Montag, 18. Juni 2012

Tok - Dawson City: Top of the World

Anlässlich unseres zweiten und letzten Abends in Tok sind wir in ein für uns teures Restaurant gegangen, den Fast Edy's. Grund für dieses unorthodoxe Verhalten war die All-You-Can-Eat Saladbar, die es dort gab, wobei wir es natürlich nicht beim Salat beliessen, sondern dazu noch eine fette Portion Lasagne verdrückten. Danach waren wir so voll, dass wir kaum mehr die paar Minuten nach Hause pedalen konnten. Trotzdem standen wir am Samstag Morgen wie üblich um 7 Uhr auf und fuhren kurz vor 9 Uhr los. Die rund 18 km auf dem Alaska Highway waren flach, ringsum grün und insgesamt nicht sonderlich interessant. Als wir zur Abzweigung zum Taylor Highway kamen, änderte sich zuindest die Topographie. 

Abzweigung auf den Taylor Highway.

Nun ging es nämlich bergauf. Nicht supersteil, aber doch so, dass wir langsam dahin krochen und in der prallen Sonne ganz schön ins Schwitzen kamen. Und obwohl es immer mal wieder kurz bergab ging, so war doch klar, dass wir einen Pass erklimmen mussten und leichte Veränderungen in der Vegetation zeigten an, dass wir tatsächlich Höhe gewannen. Wir waren, welche Überraschung, von Wald umgeben soweit das Auge reichte. Aber es war komischer Wald, nur ganz wenige Bäume waren grün, alle anderen waren dürr, braun und, zumindest so sah es aus, tot. Mit der Zeit wurde es etwas deprimierend, stundenlang nur diesen skelettalen Wald zu sehen. Abgesehen von der Vegetation erinnerte die Landschaft an Peru. Diese weiten, rollenden Hügel, die Strasse, die man manchmal schon kilometerweit voraus sah, und die Abwesenheit von jeglichen markanten Landmarken. Ab dem frühen Nachmittag zogen dann dunkle Wolken auf und wir hoffen, dass der Regen noch etwas auf sich warten lassen würde. Wir mussten noch irgendwoher Wasser beschaffen, gemäss Bike Buch sollte es in dieser Region aber nicht viele Bäche geben. So versuchten wir unser Glück bei den zahlreich vertretenen RV-Fahrern. Der erste drückte uns auf unsere Frage, ob wir wohl Wasser bekommen könnten, kurzerhand zwei Halbliter-Fläschchen in die Hand. Das war nett, half uns aber nicht so viel weiter, da wir Wasser für den Abend und zumindest für den nächsten Morgen brauchten. Ein Deutsches Paar füllte uns schliesslich alle unsere Flaschen auf und schenkte uns erst noch Trauben und zwei Muffins. Mmmm, vielen Dank. 

Nach 69.44 km, die wir in 5:44 Stunden abgestrampelt hatten, fanden wir ein Plätzchen etwas abseits der Strasse im Gebüsch, wo wir das Zelt aufschlagen konnten. Uff, das war anstrengend gewesen, so viele Höhenmeter hatten wir schon länger nicht mehr an einem Tag überwunden. Ok, das war also unser erstes Wildcamp im Bärenland und wir suchten pflichtgemäss unser Futter zusammen um alles weit vom Zelt entfernt zu lagern. Weit heisst im Lehrbuch mindestens 100 Yards. Dasselbe gilt für kochen, auch das darf nicht in Zeltnähe geschehen, da man ja keine ungebetenen Gäste direkt zu sich nach Hause einladen will. Wir verstauten schliesslich unsere bärensicheren Container unter einem steinigen Abhang und die beiden Drybags mit allen, was nicht in die Container passte, platzierten wir je an einem eigenen Ort. 

Morgens um 7 Uhr blendete mich die Sonne, die genau durch das Zeltfenster auf mein Gesicht schien und ich wunderte mich, warum die blöde Augenklappe in der Nacht immer verrutschte. Wir suchten dann also alle unsere Sachen wieder zusammen und offensichtlich hatte nichts und niemand versucht, etwas zu rauben. Nicht mal der Ground Squirrel, den ich in der Nähe meines Sackes rumrennen sah. Es blieben uns noch etwa 4 km bis auf die Passhöhe, das war irgendwo zwischen den 34 und 35 Mile Marker, dann begann eine ziemlich lange, rassante Abfahrt. Während es in der Nacht zu warm gewesen war für unsere Daunenschlafsäcke und wir auch beim zusammenpacken und bergauf fahren warm gehabt hatten, so musste ich nun zumindest leichte Handschuhe anziehen und es war auch so noch kühl (ich fuhr seit Beginn mit hochgekrempelten Hosen und T-Shirt). Zuunternst angekommen, begann ein konstantes Auf und Ab, das sich für den Rest des Tages durchziehen sollte. Die Steigungen waren meistens nicht mehr sehr lange, dafür aber steiler. Die Landschaft hatte sich seit dem Vortag kaum verändert, im Laufe des Tages sahen wir aber wieder mehr grüne Bäume. Wir hatten erwartet, dass irgendwann bald mal Schluss sein würde mit Asphalt, der Schotter beschränkte sich vorerst aber auf diverse Abschnitte von höchstens etwa zwei Kilometer. Dafür blies uns, wie kann man auch etwas anderes erwarten, den ganzen Tag über ein unermüdlicher Wind ins Gesicht. 

Chicken, das einzige „Dorf“ zwischen Tok und Dawson, sollte 67 Milen ab Kreuzung Alaska/Taylor Hwys liegen und so waren wir immer schön informiert, wie weit es noch war. Von einem Hügel aus war der Verlauf der Strasse gut zu verfolgen und obwohl Chicken nirgendwo zu sehen war, war klar, dass die Ortschaft sich da unten im Tal verstecken musste. Und schon ging es fetztig ebendiesen Hügel wieder hinunter und zwar so steil, dass ich mich etwas duckte in der Hoffnung, 60 km/h zu erreichen. Bis ich ein eher unscheinbares Schild am Strassenrand sah mit der Aufschrift „End of Pavement“. Um nicht voll garacho in irgendwelches loses Kies oder andere Unannehmlichkeiten zu crashen, bremste ich aprupt, nur um dann ganz gemütlich auf einer harten, gut zu befahrenen Kiesstrasse zu rollen. 4 km später hatten wir Chicken erreicht (56.83 km und 4:06 Stunden) und machten uns auf die Suche nach jenem Ort, wo Ciclistas für $ 4.99 campen konnten. Diese Aussage hatte ein Flyer in Tok gemacht, wir erinnerten uns aber nicht mehr an den dazugehörigen Namen. Wir wollten nicht bleiben, weil es spät oder wir müde gewesen wären, aber wir fanden den Ort witzig und sahen keinen Grund, nicht einmal einen kurzen Tag einzuschalten. 

Gross kann die Ortschaft ja nicht sein.

Sonderlich anspruchsvoll war die Suche dann nicht, Chicken ist nämlich ein winziges Goldsucher-Kaff, wo man sich weder verstecken noch verfahren kann. Zu seinem Namen ist das Örtchen anfangs des 20. Jahrhunderts gekommen, als sich dort immer mehr Leute zum Gold suchen niederliessen. Man einigte sich auf den Namen „Ptarmigan“, Schneehuhn, weil diese Vögel dort häufig vorkommen und auch oft gegessen wurden. Wie man aber nun das verflixte Wort korrekt schrieb, war den Goldsuchern nicht so klar und so blieb eben „Chicken“, wie man die Ptarmigans in der Umgangssprache auch nannte. Wir hatten also den Goldpanner, einen Souvenirladen mit dazugehörendem Chicken Creek RV Park gefunden und da dort pro Zelt und nicht pro Person berechnet wurde, bezahlten wir nur gerade die $ 4.99. Als die gesamte Geschichte unserer langen Reise rauskam, durften wir sogar gratis duschen. Sonst hätte das, wie schon in Tok, $ 8 gekostet. Das ist aber der Preis für eine unbeschränkte Dauer, weshalb man sich das problemls teilen kann. Nach nur zwei Tagen radeln waren wir aber ohnehin nicht bereit, für’s duschen zu bezahlen. Wenn’s aber gratis war, war das eine andere Sache. 

Es war noch früher Nachmittag gewesen als wir in Chicken angekommen waren und so hatten wir viel Zeit, rumzuhängen und im benachbarten kleinen „Restaurant“ Zmittag zu essen. Was wir auch nur machten, da wir unsere letzten US-Dollars loswerden wollten. Wir trafen auch noch ein Ciclista-Paar aus England, die ebenfalls von Patagonien heraufgeradelt waren. Wir sind also nicht die einzigen, die sowas komisches machen. Da immer noch Geld übrig war, gingen wir abends nochmals auswärts essen und dann unternahmen wir wieder einen Versuch, bei vollem Tageslicht zu schlafen. So langsam gewöhnen wir uns zwar daran, einschlafen ist aber trotzdem meist nicht leicht. 

Der nächste Tag begann mit einer mehre Kilometer langen Steigung auf guter Kiesstrasse. Erst im Tal nach dem ersten Hügel wurde es mühsam. Dort war man daran, die Strasse zu reparieren. D.h. kaputt war da nichts aber vermutlich wird die harte Erdoberfläche bei Regen schlammig und so bekam die Strasse eine neue Schicht Kies gesponsert. Was uns überhaupt nicht begeisterte, die harte Erde mit wenigen Steinchen war genial gewesen, im tiefen Kies blieben wir fast stecken. Ausserdem wirbelte so jedes Auto eine Riesenmenge Staub auf, ganz egal wie langsam es vorbeifuhr. Die meisten RV-Fahrer waren rücksichtsvoll, die Pick-ups nicht immer und der Laster, der das Kies für die Strasse ranschaffte, liess sich von unserer Gegenwart überhaupt nicht stören und blochte unbeeindruckt vorbei. Dass da sogar drei grosse Reisebusse unterwegs waren, hatte mich überrascht, hängt aber evtl. damit zusammen, dass der Alaska Highway wegen Hochwasser des Kluane Sees gesperrt ist und es momentan keinen anderen Weg von Kanada nach Alaska gibt als den Top of the World/Taylor HWY. 

Wir waren also daran, den zweiten Hügel des Tages zu erklimmen. Dabei kamen öfters Erinnerungen an die Carretera Austral in Chile auf, wo wir oft von Bremen attakiert wurden. Nun waren es Heerscharen von Mücken, die unser langsames Tempo von 5-6 km/h locker mithalten konnten. Und mal kurz einen Sprint einschalten, war auch nicht unbedingt die Lösung der Wahl, ganz einfach, weil sowas auf die Dauer eh nicht funktionieren kann. Von zuoberst hatte man eine hübsche Aussicht auf den West Fork Dennison River, der unten im Tal seine Schlangenlinien zog. Dort oben trafen wir auch drei Schweizer, die mit einem kleinen RV unterwegs waren. Irgendwie kam mir das richtig komisch rein, mit wildfremden Leuten Schweizerdeutsch zu reden. Abgesehen von den zwei Wochenn im April war das wohl schon lange nicht mehr vorgekommen. Sie hatten interessante Information betr. Strasse für uns. Jetzt sollte es wieder bis auf 600 müM runtergehen, dann wieder rauf auf 1‘000, wo eine Art welliges Hochplateau beginnen sollte, dann nochmals gute 300 m Steigung zur kanadischen Grenze hoch. Ok, so schlecht klang das gar nicht. 


West Fork Dennison River.

Also fetzten wir bergab und bald darauf krochen wir wieder den Hügel rauf. Es war schon den ganzen Tag bedeckt gewesen, zum Velo fahren perfekte Temperaturen, zum gemütlich Pause machen eindeutig zu kalt. Man muss aber bekanntlich nicht schnell sein um irgendwann oben anzukommen und 400 m sind keine Ewigkeiten. Dort oben, beim Beginn des erwähnten „Plateaus“, befand sich auch die Abzweigung nach Eagle und für uns somit der Beginn des Top of the World Highways. Was änderte sich damit? Erwartungsgemäss nichts, ausser, dass wir Aussicht auf umliegende Hügel und Täler hatten, was cool war wegen der unendlichen Weite, uns sonst aber eigentlich nicht sehr speziell erschien. Nach einigem sanften Auf und Ab erreichten wir einen Ort mit Namen Boundary (62.38 km, 5:50 Stunden). Als Dorf kann man die paar Hüttchen nicht bezeichnen, wir wurden aber vom Besitzer begrüsst und bekamen je drei Halbliter-Flaschen Wasser. In anderer Form gab es das dort nicht. In Boundary hatte es mal eine Lodge gegeben, die ist jedoch abgebrannt. Wir durften aber zelten oder uns in einer kleinen Cabin verstecken, ganz wie wir wollten. Mega nett, vielen Dank. V.a. wegen dem kalten Wind wählten wir die Cabin und waren später am Abend, als es zu schiffen und hageln begann, ziemlich happy über unsere Wahl. Von einem RV-Paar hatten wir noch mehr Wasser erhalten und so waren wir fast wunschlos glücklich. Ja, fast. Es hätte etwas wärmer sein können. 

In der Cabin in Boundary.

Am Morgen darauf war draussen alles grau und vernebelt. Da es aber nicht regnete, machten wir uns bereit, weiterzufahren. Bis wir soweit waren, hatte sich der Nebel in Bodennähe etwas gelichtet, aber ja, dafür regnete es jetzt. So waren die letzten rund 6 km bis zur kanadischen Grenze nass und wie schon anderweitig festgestellt sind nasse Sand/Kiesstrassen klebrig. Dazu ging es bergauf und wir brauchten über eine Stunde bis endlich die Grenzgebäude in Sicht kamen. Wobei von „Sicht“ zu reden eher etwas übertrieben war und dem dichten Nebel da oben nicht gerecht wurde. Es gab aber nur eine Passkontrolle, Aus- und Einreise kombiniert. Oder so habe ich das zumindest verstanden. 

Grenze zu Kanada. Schöne "Aussichten"...

Auf unsere Frage hatten wir die Information gekriegt, dass es lange auf und ab gehe und dass sich Asphalt und Schotter abwechseln. So war das denn auch. Zuerst rollten wir wieder auf „Asphalt“, oder dem, was davon noch übrig war. Dieser Belag war wohl einer der miesesten der ganzen Reise, mit riesigen Löchern und Flecken, wo nur noch Kies übrig war. Der Schotter, der weit über die Hälfte der Strasse bedeckte, war eigentlich einfach erodierter Asphalt. Zurück zum Ursprung sozusagen. Das hätte ich in Nordamerika nicht erwartet, aber gut, diese Strasse ist wohl nicht so wichtig und wenn irgendwo gespart werden muss, dann eben hier. Dann stellte sich aber nach nur wenigen hundert Metern die Frage, wo wohl die Architekten der Strasse her kamen. Ecuador, Panama oder Guatemala? Peruaner waren das ganz bestimmt nicht, die hätten nie und nimmer solch absurd steile Steigungen gebaut. Aber vielleicht ist das ja auch in Kanada so üblich? Ich war auf jeden Fall teilweise so langsam, dass mein Tacho keine Geschwindigkeit mehr erkannte, d.h. unter etwa 3.8 km/h. Und da wir ja direkt durch die Wolken (Top of the World eben!) pedalten, sah man auch nicht, wie weit diese Steigung noch so weiterging. Nicht eben motivierend. 

So ging das dann munter weiter. Meistens war es zwar nicht mehr ganz so steil, aber mit nasser Sandstrasse kombiniert etwa ebenso mühsam. Als wir ein paar Höhenmeter verloren hatten und uns unterhalb der Wolken befanden, konnte man immerhin den Strassenverlauf für mehr als 10-20 Meter erkennen und auch sehen, dass da unten weite, grüne Täler lagen, aber interessant war das alles eigentlich nicht. Der einzige Vorteil des Wetters war, dass weniger Verkehr herrschte als tags zuvor und dass wir nicht eingestaubt wurden. Ich hatte schon seit kurz nach der Grenze wieder Hunger gehabt, wir machten aber erst nach den üblichen rund 20 km Pause und die hielt sich kurz und wir frohren dabei ganz schön. Zwischendurch hörte dann der Regen auch mal kurz auf und wir sahen fast die Sonne, nur um gleich darauf wieder total verpisst zu werden. Zum Zmittag essen mussten wir uns dann etwas einfallen lassen. So bauten wir mit unserer Plache und den Velos ein notdürftiges Hüttchen, da der Himmel aber wieder gerade sämtliche Schleusen maximal geöffnet hatte, wurden wir bald ganz einfach unterschwemmt. Und überhaupt, es war schlicht hundsmiserabel, so in der Kälte und Nässe zu sitzen und zu warten, bis die ganze Schei...e wieder aufhört. Die RV-Fritzen, die vorbeifuhren und noch winkten, machten das Ganze auch nicht besser. 

Nach guten eineinhalb Stunden war es dann soweit und wir trauten uns wieder raus. Mal schauen, wie es hinter dem nächsten Hügel aussieht... Haha, sehr witztig, natürlich sah es hinter jedem weiteren Hügel ziemlich genau so aus wie hinter jedem, über den wir gekommen waren. Es ging runter und danach wieder hinauf. Und wieder runter und wieder hinauf. Keine Ahnung, weshalb wir uns eigentlich noch solch doofe Fragen stellten. Die Mittagspause hatten wir von etwa 14.20 bis 16 Uhr gehalten und waren bis dahin schon fast fünf Stunden in den Sätteln gesessen. So dauerte es etwas, bis wir wieder in Schwung kamen und eigentlich hatten wir keine grosse Lust mehr. Von den rund 113 km von Boundary bis Dawson hatten wir etwa 48 geschafft, es fehlten also noch jede Menge. Die Engländer, die wir in Chicken getroffen hatten, hatten gesagt, sie hätten das in einem langen Tag gemacht. Und die mussten von Dawson aus erst raufklettern. So nahmen wir an, dass wir das auch schaffen sollten, aber mit der Zeit kamen Zweifel auf. Irgendwann musste es aber runter gehen! Aber nicht hinter diesem Hügel und auch nicht nach dem Nächsten. Am Vormittag waren wir an diversen Schneefeldern vorbeigefahren, am Nachmittag sahen wir links in der Ferne eine Bergkette, die Ogilivie Mountains. Unter blauem Himmel! Die Berge hatten gutes Wetter und unsere blöden Hügel waren vernebelt und verregnet! 

Nun tatsächlich Aussichten.

Um 20 Uhr, nach 7:55 Stunden und 83.72 km, waren wir platt und glaubten nicht mehr an die Abfahrt. Wir hatten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade mal 10.5 km/h geschafft, was bei diesen Verhältnissen nicht wirklich verwunderte, aber auch nicht motivierte. Es gab neben der Strasse aber ab und zu grössere freie Flächen, auf so einer stellten wir schliesslich unser Zelt auf. D.h. nachdem wir einen kurzen Regenschauer abgewartet hatten. Da wir knapp an Wasser waren, verzichteten wir auf Kochen und assen Tortillas (mit nichts drauf) und sonstige Snacks. Dann verteilten wir unsere Futtervorräte in einigem Abstand vom Zelt und hofften auf besseres Wetter am nächsten Morgen. 

Das hatten wir dann auch. Nach guten zehn Kilometern zogen wir zwar das Regenzeug an, wie sich kurz darauf herausstellte, wäre das nicht unbedingt nötig gewesen. Nach nochmals zwei Kilometern hatten wir es dann endlich geschafft, die Abfahrt nach Dawson begann. Und zwar rasant, steil und kalt. Hat aber mighty Spass gemacht. Und es wäre umgekehrt wohl mighty anstrengend da raufzukeuchen. Gemäss dem, was man uns unterwegs gesagt hatte, hätte der Top of the World-Highway sehr schön, ja spektakulär sein müssen. Das hatten wir eindeutig verpasst. Irgendwie scheinen die Berge hier gegen uns zu sein und immer, wenn gute Aussichten auf dem Programm stehen, werden wir eingenebelt. Aber nun sahen wir immerhin den Yukon River von oben und Dawson City, wobei der Fluss beeindruckender war als das Dorf. 

Yukon River.

Unten angekommen gingen wir erst den Yukon River Government Campground anschauen. Sehr überzeugt davon waren wir aber nicht. Es gab zwar eine Shelter, d.h. einen überdachten Platz mit Tischen und Bänken, dafür nur einen einzigen Wasserhahn für den gesamten Zeltplatz und gerade zwei bärensichere Foodboxen! Das fanden wir etwas hohl. Zwei Boxen an einem Ende der Anlage, das Wasser auf der anderen Seite. Nicht optimal. Dazu musste man, wenn man ins Dorf wollte, erst die Fähre nehmen. Die aber gratis war. So sind wir mal über den Yukon nach Dawson geschifft, haben uns an einem Picknick-Tisch in die Sonne gesetzt und etwas gegessen. Danach inspizierten wir den Gold Rush RV Park, der aber stolze $ 21.50 pro Nacht zockt. Dafür liegt er mitten im Dorf, hat Duschen (die $ 2.5/6 min. kosten), hübsche Toiletten, Wifi, und ist, da nicht im Wald, nicht allzu sehr mit Mücken verseucht. Wie soll man sich entscheiden? Für das, was der „günstige“ Zeltplatz bietet, ist er gar nicht so günstig, der andere ist ganz einfach schweineteuer. Wir werweissten hin und her und entschieden uns schliesslich für die komfortablere, d.h. natürlich auch teurere Version. Bald stellten wir fest, dass hier in Kanada tatsächlich alles noch ein ganzes Stück teurer war als in Alaska, und das bezog sich nicht nur auf campen, sondern auch Food und was man sonst noch alles so braucht oder gerne hätte. Dafür ist Dawson eine herzige Stadt, die bis auf einige Details wie Strommasten einem Western entsprungen sein könnte. Asphaltiert ist auch nur gerade die Front Street, die Haupt- und Durchgangsstrasse, alles andere ist Schotter und es gibt noch jene teilweise erhöhten hölzernen Gehsteige, ebenfalls westernässig. Klar ist das ganze Dorf gerade mal auf zwei Dinge ausgerichtet: Gold und Touristen. Bis heute wird hier aktiv nach Gold gesucht und anscheinend wird das Edelmetall auch immer noch gefunden, auf wenn längst nicht mehr so viele Leute da leben wie 1898, als die Stadt über 30‘000 Einwohner zählte. 

Typischer Western-Baustiel von Dawson.
Ja, so kann's einem gehen.

Dawson City liegt ja bekanntlich am Ufer des Yukon Rivers und ist von diesem anscheinend auch mehrfach geflutet worden, wie dies Fotos im Visitor Center aus dem Jahr 1979 belegen. Deshalb wurde im Jahr 1987 ein Deich gebaut, der heutzutage eine hübsche Uferpromenade ist. Früher, zu Zeiten des Gold Rushs, legten an jenem Ufer unzählige Schiffe an, die vom Beringmeer aus den langen Weg durch Alaska bis nach Kanada hinaufgefahren waren. Insgesamt ist der Yukon 3‘185 km lang und entspringt interessanterweise keine 25 km vom Pazifik entfernt im Südosten Alaskas, hat sich aber, wie bei Flüssen so üblich, nicht den schnellsten, sondern den Weg des geringsten Widerstandes gesucht. Da er für seine Grösse recht schnell fliesst, ist sein Wasser dunkelbraun und lädt nicht gerade zum baden ein. Wäre wohl auch zu kalt.

Unseren ersten Tag in Dawson verbrachten wir mehrheitlich mit rumspazieren, Glacé essen und Souvenirläden anschauen. Der zweite Tag war dann ganz emsig gefüllt mit einkaufen, organisieren und umpacken all des Futters, das auf den Dempster Highway mitkommen muss. Im Western Arctic Visitor Center, das für die Northwest Territories und somit u.a. für den Dempster zuständig ist, hatten wir in Erfahrung gebracht, dass wir dort eine Schachtel abgeben können, die sie dann einem Autofahrer mitgeben werden mit Instruktionen, sie für uns in Eagle Plains abzugeben. Da Eagle Plains ziemlich genau in der Mitte der Strecke liegt, passt das gut. Wir rechnen 11 bis 12 Radeltage und 3 Reservetage, die zum Beispiel für erzwungene Pausentage gebraucht werden könnten, falls es stark regnen und die Strasse unpassierbar werden sollte. So haben wir also Essen für 15 Tage angehäuft und die Hälfte davon in die Kiste gesteckt. Vorräte für eine Woche zu schleppen, ist für uns gar nicht so aussergewöhnlich, da wir bisher ohnehin immer zu viel Zeugs dabei hatten. Der General Store hier in Dawson ist überraschend gut bestückt, wir hätten z.B. nicht geglaubt, hier immer noch Tortillas zu finden. War aber kein Problem. Ebenfalls die obligate Bohnenpaste, auf Tomaten und anderes Gemüse werden wir verzichten müssen. Zum Abendessen haben wir Teigwaren, Reis, Polenta und Stocki, wir werden also abwechslungsreicher essen als bisher. Snacks waren natürlich eh kein Problem und ich schleppe seit Seaside einiges an Schokolade mit, sieht also aus, als werden wir in den nächsten zwei Wochen keinen Hunger leiden. 

Den späteren Nachmittag haben wir mit einer Tour zum Slow Rush Kennels verbracht. Die New Yorkerin Kyia Buchard hat sich dort ihren Lebenstraum verwirklicht. Sie hat 44 Schlittenhunde und plant, mit einem Team am nächsten Yukon Quest teilzunehmen. Wir erhielten eine interessante Führung durch die Anlage, wo die Hunde wohnen und Erläuterungen, um was für Hunde es sich dabei handelte. Die meisten sind Alaskan Huskies, sprich Rennhunde. Sie hat auch Malamute-Mischlinge, die sind grösser und stärker, aber nicht so schnell, und einige Trapper-Hunde. Das Team, das voraussichtlich am Yukon Quest starten soll, besteht aus Hunden eines anderen Mushers, die das Rennen schon absolviert (und gewonnen) haben und einem eigenen Wurf letztjähriger Welpen. Die Hunde sind auf einem grossen Gelände untergebracht, jeder hat seine eigene Hütte, ist aber an einer Kette angebunden. Jeder Hund kann zwei bis drei weitere berühren, jedoch nicht nahe genug ran um sich gegenseitig zu verletzen, sollte einer mal schlechte Laune haben. Wir bekamen auch eine Live-Demo im Hunde vor den „Schlitten“ spannen und waren amüsiert aber der Hektik und Ungedult, die die Hunde zeigten bis es endlich losging. Ganz offensichtlich: die wollen rennen. Der Lauf war dann aber nur kurz, da es eigentlich zu warm war. 


Zukünftige Yukon Quest-Teilnehmer.
Los, los, wann geht's endlich los?!?

Wir konnten danach ein kleines Museum besichtigen mit verschiedenen Schlitten-Typen, vom traditionellen Last- zum modernen Rennschlitten, und einer grossen Sammlung an allem, das irgendwie mit Schlittenhunden im Zusammenhang steht. Von Briefmarken über Postkarten, Bilder, kleinen Schnitzereien, Renn-Trophäen, Puppen der Natives hier und sogar Hundeschlitten-Spielsachen, z.B. Playmobil (die hatte ich auch!) und Lego. Zum Abschluss sahen wir noch einen kurzen Film über den Yukon Quest. Sehr empfehlenswert! 

Unser dritte Tag in Dawson stand im Zeichen der Goldsuche. Wir besuchten die Mine Goldbottom, während dem Gold Rush ein Dorf mit sage und schreibe um die 5‘000 Einwohnern, jetzt ist alles wieder Wald. Jene Claims werden nun z.T. schon zum dritten Mal „gefilzt“, jeweils aber mit unterschiedlichen Methoden. Heutzutage ist man da recht modern und hat grosse Maschinen. Damit ist man deutlich schneller wenn man eine um die drei Meter dicke Permafrost-Erdschicht abtragen will um zu den Kiesschichten vorzudringen, die (hoffentlich) Gold enthalten. Dann wird das Kies per Bagger in eine „Separierungsmaschine“ gekippt, wo dann die grossen Steine rausgesiebt werden bis nur noch Sand und Goldflakes übrigbleiben. Auf einer Art riesigem Blech werden da mit Vibration und Wasser Sandkörner und Goldteilchen so weit wie möglich getrennt. Gold ist 19 mal schwerer als Wasser und durch die Vibration sinkt es durch den Sand nach unten. Dieser goldhaltige Sand wird dann von Hand löffelweise in eine komische, spiralartige „Pfanne“ gegeben, wo, wieder mit Hilfe von Wasser, die Goldkörnchen von den Steinchen getrennt werden. Die Steinchen wandern in der Spirale nach aussen, die Goldteilchen nach innen, wo sie durch ein Loch in ein Schälchen fallen. 

Maschine zur groben Gold-Stein-Separierung.
Letztes Finetuning.

Der für uns aktive Teil bestand aus gold panning, Gold waschen. So wie das vor über hundert Jahren die Goldwäscher gemacht haben. Man steht mit einem Haufen Kies und Steinen in der Pfanne im Bach, lädt Wasser auf und dreht und schüttelt das Ganze um eventuelle Goldflakes auf den Boden der Pfanne zu befördern. So wäscht man dann die grösseren Steine raus (oder pickt sie weg) bis man nur noch wenig Sand übrig hat. Goldflakes (ein Milimeter Durchmesser ist gross!) heben sich einerseits wegen ihrer Farbe von den Steinen ab, zuverlässiger ist aber ihr Verhalten. Steinchen werden leicht weggespühlt, Gold bleibt wegen dem seinem Gewicht auf der Pfanne liegen. Martina hatte schon beim ersten Versuch Glück, ich musste eine zweite Pfanne waschen bis ich zwei winzigste Goldbrösmelis fand. 

Auch wir versuchen unser Glück.

Wir bekamen auch noch das grösste Nugget zu sehen, das die Eigentümer-Familie je gefunden hatte. Drei Unzen schwer ist das Ding und damit sehr ungewöhnlich gross. Die Tour hatte auf jeden Fall Spass gemacht, das Beste daran war für uns aber, dass wir sie gratis gekriegt hatten, da wir den Besitzer der Mine in Dawson getroffen und eine Einladung gekriegt hatten. Jetzt sind wir also beide reich und werden mit dem Vermögen, das wir hier gemacht haben, noch auf unbestimmte Zeit weiterreisen können. Damit sind wir ready für den Dempster Highway und sonstige weitere Abenteuer. 

Hier noch eine Korrektur zum letzten Eintrag. Dort habe ich von einem Foto mit Wald behauptet, dass sei Tundra, was nicht korrekt ist. Jene Wald-Landschaft nennt sich hier Boreal Forest, in der Tundra wachsen wegen Permafrost keine Bäume mehr. Sorry wegen der Verwechslung.

Sonntag, 10. Juni 2012

Glennallen - Tok: Sonne und Regen in Alaska

Unter blauem Himmel und Sonne verliessen wir Anchorage, begleitet von Dave, unserem zweiten Warmshower Host in der Stadt. Parallel zum Glenn Highway verlief ein Veloweg (der im Winter zum Langlaufen und Hundeschlitten fahren benutzt wird), was es uns ersparte, den starken Verkehr unmittelbar neben uns ertragen zu müssen. Das Land war flach und mehrheitlich bewaldet, an einer Stelle sahen wir eine Menge tote Bäume in auf einer grossen, sumpfigen Wiese. Das hatten wir schon auf der Busfahrt zum Denali NP gesehen und gemäss dem Fahrer hatte ein Erdbeben vor zehn Jahren die Bäume gekillt, indem es den Boden absenkte, was das Eindringen von Salzwasser ermöglichte. Die Bäume haben das nicht überlebt. Interessanterweise stehen sie nun, da sie tot sind, unter Schutz.

Tote Bäume, im Hintergrund die Chugach Mountains.

Viel mehr gibt es von dem Abschnitt nach Palmer sonst nicht zu sagen. Mit 65.8 km in 3:52 Stunden war dieser erste Tag nach einer langen Velo-Pause gemütlich kurz gehalten. Wir schlugen im Kepler Bradley Lake Park unsere Zelte auf und bezahlten sage und schreibe $ 18 für ein Stück nicht sehr ebenes Gras, einen Tisch mit Bänken und ein ToiToi-Klo (d.h. Dave bezahlte). Dass es für so einen Preis nicht einmal einen Wasserhahn gab, fanden wir doch eher erstaunlich und so verbrachte ich einige Zeit damit, Wasser aus dem See zu filtern. Weil es so schön warm und sonnig war, nahmen Martina und ich anschliessend ein ganz kurzes Express-Bad. Das Wasser war nicht gerade warm, wir schafte es aber, so um die 20-30 Sektunden drin zu bleiben. Hat aber mega gut getan. 

Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Dave, er kehrte nach Anchorage zurück und wir fuhren weiter nach Osten. Nach Palmer nahm der Verkehr etwas ab und die Landschaft wurde interessanter, hügeliger und stieg langsam zu einem Pass an. Wir fuhren durch das Matanuska Susitna Tal, das zwischen den Talkeetna und den Chugach Mountains verläuft. Immer mal wieder hatten wir coole Aussicht auf das breite Bett des Matanuska Rivers, was mit den noch weissen oder weiss-fleckigen Bergen im Hintergrund ein geniales Bild abgab, so wie man sich Alaska eben vorstellt. Was mir auch auffiel, war, dass die Bäume hier nicht so hellgrün gefärbt waren wie vor knapp zwei Wochen als wir in Anchorage angekommen waren, nun war die Farbe dunkler und sah schon eher nach Sommer denn nach Frühling aus. Je weiter in die Höhe wir kamen, umso heller wurde das Grün jedoch wieder, ganz offensichtlich war die Jahreszeit hier noch nicht so weit fortgeschritten. 

Matanuska River und Talkeetna Mountains.

Der Vormittag war noch sehr warm gewesen, im Laufe des Tages zogen aber immer mehr Wolken auf und wir befürchteten Regen. Dazu blies ein zügiger Wind, zu unserer Freude für einmal von hinten. Nach 69.6 km und 4:55 Stunden erreichten wir die Long Lake State Recreation Site, wo wir zu campen planten. D.h. wir kamen zu einem See, der wohl der Long Lake sein musste und wir sahen, dass da im Wald zwei Zelte standen, wie ein offizieller Zeltplatz sah das aber nicht aus und ein entsprechendes Schild gab es auch keines. Etwas ratlos wanderten wir herum und schauten uns das an und fragten schlussendlich jemanden, was hier der Deal sei. Das sei tatsächlich ein Campground, ein ganz kleiner eben. Aber man könne hier überall, wo es Platz hat, ein Zelt aufstellen. Ok, so machten wir dass dann auch. Das Wasser filtern ersparte uns jener Herr netterweise, er hatte einen grossen Tank und konnte uns Wasser abgeben. Ausserdem durften wir unter seinem Tarp kochen und essen, was gemütlich war, da es am Abend regnete. 

Da wir am Morgen auch einen Kaffee bekamen, fuhren wir nicht sehr früh los. Landschaftlich sollte das ein sehr schöner Tag werden, oder besser, hätte werden sollen. Es regnete mit nur wenigen und kurzen Unterbrüchen und wir bekamen all die coolen Berge nie zu Gesicht und der Gletscher sah mit den grauen Wolken darüber etwas langweilig aus. Dafür durften wir über eine Menge Hügel klettern, bzw. es war einer jener Pässe, die man nur nach einer Menge Auf und Ab erreicht. Wo genau der höchste Punkt war, war nicht so klar und wegen der Nässe und Kälte gingen wir der Frage auch nicht weiter nach. Angeblich waren wir da aber irgendwo auf rund 3‘000 Fuss, also etwas über 900 Meter hoch gewesen. 

Long Lake im Nebel.
Matanuska Glacier, ebenfalls neblig.

Um 19 Uhr stoppten wir bei der Eureka Lodge (ziemlich weit oben auf dem Pass) und überlegten uns, ob wir um Erlaubnis zum campen fragen sollten, waren aber nicht so überzeugt von der Location und wollten nicht, dass möglicherweise unser Zelt weggeschwemmt würde. Wir wussten, dass etwa 15 km weiter eine State Recreation Site mit Zeltplatz liegen sollte und es nun eigentlich abwärts gehen sollte. Beides stimmte. Wir kamen nun schnell voran und als wir das Namensschild des Little Nelchina Rivers sahen, war auch klar, dass der Campground in der Nähe sein musste. Wieder gab es aber kein Schild weit und breit. So kehrten wir nach dem nächsten Hügel wieder um und zwiegen auf eine anonyme Dirt Road ab und tatsächlich, da standen zwischen Bäumen zwei Häuschen, die wir als Klos erkannten. Es gab auch Campsites und wir fanden sogar eine, die nicht aussah, als würde sie demnächts überschwemmt werden (86.4 km, 6:50 Stunden). Mit dem Tarp, den wir bisher meist zum Zudecken der Velos gebraucht hatten, spannten wir nun ein Dach und genossen so den Konfort eines realtiv trockenen Aussenbereiches. Ein anderes Problem stellte sich jedoch. Obwohl wir gleich neben dem Fluss zelteten, hatten wir kein Wasser. Der Fluss war braun und wir nicht motiviert, diese Brühe zu trinken. Was dann? Die „Lösung“ waren die Pfützen in der Strasse des Parks. Obwohl zwar nicht wirklich sauber, so war jenes Regenwasser, das aus dem Wald dort hineinfloss, immer noch um Längen klarer als das im Fluss. Filtern war jedoch keine Option, das Filterelement hätte viel zu oft geputzt werden müssen. Aber wir hatten ja immer noch unsere Chlortropfen und überraschenderweise schmeckte das bräunliche Pfützenwasser gar nicht schlecht. 

Wir waren erst nach 20 Uhr angekommen und mit allem, was es zu tun gab (Site aussuchen, Camp aufstellen, Wasser beschaffen, kochen, essen, Tagebuch schreiben etc.) war es fast Mitter“nacht“ bis wir ins Bett kamen. Nacht in Anführungszeichen, da es natürlich nicht dunkel wurde, aber als am Morgen darauf um 7 Uhr der Wecker piepte, entschieden wir uns kurzerhand, erst eine Stunde später aufzustehen. Was sich durchaus auch lohnte, denn kurz vor 10 Uhr brach die Sonne durch die Wolken und unsere Stimmung hob sich. Nach nicht ganz 20 km kamen wir zu einem kleinen Road House mit Namen Grizzly Country, wo wir Kaffee bekamen, was v.a. Martinas Stimmung gleich nochmals anhob. Der Herr, der das Lädeli führte, war sehr sympatisch und für uns war es spannend, etwas über das nicht immer leichte Leben der Locals hier zu erfahren, z.B. wie es die Leute hierher verschlagen hatte. Sehr oft beginnen solche Stories mit „20 years ago...“ oder sogar „30 years ago...“. Oft war es das Militär, das die Leute hergeschickt hatte oder sie kamen als Missionäre oder auch durch irgendwelche Zufälle im Leben. Und öfter bleiben wir länger hängen als geplant, einfach weil 10-15 Minuten Pause nicht reichen um all die Fragen zu stellen, die einem im Kopf herumturnen. 

Das Wetter blieb den ganzen Tag über eher zweifelhaft und unsicher, wir wurden aber nicht mehr verregnet. Meist, nicht immer, ging es bergab, selten steil, landschaftlich hübsch aber nicht überwältigend. Das Tal war nun meistens weit offen, und die Berge nur noch am Horizont erkennbar und Tundra um uns herum. Tundra heisst Wald, auf dieser Höhe aber keine hohe Bäume, die dicht beieinander wachsen, wie z.B. in Oregon oder Washington. Die Spurce Trees, eine Nadelbaum-Art, halten Distanz zueinander, haben nur ganz kurze Äste und sind eher mickrig. Dazwischen sahen wir immer mal wieder einen See oder Weiher oder Fluss. Auf diesem Abschnitt blieb einiges an Zeit, die Strasse genauer zu studieren. Wie bei uns in den Bergen heisst es auch hier öfters, es gäbe neun Monate Winter und drei Monate Strassenbau bzw. -reparatur. Ganz offensichtlich ist das Klima hier nicht asphaltfreundlich und die zahlreichen feinen Risse im Belag machen es allerlei Grünzeug leicht, sich ihren angstammten Lebensraum wieder zurückzuerobern. Dann gibt es auch jene hardcore Pflänzchen, die keine Risse brauchen und sich ihren Weg ans Tageslicht mit brachialer Gewalt, oder auch mit viel Geduld, langsam aber sicher selber aufbrechen.

Überlebenskampf Highway gegen Pflänzchen.
Endlose Tundra.

Um 17 Uhr erreichten wir Glennallen und unser erste Stopp war ein überrasched grosser Supermarkt. Dann suchten wir einen Ort zum übernachten und fanden den im Milepost (der Reisebibel des amerikanischen Nordens) erwähnten Northern Nights Campground. Für $ 15 pro Site durfte man dort sein Zelt aufstellen. Gar kein so schlechter Preis, in Kalifornien hatten wir auf einigen Hiker/Biker Sites mehr bezahlt, vom Kepler Bradley Park gar nicht erst zu reden. Und da auch wir ab und zu Glück haben, gab es an jenem Abend (je Montag und Freitag) gratis Desserts, von der Eigentümerin selber gemacht. Das relativierte den Preis gleich nochmals. Wir nutzten die Gelegenheit und stellten sicher, dass keine Reste übrig blieben und sparten damit gleich die Zeit und das Benzin zum selber kochen. Nach vier Tagen auf den Rädern leisteten wir uns auch die $ 3 für eine heisse Dusche. 

Am Morgen gab es Kaffee und auch das Wifi funktionierte wieder. Insgesamt ein sehr empfehlenswerter Zeltplatz, wo wir ausser den Betreibern etliche nette Leute trafen. Kurz nach Glennallen bogen wir dann auf den Richardson Highway ab und etwa 15 Meilen später auf den Tok Cutoff. Der Richardson-Abschnitt war flache Tundra gewesen, kurz nach der Abzweigung in Richtung Tok wurde es wieder hügeliger. Damit kamen auch gute Aussichten wieder, wie jener Vista Point über dem Copper River mit den Wrangell Mountains weit im Hintergrund. Dort trafen wir auf eine Gruppe Franzosen und siehe da, irgendwie brachte ich sogar noch ein paar französische Sätze zusammen. So improvisiert und stotternd.

Auf dem Tok Cutoff, im Hintergrund die Wrangell Mountains.

Während der Vormittag sehr sonnig gewesen war, zogen am Nachmittag z.T. sehr dunkle Wolken auf und wir sahen uns konstant von Regenschauern in der Nähe und Ferne bedroht. Da wir des öftern über Hügel drüber mussten, sahen wir auch den Copper River im Laufe des Tages immer wieder. Diese weiten, naturbelassenen Flussbetten mit sumpfigen Wiesen und Wäldern ringsum gefallen mir sehr und ich hielt immer Ausschau nach Bären oder anderem Getier, wir sahen aber nichts. Einzige Abwechslung waren die Baustellen, d.h. Schotterabschnitte, wo wir, wenn sie nass waren, fast kleben blieben, und wenn sie trocken waren, von Fahrzeugen eingestaub wurden (2002 hatte ein starkes Erdbeben grossen Schaden angerichtet, die Reparaturen sind noch nicht abgeschlossen). Seit wir uns auf dem Tok Cutoff befanden, hatte es nicht mehr viel Verkehr. Vor allem kaum mehr PWs, hier waren Wohnmobile und –wagen in klarer Überzahl, und meistens waren das rieisge Dinger, so fast in der Grösse von Reisecars. Auf einem dieser Schotterstücken steuerte plötzlich ein Auto direkt auf mich zu und der Fahrer streckte mir eine Visitenkarte entgegen. Wir sollen doch bei der Red Eagle Lodge stoppen, entweder zum schwatzen oder übernachten, es seien noch 9 Meilen. Ich fragte nah dem Preis einer Campsite und die Antwort war sehr ok: 13.-. 

Es war noch früh am Nachmittag, so um die 16 Uhr, als wir im "Dorf" (besser gesagt verstreute Ansammlung von Häusern) Chistochina und kurz darauf bei der Red Eagle Lodge ankamen, aber der Ort gefiel uns aber gleich (76 km, 4:39 Stunden). Auf einer grossen Wiese waren diverse grössere und kleinere Cabins verstreut und wir durften uns alles anschauen. Die einen Hüttchen waren mit eigenem Bad und Küche ausgestattet, andere nur mit einem grossen Bett. Es gab da auch ein neues, schönes Bath House, mit Duschen, Toiletten und Waschküche und im Hauptgebäude hat es einen gemütlichen Aufenthaltsraum. Der Preis zum campen hier war noch besser als im Northern Nights und die Duschen waren gratis. Wunderbar. Für $ 5 pro Person gäbe es auch Frühstück, wurde uns gesagt und da das ein sehr guter Preis war, buchten wir das gleich mit. Als wir später gemütlich auf dem Sofa sassen, begannen wir uns zu wundern, warum wir eigentlich nicht zwei Nächte blieben. Wir mussten uns ja nicht beeilen um dringend irgendwo hinkommen. Wir checkten den Wetterbericht und fanden heraus, dass für den kommenden Tag Regen angesagt war. Perfekt! Nicht, dass wir eine Ausrede zum bleiben brauchten, aber einen sonnigen Tag mit rumhängen zu verschwenden wäre etwas hohl gewesen. So passte das aber tiptop. Wir änderten die bestellte Frühstücks-Zeit von 7.30 auf 9.30 Uhr und freuten uns auf einen Tag für bloggen, lesen, entspannen und rumhängen.

Genau das taten wir denn auch nachdem wir so lange und so viel gegessen hatten, dass wir bis zum Abendessen nichts mehr brauchten. Der Wetterbericht hatte auch ziemlich gestimmt und da Regen aus einem warmen Haus heraus gesehen viel mehr Spass macht als live miterlebt, war die Welt für uns in Ordnung. Das änderte sich auch am folgenden Morgen nicht, da der Himmel zwar mehrheitlich bewölkt war, es aber auch dabei blieb. D.h. die Welt war i.O. was die Luftfeuchtigkeit betrifft, bald begann es aber zu winden und das selbstverständlich genau von da, wo wir hinwolten. Nicht patagonisch oder sonst irgendwie grenzwertig, aber konstant und stark genug um uns zu verlangsamen und zu nerven. Dafür sahen wir ab und zu die Sonne und sogar einen Schwarzbären, der ein paar hundert Meter vor uns über die Strasse rannte. Rings um uns herum war Wald, hier recht dicht und mit hohen Bäumen. Und immer mal wieder mussten wir ein Hügeli erklimmen. Mittagspause machten wir bei den Midway Services, einem kleinen Laden, wo es gratis Kaffee gab und wo Velofahrer gratis in einem Bus schlafen dürfen. Sehr nette Leute dort. Wir wollten aber weiter, da wir es sonst am folgenden Tag nicht bis nach Tok geschafft hätten. Etwa noch 25 km blieben bis zur Mentasta Lodge, wo wir neben einem Gebäude campen durften (73.7 km in 5:40 Stunden), worüber sich die lokalen Mücken natürlich freuten. 

Martina dagegen freute sich auf den Kaffee am Morgen und so dauerte es etwas länger als sonst bis wir loskamen. Aber hier, wo es nie dunkel wird und man nicht um eine bestimmte Zeit ankommen muss, sind auch unsere morgentlichen Abfahrtszeiten relativ geworden. Was macht es schon, ob wir um halb neun oder um halb zehn bereit sind? Der Wind war auch schon wieder wach, aber viel schwächer als tags zuvor. Die Sonne und die Wolken stritten sich um die Vorherrschaft am Himmel, die Wolken behielten aber meist die Oberhand. Trotzdem war es überraschend warm, schon in der Nacht war es nicht kalt geworden und wir haben, wie schon so oft hier, in unseren Schlafsäcken geschwitzt. Wir hatten gerade einen Hügel erklommen und waren schon ziemlich feucht von so’nem blöden Nieselregen und stoppten um das Regenzeug anzuziehen. Nicht, dass wir gefrohren hätten solange wir pedalten, mit nassen Kleidern wäre aber die nächste Pause sehr unangenehm geworden. Ich war gerade dabei, etwas aus einer Tasche zu graben als ich Martina leise rufen hörte: „Lueg, lueg, luuuueg!“ Da vorne spazierte gerade eine Elchmutter mit Baby über die Strasse! 

Herzige Tiere...
... und schöne Landschaften.

Erst ein Bär, jetzt ein Elch, scheint als seien wir tatsächlich in Alaska angekommen. Die drei einheimischen Velofahrer, die wir bald darauf trafen, erwähnten einen weiteren Elch, den sie vor kurzem gesehen hatten. Und der war sogar noch dort und solange wir genügend Abstand hielten, liess er sich von unserer Anwesenheit nicht stören. Als wir aber nochmals stoppten als wir näher waren, verschwand er in die Büsche. Jener erste Regenschauer hatte keine Ewigkeiten gedauert und bald drang die Sonne wieder durch. Am Nachmittag wurde der Himmel aber wieder bedrohlich dunkel und wir suchten uns einen Pausenplatz im Wald in der Hoffnung etwas vor dem kommenden Regen geschützt zu sein. Diese Strategie ging nur mittelmässig auf, da wir aber eh nur noch je eine Tortilla und nur noch einen kläglichen Überresten Bohnen hatten, waren wir mit dem Essen durch bis es zu regnen anfing. Wir sassen noch eine Weile zerknautscht unter den Spruce Trees, mussten aber irgendwann ja doch wieder in den Regenhinaus. Wrrrrr. 

Immerhin, die letzten rund 20 km vor Tok waren topfeben und wir kamen zügig voran. Als wir dort ankamen, schien auch wieder die Sonne. Wir hatten hier einen Couchsurfer Host kontaktiert, der zwar selber nicht zu Hause war, seine Nachbarn führen die Gäste aber jeweils in den zur Verfügung stehenden Wohnwagen ein (81.8 km, 4:50 Stunden). Die Deutsche Radler-Familie, von denen wir schon verschiedentlich gehört hatten, war auch da. Sie waren vor zwei Tagen angekommen und hatten nun für ihre letzte Nacht ihr Zelt aufgestellt und uns das Bett im Trailer überlassen. Das war mega nett. Und natürlich war es auch cool, wieder einmal andere Ciclistas zu treffen, und dann sogar noch welche mit knapp einjährigem Kind. Da war nun für Unterhaltung gesorgt. Ausserdem wohnte da auch noch eine riesige Armee grosser Mücken, die nichts unversucht liessen, auch noch zu ihrem Abendessen zu kommen. 

Ronja scheint Velos zu mögen.

Am Morgen darauf packen unsere neuen Freunde ihre Sachen zusammen. Sie wollten weiter in Richtung Beaver Creek. Wir legen hier einen Pausentag ein um all die üblichen Arbeiten wie waschen, einkaufen, tanken, bloggen etc. zu erledigen bevor wir das erste Mal seit langen wieder eine Schotterstrasse in Angriff nehmen, hier den Dalton Highway nach Dawson City in Kanada. 

Ronja, Gregor und Lea aus Deutschland.

Tschüss Family Pedaleros, war cool, euch zu treffen. Viel Glück auf eurer Reise und hoffentlich sehen wir uns in den Rockies nochmals.