Sonntag, 11. September 2011

Coban - Chetumal: Via Tikal und Belize nach Mexiko

Dass wir nach Coban noch einige Hübel zu überwinden haben würden, war uns ja klar gewesen (kein Profil mehr für diese Strecke). Dass diese Colinas aber so fies und so steil ausfielen, war nicht so nett. Dazu kam, dass wir beide eben doch noch nicht so fit waren, wie wir es gerne gehabt hätten und mit ungeplanter Müdigkeit, ab und zu Kopfschmerzen und Bauchproblemen kämpften. Abgesehen davon passierte nicht viel, wir pedalten langsam und bedächtig die Subidas hinauf und flitzten vergnügt und schnell die Bajadas runter. Die Landschaft war grün in diversen Tönen, hell, wo Gras wuchs, dunkel wo noch Wald stand. Zwischendrin lagen kleinere Ortschaften, wo wir auch mal stoppten für ein wieder sehr in Mode kommendes Gatorade. Da unser momentanes Ziel die tiefliegende Region El Petén war, kam auch irgendwann die langersehnte Abfahrt hinab in die "Ebene". Ebene deshalb in Anführungszeichen, weil es dort unten selbstverständlich auch Hügelketten und sonstige heftige Wellen gab, die den Schweiss wieder in Sturzbächen fliessen liessen. Nach etwa 74 km und fast 5.5 Stunden im Sattel erreichten wir Chisec, wo wir ein günstiges Hotel fanden und wo wir u.a. auch die von Coban mitgereisten Kakerlaken rauswerfen konnten.

Platt aber eben doch hügelig.

Früh am nächsten Morgen schwangen wir uns wieder auf unsere Sättel, immer in der Hoffnung, nun keine blinden Passagiere mehr mitzuschleppen. Es war neblig, was der Landschaft einen mysthischen Touch verlieh. Die Strasse war zwar relativ flach, wand sich aber zwischen dicht bewaldeten Felsen hindurch. Der nächtliche Regen hatte die Luft abgekühlt und die morgendliche Verschleierung tat ihr Übriges dazu, dass sich die Temperaturen in erträglichen Grenzen hielten. Eine Zeit lang folgte die Strasse einer Ölpipline, dann bogen wir scharf rechts ab, hatten kein Öl mehr und auch etwas weniger Verkehr. Einige Kilometer lang ging es noch durch Hügel, dann beginnt ein Abschnitt, der auf der Karte vermutlich mit dem Lineal gezeichnet wurde. In der Realität gab es aber eine oder zwei ganz leichte Biegungen und auch ebenso leichte Wellen.

Zwischen bewaldten Felsen ist es hübsch...
...hier nicht mehr wirklich spannend.

Wir befanden uns nun im Petén, einer Region, die ich mir zwar flach aber bewaldet vorgestellt hatte. Vor Jahren hätte das wohl auch noch gestimmt, leider haben aber nur wenige Bäume die Ankunft der Siedler überlebt. Jetzt sahen wir da gerade mal noch Gras, teilweise Büsche und quadratkilometerweise Palmenplantagen. Grosse Flächen sind nicht einmal mehr grün, sondern braun, es hat vereinzelt verdorrts Gestrüp und ein paar Grashalme. Keine Ahnung, wieso man den Wald roden sollte, wenn man danach nichts auf dem "gewonnenen" Land anbaut. Oder es war einmal etwas angebaut worden und nun ist der Boden ausgelaugt und gibt nichts mehr her. Ich weiss es nicht, es ist aber zum heulen.

Nach unendlich erscheinenden Stunden bogen wir um eine Rechtskurve und befanden uns im Dorf Las Pozas. 86 km und wieder über 5.5 Stunden hatten für den Tag gereicht und die nächste grössere Ortschaft hätten wir eh nicht mehr erreicht. Das Problem nun war, dass Las Pozas selber eben auch nicht gross war und es kein Hotel o.ä. gab. Auch keine Bomberos. Das war ja aber nicht das erste Mal, dass es keine offizielle Unterkunft gab, und so galt es eben, die nicht offizielle Version zu finden. Die tausenden Kirchen im Land sollen auch einmal zu etwas gut sein und so fragten wir beim Pastor an. Der sprach so gut wie kein Spanisch, zum Glück war aber sein Sohn da, der übersetzen konnte. Bei der Kirche campen wäre grundsätzlich möglich gewesen, der Pastor hatte aber auch eine Art Zimmer mit einer Art Betten für Besucher und wir durften es uns dort netterweise bequem machen.

Praktischerweise lag das Dorf Las Pozas gleich neben der gleichnamigen Lagune und so setzten wir uns am späteren Nachmittag mitsamt den Kleidern auf einige Steine im Wasser und kühlten unsere Körpertemeratur auf ein gesundes Mass runter. Wobei das auch nur mit Stillsitzen klappte, in dem lauwarmen Wasser zu schwimmen hätte zu erneuten Hitzewallungen geführt. Dieser erste so richtig heisse Tag seit langem hatte auch in unseren Gesichtern seine Spuren hinterlassen. Wie damals in Kolumbien war alles voller schmerzhaften Pickeln, einzig meine Stirn, dort wo das Schweissband durchgeht, hatte es keine. Zurück im Haus des Pfarrers waren wir nicht überrascht, in einer Spalte krabbelnde Mitbewohner zu finden. Die hat es einfach überall, selbst in gar nicht so schlechten Hotels und hier auf dem Land natürlich umso mehr. Und diese hier war mit ihren 4 cm Länge nichteinmal ein besonders grosses Exemplar.

La Cucaracha, la Cucaracha...

Der dritte Tag seit Coban hatte La Libertad als Ziel und wurde somit kürzer. Erst mussten wir aber natürlich kilometerweise durch traurig öde Graslandschaft strampeln. Was in dieser Gegend vermehrt wieder auffiel, waren die Kinder am Strassenrand, die "Gringo, Gringo" riefen. Komischerweise riefen die auch weiter, wenn man gewunken und "hola" gesagt hat, einige, die ganz nahe waren, streckten auch in unmissverständlicher Geste die Hände aus. Ist doch interessant, wie man als Gringo in einigen Regionen als wandelnder Bankomat angesehen wird, anderswo jedoch nicht. Immerhin, der manchmal etwas fiese Tonfall, der auf der Strecke Huehuetenango-Coban ab und zu angeschlagen wurde, kam hier eigentlich nicht vor. Trotzdem, besonders hilfsbereit waren die meisten Leute da nicht. Martina war, als sie um eine dieser unzähligen lästigen Schwellen herumgekurvt war, an der neusten Asphaltschicht hängengeblieben und umgekippt. Und obwohl das mitten in einem Dorf passiert war, gafften die Rumstehenden nur, auf die Idee, ihr zu helfen, ist keiner gekommen. In Ländern wie Kolumbien oder Panamá wäre das undenkbar gewesen.

Als wir plötzlich wieder durch dichten Wald fuhren, war klar, dass es damit etwas Spezielles auf sich haben musste. Wir befanden uns im Nationalpark Rosario und da wir uns nicht unter Zeitdruck fühlten, machten wir einen kurzen Abstecher zur Lagune Rosario. Gerade umwerfend war das nicht, aber ein hübscher Ort zum Pause machen, Tische und Bänke und idyllische Aussicht auf den Weiher. Daneben stand ein Schild, das den Gebrauch von Seife im See verbot und vor Krokodilen warnte. Also ehrlich, wo Krokis wohnen, gehe ich sowieso nicht baden.

Bald fuhren wir weiter und kamen schon kurz darauf in Sayaxche an, wo die Strasse im Río de la Pasión endete. Die Fähre war aber schon unterwegs und legte wenige Minuten später auf unserer Seite an. Damit, dass das für Ciclistas gratis sein würde, hatten wir nicht gerechnet. Aber gut, nehmen wir gerne an. Da es weiterhin oberplatt bis nur leicht wellig war, erreichten wir kurz nach Mittag La Libertad. Ein Strassenschild meinte, bis zum nächsten Ort seien es noch über 50 km, und so entschieden wir uns zum bleiben. Umso besser für mich, mein Bauch war nämlich gerade wieder beleidigt und so freute ich mich mehr über eine Siesta als über ein paar weitere Stunden im Sattel in der brütenden Hitze.

Dass jenes Strassenschild gelogen hatte, stellten wir natürlich erst am folgenden Tag in Flores fest, bis wohin es nur wenig mehr als 40 km waren. Zusammen mit den 68 km vom Vortag und den ortsüblichen Temperaturen würden wir sowas in einem Tag nur machen, wenn es nicht anders geht. Bis Flores, einem kleinen Städtchen auf der Isla de Flores im Lago Petén Itza passierte nicht viel, ausser, dass wir nach einer Stunde anhielten um nochmals zu frühstücken. Nicht, weil's unbedingt nötig war, mehr, weil gerade dieses hübsche Restaurant am Strassenrand stand. Dass Flores touristisch sein würde, hatten wir ja gewusst, WIE touristisch der Ort aber war, wäre kaum vorstellbar gewesen. In einigen Strassen war jedes zweite Haus ein Hotel, die andere Hälfte waren Restaurants. Autsch! Wir hatten wieder einmal das Guidebook konsultiert, wo das Hostal Los Amigos, das als günstigste Unterkunft aufgelistet war. Das grosse Gringo-Hostal, kostete aber weit mehr als wir zu zahlen bereit waren ohne dabei einen besonders hohen Standard aufweisen zu können. Im El Mirador bezahlten wir für ein Zweierzimmer mit eigenem Bad pro Person schliesslich weniger, als im anderen ein Dorm-Bett gekostet hätte (Q. 80). Das war natürlich auch den Israelis bekannt und so teilten wir das Hotel mit einer riesigen Horde rauchenden und äusserst lärmigen Horde Brüllaffen.

Zum Los Amigos gingen wir am selben Tag aber doch noch einmal zurück, nämlich um umsere Tour nach Tikal, Guatemalas grössten und bedeutendsten Maya-Ruinen, zu buchen. Am Morgen darauf um 4.30 Uhr ging es denn auch schon los. Die Fahrt im Minibus verschlief ich wie wohl alle anderen auch. Kurz vor 6 Uhr standen wir beim Eingang zum Nationalpark, bezahlten die Q. 150 (oder US$ 20) und kurz darauf parkierten wir vor dem Jaguar Inn, einem Hotel/Restaurant im Park, wo man zu brutal überteuerten Preisen frühstücken und Sandwiches kaufen konnten. Wir hatten aber schon in Flores unseren üblichen Granola-Zmorge "genossen" um hier nicht unser Budget räubern zu müssen.

Nach etwa einer halben Stunde rumhängen, ging die Tour endlich los. Blöderweise hatten sich selbst unsere sonst extrem preisbewussten Freunde vom Hotel auch eine Führung geleistet und so waren wir eine recht grosse Gruppe. Caesar, unser Führer machte seine Sache aber sehr gut, wir bekamen auch interessante Informationen zu Pflanzen. Da wuchs z.B. ein Arbol de la Vida, ein Baum des Lebens, der den Maya heilig gewesen war und der die neun Stadien des Lebens repräsentiert hat (wie genau das im Detail funktioniert hat, habe ich vergessen). Jener Baum war über und über mit anderen Pflanzen, v.a. Orchideen bewachsen, von denen Caesar aber betonte, sie seien keine Parasiten und schadeten dem Baum nicht. Die parasitären Pflanzen, die den Baum umbringen, langsam aber sicher, zeigte er uns später.

Der Baum wird langsam erdrosselt.

Wir spazierten dann einige Zeit durch dichten Jungel bis wir auf einmal ein ziemliches Getöse hörten. Da turnte eine grosse Familie Coatis rum und die scherten sich keinen Deut um Touris, die sie umringten und knipsten wie wild. Zwei davon schienen eine ernste Meinungsverschiedenheit auszutragen, sprangen sich an, fauchten, fletschten mit den Zähnen und machten einen Riesenradau. Entschieden wurde die Sache erst, als einer der beiden von einem Kollegen Hilfe erhielt.

Coati-Fight.

Nun erreichten wir bald die ersten Gebäude und erhielten eine Einführung in die Maya-Kultur, die Conquista durch die Spanier, deren mitgebrachten Schweine hier anscheinend die erste Schweinegrippe-Epedemie auslösten und deren religiös übereifrigen Mönche kurzerhand eine Bibliothek mit rund 20'000 von den Maya geschriebenen Büchern verbrennen liessen. Jaja, hoch lebe das Christentum!!!  Anschliessend gingen wir jede Menge Ruinen anschauen. Eine erstaunliche Menge ist ausgegraben, geputzt und teilweise wieder aufgebaut, während noch eine ebenfalls riesige Anzahl an Bauwerken noch von Gras und/oder Bäumen überwachsen sind. Diese Tempel haben alle quasi eine Schale aus Steinen, das Innere ist mit Kies/Erde/Sand gefüllt und wenn das Gewächs die Steinschicht mal aufgebrochen und zur Seite geräumt hat, leistet das weiche Innern der Gebäude keiner Pflanze mehr Widerstand. Bei den vielen steilen Hügel in Tikal muss man wohl annehmen, dass darunter Ruinen versteckt liegen, von denen aber von aussen meist kein Stein mehr zu sehen ist.

Ausgebuddelt und geputzt...
...oder eben auch nicht.

Natürlich gibt es in Tikal auch Gebäude, die so hoch sind, dass sie über die Baumkronen herausragen (so hat man die Stadt überhaupt erst gefunden), dort hinaufzusteigen ist aber wegen der Hitze äusserst anstrengend und lange kann man die Aussicht dort oben auch nicht geniessen, da man sonst ganz einfach gegrillt wird. Um die Ruinen nicht zu beschädigen und weil die Originaltreppen meist so steil sind, dass man kaum raufkommt, wurden bei den hohen Tempeln Holztreppen oder -leitern gebaut, die jedoch teilweise auch schon wieder am einstürzen und darum gesperrt sind. Der Tempel Nr. 1, sozusagen das Wahrzeichen Tikals ist momentan mit hässlichem Gestänge versehen (vermutlich wird da restauriert), einige Gegenstände wie verzierte Steine oder ein riesiges Gesicht wurden mit einem Strohdach geschützt.

Tempel Nr. 2.
Verewigter Maya-Herrscher.
Tempel Nr. 5.

Etwa um 10 Uhr war die geführte Tour beendet und wir hatten noch zwei Stunden Zeit, auf eigene Faust durch den Park zu wandern. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, erst um 14 Uhr zurück nach Flores zu fahren, was wir eigentlich geplant hatten, aber die ganze Anschauerei hatte uns ziemlich geplättet. Die ehemalige Stadt ist denn auch riesig, mit fünf grossen (ausgegrabenen) Tempeln, unzähligen anderen Gebäuden wie z.B. Wohnhäusern und was weiss ich allem. Auf den supersteilen Treppen mit ihren rech hohen Tritten kam die Frage auf, wieso Leute, die selber kaum 1.50 m gross wurden, so hohe Treppenstufen bauten. Wer Höhenangst hat, hat in Tikal jedenfalls Probleme bei der näheren Besichtigung der Anlagen.

Unser Guía hatte eine Tarantel gefunden.

Zurück in Flores spazierten wir noch etwas durch die Stadt, schautem einem Tanzfestival zu, das uns jedoch nicht sonderlich beeindruckte, bewunderten den Sonnenuntergang und später eines der krassesten Gewitter mit brutalstem Regen, das wir je gesehen hatten. Zum Glück hatte unser Hotel ein eigenes Restaurant, da hinauszugehen wäre vermutlich lebensgefährlich gewesen.

Der nächste Tag war unser letzte in Guatemala. Die Karte behauptete, es seien 100 km bis zur Grenze zu Belize, dass wir schon nach 93 km in der Grenzstadt Ciudad Melchor de Mencos ankamen, störte uns aber nicht weiter. Die Strecke war erst platt, danach etwas hügelig aber im Grossen und Ganzen langweilig gewesen. Die Ausreise aus Guatemala am Morgen kostete Q. 20, war sonst aber nicht weiter kompliziert. Mein Geldwechsel-Typ wirkte etwas improvisiert und hatte nicht einmal einen Taschenrechner und ich vermute, der Quetzales- Belize Dollar-Tausch hat nicht wirklich gestimmt. Relevanter war aber der Wechsel von US Dólares zu Belize Dólares, was bei einem Kurs von 1:2 nicht wirklich schwierig ist und mit Hilfe eines anderen Wechslers hatte das dann tatsächlich korrekt geklappt.

Der Empfang in Belize war nicht sonderlich freundlich, immerhin hatte die Information des Schweizer Honorarkonsuls gestimmt, dass Schweizer für Belize kein Visum mehr brauchen. Wir kriegten beim Zoll einen handschriftlichen Eintrag in den Pass, dass wir ein Reisevelo im Wert von USD 2'000 mitführten. Das würden wir bei der Ausreise stempeln lassen müssen damit wir die Bicis in Belize nicht illegal verscherbeln konnten. Dann ging es auch schon los, immer noch heiss, immer noch flach, nun aber für ein paar Tage auf Englisch. Das kam mir extrem komisch vor, mit anderen Gringos Englisch zu reden waren wir uns ja gewohnt, aber mit Einheimischen?!? Und wie grüsst man auf der Strasse, mit "Good Morning" oder einfach "Hi"? Mal so, mal so, zwischendrinn, wenn ich vergass,wo ich gerade war, auch mal wieder auf Spanisch.

Im Grenzgebäude von Belize hatte es, im Gegensatz zu so vielen anderen Ländern, kein Warnschild gegeben, dass z.B. Kinderprostitution strafbar ist und ich habe mich schon gefragt, ob das hier evtl. kein Thema sei. nach der Grenze stand da jedoch ein fetts Schild am Strassenrand, das auf das Problem des Menschenhandels aufmerksam machte. Belize mag vielleicht nicht wirklich zu Lateinamerika gehören, soooo viel anders scheint die Situation im Land aber nicht zu sein.

Yep, Menschenhandel ist eine Sauerei.

Wir hatten uns vorgenommen, ca. 80 km bis zum Örtli La Democracia zu fahren und uns dort ein Bett zu suchen. Dummerweise bestand La Democracia aber nur aus einer Abzweigung und einigen wenigen verstreuten Häuslein. Blieb nichts anderes übrig als in das 24 km weiter entfernte Hattievill zu strampeln und zu hoffen, dass unser Wasservorrat reicht. Das war noch langweiliger als die ersten 80 km in Belize weil noch flacher, links und rechts war nichts als Sumpf, braunes Gras und Büsche. Hattievill hatte dann sogar einen Supermarket, wo es kühle Getränke gab, ein Hotel oder etwas ähnliches glänzte aber durch Abwesenheit. Ein Burrito-Verkäufer schien aber jemanden zu kennen, der evtl. Zimmer vermietete und brachte uns freundlicherweise gleich dorthin. Leider war aber niemand zu Hause und beim zweiten Haus, wo er es versuchte, gab es nichts zu vermieten. Weiss allerdings nicht, ob ich dort hätte übernachten wollen, wir wurden nämlich gerade Zeugen, wie ein Mann seine etwa fünf oder sechs Jahre alte Tochter anschrie und aufs Übelste beschimpfte, was gar nicht zu dem "Keep cool man, take it easy"-Bild passte, das oft von Belize vermittelt wird.

Nachdem unserem Freund nun auch die Ideen ausgegangen waren, meinte er schliesslich, er hätte auch ein Haus, und wenn wir wollten, könnten wir bei ihm schlafen. Wir gingen also sein Haus anschauen, einigten uns auf einen Preis und darauf, dass wir in einem leeren Zimmer unsere Matten ausbreiten würden. Das Angebot, dass er für uns kochen könnte, wir müssten nur die Zutaten bezahlen, lehnten wir natürlich nicht ab. Seine Burritos waren nämlich echt fein. So waren dann auch unsere Eier, Reis und Bohnen:-)

Gecko staunt in die Kamera.

Besonders geruhsam wurde die Nacht allerdings nicht. Das lag nicht an unserem Gastgeber Stanley, sondern u.a. an seinem Cousin, der auch dort wohnte und die halbe Nacht vor dem Fernseher sass. Dazu war es auch schlicht viel zu heiss zum schlafen und die Mücken hielten uns trotzt Ganzkörperbehandlung mit Repellente wach. Zum Glück hatten wir uns für den folgenden Tag keine Monsteretappe mehr vorgenommen, bis zum Crooked Tree Wildlife Sanctuary waren es keine 60 km mehr. Das einzige Erwähnenswerte, das wir unterwegsd sahen, war das Central Prison of Belize, vor dem ein Schild stand, das auf den Prison Gift Shop hinwies und wo einige orange angezogene Gestalten johlten und piffen als sie uns sahen. Sehr sicher da die Anlage eh nicht aus und wir hofften, dass die Typen, die dort rumspazierten nicht die so richtig bösen Jungs waren. Nach der Abzweigung von der Hauptstrasse kämpften wir noch etwa 6 km mit einer nassen Stein- und Sandstrasse, wo unsere Räder ganz fies kleben blieben. Im Visitor Center wurden wir von Steve, dem langjährigen Angestellten des Sanctuarys sehr freundlich begrüsst und bekamen Information, was man dort alles tun und wo man schlafen kann.

Die Suche nach einer solchen Unterkunft war dann aber gar nicht so einfach bzw. die Leute nicht sonderlich nett. Erst bei der Crooked Tree Lodge wurden wir fündig. Eine Lodge ist zwar nicht unser üblicher Übernachtungsort, da viel zu teuer, wir konnten aber für USD 5 campen und hatten das ganze grosse Grundstück für uns allein. D.h. wir mussten es mit Princess, einem waisen Kalb und einem Krokodil im Weiher teilen. Mick, ein Engländer, und Angie, seine Frau, die aus Crooked Tree stammt, waren nett, wir bekamen ein megafeines, megagrosses Abendessen für gerade mal USD 4 pro Person, der Zeltplatz war perfekt und wir wurden von keinen lauten Fernsehern, Autos oder bellenden Hunden gestört. Das einzige Problem war die Hitze. Natürlich hatten wir das Zelt erst am späteren Nachmittag aufgestellt und unter den Bäumen war es zu keinem Zeitpunkt direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt, trotzdem heizte es sich auf wie eine Sauna.

Mhm, wir haben wieder einmal gecampt.

Früh am nächsten Morgen standen wir auf und unternahmen eine kleine Wanderung durch die Insel in der Hoffnung, irgend etwas Interessantes zu finden. Klar, Vögel schwirrten wie immer herum, dabei blieb es aber auch schon. Neben einem schmalen Pfad lagen einige rostige Kühlschränke herum und später am Seeufer sahen wir in der Ferne noch einige weitere Flatterviecher, aber vermutlich ist so ein Sanctuary einer jener Orte, wo man einen Führer braucht, der sich auskennt und der die Tiere dann auch wirklich sieht. Das Unterhaltsamste für uns war eine Hundefamilie, die mitten auf dem Weg lag, deren erwachsenen Mitglieder unbedingt gestreichelt werden wollten und der Welpe zu scheu war um sich anfassen zu lassen. Nun, "Wild" waren die zwar nicht, immerhin hatten wir etwas "Life" gesehen.

Crooked Tree Wildlife Sanctuary.
Hundefamilie auf der Strasse.

Nach unserer "Entdeckungstour" packten wir unsere Sachen zusammen, genossen noch ein gutes Frühstück bei Mick und verabschiedeten uns dann von ihm und Angie. (Hier noch eine kurze Bemerkung zur Crooked Tree Lodge. Wir hatten hier Camping und Essen zu einem absolut super Preis-Leistungs-Verhältnis bekommen, wobei das aber klar Off-Season-Preise waren, in der Hochsaison bezahlt man mehr, wie an so vielen Orten auch.) Der Abschied von Steve zog sich auch noch etwas in die Länge und schliesslich war es schon fast Mittag als wir über die nun bedeutend trockenere Sandpiste zur asphaltierten Strasse zurückfuhren. Das Ziel des Tages war das etwa 45 km entfernte Orange Walk, wo es gemäss Mick eine sehr gute Bäckerei geben sollte. Die Fahrt war ereignislos, es war platt und heiss.  In Orange Walk stellte sich die Frage, ob wir uns ein Hotel suchen (Belize ist extrem teuer) oder die Firestation versuchen sollten. Feuerwehrmänner sind auch wenn sie Englisch sprechen nett und zuvorkommend und dass es in Orange Walk keine Zimmer sondern nur eine Garage gab, das war schlicht Pech. Wir durften uns in einer Ecke installieren (wir hätten auch campen können *hitzschwitz*), wo wir einigermassen eine Privatsphäre hatten. Nackt schlafen ging natürlich nicht, wir hatten aber einen Ventilator gekriegt und die offene Garage war wenigstens gut durchlüftet. Die von Mick empfohlene Bäckerei La Popular fanden wir auch und was dort gebacken wird, ist wirklich extraklasse.

Orange Wald war sogar ein richtiges Dorf. Sämtliche Ortschaften in Belize waren bis jetzt in unseren Augen nichts anderes als eine Ansammlung weit verstreuter Häuser gewesen ohne richties Zentrum, Plazas schien es keine zu geben. Da sah man z.B. ein Schild mit "Welcom to Sand Hill" in der Landschaft stehen, irgendwo taucht vielleicht mal ein Haus auf, ein paar hundert Meter weiter das nächste, oder ein paar Sandwäglis, die vermutlich zu Häusern führen, aber ein Dorf, wie man es erwarten würde, taucht nie auf, im besten Fall verdichten sich die Wohnhäuser etwas, vielleicht gibt es ein paar Läden, that's it.

Die letzten gut 60 km in Belize sahen etwa so aus wie all das, was wir bisher gesehen hatten. Ein paar kleine Mädels riefen mir "Gringa!" nach, was wir in ganz Belize nie gehört hatten. Einerseits danke für's Bemerken, dass ich eine Frau bin, andererseits, du sprichst auch Englisch, und da soll ich eine Gringa sein!?! An jenem Tag war nun Martina dran mit Bauchproblemen und irgendwo schien sie sich noch erkältet zu haben, was wieder einmal die Frage aufwarf, wie man sich denn eigentlich er"kältet", wenn es dauernd brutal heiss ist. Immerhin, wenn es flach ist, kommt man wenigstens rasch vorwärts und es gab nichts, dass sich uns in den Weg stellte. Bis auf die Grenze zu Mexiko natürlich. Da gibt es auf der Belize-Seite eine riesige Free-Zone, die jedoch ganz unfrei mit Stacheldraht hoch eingezäunt ist. Die Grenzbeamten hier waren viel freundlicher als bei der Einreise und dass wir Bz$ 37.50 bezahlen mussten, das hatten wir ja schon lange gewusst. Auch der Velo-Eintrag wurde problemlos gestempelt und wir konnten an einigen fetten Casinos vorbei nach Mexiko radeln.

Jupiiee, endlich in Mexiko.

Juhuuu, wir waren in Mexiko! Bevor das offiziell war, mussten wir aber einen jener Einreisefötzel ausfüllen, erhielten dann aber anstandslos 180 Tage Aufenthalt, zusammen mit einer Art Rechnung, d.h. bei der Ausreise werde ich 262 Pesos bezahlen müssen. Dann waren wir drin, sogar ohne von den sonst immer anwesenden Geldwechslern belästig zu werden. Komische Grenze. Zum Glück fanden wir aber ein unscheinbares Fensterli, wo wir unsere letzten Belize Dollars in Pesos tauschen konnten und dann steuerten wir unser erstes Ziel, die Stadt Chetumal, an. Das einige Dinge hier anders waren, sah man bald. Z. B. gibt es hier Motorrasenmäher. Zwar alt und rostig, aber das Gras wird nicht mit der Machete kurzgehackt. Der Knast, an dem wir vorbeipedalten, sah um einiges moderner und sicherer aus als das Central Prison of Belize und Chetumal selber wirkt (wie im Footprint beschrieben) recht amerikanisch. Es war denn auch nicht einfach, ein einigermassen bezahlbares Hotel zu finden. Wir bezahlen nun, weil wir drei Nächte bleiben, nur MXN 275, was gut USD 21 entspricht. Geht noch. Interessant ist, dasses in dem für unsere Verhältnisse noble Hotel keinen Toilettensitz gibt, in der Vorrichtung zum Handtuch aufhängen die Stange fehlt, ebenso in dem Klopapier-Aufhängteil. Die Tatsache, dass die Lampe eingekerkert ist, erklärt vermutlich, warum das so ist. Scheint, also ob hier alles, was nicht niet- und nagel-, bzw. schraubfest ist, geklaut wird.

Sogar das Licht muss eingekerkert werden.

Insgesamt hat Chetumal unsere Erwartungen allerdings nicht erfüllt. Wir hatten gehofft, in der Stadt schnelles und relativ günstiges Internet zu finden, nun sind Internet-Cafés rar, teuer und, zumindest da, wo ich gerade sitze, Schlaftabletten-langsam. Es fühlt sich irgendwie peruanisch an, die Tastatur ebenso. In Mittelamerika war der Standard diesbezüglich meistens höher gewesen. Dazu gibt es in der Nähe keinen Super- sondern nur ein paar Minimercados, die teuer sind und natürlich nur ein beschränktes Angebot haben.

Aber gut, der Plan ist nun, bald weiterzufahren, durch Yucatan zu kurven, ein paar weitere Ruinen anzuschauen und dann quer durch Mexico ins Amiland hochzustrampeln. Falls die uns einlassen, und falls wir nach zwei Jahren Lateinamerika das überhaupt über uns bringen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen