Dienstag, 30. Oktober 2012

Pamplona - Barcelona: Erst durchnässt, dann gefriergetrocknet


Die zwei Tage in Pamplona waren schnell vorbei und schon hiess es wieder Abschied nehmen. Portu, muchas gracias, disfrutamos mucho las dos días en tu casa. Quizas nos veremos una vez en Suiza. Mit Portus Wegbeschreibung fanden wir die gewünschte Strasse aus der Stadt heraus und schon folgten wir einer praktisch verkehrsfreien Nebenstrasse, die parallel zur Autovía verlief. Das Wetter war gut, sonnig, z.T. nur mit einer ganz feinen Wolkenschicht. Leider hatte der spanische Wind seine Freundschaft mit uns aufgekündigt und er blies uns nun ins Gesicht. Nicht so richtig voll krass, aber stark genug um uns spürbar zu verlangsamen. Es lagen zwar eine ganze Reihe von Dörflis entlang unserer Strasse, die meisten aber etwas abseits, so dass wir nicht so viele Namen mitkriegten. Idocin durchquerten wir jedoch fadengerade und da gab es sogar ein paar hübsche Häuser mit roten Geranien zum bewundern.

Hübsche Häuser hat es hier.

Ein paar Kilometer und kleine Hügelis später passierten wir Monreal und da sich schon wieder Hungergefühle bemerkbar machten, stoppten wir für die erste Pause. Die Weiterfahrt verlief  dann störungsfrei und ohne grosse Aufregung. Als einmal zwei Autos der Guardia Civil kurz vor uns am Strassenrand anhielten, wunderte ich mich schon, was die wohl von uns wollten. Nichts, sie standen einfach da, sonst passierte nichts. So kurvten wir weiter und staunten nach einer Steigung, als wir vor uns eine Abfahrt in ein weites Tal hinunter fanden. Hinter den Hügeln geradeaus sahen wir so richtig felsige Bergen. Mussten wohl die Pyrenäen sein. Also fegten wir da hinunter und unten im Tal bogen wir schliesslich von der Autovía weg. Dass es ab nun nicht mehr ganz so flach weitergehen würde, war klar. Nach wenigen Kilometern hatten wir schon fast Sangüesa erreicht, wo wir etwas ausserhalb der Ortschaft Zmittag assen.

Hahn auf Kirchendach vor Sangüesa.

Tatsächlich ging es aber doch nochmals einige Kilometer recht flach weiter, dann schlich sich eine ganz leichte Steigung ein. Und kurz vor Sos del Rey Catolico stieg die Strasse dann so richtig steil an. Jenes Dorf liegt an einem Hügel und sieht von unten aus wie eine mittelalterliche Festung. Da hinaufzukommen versetzte uns ganz schon ins Schwitzen und da gab es sogar noch irgend welche Fliegenviecher, die einem nervig um den Kopf schwirren konnten. Portu hatte uns gesagt, dass Sos ein megaherziges Dörfli sei, und dem war auch so. Wir drehten eine kleine Runde durch die Altstadt und hatten das Gefühl, uns in einem bewohnten Museum zu befinden.

Da oben auf dem Hügel sitzt das Dorf...
... wir kommen näher...
... und sind drin.

Inzwischen war es schon etwas spät geworden, d.h. nach 16 Uhr. Bei einer Tankstelle luden wir Wasser auf und erstellten eine Strategie für den Abend. Es wartete ein Pass auf uns und am späteren Nachmittag eine Passüberquerung zu starten, erschien uns als nicht ratsam. So gingen wir zurück ins Dorf um bei der Guardia Civil zu fragen, ob wir auf dem Rasen der Sportanlage zelten dürften. Die Bullen waren jedoch nicht zuhause, weshalb wir direkt zur Sportanlage gingen um die Lage abzuchecken. Wir fanden auch jemanden, der für uns jemanden anderen anrief und uns dann zur Zona de Acampar Libre schickte. Der letzte Regen hätte den Ort aber ziemlich überschwemmt und er wisse nicht, ob man dort im Moment ein Zelt aufstellen könnte. Sonst müssten wir halt nach einer Albergue fragen. Ah ja, und für den nächsten Tag werde auch wieder Regen erwartet. Beladen mit dieser Information gingen wir den Platz abchecken und fanden tatsächlich deutliche Zeichen von Wasser, das dort seine Spuren hinterlassen hatte. Inzwischen war aber schon wieder eine Stunde vergangen und wir wussten, dass wir eigentlich keine Wahl mehr hatten, als da zu bleiben. So suchten wir uns die flachste Stelle aus und bauten unsere Hütte auf (64.56 km in 4:50 Stunden).

Der Abend blieb trocken, in der Nacht regnete es, am Morgen packten wir bei bewölktem Himmel zusammen. Als wir beim Zmorge sassen, fielen einige Tropfen, genug um ein eiliges Sachen einsammeln auszulösen. Und schon war alles wieder vorbei. Kaum waren wir aber ein paar Minuten unterwegs, begann das von Neuem und nun doch immerhin so stark um uns zu veranlassen, die Regenschütze zu montieren. Wohl nur so, um sicherzustellen, dass wir auch schnell warm bzw. heiss kriegten, so richtig stark zu regnen begann es nämlich nicht. So strampelten wir wieder einmal einer Reihe Windmühlen entgegen und als wir auf dem Puerto de Sos, 865 müM, zwischen den doch recht grossen Dingern hindurchfuhren, stellte ich fest, dass das ähnlich klingt wie ein Flugzeugmotor. Seit wir losgefahren waren, hatten wir konstanten Gegenwind gehabt, was für den Rest des Tages nichts Gutes verhiess.

Nun ging es bergab. Nicht sehr steil und darum auch nicht rekordverdächtig schnell aber doch ziemlich zügig. Der Regen hatte für den Moment aufgehört, in der Ferne liess sich sogar ein kleines Stücklein blauen Himmel erspähen. Auf der anderen Seite des Passes sah die Landschaft aus, wie wir uns das schon gewohnt waren. Braune oder braun-gelbe Felder soweit das Auge reicht. Dazwischen vielleicht da und dort ein paar Büsche oder Baumgruppen, aber insgesamt nichts Aufregendes. Beeindruckender war da ein weiterer Beweis der heftigen Regenfälle, die nicht allzuweit zurückliegen konnten. Kurz vor dem nächsten Dorf, Castiliscar, hatte ein Bach nämlich ein Stück der Strasse weggerissen. Ein Bild, dass z.B. in Kolumbien oder auch in Guatemala fast normal war, aber ob Lateinamerika oder Europa, dass das Wasser stärker ist als menschliche Bauwerke, kommt eben vor.

Hier hatte es (zu) stark geregnet.

Weiter ging’s. Meist flach, zwischendrin mal ein Hügel, aber schnell ging sowieso nichts. Der Wind, der nun von der Seite kam, stellte sicher, dass wir genug Zeit hatten, die eben nicht sonderlich interessante Landschaft zu würdigen. In Sabada machten wir Pause, in einer windfreien Seitenstrasse auf einer Bank mit umwerfender Aussicht auf eine knapp 1.5 m entfernte Hauswand. Und wie es nicht anders zu erwarten war, begann es auch genau dann wieder zu regnen. Wir zügelten uns unter ein läppisches Dächli und setzten uns dort auf den Boden. Natürlich hatte es in der Zwischenzeit wieder aufgehört zu regnen und die Leute wunderten sich vermutlich, warum da zwei so komische Ciclistas am Boden sassen.

Ein ähnliches Spiel widerholte sich etwa 20 km später in Ejea de los Caballeros. Wir hatten uns auf eine Bank neben der Kirche San Salvador gesetzt und alle unsere Sachen für den Zmittag bereitgelegt, Brot geschnitten etc. Diesmal flohen wir unter das Vordach der Kirche, das tatsächlich auch mehr bewirkte als dasjenige in der ersten Pause. Zum Glück, diesmal hielt der Regen nämlich länger an. Als wir wieder startklar waren, waren die Regenwolken weitergezogen, diejenige die blieben, führten keine überflüssige Feuchtigkeit mehr mit. Dafür hatten wir nun wieder frontalen Gegenwind, der dazu noch stärker geworden zu sein schien. Wir brachten es also noch auf ungefähr 10-12 km/h, und das bei einer topfebenen Strasse, auf der man eigentlich fast fliegen könnte. Wie schön das wäre, merkten wir jeweils, wenn ein oder zwei Lastwagen vorbeifuhren und den Wind davonpflügten. Für uns war das Pech, aber ganz unerwartet kam der Wind ja nicht.

In Erla fanden wir einen Brunnen, füllten unsere Flaschen auf und pedalten dann weiter, wieder auf einer recht stark befahrenen Strasse. Wir hielten nun Ausschau nach einem Übernachtungsplatz, bevorzugt mit Dach. Eine verlassene Fabrik lockte uns an, speziell als wir sahen, dass alle Türen der Gebäude offen standen. Wir fanden auch ein Raum, der nicht mit Gerümpel, Scherben oder von der Decke gestürzten Trümmern zugemüllt war und entschieden uns zum Bleiben (72.71 km in 5:17 Stunden). Bevor wir das Zelt aufstellten, rissen wir aber zwei Büschel Gras ab und wischten den Boden sauber. Naja, so einigermassen zumindest. Wenn schon, dann will man ja nicht auf Staub und sonstigem Dreck zelten.

Erst putzen...
... dann Camp einrichten.

Etwas verunsichtert waren wir einen Moment, als auf dem Weg vor dem Gebäude ein Auto ganz langsam Hin und Her fuhr. Hmm, werden die uns von hier fortschicken? Wir nahmen an, dass die Leute uns gesehen hatten und als das Auto anhielt und jemand ausstieg, warteten wir halt mal ab. Was sonst hätten wir schon tun können? Es kam jedoch niemand und als das Auto wieder wegfuhr, glaubten wir schon, nun Ruhe zu haben. Stellten also das Zelt auf und richteten uns häuslich ein. Bis wir wieder Stimmen hörten. Wir wagten einen scheuen Blick aus dem Fenster und sahen zwei Männer, die den Boden absuchten. Nach Schnecken, so wie es aussah. Die beiden verbrachten einige Zeit damit, die Wiese vor unserem Haus zu durchkämmen, waren damit aber so beschäftigt, dass sie nie auch nur in unsere Richtung blickten. So blieben wir also ungestört in unserem zusammenfallenden Gebäude vollen Staub, Vogelscheisse und anderen Verunreinigungen.

Wie sich am Morgen zeigte, hatten wir unseren Raum aber trotzt möglichem Gesehenwerden gut ausgewählt. Es hatte nämlich die ganze Nacht hindurch geregnet, was wir nicht an den Regengeräuschen an sich, sondern an den Tropfgeräuschen um uns herum wahrnahmen. Das klang wie halbe Wasserfälle und dem war in der Tat so. Der grosse, recht offene Raum neben uns war total durchnässt, da das kaputte Dach dem Regen nicht lange standgehalten hatte. Es regnete immer noch als wir aufstanden und es regnete auch noch als wir losfuhren. Da auch die Strasse nass war, waren wieder hunderte oder gar tausende kleine Schnecken unterwegs. Als Steinchen verkleidet spazierten die auf Fahrbahn und Seitenstreifen umher und selbst bei bester Absicht gelang der Slalom darum herum nicht immer, speziell da sie eben wirklich gut getarnt sind und so zahlreich, dass man sehr häufig welche mit einem „zack“ überfährt. Oder eben mit einem „zack, zack, zack“. Die würden auch besser in den Wiesen bleiben. Ebenfalls für „Abwechslung“ sorgten die unzähligen Schweinemast-Betriebe, die seit Tagen mit ihrem Gestank die Luft verpesten, sowie die Schweine-Transporter, die jeweils kurzfristig dieselben Geruchszellen beleidigten. Aber klar, irgendwoher müssen ja all die Schweine kommen, die für den allgegenwärtigen Jamón Ibérico ihr Leben lassen müssen.

Ein „Futtersturz“ am Abend zuvor hatte ergeben, dass unsere Vorräte nicht bis Barcelona reichen würden und wo planten wir einen Einkaufs-Stopp. Ganz so einfach wie das klingt, ist es jedoch noch lange nicht. Es gab zwar schon Dörfer entlang der Route, wie z.B. Gurrea de Gallego, ob es dort dann auch noch Läden hat, ist nicht immer so sicher. Und wenn, sind die möglicherweise so winzig, dass man lange nach Haferflocken und Milchpulver suchen kann. Um das herauszufinden, muss man aber natürlich ins Dorf rein, nach Laden und Produkten suchen, nur um dann festzustellen, dass das vergebene Liebesmüh ist. So verblödelt man locker mal rasch eine halbe Stunde oder mehr, die man auf der Strasse viel gewinnbringender hätte einsetzen können. Es hat eben schon seine Gründe, warum wir nach wie vor eher viel Food geladen haben. Bei einer Tankstelle tipo Autobahnraststätte machten wir dann Pause und fühlten uns wie im Zoo, so wurden wir von allen Seiten angestarrt. Und weil wir Hunger hatten und etwas Warmes immer besser ist, bestellten wir getostete Sandwiches. Dann assen wir einige unserer eigenen süssen Dinger und weil die eigentlich viel zu süss waren, musste da gleich noch ein Sandwich her um den Salz-Zucker-Spiegel wieder ins Lot zu bringen.

Freiwillig oder nicht, schliesslich mussten wir wieder in den Regen hinaus. Es war immer noch platt, immer noch keinen Gegenwind, dafür stärkeren Regen als zuvor. Wir passierten San Jorge, später Tardiento, dann Grañen und Lalueza. Es passierte absolut nichts, es gab absolut nichts zu sehen, es war ganz einfach restlos alles nass. Erst als wir in die Nähe des etwas grösseren Ortes Sariñena kamen, wurde die Welt etwas heller, erschien etwas freundlicher und am Horizont tauchte sogar ein heller Streifen auf und man konnte erahnen, dass die Welt eventuell doch noch nicht untergegangen war.

Schlamm im Vordergrund, Lichtblick am Horizont.

Wieder einmal stellte sich die Frage der des Pennplatzes. Wir konnten nicht darauf zählen, wieder ein so praktisches verlassenes Haus zu finden und auf diesem, von zwei Tagen Regen aufge- und durchweichten Boden ein Zelt aufzustellen, selbst wenn es momentan nicht mehr regnete, erschien reichlich utopisch. Man will sich ja nicht gleich in den Schlamm setzen und dort für den Rest seines Lebens stecken bleiben. Ausserdem war Martinas Schlafsack ziemlich feucht, nicht zu reden von ihrer Jacke und ihrer Stimmung, die bei Regen jeweils relativ schnell leidet. So kurvten wir ins Zentrum von Sariñena, fanden ein Hostal und machten wieder einen Unterkunfts-Check, so wie letztmals wohl in Tijuana. 25 Euro für ein Zweierzimmer mit geteiltem Bad erschien uns ok und da die Aussicht auf eine Dusche und Platz, all das nasse Zeugs aufzuhängen, sehr verlockend war, waren wir bald damit beschäftigt, unser Gepäck zum Zimmer hinaufzuschleppen (83.08 km in 4:49 Stunden).

Am Morgen sah das Leben tatsächlich schon wieder viel fröhlicher aus. Der Himmel war zwar noch ganz leicht bewölkt, das gute Wetter war aber auf dem Vormarsch. Und wenn man trockene Sachen einpacken kann, ist das sowieso glücklicher als nasse Kleidung anziehen. Wenn man dann noch eine flache Strasse vor sich hat und von einem freundlichen Wind geschoben wird, dann ist das wohl kaum mehr schlagbar. So ging das rund 25 km lang. Wir surften durch Sena und Villanueva de Sigena und hatten viel zu bald unsere Abzweigung in Richtung Norden erreicht und hatten den Wind dann von der Seite. Plus einen Hügel zum erklimmen. Das machte zwar nicht mehr ganz so viel Spass, sonderlich tragisch war es aber auch nicht. Ausser in den Momenten, wo sich die Strasse im Zick-Zack den Hügel hinaufwand und wir den Wind direkt im Gesicht hatten. Das war nicht nett. Schon flitzten wir aber runter nach Alcoleada de Cinca, wo wir von zwei älteren Herren zum Kaffee und Znüni eingeladen wurden. Sie hätten uns am Abend zuvor im Hostal (das auch eine Bar ist) gesehen und wollten uns etwas sponsern. Ziemlich überrascht nahmen wir das Angebot an und lauschten dann den Geschichten der beiden, von denen wir bestenfalls die Hälfte verstanden.

Und schon ging es weiter, nun wieder mit leicht seitlichem Rückenwind, der mir wieder ein Grinsen auf’s Gesicht pflanzte. Es ist schon supergeil, so vor sich hin zu velölen und mit ganz wenig Kraftaufwand so schnell vorwärts zu kommen. Wir cruisten durch Albalate de Cinca und via Esplús nach Binéfar und dann, nach einer leichten Richtungsänderung hatten wir den Wind wieder fadengerade im Rücken. Das war einfach viel zu schön um wahr zu sein! Wann würden wir wohl aus den Traum erwachen, nur um festzustellen, dass wir in einem verregneten Zelt sitzen und nun in die Nässe und den Gegenwind hinausmüssen? Ok, bis jetzt ist das nicht passiert. Wir fuhren wieder durch Oliven- und Mandelnhaine und erklommen den einen oder anderen Hügel, die für interessante Landschaft sorgten. Es gabh da sogar eine Art kleine Tafelberge.

Storchen-Hochburg...
... Tafelbergli...
... und schon sind wir in Catalunya.

Wir überquerten die Grenze zu Catalunya und in den Dörfern Tamarite de Litera, Alfarrás und Algerri stellten wir dann fest, dass nun alles auf katalanisch angeschrieben ist. Interessanterweise nicht zweisprachig wir in der Region von Pamplona, sondern einsprachig katalanisch. Aber ok, im Falle von Verkehrsschildern versteht man das auch, meistens oder halbwegs jedenfalls. Uns war zwar gesagt worden, katalanisch sei dem spanischen nicht sehr ähnlich, diese Einschätzung teilen wir aber eindeutig nicht. Eigentlich hätten wir noch stundenlange so weiter fahren können, wir wussten aber, dass wir uns einer Stadt annäherten und wollten darum so bald wie möglich einen Nistplatz für die Nacht finden. Auf einer kleinen Anhöhe sahen wir auf die Ebene vor uns, erkannten, dass wildes campen da nicht einfach sein würde, und bogen darum auf eine schmale Seitenstrasse ab, die in die Hügel hinauf führte. Dort checken wir erst ein verlassen wirkendes Gebäude ab, das sich aber als ungeeignet erwies, und entschieden uns dann, uns in bzw. hinter einige Büsche zu schlagen. Windschutz war das Thema Nr. 1, auf Abendsonne verzichteten wir in diesem Fall (95.30 km in 5:1 Stunden). Inzwischen ist es noch vor 20 Uhr stockdunkel, was nichts Gutes erwarten lässt, da bald die Umstellung auf Winterzeit erfolgen wird. Trotzdem ist es cool, Blitzen in der Entfernung zuzuschauen und selber im Licht des fast vollen Mondes zu stehen. Obwohl, lange rumstehen war keine Option, der Wind blies nämlich immer noch, und um diese Zeit war das nun saukalt.

Mandelbüsche wachsen hier...
... und winzige, buschige Eichen.

Wrrr, frier, schlotter, auch der Morgen war ganz schön kühl. So assen wir eben im Zelt Zmorge, wo es immerhin ein klein wenig wärmer, bzw. weniger kalt war. Der Grund, warum das eine Neuheit ist, ist dass es bisher in Spanien meist nicht soo kalt gewesen war und in Kanada war im Zelt essen aus bärtechnischen Gründen untersagt gewesen. Wir waren gerade so schön am Zusammenpacken und ich wollte eben in die Büsche verschwinden, als mich Schüsse ganz in der Nähe wieder heraustrieben. Wir hatten in einer Area Privada de Caça gezeltet und an einem Sonntag Morgen vertreiben sich viele Spanier ihre Zet offensichtlich mit jagen. Wen oder was die da verfolgt haben, wissen wir nicht, wir trauen Jägern aber nicht über den Weg und sind darum so schnell als möglich abgehauen. Der Tag begann mit einer kurzen Abfahrt und dann einer langen Gerade nach Balaguer. Mit leichtem Rückenwind, viel machte der um diese Zeit aber noch nicht aus. Wir kamen durch die Dörfer Bellcaire d’Urgell und La Fuliola und hatten dann schon bald die nächst grössere Ortschaft erreicht. Die katalanischen Verkehrsschilder verstanden wir in diesem Fall nicht ganz, fanden jedoch eine Strasse, die um die Stadt herum führte. Unser nächster Orientierungs-Ort war Tàrrega und das war sogar ausgeschildert, soweit also kein Problem.

Sonderlich spannend war die Strecke aber nicht. Es ging flach mehrheitlich gerade aus mit seitlichem Rückenwind. Zügig passierten wir einige kleinere Dörfer, in Tàrrega fanden wir praktischerweise eine Cafeteria, die draussen eine Arte Zelt oder dreiseitigen Windschutz mit Tischen und Stühlen hatte. Dort konnten wir halbwegs ohne zu frieren etwas trinken und gleichzeitig unseren eigenen Food essen. Inzwischen war der Wind zum Sturm mutiert und als wir wieder in den Sätteln sassen, wurden wir ganz schön hin und her geschüttelt, soo je nach aktueller Richtung der Strasse. Meistens hatten wir aber Rückenwind und der schob uns tatkräftig die nächste, relativ lange Subida hinauf. Extrem chic, sowas! Die folgende Bajada beinhaltete dann so einiges an Action. Erst ging es volle Kraft bergab, nach der nächsten Kurve hatten wir dieselbe luftige Kraft von vorne und in der Biegung darauf natürlich von der Seite. Das war nicht mehr koscher. Gleich darauf wieder mit Rückenwind ging’s wieder blitzartig vorwärts. Nun sind 60 km/h ja eigentlich nichts Neues und insofern auch durchaus ok, aber wenn da noch so eine Wind bläst, von dem man ja nie weiss, wann er das nächste mal eine seitliche Böhe ausspukt, dann ist das etwas riskant. Also besser etwas bremsen. In dem Stil ging es runter durch Solivella, dann flach aber immer noch schnell nach Guàrdia dels Prats, wo wir einen mehr schlecht als recht windgeschützten Ort zum Essen fanden. Der Wind war nämlich nicht nur stark, sondern, im Gegensatz zum Tag davor, auch saukalt.

Nach der Pause änderten wir unsere Fahrtrichtung, hatten also den Wind von der Seite, teilweise sogar fast von vorne. Und es ging einen Bergrücken hinauf. Suboptimal, aber was will man machen. Wir hielten nun Ausschau nach einem Campplatz, was aber schwierig wurde. Jäger könnten ja auch gut am Sonntag Abend rumschleichen und eine weitere Begegnung wollten wir vermeiden. Die unbeliebten Schilder standen aber auch da an fast jeder Kiesstrasse. So wie es aussieht, ist ganz Spanien in private Jagtgebiete aufgeteilt. Erschwerend kam der Wind hinzu. Dem möchte man ja auch nicht völlig ungeschützt ausgesetzt sein. Wir schauten uns diverse Orte an, waren aber nirgendwo so wirklich glücklich. Nicht einmal eine grosse Sporthalle war in der Lage, uns Windschatten zu basteln. Nach Cabra del Camp ging es mal kurz bergab, dann befanden wir uns wieder auf einer Ebene. Wo es zu unserem Unglauben weniger windig war. Es war nun schon um die halb sechs Uhr und wir standen damit ziemlich unter Zugzwang. So schlichen wir uns auf einen Feldweg, der zwischen Weinreben hindurch von der Strasse wegführte. Sehr optimistisch waren wir nicht mehr gestimmt, umso erleichterter waren wir, als wir hinter einem Hügel zwischen Haselnuss-Sträuchern einen flachen, windgeschützten Ort vorfanden. Ausgesprochen hübsch war es da, viel idyllischer als der letzte Pennplatz. Ok, wir wussten ja noch nicht, wie uns der Morgen empfangen würde, aber das Problem der Nacht war erst mal gelöst (89.09 km in 5:29 Stunden).

Es war dann nicht der Morgen, der Überraschungen mit sich brachte, sondern die Nacht. Ich erwachte kurz nach 2 Uhr wegen einem Sturm, der das Zelt durchschüttelte. Der kam aus einer anderen Richtung als der Wind tagsüber, unser Hügeli und die Büsche schützten uns also nicht mehr wirklich. Nach einer Weile entschied ich mich, da rauszugehen um das Zelt fester zu verankern. Am Abend hatten wir es, wie bis anhin immer, nicht für nötig gehalten, sämtliche Heringe einzupflanzen. Als das geschehen war, war mir aber wohler. Wieder einschlafen konnte ich deswegen noch lange nicht, das Getöse des Windes war mit Heringen eben nicht auszulöschen. Am Morgen war dann interessanterweise aber Ruhe. Übriggeblieben war ein leichter Wind von hinten, der uns nach El Pla de Sta Maria schob. Dort schafften wir es dann, uns auf der Karte und dem Planeten zu orientieren und die richtige Strasse in die richtige Richtung zu nehmen. Es war schweinekalt, das Thermometer zeigte 0°C an, was ja ok wäre, der Wind tat aber sein Übriges um uns fast Finger und Zehen abfrieren zu lassen. Wir waren in unseren warmen Jacken gestartet, was schon seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen war. Martina bewaffnete sich zusätzlich mit Winterhandschuhen, ich mit meinem Buff und es dauerte so einige Zeit bis wir an einer Steigung einiges davon auszogen. Interessanterweise war der Wind fast ganz verschwunden, wir waren also wieder selber für unser Vorwärtskommen zuständig.

Der Fahrstill bzw. eine gewisse Agressivität gewisser Leute liess erahnen, dass wir uns einer grösseren Stadt näherten, und das, obwohl Barcelona noch lockere 80 km weit entfernt war. In El Vendrell loiterten wir bei einer Mall herum, d.h. hängten uns dort in die Sonne und stopften uns mit Süssigkeiten voll. Irgendwie ist Schokolade ihren Rang in letzter Zeit etwas losgeworden. Speziell Milka, von der wir in Pamplona gleich zwei grosse Tafeln gekauft hatten (weil Aktion), hatte einigermassen für eine Überdosis gesorgt. Dafür war Kondensmilch ins Spiel gekommen und die hatte ihren Neuheitswert noch nicht verloren. Die gibt es in Tuben zu kaufen und die Bildli darauf sprechen deutliche Sprache. Die sind für Wanderer und Velofahrer gemeint, wohl so als eine Art Energie-Gel. Und da sie bedeutend feiner ist als jedes offizielle Energie-Gel, sei es von Power Bar, Squeezy oder was auch immer, hat sie da leichtes Spiel.

Weiter ging es auf einer jener Nationalstrasse, die zwar keine eigentlichen Autobahn war, die auch pro Richtung nur eine Spur hatte, sonst aber teilweise schon Autobahn-ähnliche Merkmale aufwies, wie z.B. eine riesige Menge Verkehr, aber oft auch einen breiten Seitenstreifen. Diesmal kamen wir aber nicht weit, d.h. die Autos kamen nicht weit. Da gab es nämlich eine Baustelle und unsere Spur war gesperrt. Was uns nicht daran hinderte, auf erwähntem Seitenstreifen an den wartenden Autos vorbeizufahren. Gleich darauf wurde aber die andere Seite gesperrt und unsere Spur geöffnet. Zum Glück war die Baustelle ganz lang und so mussten all die ungeduldigen Auto- und Lastwagenfahrer schön brav und langsam vorbeifahren. Währenddessen studierte ich den Stau, der sich auf der Gegenfahrbahn innert kürzester Zeit gebildet hatte. Speziell richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Reifen der Lastwagen, die auch hier in Spanien sehr oft nicht mehr sonderlich viel Profil aufweisen. Weiss nicht, ob die in der Schweiz so noch erlaubt wären, aber ich hegte den Verdacht, dass dem nicht so wäre.

Zehn Kilometer weiter hatten wir den Stau dann „überholt“, d.h. wir grinsten die Autofahrer auf der anderen Seite an, die nicht wussten, dass ihnen gleich darauf eine längere Warterei bevorstand. Bald war aber auch uns das Grinsen vergangen, jetzt herrschten nämlich waschechte Autobahn-Bedingungen und es war volle Konzentration gefragt speziell bei der Manövrierung durch Ein- und Ausfahrten in einem Verkehr, wo die Leute ganz gewiss nicht mit Radfahrern rechnen. Nicht, dass unsere Anwesenheit da illegal gewesen wäre, aber zumindest äusserst unüblich und damit unerwartet. So ging das eine ganze Weile, es war flach, die Landschaft uninteressant, das Wetter aber ganz angenehm. Bei einer kleinen, desolat wirkenden Tankstelle machten wir Pause, assen Zmittag und genossen die Sonne. Nach einem riesigen Kreisel mit Anschluss zur Autopista nahm der Verkehr ab und unsere Strasse hatte wieder mehr Landstrassen-Charakteristiken. Uns stand nun die letzte Steigung vor Barcelona bevor, was die Sache spannender machte und uns durch hübsche Wälder und das Dorf Ordal mit sehr prominentem Kirch- oder Festungsturm führte.

Einfahrt ins Dorf Ordal.

Die Pt. Ordal war nicht ganz 500 m hoch, dann ging es fetzig und eiskalt hinunter nach Les Casets d'En Julià und Vallirana, wo wir bei einem Kreisel mit nur Ausfahrten auf die Autopista stecken blieben. Ein Blick auf die Karte verriet, dass wir etwa hundert Meter zurück und dort die Abzweigung nach Cervelló nehmen mussten. Ab da ging es erst durch kleinere, später grössere Dörfer und verkehrsreiche Agglo nach Barcelona. Auch ÖV Busse mischten sich ins Geschehen, verhielten sich aber unerwartet berechenbar. Insgesamt war die Annäherung und Einfahrt nach Barcelona, mit Ausnahme jenem Stück „pseudo Autobahn“, gar nicht so schlimm wie angekündigt und daher erwartet gewesen. Klar, Stadtverkehr ist anstrengend, speziell, wenn man den Weg nicht kennt, die Strecke sich dahinzieht und die Strassen nicht immer angeschrieben sind. So fragte ich ein paar Mal nach, wir waren immer richtig und fanden schliesslich die Adresse unseres Warmshowers kurz nach halb sieben Uhr (98.37 km in 6:04 Stunden). Auf unser Läuten antwortete niemand, José kam aber zwei oder drei Minuten nach uns nach Hause.

Unsere Sachen in die Wohnung zu bringen, war ja nicht das Problem. Sie dann aber in Josés Zimmer zu verstauen, schon eher. Er wohnt in einer WG mit vier Zimmern, wo, wenn alle da sind, sieben Personen wohnen. Sein Zimmer, das er uns abtrat, hat die Grösse einer kleinen Gefängniszelle (ist auch etwa so dunkel), so dass wir unsere Sache da kaum reinbrachten. Und da mussten wir über Nacht noch eine Matte auslegen und tagsüber einen Gang zum Waschräumli freihalten, in das man nur via Josés Zimmer reinkommt. Generell sind spanische Wohnungen eher komisch, so schlauchartig angelegt und Tageslicht ist da öfters eine Rarität. Fenster zeigen nicht wirklich nach draussen, sondern in einen winzigen Hof, wo nicht viel Licht eindringt. So haben wir noch einen anderen WS kontaktiert, der erst ab dem 30. Oktober verfügbar war und nun unseren Umzug auf heute Abend abgemacht. 

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