deren Schutz vor Regen, das gab es ursprünglich nicht.

Der nächste Tag wurde nicht mehr so easy. Die ersten 20 km waren zwar noch nicht so steil und landschaftlich interessanter als auch schon. Das Tal vor der Ortschaft Huallanca verengte sich zusehends bis nur noch eine enge Schlucht übrigblieb, in der der gerade knapp Fluss und Strasse Platz hatten.



Danach öffnete sich das Land wieder und kurz vor Huallanca meinte Martina, es sähe aus, wie zu Hause. Die Ähnlichkeit mit dem Bündnerland liess sich nicht bestreiten. In Huallanca kauften wir für die nächsten beiden Tag ein. Teigwaren zum Znacht und Brot, Avocado und Tomaten zum Zmittag, wie immer. Bevor wir das Dorf verliessen, genossen wir noch ein Glacé auf einer kleinen, hübschen Plaza. Beim Ortsausgang in Huallanca steht eine Stierkampf-Arena, zum Glück leer und verlassen. Die peruanische Kultur ist ja durchaus interessant, aber weder Stier- noch Hahnenkämpfe (mit Messern!) sind das, was wir unbedingt sehen müssen.

Von La Union bis zur Abra Yanshalla hatten wir etwa 1'600 Höhenmeter zu überwinden. Eigentlich nichts ausserordentliches, nur dass es diesmal bis auf über 4'800 m gehen sollte. So hoch waren wir auf der Lagunenroute in Bolivien das letzte Mal gewesen. Wir schafften es bis auf 4'500 m, dann war es 17 Uhr und wir waren froh, in dem steilen Hang einen Campplatz gefunden zu haben. An jener Stelle führte die Strasse im Zick-Zack den Berg hoch, unser Platz befand sich auf einem, aus irgendeinem Grund nicht benutzten und nicht asphaltierten Zick. Leider war der Boden so steinig, dass wir zuerst Mühe hatten, die Nägel einzuschlagen, am nächsten Morgen noch mehr Mühe, sie wieder rauszukriegen.

Irgendwann waren wir aber so weit und wir griffen die letzten 10 km vor der Passhöhe an. Nach 3 km kam schon die Abzweigung in den Parque Nacionál Huascarán und damit befanden wir uns wieder einmal auf Schotter, Staub und vielen Steinen. Ausserdem war es dort oben ziemlich windig. Es wurde aber nicht konstant in eine Richtung gepustet, der kam mal von vorne, mal von hinten oder wahlweise von links oder rechts. Dazu wand sich die Strasse schlangengleich durch die Landschaft, so dass man sich nach jeder Kurve von der momentanen Windrichtung überraschen lassen muste. Die Qualität der Strasse war auch nicht sehr konstant, von recht gut bis extrem mies gab es alles. Dafür sahen wir zum ersten Mal seit langem so richtig coole Berge, hier in Form der Cordillera Huallanca

Elegante Schönheit, Nevado Burro.


Gemäss Höhenprofil ist der höchste Punkt auf 4'884 m, gemäss Martinas GPS befanden wir uns auf 4'870 m. Wie auch immer, die Aussicht war super, der Wind aber recht kalt. Trotzdem machten wir wieder mal ein Gipfelfoto, mit dieser Landschaft im Hintergrund lohnte sich das allemal.

Im Parque Nacionál Huascarán auf über 4'800 m,
im Hintergrund die Cordillera Blanca.


Interessant war hier oben die Vegetation im Vergleich zur selben Höhe z.B. auf dem Paso Jama in Nordargentinien oder auf dem Sol de Mañana in Bolivien. Dort wuchs auf 4'800 m nichts mehr, das mit dem Auge erkennbar gewesen wäre. Und ausser Vicuñas lebte dort auch nichts und niemand mehr. Hier in Peru, doch ein ganzes Stück nördlicher, ist die Landschaft noch grasbedeckt und es wachsen sogar winzige Büschlein und andere Pflänzchen. Darum ist auch der gesamte Nationalpark voller Rinder, Schafen, Pferden und Alpakas. Vicuñas gibt es hier keine. Dieser Umstand hat mich ziemlich überrascht. In unserem Verständnis sollten in einem Natinalpark keine Bauern und kein Nutzvieh leben, gerade eben damit bedrohte wilde Arten dort ihren Rückzugsraum finden. Hier ist dem nicht so, Wildtiere, ausser Vögeln, haben wir keine gesehen, logisch, da alles mit Haustieren zugepflastert ist.

Dass es hier nicht so leicht ist, einen Nationalpark zu "ernennen", in dem niemand wohnt, ist auch klar. Diese Leute und ihre Tiere waren schon immer dort, wenn nun die Regierung meint, das Gebiet sei nun Nationalpark, dann sind die Bewohner eben trotzdem noch dort. Einfach rauswerfen geht wohl kaum und diese Bauern sind vermutlich auch so schon arm genug. Aber es war schon eher nervig, sogar in dieser abgelegenen Gegend von agressiven Hunden angefickt zu werden.

Jetzt waren wir also zuoberst, einfach runter ging es aber noch eine ganze Weile nicht. Ab, auf, ab, auf, jeweils nicht lange, dafür zum Teil aber steil. Zweimal fuhren wir mehr oder weniger dicht unter einem Gletscher durch und hofften auf etwas sauberes Wasser. Das kam jedoch richtig rot, so rot wie die Erde unter dem Eis eben. Tja Pech, dann eben nicht. Schliesslich kam eine etwas längere Abfahrt bis etwa auf 4'600 m und eine entsprechende Steigung bis auf wieder fast 4'800 m. Jetzt endlich begann die "richtige" Abfahrt bis zur Rangerstation, die sich auf etwas über 4'100 m. Die Piste hier war in einem echt himmeltraurigen Zustand und teilweise war es eher ein hinunterklettern als fahren. Als Kompensation sahen wir schöne vergletscherte Gipfel und an einem Ort gab es sogar "Pinturas Rupestres", Felszeichnungen.



Weiter unten wuchs eine Sehenswürdigkeit, die sogar auf der Karte eingezeichnet ist, Puya Raimondii. Das sind seltsame Pflanzen, die auf einer Höhe von 3'000 bis 4'800 m vorkommen und aussehen wie riesige Tannzapfen. Sie werden bis zu 12 m hoch und 100 Jahre alt, blühen nur einmal, produzieren dabei aber 6-10 Mio. Blüten und 8-12 Mio. Samen. Danach sterben sie. Hier oben gab es eine ganze Menge davon, schon fast ein Wald.

Puya Raimondii


Weiter ging's, nun nicht mehr steil runter, sondern durch ein weites, flaches Tal mit diversen Feuchtgebieten bis wir am späten Nachmittag bei der Rangerstation ankamen, wo wir die 5 Soles Parkgebühr bezahlen mussten, wie wir annahmen. Wie sich herausstellte, ist die Station jedoch nur von 7.00 bis 15.30 Uhr besetzt. Tja, wieder einmal Glück gehabt und die Eintrittsgebühr gespart. Praktischerweise hatte es dort hinter einem Erdwall eine grosse Fläche, wo wir einen perfekten, windgeschützten Campplatz fanden. Der Vollmond in jener Nacht war wieder einmal unglaublich schön und sorgte die ganze Nacht lang für Festbeleuchtung.

Der folgende Morgen war eiskalt, einmal mehr massiv kälter als die vorherige Nacht, wo wir über 300 m höher gecampt hatten. Die Bidons, die wir raustellten als wir das Zelt abbrachen, waren in kürzester Zeit gefroren. Glücklicherweise befanden wir uns immer noch im offenen Tal und schon nach wenigen Kilometern hatten wir den Sonnenschein erreicht, wo wir uns (und Martinas Schaltkabel) auftauen konnten. Bald darauf kamen wir an einem Bach vorbei, der ohne richtiges Bett durch die Wiese den Hang hinunter stürzte. Der Bach selber war zwar nicht gefrohren, einzelne Gräser jedoch waren dick vereist.




Weiter ging's holpernd, scheppernd und klimpernd über Stock und Stein bis wir die asphaltierte Hauptstrasse erreichten. Dort stellte ich fest, dass ich meinen Rückspiegel verloren hatte. Die Verankerung im Lenker hatte sich schon früher, wenn es heftig geschüttelt hatte, gelöst, bisher hatte ich das aber jeweils gemerkt und behoben. Diesmal war ich so sehr auf die Strasse konzentriert, dass ich das nicht mitbekommen hatte. D.h. einmal glaubte ich, zum dauernden Scheppern des Velos kurz ein anderes, helleres Geräusch gehört zu haben, hatte dem aber blöderweise nicht weiter Bedeutung zugemessen. Als ich den Verlust bemerkte, konnte ich mich nicht motivieren, eine halbe Stunde, eine Stunde oder noch länger auf dieser Strasse zurückzufahren um den Spiegel zu suchen. Aber ohne Spiegel zu fahren, fühlt sich an, als hätte man mir einen Sinn geklaut.

Wir hatten jetzt noch ca. 40 asphaltierte Kilometer vor uns, mehrheitlich schön abwärts. Läppischerweise war der Belag der Strasse so schlecht, dass man selten so richtig laufen lassen konnte. All die tiefe Löcher und Abschnitte mit Schotter bremsten uns ganz schön aus. Trotzdem schafften wir es bis 11 Uhr nach Huaraz, wo wir eine ganze Weile nach dem Hostal suchten, das uns von einem anderen Radfahrer empfohlen worden war. Huaraz war ein langersehntes Ziel gewesen, hier würden wir ein paar Tage ausruhen und evtl. ein Trekking oder eintägige Touren machen. Nun endlich angekommen, waren wir beide total erschöpft, dazu kam die Hitze, die uns noch zusätzlich völlig erschlug. Nachdem wir uns einquartiert hatten, gingen wir etwas essen und dann erst mal schlafen.

Gegen Abend gingen wir ein Restaurant suchen und wurden dabei von Victor, einem lokalen Bergführer, angesprochen. Er empfahl uns ein Restaurant und bot uns gratis Information zu den verschiedenen Treks an. Klar waren wir interessiert und hörten ihm zu. Er arbeitet offenbar lieber auf eigene Rechnung und nicht für Agenturen und ihre grossen Grupen. Wir haben uns auf eine 5-tägige Wanderung in einem Gebiet mit wenig Touristen geeinigt. Heute waren wir zusammen einkaufen und am Schluss recht beeindruckt von der Menge Futter, die da zusammengekommen ist. Und die wir tragen müssen, Pferde können nicht mit auf diese Route. Morgen um halb acht gehts los.

Mehrschweinchen in einem Sack auf dem Markt in Huaraz

Montag, 16. August 2010

Huancayo - Huánuco: Ein Hund kommt selten allein.

Wieder einmal suchten - und fanden - wir den Weg aus einer grossen Stadt heraus. Über den ersten Tag gibt es nicht viel zu berichten. Die ersten ca. 47 km bis zur Abzweigung vor Jauja verliefen ereignislos, die Landschaft war flach und nicht weiter aufregend. Allenfalls erwähnenswert war, dass die Leute dort "gut" Englisch sprachen. Wir wurden des öfteren anstatt mit "Hola" mit "Hello" oder mit "Hello Miss" gegrüsst. Ein ganz Schlauer rief Martina sogar "Hello Mister" nach.

Nach jener Abzweigung führte die Route durch Hügel, immer dem Fluss Mantaro entlang. So hiess zwar schon jener Fluss vor dem Pass vor Huancayo, eigentlich kann das aber nicht derselbe sein, muss mal die Karte checken. Trotzt der Hügel ringsherum stieg die Strasse nur ganz leicht an und wir kamen gut vorwärts. Einzig der Gegenwind, der kurz vor Mittag aufkam, machte die Sache teilweise etwas mühsam. Dass wir die ca. 130 km bis nach La Oroya nicht schaffen würden, war uns klar gewesen und am späteren Nachmittag begannen wir die Suche nach einem brauchbaren Campplatz. Den fanden wir bei Km 105, recht nahe bei der Strasse und nur halbwegs blickgeschützt, dafür schoen flach.

Am Abend freuten wir uns schon, dass es dort, auf ca. 3'600 m nicht sonderlich kalt sei. Im Zelt drinnen stimmte das auch am Morgen noch, alles was wir rausstellten, war aber innert kürzester Zeit mit einer Frostschicht bedeckt. Als wir losfuhren, dauerte es nicht lange, bis Zehen und Finger nahezu gefühllos waren. Da wir uns in einem engen Tal befanden, dauerte es auch seine Zeit, bis die Sonne die Strasse erreichte. Als das endlich der Fall war, setzten wir uns eine halbe Stunde hin und wärmten die fast tiefgefrorenen Körperteilchen auf. Es ist schon interessant, dass es auf 3'600 m kälter sein kann als auf 4'300 m. Sonderlich logisch fanden wir das auf jeden Fall nicht.

Martina checkt den besten Blickwinkel für das nächste Foto.


Das Tal hatte sich zur Schlucht verengt, die grasbewachsenen Haenge waren blankem Fels gewichen als es endlich so richtig warm wurde und wir unsere übliche erste Schokolade- und Guetslipause machten. Bald darauf öffnete sich das Tal wieder und es kamen riesige Berge aus schwarzem Sand in Sicht. Die erste Mine vor La Oroya. Eine Kurve später sahen wir die Schmelzanlage mit dem gigantischen Kamin, die ich zuvor schon auf Fotos gesehen habe. Echt beeindruckend.



In der Stadt kauften wir Brot für den Zmittag und suchten dann den richtigen Weg in Richtung Cerro de Pasco. Doch bevor wir die Stadt verliessen, fanden wir noch eine Jugería, einen Saftladen. Die Auswahl war zwar nicht riesig, der Papaya-Ananas-Saft aber megafein und supergünstig. Das war genau das, was wir brauchten um die kommende Megasteigung anzugreifen (500 Hoehenmeter auf 35 km:-). Auf dem Weg zur Hochebene von Junín sahen wir die ersten Alpakas (oder waren das Llamas?) seit langem. Oben auf der Ebene spatzierten sogar wieder einige Vicuñas heraum. Nach den hunderten Kilometern mit nur Rindern und Schweinen am Wegrand fühlten wir uns wieder richtig in den Anden.

Diese Hochebene, die auf 4'100 bis 4'200 m liegt, erinnerte mich ans Altiplano. Gelbes, trockenes Gras, nur ganz wenig auf und ab aber immer einige Hügel in Sichtweite. Etwa einen Kilometer von der Strasse entfernt sahen wir ein Monument, den "Obelisco de la Batalla de Junín". Im Moment wussten wir zwar nicht, was es damit auf sich hatte, vermuteten aber eine Schlacht, bei der die Spanier von den Peruanern besiegt wurden. In Junín wurde das bestätigt. Die Truppen um Simon Bolívar hatten hier die Spanier im Jahr 1824 in die Zange genommen und plattgemacht. Solche Geschichten höre ich immer gerne, raus mit den Conquistadores!

Reserva Nacional de Junín


Junín selber ist ein nicht sonderlich grosses Dorf, wo wir aber eine günstige Hospedaje fanden. Der abendliche Spatziergang durch die Ortschaft war noch ganz interessant. Auf der Plaza fand gerade eine Art "Konzert" statt. Das Grüpplein, das dort auf der Bühne Musik machte und sang gehörte der örtlichen Kirche an und kündigte eine Fortsetzung des Anlasses in ihrer Kirche an. Wir setzten uns ab, suchten - und fanden - ein günstiges Restaurant und gingen dann, wie immer früh schlafen.

Die Señora des Hostals hatte uns gesagt, dass die Läden im Dorf alle morgens um 6 Uhr öffnen würden und es dort frisches Brot zu kaufen gäbe, weshalb wir das Brotkaufen auf den Morgen verschoben. Natürlich war dem dann nicht so. Kaum offene Läden und wenn, dann Brot vom Vortag. Also ging Martina direkt zur Bäckerei, die aber auch noch geschlossen war. Sie schaffte es aber dennoch, dort Brot zu kriegen und das war ganz frisch und sogar noch warm! Mmmhhh, etwas vom Besten, das wir seit langem gegessen hatten. Leider wurden die eigentlich für das Mittagessen gedachten Brötlis so etwas dezimiert.

Es war bewölkt und noch kühl als wir losfuhren, aber bei Weitem nicht so kalt wie tags zuvor. Einige Zeit führte die Strasse flach dem Ufer des Lagos entlang, danach wurde es wieder ganz leicht hügelig. Im Dorf Huayre fanden wir eine der bemerkenswertesten Plazas überhaupt, die aussieht wie von Aliens errichtet. Das grosse violette Teil mit "Schwanz" ist ein Maca-Monument. Maca ist eine Knolle, die aus jener Region stammt und ein wichtiges Grundnahrungsmittel zu sein scheint. Offensichtlich hat sie dort einen hohen Stellenwert, dass ihr zu Ehren eine so flippige Plaza gebaut wurde.



Ein Dorf weiter hatten wir schon wieder Hunger und machten es uns auf einer ganz kleinen Plaza gemütlich. Zwei Frauen mit einem grossen Wagen voll was auch immer sprachen uns an und wir wechselten ein paar Worte. Sie müssen von unserer Reise einigermassen fasziniert gewesen sein, sie gaben uns je einen Teller mit zwei gekochten Kartoffeln und einem Stück Fleisch, einfach weil wir auf Reise seien. Das war wieder einmal unglaublich nett. Leider bestand das "Fleisch" de facto aus einem Knochen mit vor allem Fett daran und für uns verwöhnte Gringas war so etwas eigentlich eher nicht essbar. Zwei hungrige Strassenhündinnen, die schon am trockenen Brot ihre Freude gehabt hatten, sahen das natürlich ganz anders und waren hell begeistert von ihrem Glück an jenem Morgen.

Schnusiges Hündchen in Carhuamayo


Weiter ging's, langsam stieg die Strasse etwas steiler an. Wir mussten auf einen fast 4'400 hohen Pass, was etwa 200-250 Höhenmeter bedeutete, also recht easy war. Dort oben erwarteten uns... ein agressives Hunderudel, das uns am liebsten gefressen hätte, eine Lagune und eine riesige Herde Alpakas. Die Lagune war weiter nicht erwähnenswert, die Alpakas sahen umso kuscheliger aus. Die würden sich auf unseren Alpen auch noch gut machen und Alpakawolle ist bestimmt rentabler als Schafwolle.



Dort oben war es, wie auch schon in den Tälern zuvor, ganz schön windig. Und selbstverständlich kam der Wind von vorne. Schon in dem Dorf, wo wir Zmittag gegessen hatten, hab es eine Art kleine Tornados, die Staub und Abfall weit in den Himmel inaufsogen. Hier bei der teilweise ausgetrockneten Lagune gab es wieder solche Wirbel, die eine Staubwolke mit sich zog. Das sah recht interessant aus, wie diese Wolke durch die Ebene driftete und sich erst auflöste, als sie auf die Wiese geriet und ihr der Sand-Nachschub ausging.



Kurz darauf erreichten wir die Abzweigung nach Cerro de Pasco, der mit 4'330 m.ü.M. die höchste Stadt Perus. Da es aber erst früher Nachmittag war und ein Besuch der angeblich nicht sehr schönen Stadt 5 km hin und zurück bedeutet hätte, fuhren wir an der Abzweigung vorbei und auf der anderen Seite des Pass hinunter. Dort machten wir auch wieder einmal eine widersprüchliche Beobachtung. Anscheinend ist Sonntag hier Waschtag. Wir sahen viele Frauen an diversen Bächen ihre Wäsche schrubben. Etwas archaisch und aus ökologischen Gründen eigentlich nicht zu empfehlen, aber soweit so gut, wir sind hier eben in Peru. Daneben auf der Strasse aufgereiht aber standen die - meist doch recht modernen - Autos, mit denen die Ehemänner die Señoras dorthin gefahren hatten. Man wäscht also - wie bei uns im Mittelalter - am Bach, fährt aber mit dem Auto hin?

Andererseits haben wir seit La Oroya viele Esel auf der Strasse oder daneben gesehen. Hier sind sie - im Gegensatz zu vor Huancayo - überhaupt nicht scheu. Und sie sind für den Lastentransport durchaus noch weit verbreitet und werden oft von Leuten getrieben, die - wo man Empfang hat - angeregt am Handy plaudern. Nochmals Vergangenheit und Gegenwart kombiniert. Man sollte sich hier über nichts mehr wundern.

Auch nicht darüber, dass die schöne Asphaltstrasse sich innerhalb von wenigen Metern in ein totales Trümmerfeld verwandeln kann. Während etwa 2 km holperten wir wieder über Steine und wurden eingestaubt. Das alte Lied, widerlich! Danach kam wieder eine Art Asphalt, allerdings unterbrochen von diversen grossen Löchern und Abschnitten mit Schotter und teilweise so zerrissen und erodiert, dass man kaum mehr fahren konnte.

Wir übernachteten in der kleinen Ortschaft Huariaca, wo uns das Hostal Rosa empfohlen wurde. Wegen der Empfehlung überprüften wir die Matratzen nicht so genau wie sonst, stellten dann aber fest, dass darauf schlafen eher unbequem wäre. Also wendete ich den Trick an, der schon in Huancayo Anwendung gefunden hatte. Ich platzierte meine eigene aufgeblasene Matte darunter, was die Delle in der Mitte des Bettes recht gut ausgleicht. Optimal ist das vielleicht nicht, funktioniert aber nicht schlecht.

Wir befanden uns in Huariaca noch auf knapp 3'000 m, darum frohren wir tags darauf bei der Fortsetzung der insgesamt etwa 115 km langen Abfahrt nicht wirklich. Leider fand auch die Trümmerstrasse hier ihre Fortsetzung, mal besser, mal schlechter. Trotzdem hatten wir die 70 km bis nach Huánuco bis 11 Uhr geschafft. Die Plaza zu finden, war hier nicht so einfach wie in Huancayo, die Strassen waren enger und der Verkehr chaotischer. Wir checkten über sechs Hostales und Hospedajes ab, bevor wir uns für das Hostal Beijing entschieden. Auch hier sind Unterkünfte eher teuer, Innenhöfe für Velos gibt es nicht und gewisse Angestellte verhalten sich so desinteressiert, dass man fast meint, sich für die Störung entschuldigen zu müssen.

Am Nachmittag hatten wir eine doppelte Einführung in touristische Sehenswürdigkeiten der Region erhalten, einmal bei der Policía Turistica, die aber keine Stadtpläne mehr hatte, einmal bei der Promoción Turistica, die uns welche gab. Deshalb machten wir gestern Morgen einen Ausflug zum Centro Arqueológico Kotosh, etwa 5 km von Huánuco. Dort gibt es 4'000 Jahre alte Tempelruinen der Mito-Kultur. Sehr gross ist der Komplex nicht, das am besten erhaltene Gebäude ist der Templo de Manos cruzadas, der Tempel der gekreuzten Hände. Davon gibt es zwei Paare, je links und rechts der grossen Nische an der Wand.



Wir hatten eigentlich vor, nur zwei Nächte hier zu bleiben. Da jedoch Martinas Bein schmerzte und wir eine wirklich harte Etappe vor uns haben, werden wir drei Nächte bleiben (was heisst, wir können zweimal ausschlafen!!). Wir haben dann nochmals zwei hohe Pässe (knapp 4'000 und 4'880 m) zu überqueren, dann folgt eine lange Abfahrt nach Huaraz und dann Trujillo, welches auf Meereshöhe liegt.

Der urspüngliche Titel dieses Textes sollte eigentlich heissen "Ein Kreuz kommt selten allein". Seit wir wieder auf Asphalt fahren, hat die Anzahl Kreuze am Strassenrand massiv zugenommen und meistens steht dort nicht eins, sondern gleich mehrere kleine Gedenkhäuschen. Wenn man sieht, wie hier gefahren wird, erstaunt das zwar eigentlich nicht, aber Busunfälle scheinen hier mit einiger Regelmässigkeit vorzukommen.



Was mich wieder zu einem meiner Lieblingsthemen bringt, den Autofahrern. Hier ist Staub kein Problem mehr und man sollte meinen, auch das nahe Überholen hätte sich erübrigt. Leider ist dem nicht so. Es gibt zwar meistens einen Seitenstreifen, wo man relativ gefahrlos radeln kann. Wenn nun aber ein Bus vorbei will, aber wegen Gegenverkehr nicht auf die andere Spur ausweichen kann, kann's schon mal kritisch werden. Ein paar Lastwagen haben in dieser Situation gewartet bis sie mit Abstand vorbeifahren konnten, Busfahrern kommt das nicht in den Sinn. Und wenn so ein riesiger Bus mit knapp 50 cm Abstand durchblocht, dann ist das schon sehr unangenehm. Davon abgesehen, dass der Sog, der einem manchmal in die Strasse zieht, wegen nachfolgendem Verkehr ziemlich gefährlich ist.

Auch toll ist die Erfahrung, sich auf der eigenen Spur plötzlich mit einem frontal entgegenkommenden Auto konfrontiert zu sehen. Das kommt in Situationen vor, in denen die Aufmerksamkeit nicht in erster Linie der Strasse, sondern angreifenden Hunden gilt. Da gerät man leicht vom Seitenstreifen auf die offizielle Fahrbahn. Ab und zu einen Blick in den Rückspiegle ist ja möglich und mit Gegenverkehr rechnet man aber auf seiner Seite (fälschlicherweise) nicht. Der Schock ist entsprechend gross, wenn man dann trotzdem einem Auto gegenübersteht, dem man gerade noch knapp ausweichen kann. Mit Überholen 10-20 Sekunden zu warten, scheint für viele Fahrer keine Option zu sein.

Das war nun der Link zu einem weiteren, langsam aber sicher nervig werdenden Thema, den Hunden, die sogar die Kreuze aus dem Titel vertrieben haben. Bekanntlich mag ich Hunde ja sehr gerne und es braucht viel, um mich negativ gegen sie zu stimmen. Seit Huancayo sind die Viecher aber nahe daran. Nicht, dass bellend hinterher rennen etwas Neues wäre, aber dass auch tatsächlich zugeschnappt wird, das kam bisher nicht vor. Hier nun schon zweimal bei Martina und einmal bei mir. Erwischt haben die Köter nichts, oder nur Stoff, aber unsere Stimmung hat klar umgeschlagen.

Fairerweise muss man sagen, dass nur etwa die Hälfte der Hunde ein Problem sind. Die andere Hälfte lässt sich nicht stören bei was immer sie gerade am tun ist, sei das am Strassenrand schlafen, über die Strasse spatzieren oder einfach nur in die Luft gucken. In Huancayo z.B. schlief einer in einem Loch im äusserst belebten Trottoir gleich neben der Hauptstrasse. Rund die Hälfte der bellenden Nichtsnutze wäre auch kein Problem, wenn sie nicht von ihren fiesen Kollegen zum Angriff angestiftet würden. In letzter Zeit treffen wir öfter auf mehrere Hunde, die sich gegenseitig so richtig in die Velojagt hineinsteigern.

Was kann man tun? Ignorieren, das habe ich bisher gemacht, seit ich geschnappt wurde, ist das keine Option mehr. Sprinteinlagen, allerdings schwierig bergaufwärts und Hunde rennen ohnehin verdammt schnell. Danach treten, bringt aber nur ganz kurzfristig Erfolg, wenn überhaupt. Anhalten, wäre eigentlich das Beste, meistens hauen sie dann ab. Habe aber keine Lust, die ganze Zeit anzuhalten, nur wegen diesen elenden Kläffern und/oder Beissern. Wir haben auch schon den Spiess umgedreht und sind auf die Hunde losgefahren, das funktioniert aber nur, wenn sie von vorne kommen und wenn kein Verkehr herrscht. Steine schmeissen haben wir noch nicht getestet, könnte aber noch kommen.

Bleibt ein weiteres, nerviges Thema, dass ich mir mal von der Seele schreiben muss, die südamerikanische Version von Abfall"entsorgung". Wie das in Argentinien und Chile gelaufen ist, weiss ich nicht mehr, ganz so übel kann es nicht gewesen sein, sonst wäre es mir in Erinnerung geblieben. Seit Bolivien scheinen aber Abfalleimer unbekannt zu sein. Da wird einfach alles auf die Strasse geschmissen, in Städten, Dörfern oder ausserhalb jeder Ortschaft. Selbst auf Plazas, wo es i.d.R. sogar Eimer gibt, sind die Wiesen mit Müll bestreut. Oft gibt es regelrechte Müllhalden, meistens am Stadtrand oder in Fluss- oder Bachbetten.



Speziell widerlich sind einzelne oder gleich haufenweise verschissene Windeln, die draussen in der Landschaft, aber auch in den Strassen der Städte herumliegen, wahlweise zusammengeklebt oder offen. Auch Farbe wird einfach auf der Wiese bzw. im Strassengraben entsorgt, zusammen mit allem anderen, was nicht mehr benötigt wird. Entlang der Strassen gibt es zwar oft Schilder, die Abfall wegwerfen verbieten oder zu mehr Umweltschutz aufrufen, diesbezüglich scheinen aber die meisten Leute noch Analphabeten zu sein. Es juckt einfach keinen, wenn das ganze Land zur Müllhalde degradiert wird. Schade, es wäre so schön hier.



Heute Morgen in Huánuco haben wir uns dafür wieder einmal amüsiert. Wir waren gerade wieder bei der Touri-Info um herauszufinden, wie wir morgen aus der Stadt hinauskommen. Plötzlich hörten wir Sirenengeheul, was wir aber zuerst ignorierten. Dann wurden wir aber aus dem Gebäude hinausgeschickt, zusammen mit allen anderen Leuten. Anscheinend fand gerade eine Übung für den Fall eines Erdbebens statt. Draussen standen Polizei- und Rettungswagen und alle hatten die Sirenen laufen, ein Höllenkrach. Oben an der Hauswand hing ein Polizist, der gerade die Evakuvierung einer Person übte. Ob das im Ernstfall wirklich gut käme?

Mittwoch, 11. August 2010

Ayacucho - Huancayo: Nur ein "halber Pass"

Wir sind eines kühlen Morgens in Ayacucho losgefahren durch das morgendliche Verkehrschaos und haben, da es einige Kilometer bergab ging, erst mal ziemlich gefroren. Die Landschaft war interessant, recht "wüstig", trocken und voller Kakteen. Da gab es sogar eine riesige Tuna-Plantage. Das hat nun nichts mit Tunfisch zu tun, Tuna heisst hier die Frucht eines Kaktuses, rot, süss und megafein. Leider haben wir keine reifen Früchte gefunden, und einfach mitnehmen ginge ja bei einer Plantage eh nicht.

Kaktus mit Tuna-Früchten.


Als es so richtig warm wurde, begann auch schon die erste Steigung des Tages. Wobei dieses Pässli nur etwa 400 m hoch war und uns zwar ins Schwitzen brachte, sonst aber nicht weiter erwähnenswert war. Die Abfahrt nach Huanta machte trotzt des unebenen Asphalts natürlich Spass. Die Stadt hatte eine hübsche, mit grossen Bäumen und schönen Blumen bewachsene Plaza, wo wir zu Mittag assen.

Danach war wieder fertig Asphalt, wir holperten langsam über Steine und durch Staub und liessen uns von vorbeirasenden Autos einpudern. Lange Steigungen gab es nun keine mehr, dafür waren sie umso steiler und es wurde dort unten im Tal umso heisser. Und zur Feier des Tages gab es dort natürlich auch Armeen von Zancudos. Das sind ganz kleine Biester, kleiner als Fruchtflieglein, die sich auf Überfälle auf Velofahrer spezialisiert zu haben scheinen. Anti-Brumm wirkt zwar gut, ist aber in Kombination mit Sonnencreme, Schweiss und Staub absolut widerlich. Dazu wurde unser Vorrat langsam knapp und wir hatten vergessen, in Ayacucho irgendeinen Ersatz zu kaufen. Also mussten wir sparen. Das Problem bei diesen Viechern ist, dass sie wirklich jeden Quadratmilimeter Haut finden, der nicht eingesprayt worden ist, wie z.B. Achselhöhlen, Finger oder Handflächen. Und ihre Stiche beissen noch Tage, ja Wochen später. ¡Sausieche!

Am späteren Nachmittag erreichten wir Mayocc und suchten uns eine Hospedaje. Leider war das Kaff klein und die beiden "Hostales" nicht wirklich berauschend. Womit wir grundsätzlich keine Probleme hätten. In dem einen Haus wurde mir aber gesagt, dass es eine Dusche (mit kaltem Wasser) und ein funktionierendes WC gäbe, was schliesslich den Ausschlag gab, uns dort einzuquartieren. Als wir uns installiert hatten, stellte sich jedoch heraus, dass es kein fliessendes Wasser gab. Man konnte sich an einer Wassertonne waschen und Wasser aus einem anderen Kübel ins Klo schmeissen, als Spülersatz. Dieses System kennen wir ja, blöderweise funktionierte es hier kaum, was zu nicht sehr angenehmen Zuständen führte. Mitten in der Nacht kamen dann noch weitere Gäste (so um halb eins etwa), die eine halbe Stunde in der Gegend rumlärmten, bis Martina leicht gereizt um Ruhe bitten ging (halbwegs erfolgreich). Am Morgen bezahlten wir darum etwas weniger als abgemacht, wir fühlten uns doch etwas verarscht. Ganz fair war das vielleicht nicht, da wir uns am Abend, nach Entdeckung der "Mängel" nicht beschwert hatten, aber seit wir die vielen Stiche oder Bisse irgendwelcher Bichos, die dort offenbar in den Betten wohnen, entdeckt haben, habe ich diesbezüglich kein schlechtes Gewissen mehr.

Also, an alle Reisenden: Wenn ihr könnt, vermeidet es, in Mayocc zu übernachten, und falls ihr die gelbe Hospedaje wählt, Vorsicht, ihr seid nicht allein in den Betten.

Wüste mit Kakteen und Dornbüschen.


Der nächste Tag wurde ähnlich hügelig. Bald waren wir genervt über das ewige auf und ab auf der schlechten Strasse. Wir trafen ein Deutsches Radlerpaar auf einer sechswöchigen Tour, schwatzten etwas und strampelten weiter. Wir hofften, im Dorf La Esmeralda etwas gegen die Mücken zu finden, fanden aber nichts brauchbares, das Dörfli war aber auch recht klein. Manchmal ist uns echt nicht klar, nach welchen Kriterien Ortschaften auf der Landkarte verzeichnet sind. Kleine Käffer sind drauf, grössere Dörfer fehlen. Absolut unlogisch. Der Hügel kurz nach der Ortschaft brachte uns dann fast zum Verzweifeln. Es war brütend heiss, die Strasse steil und in den Kurven soffen wir fast ab im Staub. Ca. 60 km nach Mayocc campten wir am Flussufer, eigentlich ein schöner Ort, an dem das Hochwasser jedoch viel Abfall deponiert hatte.

Tag Nr. 3 brachte auch viel auf und ab, aus einem mir unerklärlichen Grund war das gefühlsmässig aber mehr ab als auf, trotzt der etwa 350 Höhenmeter, die wir am Abend mehr hatten. Das Tal des Río Mantaro hatte sich an jenem Tag so stark verengt, dass wir eher durch eine Schlucht fuhren. Landschaftsmässig wäre das zwar cool gewesen, leider wurde die Strasse an vielen Stellen sehr eng und wir mussten öfter anhalten, um Laster durchzulassen. An dieser Engen Stelle fanden wir auch heraus, warum der Fluss, dem wir jetzt fast zwei Tage gefolgt waren, so ein läppisches Rinnsal war. Das liegt nicht an der Trockenheit, sondern am Staudamm, wo alles Wasser geklaut wird.



Nach diesem fast gemütlichen Tag fuhren wir auf die Plaza de Armas von Izcuchaca, wo wir wieder ein Hostal suchten. Entsprechende Schriftzüge gab es sechs, tatsächliche Unterkünfte zwei, vielleicht drei, aber an einem Ort wurde die Tür nicht geöffnet. Das Hostal an der Plaza war uns zu teuer, beim anderen schien der Typ, den Martina dort fand, nicht an uns interessiert zu sein. Was nun, weiterfahren und auf einen Campplatz hoffen? Ein Junge bot uns dann die Hospedaje seiner Tanta an, die sich als die mit dem uninteressierten Herrn herausstellte. Die Tante des Jungen war aber ok, die Unterkunft auch einigermassen.

Anscheinend mag die Familie, der das Hostal gehört, Meerschweinchenfleich. Jedenfalls gab es dort einen recht grossen Stall, wo diese gezüchtet werden. Die waren aber ganz scheu, sobald man sich dem Stall annäherte, rannten alle wie wild durcheinander, die scheinen zu wissen, dass Menschen für sie gefährlich sind. Immerhin haben wir unsere Allgemeinbildung etwas erweitern können und wissen jetzt, dass ein Meerschwein mit vier Monaten geschlechts- aber auch schlachtreif ist. Gefüttert werden die nur mit Klee, anscheinend ist hier kein Kraftfutter nötig.

Meerschweinchenzucht in vierstöckigem Stall.


Was es in Izcuchaca wie in so vielen anderen Städten in Peru gibt, sind dreirädrige Mototaxis. Die sehen bieder bis schneidig aus und flitzen wie wild durch die Strassen. Sie kümmern sich kaum um irgendwelche Regeln, biegen ab und bremsen ohne Vorwarnung und sind teilweise recht lästig. Die in Izcuchaca sahen aber wenigstens cool aus.



Gestern dann wartete wieder einmal ein Pass auf uns, die Abra Tellerin (Alto de Imperial gemäss Profil). 1'000 Höhenmeter, alles asphaltiert. Pha, locker vom Hocker, wir haben schon übleres gesehen. Wir kamen in der morgendlichen Kühle gut voran. Christian, wir teilen Deine masochistische Ader, die lieber auf Kies fährt, nicht. Wir genossen es in vollen Zügen, nicht dauernd eingestaubt, nicht im Minutentakt in die Dir wohlbekannten Kiesanhäufungen gedrängt zu werden und gefahrlos die Landschaft anschauen zu können ohne in Kies oder auf Steine abzudriften.

Ca. um zehn Uhr waren wir schon im Dorf Acostambo, wo wir Früchte, Chips und komische farbige, süsse Dinger kauften. Wir plauderten eine Weile mit der Besitzerin des Ladens, die sehr an unserer Reise interessiert war und fand, wir sollten doch in Peru bleiben, es gäbe hier noch viele Männer ohne Frauen. Wir meinten aber, wir seien nicht sicher, ob wir und peruanische Machos kompatibel seien.

Weiter oben, ein paar Kilometer vor der Passhöhe trafen wir ein Paar Velofahrer aus Österreich und verbrachten etwa eine halbe Stunde mit Informationsaustausch. Sie empfahlen uns ein "nicht so teures" Hotel in Huancayo, das habe nur 70 Soles gekostet. Hä, wie bitte??? Nicht so teuer heisst für uns zwischen 10 und 15 Soles, 70 kämen für uns nie in Frage. Wir verabschiedeten uns und sechs Kilometer später waren wir schon oben, das war wirklich nur ein Pässli gewesen und der Vormittag hatte trotzt zwei längeren Pausen locker ausgereicht, um da raufzukommen.

Während unseres Mittagessens oben auf dem Pass beobachteten wir eine eher seltsame Praktik, mit der die Leute hier ihre Felder "behandeln". Die abgeernteten Felder werden einfach abgefackelt. Welchem Zweck das dient, wissen wir nicht, was uns daran aber störte war, dass nicht nur die Felder, sondern auch der halbe Hügel brannte. Interessanterweise beeinträchtigte das die daneben weidenden Rindviecher überhaupt nicht, die scheinen sich das gewöhnt zu sein. Eine wirkliche Erklärung für die riesigen schwarzen Flächen auf dem Pass vor Ayacucho war dieses absichtliche Abbrennen aber nicht, dort oben hatte es keine Felder gegeben. Allerdings wissen wir nicht, wie weit Funken fliegen und allenfalls weit entferntes Gras in Brand setzen können.

Leider brennen nicht nur die Felder.


Nun endlich wieder eine anständige Abfahrt, bei der man so richtig sausen lassen und Geschwindigkeiten von über 60 km/h erreichen kann. Trotzt einigen Pässen hatten wir das lange vermisst, auf steinigen Pisten ist eben nix mit flitzen, speziell der Abstieg nach Ayacucho war richtiggehend anstrengend gewesen. Leider war nach 20 km schon wieder Schluss, wir waren unten im Tal angekommen. Nach nur wenigen flachen Kilometern fuhren wir unter einem Band "Bienvenidos en Huancayo" durch und folgten kurz darauf einem Wegweiser zur Plaza de Armas. Dass wir dort nicht in Huancayo waren, merkten wir rasch und liessen uns von ein paar Mädchen den Weg in die Stadt beschreiben.

Der Weg dorthin war politisch einigermassen interessant. Hier scheinen bald Wahlen anzustehen und jede freie Hauswand wird mit den Namen und Wahlsprüchen der Kandidaten zugepinselt. Die Parteien haben hier Symbole (wohl wegen den immer noch vielen Analphabeten). Das sind z.B. eine rote Hand, eine Kartoffel, Schaufel, Baum, Pickel, Traktor, Llama etc. Es gilt Leute zu wählen auf Ebene der Region, Provinz und Distrikt und irgendwelche Consejeros, Berater. Damit die Leute auch ja wissen, wie das funktioniert, steht an den Hauswänden sogar, wie man das richtige Symbol ankreuzt.



Was mir in den letzten Tagen dazu aufgefallen ist, ist dass nur ganz wenige Frauen politisch aktiv sind. Hier vor Huancayo sah ich zwei Frauennamen, die als "Alcaldesas" kanditierten, insgesamt habe ich das vielleicht drei oder vier Mal gesehen. Sonst scheint die Politik hier in Männerhand zu sein. Es gibt also auch hier noch viel Verbesserungspotential:-)

Nach vielleicht 45 Minuten leichten auf und abs hatten wie die gewünschte grosse Stadt gefunden, was am chaotischen Verkehr leicht zu erkennen war. Als wir neben einer Plaza an einer Ampel warteten, sprach uns eine ältere Señora an, stellte ein paar Fragen und hiess uns dann ganz herzlich willkommen in Huancayo. Die Leute sind eben nett, wie immer:-) Aufgrund von Empfehlungen von anderen Reisenden und dem Southamerica Handbook hatten wir zwei Hostales geshortlistet. Da wir aber an diversen Anderen vorbeifuhren, checkten wir die auch ab. Huancayo ist in Sachen Hostales tatsächlich ein teures Pflaster. Mit der "Casa de la Abuela" sind wir aber recht zufrieden. Dort wohnen auch ein Perro Loco, eine etwas durchgeknallter Hund, ein Loro Loco, ein einsamer, Aufmerksamkeit suchender Papagei und eine scharze Katze.

Verschmuster Papagei will nicht mehr weg.


Da ich schon seit Cusco ein Problem mit meiner Gangschaltung hatte und die Flaschen-Bicicleterias in Ayacucho keine Ahnung von Velos hatten, fragte ich hier nach einem guten Velomech. Der Besitzer der Casa de la Abuela brachte mich kurzerhand zu einem Freund, der eine Bicicleteria besass. Dort dauerte das dann etwa zwei Minuten und die Schaltung funktionierte wieder. Nach weiteren drei Minuten war auch mein Vorderrad wieder zentriert. So hatte ich mir das etwa vorgestellt. (Die Probleme sind wohl im Deposito im Estrellita entstanden, als dort viele Velos auf engem Raum zusammengepfercht gewesen waren.)

Da wir am ersten Abend in Huancayo dringend Geld brauchten, gingen wir ins nur einen Block entfernte Einkaufszentrum. Das ist eine topmoderne Shopping Mall, ganz im amerikanischen Stil. Neugierig schauten wir uns die Läden und den Food Court an und fühlten uns wie im falschen Film. Nicht nur der Stil, auch die Preise waren eher nord-, denn südamerikanisch. Im Supermakt waren wir einerseits wie im siebten Himmel ab all den feinen Sachen, die es dort zu kaufen gab (wir waren, wie fast immer, recht hungrig), die Preise überstiegen unser Budget aber bei weitem. Der Laden und die ganze Mall waren jedoch voller Leute, und zwar Einheimischen, Touris sahen wir keine. Abgesehen davon, dass die Indígena-Frauen optisch nicht in diese Umgebung passten, fragten wir uns, wie sie sich die Waren dort leisten konnten. Gestern haben wir einen etwas kleineren und günstigeren Supermercado gefunden, warum sollte jemand, der hier wohnt, für exact das selbe Produkt mehr bezahlen wollen?

Gestern haben wir auch die uns mitterweilen vertrauten Mercados und kleinen Lädeli gefunden, da fühlten wir uns schon bedeutend wohler als in der Ami-Mall. Hier einmal etwas zu diesen Mercados, die ich glaub auch noch nie im Detail erwähnt habe (sorry falls doch):

Die Gemüse- und Früchte-Abteilungen sehen ähnlich aus wie bei uns auf Märkten, dazu soweit nichts Spezielles. Käse gibt es natürlich auch, wobei der Anblick von unverpackten und ungekühlten Käse für uns zwar etwas ungewohnt ist, optisch und geruchlich ist das jedoch kein Problem (das ist immer eine Art Frischkäse ohne viel Geruch oder Geschmack). Die Fleischabteilungeh jedoch könnten manchmal einen europäischen Magen umdrehen. Die Hühner, z.T. halbe Kühe und Schweine oder auch zerkleinertes Fleisch liegen und hängen da tagelang herum, Kühlung gibt es keine, zugedeckt wird auch nichts. Die Fliegen finden das toll, für die Einheimischen ist es normal und für uns einfach widerlich. Wo es diese Abteilungen auch wirklich gibt, geht das ja noch. Dort kann man Fleisch und Fische vermeiden. In Ayacucho z.B. war aber alles durchmischt und die toten Viecher dort rochen schon recht stark. Wenn der Magen eh schon nicht perfekt drauf ist, kann das durchaus kritisch werden.



Hühnerkrallen und -köpfe gibt es auch einzeln zu kaufen.


Auch Coca gibt es hier in rauen Mengen.


Da in diesen Märkten jedoch auch die bekannten Saftstände sind und man dort Früchte, Gemüse und auch andere Sachen am günstigsten bekommt, lassen sie sich kaum umgehen. Und wenn man einen neuen Markt betritt, irrt man eben erst eine Weile in der Gegend herum, bis das Gesuchte gefunden ist. Und schliesslich will man auf einer Reise nicht nur Supermercados sehen, sondern die Realität der Leute, auch wenn die manchmal nicht unseren Gewohnheiten entspricht.

Da anscheinend auch hier in der Stadt viele Leute ihre eigenen Cuys (Meerschweinchen) züchten, gibt es auf dem Markt auch grosse Büschel Klee und Gras zu kaufen. Und die Leute hier scheinen auch leuchtende Farben zu mögen, darum werden auf der Strasse bunte Bänder in allen Variationen verkauft.



Und hier mal etwas zu peruanischen Autofahrern, die bei Radfahrern einen schlechten bis miserablen Ruf haben: Wie man das ja aus anderen lateinamerikanischen Ländern kennt, wird grundsätzlich beim Vorbeifahren gehupt. Ich bin aber zur Erkenntnis gelangt, dass das meistens als "Hola" gemeint ist. Ein Grossteil, vor allem der Lastwagenfahrer, winkt auch freundlich. D.h. sie sind uns gegenüber gar nicht so gleichgültig oder gar negativ eingestellt. Aus mir unerklärlichen Gründen blochen aber viele, vor allem PW- und Busfahrer, aber ohne zu bremsen oder auszuweichen knapp an uns Velofahrern vorbei, wehe dem, der selber nicht Platz macht. Das Nicht-Ausweichen gilt in erster Linie für Kiesstrassen, auch dort, wo es locker genug Raum dafür gäbe. Auf schönen breiten Asphaltstrassen, wo wir eh (falls vorhanden) meistens auf dem Seitenstreifen fahren, machen die Autos dann eine Riesenkurve um uns herum. Und trotzdem wird man von entgegenkommenden, Kurve schneidenden Autos fast auf die Hörner genommen. Für mich sind das alles sehr widersprüchliche Verhaltensweisen, die ich mir nur damit erklären kann, dass den Fahrern schlicht nicht bewusst ist wie gefährlich und rücksichtslos ihr Verhalten ist, und dass sie keine Ahnung haben, wie viel Staub ihr Auto auf einer Naturstrasse eigentlich aufwirbelt. Dafür spricht auch, dass man, wenn man nicht sofot zur Seite weicht, sondern sich damit etwas Zeit lässt und die Autos damit zum Bremsen oder sogar zum Halten zwingt, trotzdem noch gegrüsst wird. Das heisst doch, die Typen hier sind durchaus nett, sie kommen aber schlicht und einfach nicht auf die Idee, langsam und vorsichtig vorbeizufahren¿?!

Donnerstag, 5. August 2010

¡La carretea es un poco mal!

Jaja, scho guet, das glaubed mer ja. Nicht so gute Strassen sind ja nichts neues. Dummerweise heisst "nicht so gut" hier in Peru eher katastrohal. Diese "Strasse" nach Ayacucho war mit Abstand das Schlimmste, was wir je befahren haben, die Bachbett-Strasse auf der Lagunenroute inbegriffen. Malissimo und polvissimo wäre der hier eher zutreffende Begiff bewesen.

Aber von vorne: Am 30. Juli verliessen wir Andahuaylas und genossen erst mal das leichte Gefälle. Wir fuhren durch das Dörfli Talavera, was für mich ehe nach Bünderland als nach Peru klingt. Dann begann wieder einmal der Ernst des Velofahrens, d.h. die Steigung zum nächsten Pass, der etwa 4'200 m hohen Abra Soracocha, wobei wir auf einer Höhe von ca. 2'900 m starteten, also nur etwa eine halbe Portion.

Die Strasse begann schmal und steil und es war schon am frühen Morgen sonnig und heiss. Eine höchst unglückliche Mischung. Zu allem "Übel" waren die Leute auf jenen Kilometern wenn auch nicht direkt unfreundlich, aber doch extrem gleichgültig und ignorierten uns total. Ein Bischen höher oben wurden wir schon wieder mit Lächeln und anfeuernden Zurufen begrüsst. Im ersten grösseren Dorf, Moyabamba, umringte uns eine Schar Kinder, die uns Löcher in den Bauch fragten. Von wo wir kämen und wohin wir unterwegs seien, ob wir Ersatzteile dabei hätten und was wir bei einem Platten machen etc. etc. Ganz stolz erzählten sie uns auch, dass die grosse Baustelle im Dorf ihr neues Schulhaus sei, das nächstes Jahr eingeweiht würde. Das war wieder einmal der Moment, Fotos zu machen und den Namen ihres Lehrers und des Dorfes aufzuschreiben und zu versprechen, die Fotos zu schicken.

Als wir es geschafft hatten, weiterzufahren, erreichten wir kurz darauf das nächste, noch grössere Dorf Nueva Esperanza. Dort gab es ein richtiges Dorfleben mit Markt, Lädelis und, wer sagt's denn, einem Saftstand. Grund genug zu einer weiteren Pause. Auch in diesem Ort waren die Leute wieder sehr interessiert und nutzten unseren kurzen Aufenthalt um etwas mehr über die radelnden Gringas zu erfahren.

Wegen den Bauarbeiten ging es auf einem Desvío, einer Umleitung weiter. "Se van a dar la vueeelta" wurden wir gewarnt. Das klang nach einem Riesenumweg und wir machten uns schon auf mindestens 20 km zusätzlich gefasst. Die Vueeelta stellte sich aber als winzige Umleitung von wenigen Kilometern heraus. Die Bus- und Lastwagenfahrer dort waren sehr hilfsbereit und richtig besorgt um die beiden Damen und erklärten uns wiederholt ungefragt den Weg nach Ayacucho, damit wir uns auch ja nicht verirrten. Sehr nett, aber die Umleitung war eigentlich unperuanisch gut beschildert.

Ich war ja vor der Unanständigkeit der Bauarbeiter gewarnt worden, und dass sie mit der Zeit extrem lästig würden. Nicht bei uns. Wir wurden freundlich gegrüsst, manchmal wurden ein paar Fragen gestellt, und die Lastwagenfahrer waren sogar rücksichtsvoll, was uns bisher noch kaum je passiert ist. Anscheinend muss die Baustelle und die dort arbeitenden Männer aber doch irgendwie tödlich gefährlich sein. Jedenfall implizierten das die dort verwendeten Absperrbänder.



Am späteren Nachmittag fragten wir ein paar Arbeiter, ob es weiter oben Wasser und flache, zum campen geeignete Orte gäbe. Nein, Wasser gäbe es keines mehr, aber wir sollen doch unsere Flaschen bei ihrem Kanister füllen. Ok, vielen Dank, das nahmen wir natürlich gerne an. Den Campplatz fanden wir kurz darauf neben vielen Erdhaufen, die uns vor Wind und unerwünschten Blicken schützten. Da dort auch Baumaschinen übernachteten, war der Platz sogar bewacht. Wahrer Luxus.

Wir befanden uns auf über 4'200 m und die Nacht und vor allem der Morgen wurden ganz schön kühl und wir standen ein wenig später auf als sonst. Als wir gerade am Zelt aufräumen waren, kam ein Maschinist zu uns herüber um etwas zu schwatzen und uns wieder Wasser anzubieten. Da das so nett ist und wir nur noch etwa drei Kilometer bis zur Passhöhe hatten, füllten wir alle Flaschen auf.

Die Abfahrt, auf die wir uns so gefreut hatten, wurde dann allerdings ein Bischen ein Murks. Die Strasse war schlecht und wir konnten nie so richtig sausen lassen. Aber Hauptsache abwärts. Am ersten Dorf, Uripa fuhren wir vobei in der Absicht, unsere Vorräte im nächsten Ort, Chincheros, aufzufüllen. Das hat nur halbwegs geklappt, da der Markt in Chincherso recht verlassen war und es nur winzige, nicht sonderlich gut sortierte Läden gab. Aber da wir schon am nächsten Tag durch weitere Dörfer kommen würden, war das nicht weiter tragisch.

Landschaft im Tal unterhalb Chincheros


Je weiter ins Tal wir kamen, umso heisser wurde es und wir hielten Ausschau nach dem nächsten Dorf, wo es hoffentlich ein kühles Cola gäbe. Das Dorf fanden wir, das Cola auch, aber leider lauwarm. Für Martina kein Problem, für mich untrinkbar. Umso happier, als wir nach ein paar weiteren Kilometern ein kleines Lädeli mit Glacés fanden. Das Lúcuma-Cornet konnte zwar nicht mit dem selbstgemachten Glacé vor Curahuasi mithalten, kam aber trotzdem gerade richtig. Auch die Leute, die vor dem Haus sassen, waren interessant. Einer der Männer wusste sogar, dass das IKRK in der Schweiz gegründet wurde. Wow, der Durchschnittsperuaner weiss nicht, wo die Schweiz liegt, und hier weiss man, dass sie das Ursprungsland des Roten Kreuzes ist!

Und weiter ging's. Wir verschmachteten fast und waren überglücklich, als wir einen kleinen Bach fanden, wo wir die T-Shirts nass machen konnten. Allerdings kühlte das nur ein paar läppische Minütchen, dann war alles wieder trocken. Wir befanden uns auf etwa 2'000 m, was hier sehr tropisch ist.

Auf der Suche nach einem Platz zum übernachten, fuhren wir auf einem Sandweg zum Flussbett hinunter. Wegen vielen Dornbüschen suchten wir unser Camp sorgfälltig und mit genug Abstand zu den Büschen aus. Dachten wir jedenfalls. Dass die ganze offene Fläche mit kleinen Dörnlein bestreut war, merkten wir erst, als es zu spät zum weiterfahren war. Martina hatte das Zelt schon aufgestellt und ich war gerade am Flicken eines Platten, den mir ein grössere Dorn zugefügt hatte. Diese Nacht schliefen wir nicht sehr gut, da wir uns nicht trauten, die aufblasbaren Matten auf diesen Boden zu legen.

Río Pampas, an dessen dornigem Ufer wir gecampt hatten


Als wir am Morgen wieder auf der Stasse waren, checkten wir unsere Reife sehr sorgfältig, zu unserer Erleichterung fanden wir aber keine Dornen mehr und wir hatten tatsächlich auch keine weiteren Platten. Nach ein paar kurzen Minuten hatten wir den Río Pampas erreicht, überquerten die Brücke und begannen die letzten 2'300 Höhenmeter vor Ayacucho. Hier war die Umgebung zur Abwechslung wieder einmal interessant. An Stelle der üblichen Felder war die Landschaft schroff mit felsigen Abbrüchen, die anschliessenden Hügel waren mit baum- und buschartigen Kakteen und Dornbäumen bewachsen.



Natürlich war es dort unten warm, da der Himmel aber leicht verschleiert war, schwitzten wir noch nicht so krass wie auch schon in solch tiefen Lagen. Die wilde, unbewirtschaftete Natur gefiel mir und die Steigung war auch nicht übertrieben. Weiter oben sahen wir dann wieder Felden und nette Leute, die uns zuwinkten. Kurz darauf kamen wir zu einem Haus, wo uns ein vielleicht 10-jähriges Mädchen fragte, ob wir Hunge hätten. Was sie denn zu essen hätte? Suppe. Das waren wohl die Überreste von dem in Peru üblichen Frühstück.

Obwohl wir gerade erst ein Pack Guetsli gegessen hatten, nahmen wir die Einladung an. So sahen wir auch einmal eines dieser Häuser von innen. Viel zu sehen gab es allerdings nicht, eine Art Schlafstatt aus Bambus, zwei Stück Baumstamm als Hocker und eine Feuerstelle. Und da drin wohnt die ganze Familie? Anscheinend schon. Bald kamen auch die Grossmutter, die Mutter und die Tante vorbei. Natürlich lobten wir die Freundlichkeit und die Kochkünste von Diana, unserer jungen Gastgeberin. Wieder machten wir ein paar Fotos, die wir gestern verschickt haben. Hoffentlich klappt das, die Dame auf der Post war nicht so überzeugt von den Angaben auf dem Umschlag.

Weiter ging's, immer den Berg hinauf, immer weiter. Wie glücklich wir waren als wir kurz vor Mittag in Chumbes, einem nicht mal so kleinen Dorf, ankamen. Dort gab es nämlich wieder einen Saftstand. Bingo! Während wir genüsslich am Röhrli saugten, kam ein Minibus mit einer Gruppe französischen Touristen an, die uns Löcher in den Bauch fragten. Leider war mein Französisch wieder mal auf Tauchstation, entweder Französisch oder Spanisch, beides zusammen ergibt zwangsläufig ein Mischmasch. Die hatten aber einen Führer, der netterweise übersetzte.

Am Nachmittag schafften wir gerade noch gute 10 km bis zum nächsten Dorf, Ocros, wo wir um ca. halb vier ankamen. Eigentlich war das noch etwas früh zum bleiben, andererseits hatten wir gerade etwa 1'200 Höhenmeter hinter uns gebracht, und das auf 34 km. Grund genug für eine Dusche. Und die fanden wir auch, in einem kleinen, unscheinbaren Hostal. Das Wasser hier war wärmer als im Hotel in Andahuaylas, und das in einem Dörfli irgendwo in den Bergen!

Was hier in Peru in vielen Ortschaften ein Thema zu sein scheint, ist die Alphabetisierung der Bevölkerung. An so manch einer Hausmauer stehen Sprüche wie der Untenstehende, dass die Alphabetisierten im Vormarsch seien oder dass der Analphabetismus bald besiegt sei. Zusammen mit der Aufforderung, sich einzuschreiben. Keine Ahnung, ob hier nur die Jugend angesprochen ist, oder ob auch ein Grossmütterli, das lesen und schreiben lernen möchte, in die Schule gehen könnte.

¡Los Alfabetisados avanzan!


Früh am Morgen nahmen wir die nächsten 1'100 Höhenmeter in Angriff. Es war bewölkt und damit nicht so heiss, wie es hätte sein können. Aber immer noch warm genug. Und natürlich staubig, wie immer. Wir schafften eine Kurve um die andere, langsam aber sicher gewannen wir an Höhe. Auf dieser Strecke entging ich knapp dem grausamen Attentat eines etwa kopfgrossen Felsklotzes, der sich aus der Höhe auf mich hinunter stürzte und nur um Haaresbreite verfehlte. Wir diskutierten die Sache kurz und kamen zum Schluss, dass der Stein aus eigenem Antrieb gehandelt haben musste, hier gab es keine Menschen, die fies genug wären, Gringas mit Felsen zu bewerfen. Glück gehabt!

Weiter oben weckten am grauen Wegrand leuchtend gelbe und pinke Blumen unsere Aufmerksamkeit. Die sind bestimmt erst an jenem Morgen aufgegangen, sonst wären sie längst auch grau in grau.



Während wir ganz fasziniert die farbigen Flecken knipsten, rief plötzlich jemand Martinas Namen. Es war einer der Bauarbeiter, die uns zwei Tage vorher auf der Abra Soracocha am Morgen Wasser gegeben hatten. Er war mit dem Bus auf dem Weg zu einer anderen Baustelle, wo anscheinend besser bezahlt werde. Ein supernetter Mann, wir wünschten ihm viel Glück bei seiner Stellensuche.

Und weiter im Staub, immer aufwärts. Soweit glich der Tag extrem so vielen anderen Tagen seit Cusco. Aufwärts, aufwärts, aufwärts. Die Strasse mal besser, mal schlechter, in den Kurven fast immer mies. Die Tage verschwimmen ineinander, wir brauchen unsere Tagebücher und das Höhenprofil um sie auseinanderzuhalten, die Landschaft hilft nicht viel, sie ist sich ebenfalls sehr ähnlich. Unten im Tal grün, weiter oben braun-gelb mit Mustern der Felder und eine Strasse, die sich den Hang hochwindet und um enge Biegungen schlängelt. Meistens war der Himmel blau, heute grau verhangen.

Repräsentativ für die Landschaft der letzten Tage


Endlich fast oben auf dem Pass gabelte sich die Strasse plötzlich. Und jetzt? Auf der Karte ist das so nicht verzeichnet und die beiden Pisten sehen gleichwertig aus. Wo sind all die Autos und Busse, die uns zuvor stundenlang eingestaubt hatten? Wir warteten etwa eine Viertelstunde um vom Busfahrer die Information zu erhalten, dass beide Strassen nach Ayacucho führten. Ah, den Verdachte hatten wir ja gehegt, die Gewissheit mussten wir aber schon haben. Also weiter, jetzt fast flach über eine Art Hochebene.

Gegen Nachmittag entdeckten wir zwei Rätsel. Einerseits grossflächige Streifen in den Wiesen, die wir uns nicht erklären konnten. Andererseits ebenso grossflächige "Steppenbrände". Wirklich gebrannt schien es zwar nicht zu haben, es sah eher nach einer Art durchmotten aus, an einigen Stellen rauchte die Wiese noch, die schwarze Fläche breitete sich immer noch weiter aus. Die Streifen verwunderten uns, aber dieses Abfackeln der Weiden war schon eher Besorgnis erregend. War das Absicht oder war das natürlichen Ursprungs? Wir wissen es nicht, haben aber auch am nächsten Tag weitere schwarze Flecken in der Landschaft gesehen, teilweise so alt, dass das Gras schon wieder am nachwachsen war.



Wir campten wieder relativ früh in einem Steinbruch, der Schutz vor Wind und sich ausbreitender verkohlter Wiese bot. Um nicht gesehen zu werden, warteten wir mit Zelt aufstellen, bis unser Platz im Schatten war. Bis dahin legten wir uns in die Sonne und genossen das Nichtstun. Interessanterweise war diese Nacht nicht sonderlich kalt, und das obwohl wir uns auf fast 4'300 m befanden. Wir standen etwas später auf als sonst (5.30 Uhr), da uns ja für diesen Tag 20 mehr oder weniger flache Kilometer und dann die 40 km lange Abfahrt nach Ayacucho erwarteten. Easy also.

Kurz nach dem wir losgefahren waren, sahen wir eine Herde Vicuñas, die erste seit der Lagunenroute in Bolivien. Wir hatten sie schon vermisst, die zierlichen Verwandten der Llamas und Alpakas und befürchtet, dass sie in Peru nicht mehr vorkommen, da auch die hohen, entlegenen Regionen relativ dicht bevölkert sind. Am Vortag hatten wir ein einzelnes Vicuña gesehen, das verzweifelt versucht hatte, über einen Zaun zu springen, der aber zu hoch war. Gerade leicht wird ihnen das Leben selbst hier oben im Nirgendwo nicht gemacht.



Was mir auch auffiel auf dieser mit Hügeln und Püggeln gespickten Hoch"ebene", ist, dass recht viele Nebenstrassen von der Hauptstrasse wegführen. Und einfach so zum Spass sind die ja nicht dort, offensichtlich wohnen dort irgendwo Leute in noch einsameren Gegenden. Und wir fühlten uns schon auf der Hauptstrasse wie abgeschnitten von der Welt (durchaus auch im positiven Sinne). Kein Wunder, ist in der Region um Ayacucho die Sprache Quechua noch sehr lebendig, hier in den "Hügeln" konnten den Spaniern die Ausrottung unmöglich gelingen. Möglicherweise führen diese Strässchen zu Leuten, die nicht einmal Spanisch als Zweitsprache sprechen.

Auch an jenem Morgen sahen wir wieder viele Streifenmuster, die die trockene Puna (hochandines Grasland) durchzogen. Dazwischen gab es kreisförmige Steinmauern, wie die Leute sie hier bauen, um ihre Tiere über Nacht einzusperren. Wir sahen aber keine Häuser und fast keine Viecher. Was also hatte es damit auf sich?



Blaue Betonschilder, die auf "Sitios Arqueológigos" hinwiesen, liessen vermuten, dass das irgendwelche Inka-Hinterlassenschaften waren, aber ausser "Zutritt verboten", stand dort nichts schlaues. Bis wir schliesslich die Lösung dieses Rätsels fanden. Offenbar hatten Archäologen begonnen, diese Streifen auszubuddeln, die sich als Bewässerungskanäle entpuppten. Also wäre diese karge Landschaft durchaus fruchtbar oder war es zumindest einmal gewesen. Diese Kanäle durchziehen die halbe Hochebene, das muss sich doch extrem gelohnt haben, diese immense Arbeit in die Region zu stecken.



Und weiter, immer weiter auf einer hier so schmalen Strasse, dass wir jedes Mal anhalten und zur Seite rücken mussten, wenn ein Lastwagen vorbei wollte. Das hatte aber immerhin den Vorteil, dass die auch langsam fahren mussten, um überhaupt vorbeizupassen. Obwohl wir wohl in den Augen der Fahrer Hindernisse waren, grüssten die meisten freundlich und schienen sich nicht gestört zu fühlen.

Dann kamen wir an die nächste Baustelle, wo die Hauptstrasse gesperrt war. Durchfahrt war erst um Mittag wieder möglich. Es war 10 Uhr, also nahmen wir die Umleitung. Die Dame in orange warnte uns noch "Van bien despacio, la carretera es un poco mal", wir sollten langsam fahren, die Strasse sei nicht sehr gut. Ok, das überraschte uns nicht weiter, und wir waren schlechte Strassen mittlerweile ja gewohnt. Was wir aber hier vorfanden, schlug jedem Fass den Boden raus. "Un poco mal", haha! Der Weg war ähnlich wie jener Teil der Lagunenroute, der uns eher an ein steiles Flussbett, denn an eine befahrbare Strasse erinnert hatte. Dort waren das aber vielleicht 100 oder 200 Meter gewesen, hier wollte diese Piste einfach nicht aufhören. Und dazu war sie noch mit mindestens 5 cm Staub bedeckt, teilweise auch mehr. Und sie war auch hier so schmal, dass wir jedes Mal zur Seite jucken mussten, wenn ein Auto vorbeiwollte. Und Bus- und PW-Fahren sind grundsätzlich nicht rücksichtsvoll und wir wurden einmal mehr fast im Minutentakt eingepudert.

Hier gab auch die "Einsteckvorrichtung" meines Rückspiegels den Geist auf. Kein Wunder, aus irgendeinem Grund hat mein Velo mich ab- und in den Staub geworfen und ist natürlich gleichzeitig selber umgekippt, genau auf den Spiegel. Aus einer Verkettung glücklicher Umstände hatte Martina davon aber ein Ersatzteil dabei. Das muss heute noch montiert werden.
Nach ca. 6 km wurde die Strasse leicht besser, ein Zustand der aber bald wieder behoben wurde. Wir holperten mit etwa 7-8 km/h ins Tal hinunter und vermuteten bald, dass es schneller gewesen wäre, 2 Stunden zu warten und auf der Hauptstrasse zu bleiben. Zu spät, da mussten wir jetzt durch. Im kleinen Dorf Chiara assen wir Zmittag und unterhielten einige Dorfbewohner, die sich sehr für die beiden staubigen Gringas interessierten. Danach war die Strasse leicht besser, d.h. nur noch extrem steinig und keinen Deut schneller zu befahren als vorher.

Auch als wir endlich wieder auf die Hauptstrasse stiessen, beschleunigte sich die Sache nicht. Hier mussten wir an diverse Baustellen warten, teilweise bis zu 20 Minuten. Auch hier waren wir wieder die Unterhaltung der Mitwartenden. Als uns jemand nach unserer Route fragte, holte ich die Karte hervor, was einen unerwarteten Effekt hatte. Innert Sekunden waren wir von Neugierigen umringt, die dann angeregt die markierte Strecke diskutierten. Was war nur so spannend an einer Landkarte, gibt es das hier denn nicht?

Irgendwann ging es weiter, die ganze lange Kolonne, die gewartet hatte. Habe ich schon erwähnt, dass wir bis dahin relativ staubig geworden waren? Weil, hier wurde die Sache noch mit viel Liebe zum Detail ausgebessert, für den Fall, dass zuvor noch ein oder zwei Quadratcentimeter staubfrei geblieben wären. Wir waren so staubbedeckt, dass sogar die Dame im Hostal das witzig fand und jedes Mal wenn sie uns sah, grinsen musste. Wir genossen die Dusche dann auch, obwohl das Wasser längst nicht warm, sondern bestenfalls laukalt war.

Plaza de Armas von Ayacucho



In zwölf Tagen haben wir nun vier Viertausender "überfahren", wir haben schöne Landschaft, aber auch viel vom immer gleichen gesehen. Gemaess Höhenprofil erwartet uns bis Huancayo flachere Landschaft im Flusstal, worüber wir nicht unglücklich sind. Der eine Pass, der dann noch kommt, ist keine 4'000 m hoch. Falls jemand unser tägliches Auf und Ab grafisch dargestellt sehen möchte: Panamerica.ch. Unter "Elevation" kann man auf die Streckenabschnitte clicken, dann erscheinen die jeweiligen Höhenprofile, sehr praktische und auch sonst informative Seite.