Als wir
unsere letzte Etappe starteten, war alles wie erwartet grau und trist. Katrin,
Jörg und Amelie, vielen Dank für die herzliche Aufnahme bei Euch zu Hause, die
Zeit war zwar nur kurz, wir haben sie aber sehr genossen. Erwähnenswert finde
ich, dass Amelie, die Jüngste der Familie, schon weg war als Martina und ich
aufstanden. Sie hat öfters um 7.30 Uhr Schule und da sie immer zu Fuss geht und
einen ziemlich weiten Weg hat, muss sie um 7 Uhr los. Und das in der 2. Klasse,
Respekt! Wir waren nämlich nicht so früh dran, bis wir uns gebührend
verabschiedet hatten, war es irgendwann zwischen 9 und 9.30 Uhr. Wir fuhren
zuerst wieder nach Kappel-Grafenhausen zurück und dann mehr oder weniger
parallel zum Rhein in Richtung Süden. Besonders aktionsreich war die flache
Strecke nicht, das interessanteste war vielleicht, dass wir in Rust am
Europapark vorbei fuhren. Dann kamen wir durch die Dörfer Rheinhausen,
Weisweil, Wyhl, Sasbach und Jechtingen. Es war neblig und kühl, was beim Fahren
ja noch ging, in dieser Suppe Pause zu machen, wäre aber nicht gerade toll
gewesen. Weshalb Martina vorschlug, uns in ein kleines Café zu setzen, was
einstimmig angenommen wurde. Wir hatten schliesslich noch genügend Euros übrig.
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Äh ja, so sah es dort aus.. |
Weitere
Ortsnamen, die wir unterwegs sahen, waren Grezhausen, Hartheim, Bremgarten,
Grissheim, Zienken und Neuenburg. Im Laufe des Nachmittags sahen wir am Horizon
einen gelblichen Lichtstreifen, und das sogar in unserer Richtung. Der Lichtblick
kam näher und am etwa 15 Uhr sahen wir tatsächlich etwas blauen Himmel und
Sonne. Wow, unglaublich. Als wir in Steinenstadt einen Herrn nach einem Brunnen
fragten, bekamen wir gleich noch einen Tipp, wo es eine günstige Unterkunft
gäbe. Hmm, nicht zelten zu müssen wäre natürlich Luxus. Wir fanden den
erwähnten Maienhof sogar und schauten ein Zimmer an. Mega schön, mega gross und
mit viel Stil, 48 Euro fanden wir aber etwas viel. Die nette Dame meinte, in
Schliengen, dem nächsten Dorf, sollte es möglich sein, etwas Günstigeres zu
finden. So kurvten wir weiter durch Wiesen und Felder und guckten in der
nächsten Ortschaft zwei Hotels/Gasthäuser an, die jedoch beide viel teurer
waren. Hmm, blöd, so was. Nun hatten wir wertvolle Zeit verblödelt, die wir
besser in die Suche nach einem temporären Nistplatz investiert hätten. Wir
fuhren wieder aus der Ortschaft raus, inspizierten einen Schuppen, der jedoch
mit Geräte vollgestopft war und suchten weiter.
Es ging
gegen 17 Uhr und Martina wurde schon langsam etwas nervös. So entschieden wir
uns, bei einem Bauernhof anzufragen und bogen von der Hauptstrasse ab. Als wir
aber eine flache Wiese und ein Wäldchen entdeckten, gingen wir das
auskundschaften und hatten schon bald darauf einen recht guten Platz im Wald
gefunden (85.03 km in 5:08 Stunden). Interessanterweise war der Boden unter
einer dünnen Erdschicht steinhart und damit einer der miesesten Camping-Böden
der gesamten Reise. Machte aber nicht so viel aus, Hauptsache wir kriegten das
Zelt halbwegs sicher aufgestellt. Es windete kaum und war auch nicht kälter als
auch schon, insgesamt also eine recht normale Camping-Nacht.
Auch die
-1°C am Morgen waren normal und da es keinen Nebel hatte, fühlte sich das Ganze
gar nicht so tragisch an. Nach gerade mal knapp 2 km hatten wir Bad Bellingen
erreicht und dann war fertig lustig. Wir verliessen die Rhein-Ebene und mussten
nun unzählige kleinere und grössere Hügel erklettern. Und die meisten davon
waren steil. Ganz schön steil. Und obwohl wir meistens auf kleinen
Nebenstrassen fuhren, hatte es recht viel Verkehr. Diese Hügel waren öfters
bewaldet und die schönen Herbstwälder
leuchteten im Sonnenschein rot-braun. Wir kurvten durch Hertingen, Ettingen,
Holzen, Egringen Wittlingen und Haagen, wo wir uns an eine sonnige
Bushaltestelle setzten und Pause machten. Lörrach wollten wir umgehen, weshalb
wir einen Bogen via Schopfheim, Dossenbach und Schwörstadt schlugen. Immerhin
war ein Teil dieser Strecke flach und wir kamen endlich wieder etwas zügiger
vorwärts.
Steile Schwarzwald-Steigung in der Morgensonne. |
Soo schwarz ist der Wald allerdings nicht. |
Nach Bad
Säckingen, wo wir den Rhein überqueren wollten, führte ein hübscher Radweg dem
Fluss entlang. Teilweise asphaltiert, teilweise Kies bzw. Blätter, insgesamt
eine gemütliche Strecke. In Bad Säckingen kamen wir zu einer Brücke, offensichtlich
unseren Weg in die Schweiz. Martina, die vorausgefahren war, war nun aber
plötzlich verschwunden und ich wusste nicht, wohin sie nun abgebogen war. Ich
fuhr mal da durch, wo es mir logisch erschien, wenn man auf die Brücke wollte,
fand sie aber nirgends. Ich fand auch einen Weg auf die Brücke hinauf, aber
auch da war sie nicht. Also nochmals zurück zum Veloweg, nochmals durch die
Strassen, nichts. Hmm, was nun? Ich begann, andere Leute zu fragen, ob jemand
sie gesehen habe. Nein. Aber es gäbe weiter vorne noch eine Fussgänger-Brücke,
vielleicht sei sie ja da. Fussgänger-Brücke? Aha, also dahin. Aber auch da war
nirgendwo ein weiters bepacktes Velo, weder in Deutschland noch in der Schweiz.
Nun war ich völlig ratlos. Sollte ich wieder zurück zur Autobrücke? Und auf
welcher Seite am besten? Ich hatte mich gerade entschieden, in der Schweiz
weiterzusuchen, als sie auch schon angefahren kam. Ebenfalls auf Schweizer
Seite. Uff, Schwein gehabt, ich hatte nämlich kein Natel und somit hätte es
keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gegeben.
Auf Schweizer Boden!!! |
Wieder zu
zweit ging es weiter. Kaum richtig in der Schweiz, hatten wir Radweg-Wegweiser
gefunden und folgten dem in Richtung Frick. Auf diesen Velo-Routen kurvt man
zwar meistens etwas mehr im Zeug herum als auf den Strassen, man hat aber seine
Ruhe und kommt selten Autos in die Quere. Inzwischen war es wieder ganz schön
kalt geworden, v.a. wehte wieder ein fieser Wind. Trotzdem machten wir eine
ganz kurze Express-Pause und etwas zu essen. Dann ging es weiter, wirklich
aufholen konnten wir die halbe Stunde, die wir mit suchen verbracht hatten,
jedoch nicht. Das Land war nun relativ flach und mehrheitlich wieder Felder und
Wiesen. Wir kamen durch Eiken, Frick, Hornussen und Bözen und fragten uns, wo
man hier campen könnte. Zu viele Ortschaften zu nahe beieinander und Wälder nur
auf Hügeln. Extrem unpraktisch aber nicht unerwartet. Dafür wehten wieder ab
und zu Schweizer Fahnen, was eben schon Stil hatte. Nachdem wir durch Effingen
hindurch waren, war klar, dass wildes Campen keine Option war. So schlichen wir
uns an einige Häuser ran und fragten bei sich gerade draussen befindenen
Bewohnern, ob es wohl möglich wäre, irgendwo in einem Garten oder so zu campen.
Das war so quasi unser Gastfreundlichkeits-Test, den die Schweiz in Form eines
netten Herrn, der uns auf einem unbebauten Grundstück neben seinem Haus campen
liess, mit Bravour bestand (76.1 km in 5:47 Stunden).
Der nächste
Morgen war überraschend warm. Oder zumindest etwas wärmer als gewohnt. Als wir
bei knappen 5°C den ersten Hügel hinaufkrochen, führte das schon fast zu
Hitzeschüben. Die folgende Abfahrt hinunter nach Brugg kühlte uns aber gleich
wieder ab und die Feuchtigkeit des Nebels kroch überall durch die Ritzen. In
Brugg wurde es dann vorübergehend etwas komplizierter, den richtigen Weg zu
finden, als wir aber den Radweg nach Baden gefunden hatten, war’s kein Problem
mehr. Insgesamt war es nun wieder flach, zwischen Baden und Wettingen gab es
dann aber grenzwertig steile Abschnitte. In Wettingen gingen wir ein letztes
Mal miteinander Kaffee trinken und testeten Schweizer Bäckerei- und
Konditoreiprodukte. Das war wie erwartet mega fein und, ebenso wie erwartet,
recht teuer. Grosi, Danke für die Unterstützung!
Baden ist noch ganz hübsch. |
Vor'm Café in Wettingen. |
Nun blieben
noch einige wenige Minuten, dann trennten sich unsere Wege. Martina bog nach
links ab und ich folgte weiterhin den Velo-Wegweisern in Richtung Zürich. Bis
anhin war diese Strategie schliesslich aufgegangen. In Würenlos war ich aber
etwas verwirrt. Ich hatte mir von Google den Weg nach Altstetten zeigen lassen
und stellte nun fest, dass ich mich nicht auf der gewünschten Route befand.
Aber ok, immer schön in Richtung Zürich radeln. Das ging durch hübsche, grüne
Wiesen und Felder, vorbei an Wegweisern nach Buchs und Dällikon. Hmm, nein, da
wollte ich nicht hin. Inzwischen schien immerhin ein schwaches Sünneli durch
die dünner werdenden Wolken, was mich optimistisch stimmte. Später fragte ich
Spaziergänger, wo ich mich denn um Himmels Willen befinde, und wie ich von da
aus nach Altstetten komme. Ich war in Regensdorf, sollte am Besten noch etwas
weiter in Richtung Zürich weiterfahren und dann müsse ich über den Hügel,
sprich den Hönggerberg. Ja, diesen Hügelzug hatte ich auch schon bemerkt und
war zur Erkenntnis gekommen, dass meine geplante Route auf der anderen Seite
entlang geführt hätte. In Affoltern erspähte ich ich einen Wegweiser in
Richtung ETH und Höngg. Wunderbar, von da aus würde ich den Weg finden. Also
nochmals eine kurze und heftige Steigung, dann quer durch Science City und dann
fast senkrecht hinunter nach Höngg. Es folgte ein langes Zick-Zack und schon
hatte ich die Europabrücke erreicht, über die es praktischerweise auch einen
Radweg gibt. Der war zwar teilweise gerade von einer Baustelle zugemüllt aber
dank wenig Verkehr war das kein Problem.
Zum Bahnhof
Altstetten hinab gab es eine Abkürzung und ab dort befand ich mich wieder in
vertrautem Gebiet. Auf den letzten paar Kurven und Biegungen bemerkte ich zwar
schon einige Veränderungen und ich blieb nochmals fast in einer Baustelle
stecken, fand aber schlussendlich mein Ziel ohne weitere Um- oder Irrwege
(51.85 km in 3:37 Stunden). Das Ziel des Tages war nicht das Haus meiner
Eltern, sondern mein Grosi. Das klappte alles, das Velo durfte auf dem Balkon
schlafen und das Zelt in der Waschküche trocknen. Somit hatte ich schon ein
Problem weniger. Ich war kurz nach 13.30 Uhr angekommen. Der Rest des
Nachmittags war obergemütlich, es gab Rösti und Rivella, Fotos zum anschauen,
Routen im Atlas zu erläutern und was man bei einem Grosi eben alles so macht.
Und abends natürlich ein so richtig bequemes Bett mit altbekannten Bildern
darüber.
Für die
letzten gut 10 km bis Bonstetten hatte Bruno, mein Götti, mir seine Begleitung
angeboten. Das war mega nett und hatte den weiteren Vorteil, dass er einen Weg
durch den Wald kannte und wir so ein steiles Stück Strasse umgehen hinauf zur
Waldegg konnten. Via Uitikon ging’s hinunter nach Landikon, dann die letzte
Steigung hinauf nach Wettswil und wieder bergab nach Bonstetten. Schon
irgendwie surreal, nach all dieser Zeit nun tatsächlich per Velo zu Hause
anzukommen. Und da gerade Kerzenziehen war, und ich die Mehrheit meiner Familie
dort wusste, fuhren wir auch gerade hinauf zur Piazza und dem Gemeinschaftsraum
des Quartiers. Dort fanden wir denn auch tatsächlich einige Leute vor, sogar
das jüngste Familienmitglied, von dem ich mit grossen Augen angestarrt und richtiggehend geröntgt wurde.
Dampfwalze - das Wahzeichen der Bruggenmatt. |
Nick alias Gringito. |
Nun bin ich
also schon seit etwa zehn Tagen zu Hause, habe inzwischen zwei Bewerbungen verschickt,
bin joggen gegangen und habe Muskelkater gekriegt. Heute ist es so richtig
Winter geworden, es schneit draussen und ich traure einerseits der beendeten
Reise nach und bin andererseits froh, wieder daheim zu sein, eine Familie und
ein warmes Bett zu haben. Auch die Aussicht auf ein Arbeitsalltag erscheint gar
nicht mehr so schlimm. Im Gegenteil, es ist Zeit sich dieser Herausforderung
wieder zu stellen und den letzten drei Jahren eben genau nicht nachzutrauern
sondern bei Bedarf revue passieren zu lassen, als erfüllten Traum zu betrachten,
den Fokus jetzt aber wieder auf ein normales Leben zu richten. Für einige Jahre
zumindest.