Die zwei
Tage in Pamplona waren schnell vorbei und schon hiess es wieder Abschied
nehmen. Portu, muchas gracias,
disfrutamos mucho las dos días en tu casa. Quizas nos veremos una vez en Suiza. Mit Portus
Wegbeschreibung fanden wir die gewünschte Strasse aus der Stadt heraus und
schon folgten wir einer praktisch verkehrsfreien Nebenstrasse, die parallel zur
Autovía verlief. Das Wetter war gut, sonnig, z.T. nur mit einer ganz feinen
Wolkenschicht. Leider hatte der spanische Wind seine Freundschaft mit uns
aufgekündigt und er blies uns nun ins Gesicht. Nicht so richtig voll krass,
aber stark genug um uns spürbar zu verlangsamen. Es lagen zwar eine ganze Reihe
von Dörflis entlang unserer Strasse, die meisten aber etwas abseits, so dass
wir nicht so viele Namen mitkriegten. Idocin durchquerten wir jedoch
fadengerade und da gab es sogar ein paar hübsche Häuser mit roten Geranien zum
bewundern.
Hübsche Häuser hat es hier. |
Ein paar
Kilometer und kleine Hügelis später passierten wir Monreal und da sich schon
wieder Hungergefühle bemerkbar machten, stoppten wir für die erste Pause. Die
Weiterfahrt verlief dann störungsfrei und ohne grosse Aufregung. Als einmal zwei
Autos der Guardia Civil kurz vor uns am Strassenrand anhielten, wunderte ich
mich schon, was die wohl von uns wollten. Nichts, sie standen einfach da, sonst
passierte nichts. So kurvten wir weiter und staunten nach einer Steigung, als
wir vor uns eine Abfahrt in ein weites Tal hinunter fanden. Hinter den Hügeln
geradeaus sahen wir so richtig felsige Bergen. Mussten wohl die Pyrenäen sein.
Also fegten wir da hinunter und unten im Tal bogen wir schliesslich von der
Autovía weg. Dass es ab nun nicht mehr ganz so flach weitergehen würde, war klar. Nach
wenigen Kilometern hatten wir schon fast Sangüesa erreicht, wo wir etwas
ausserhalb der Ortschaft Zmittag assen.
Hahn auf Kirchendach vor Sangüesa. |
Tatsächlich
ging es aber doch nochmals einige Kilometer recht flach weiter, dann schlich
sich eine ganz leichte Steigung ein. Und kurz vor Sos del Rey Catolico stieg
die Strasse dann so richtig steil an. Jenes Dorf liegt an einem Hügel und sieht
von unten aus wie eine mittelalterliche Festung. Da hinaufzukommen versetzte
uns ganz schon ins Schwitzen und da gab es sogar noch irgend welche
Fliegenviecher, die einem nervig um den Kopf schwirren konnten. Portu hatte uns
gesagt, dass Sos ein megaherziges Dörfli sei, und dem war auch so. Wir drehten
eine kleine Runde durch die Altstadt und hatten das Gefühl, uns in einem
bewohnten Museum zu befinden.
Da oben auf dem Hügel sitzt das Dorf... |
... wir kommen näher... |
... und sind drin. |
Inzwischen
war es schon etwas spät geworden, d.h. nach 16 Uhr. Bei einer Tankstelle luden
wir Wasser auf und erstellten eine Strategie für den Abend. Es wartete ein Pass
auf uns und am späteren Nachmittag eine Passüberquerung zu starten, erschien
uns als nicht ratsam. So gingen wir zurück ins Dorf um bei der Guardia Civil zu
fragen, ob wir auf dem Rasen der Sportanlage zelten dürften. Die Bullen waren
jedoch nicht zuhause, weshalb wir direkt zur Sportanlage gingen um die Lage
abzuchecken. Wir fanden auch jemanden, der für uns jemanden anderen anrief und
uns dann zur Zona de Acampar Libre schickte. Der letzte Regen hätte den Ort
aber ziemlich überschwemmt und er wisse nicht, ob man dort im Moment ein Zelt
aufstellen könnte. Sonst müssten wir halt nach einer Albergue fragen. Ah ja,
und für den nächsten Tag werde auch wieder Regen erwartet. Beladen mit dieser
Information gingen wir den Platz abchecken und fanden tatsächlich deutliche
Zeichen von Wasser, das dort seine Spuren hinterlassen hatte. Inzwischen war
aber schon wieder eine Stunde vergangen und wir wussten, dass wir eigentlich
keine Wahl mehr hatten, als da zu bleiben. So suchten wir uns die flachste
Stelle aus und bauten unsere Hütte auf (64.56 km in 4:50 Stunden).
Der Abend
blieb trocken, in der Nacht regnete es, am Morgen packten wir bei bewölktem
Himmel zusammen. Als wir beim Zmorge sassen, fielen einige Tropfen, genug um
ein eiliges Sachen einsammeln auszulösen. Und schon war alles wieder vorbei.
Kaum waren wir aber ein paar Minuten unterwegs, begann das von Neuem und nun
doch immerhin so stark um uns zu veranlassen, die Regenschütze zu montieren.
Wohl nur so, um sicherzustellen, dass wir auch schnell warm bzw. heiss
kriegten, so richtig stark zu regnen begann es nämlich nicht. So strampelten
wir wieder einmal einer Reihe Windmühlen entgegen und als wir auf dem Puerto de
Sos, 865 müM, zwischen den doch recht grossen Dingern hindurchfuhren, stellte
ich fest, dass das ähnlich klingt wie ein Flugzeugmotor. Seit wir losgefahren
waren, hatten wir konstanten Gegenwind gehabt, was für den Rest des Tages
nichts Gutes verhiess.
Nun ging es
bergab. Nicht sehr steil und darum auch nicht rekordverdächtig schnell aber
doch ziemlich zügig. Der Regen hatte für den Moment aufgehört, in der Ferne
liess sich sogar ein kleines Stücklein blauen Himmel erspähen. Auf der anderen
Seite des Passes sah die Landschaft aus, wie wir uns das schon gewohnt waren.
Braune oder braun-gelbe Felder soweit das Auge reicht. Dazwischen vielleicht da
und dort ein paar Büsche oder Baumgruppen, aber insgesamt nichts Aufregendes.
Beeindruckender war da ein weiterer Beweis der heftigen Regenfälle, die nicht
allzuweit zurückliegen konnten. Kurz vor dem nächsten Dorf, Castiliscar, hatte ein Bach nämlich ein Stück der Strasse weggerissen. Ein Bild, dass z.B. in
Kolumbien oder auch in Guatemala fast normal war, aber ob Lateinamerika oder
Europa, dass das Wasser stärker ist als menschliche Bauwerke, kommt eben vor.
Hier hatte es (zu) stark geregnet. |
Weiter
ging’s. Meist flach, zwischendrin mal ein Hügel, aber schnell ging sowieso nichts.
Der Wind, der nun von der Seite kam, stellte sicher, dass wir genug Zeit
hatten, die eben nicht sonderlich interessante Landschaft zu würdigen. In
Sabada machten wir Pause, in einer windfreien Seitenstrasse auf einer Bank mit
umwerfender Aussicht auf eine knapp 1.5 m entfernte Hauswand. Und wie es nicht
anders zu erwarten war, begann es auch genau dann wieder zu regnen. Wir
zügelten uns unter ein läppisches Dächli und setzten uns dort auf den Boden.
Natürlich hatte es in der Zwischenzeit wieder aufgehört zu regnen und die Leute
wunderten sich vermutlich, warum da zwei so komische Ciclistas am Boden sassen.
Ein
ähnliches Spiel widerholte sich etwa 20 km später in Ejea de los Caballeros. Wir hatten uns auf eine Bank neben der Kirche San Salvador
gesetzt und alle unsere Sachen für den Zmittag bereitgelegt, Brot geschnitten
etc. Diesmal flohen wir unter das Vordach der Kirche, das tatsächlich auch mehr
bewirkte als dasjenige in der ersten Pause. Zum Glück, diesmal hielt der Regen
nämlich länger an. Als wir wieder startklar waren, waren die Regenwolken
weitergezogen, diejenige die blieben, führten keine überflüssige
Feuchtigkeit mehr mit. Dafür hatten wir nun wieder frontalen Gegenwind, der dazu
noch stärker geworden zu sein schien. Wir brachten es also noch auf ungefähr
10-12 km/h, und das bei einer topfebenen Strasse, auf der man eigentlich fast
fliegen könnte. Wie schön das wäre, merkten wir jeweils, wenn ein oder zwei
Lastwagen vorbeifuhren und den Wind davonpflügten. Für uns war das Pech, aber
ganz unerwartet kam der Wind ja nicht.
In Erla
fanden wir einen Brunnen, füllten unsere Flaschen auf und pedalten dann weiter,
wieder auf einer recht stark befahrenen Strasse. Wir hielten nun Ausschau nach
einem Übernachtungsplatz, bevorzugt mit Dach. Eine verlassene Fabrik lockte uns
an, speziell als wir sahen, dass alle Türen der Gebäude offen standen. Wir
fanden auch ein Raum, der nicht mit Gerümpel, Scherben oder von der Decke
gestürzten Trümmern zugemüllt war und entschieden uns zum Bleiben (72.71 km in
5:17 Stunden). Bevor wir das Zelt aufstellten, rissen wir aber zwei Büschel
Gras ab und wischten den Boden sauber. Naja, so einigermassen zumindest. Wenn
schon, dann will man ja nicht auf Staub und sonstigem Dreck zelten.
Erst putzen... |
... dann Camp einrichten. |
Etwas
verunsichtert waren wir einen Moment, als auf dem Weg vor dem Gebäude ein Auto
ganz langsam Hin und Her fuhr. Hmm, werden die uns von hier fortschicken? Wir
nahmen an, dass die Leute uns gesehen hatten und als das Auto anhielt und jemand
ausstieg, warteten wir halt mal ab. Was sonst hätten wir schon tun können? Es
kam jedoch niemand und als das Auto wieder wegfuhr, glaubten wir schon, nun
Ruhe zu haben. Stellten also das Zelt auf und richteten uns häuslich ein. Bis
wir wieder Stimmen hörten. Wir wagten einen scheuen Blick aus dem Fenster und
sahen zwei Männer, die den Boden absuchten. Nach Schnecken, so wie es aussah.
Die beiden verbrachten einige Zeit damit, die Wiese vor unserem Haus zu
durchkämmen, waren damit aber so beschäftigt, dass sie nie auch nur in unsere
Richtung blickten. So blieben wir also ungestört in unserem zusammenfallenden
Gebäude vollen Staub, Vogelscheisse und anderen Verunreinigungen.
Wie sich am
Morgen zeigte, hatten wir unseren Raum aber trotzt möglichem Gesehenwerden
gut ausgewählt. Es hatte nämlich die ganze Nacht hindurch geregnet, was wir
nicht an den Regengeräuschen an sich, sondern an den Tropfgeräuschen um uns
herum wahrnahmen. Das klang wie halbe Wasserfälle und dem war in der Tat so. Der
grosse, recht offene Raum neben uns war total durchnässt, da das kaputte Dach dem Regen
nicht lange standgehalten hatte. Es regnete immer noch als wir aufstanden und
es regnete auch noch als wir losfuhren. Da auch die Strasse nass war, waren
wieder hunderte oder gar tausende kleine Schnecken unterwegs. Als Steinchen
verkleidet spazierten die auf Fahrbahn und Seitenstreifen umher und selbst bei
bester Absicht gelang der Slalom darum herum nicht immer, speziell da sie eben
wirklich gut getarnt sind und so zahlreich, dass man sehr häufig welche mit
einem „zack“ überfährt. Oder eben mit einem „zack, zack, zack“. Die würden auch
besser in den Wiesen bleiben. Ebenfalls für „Abwechslung“ sorgten die
unzähligen Schweinemast-Betriebe, die seit Tagen mit ihrem Gestank die Luft
verpesten, sowie die Schweine-Transporter, die jeweils kurzfristig dieselben
Geruchszellen beleidigten. Aber klar, irgendwoher müssen ja all die Schweine kommen, die für den allgegenwärtigen Jamón Ibérico ihr Leben lassen müssen.
Ein
„Futtersturz“ am Abend zuvor hatte ergeben, dass unsere Vorräte nicht bis Barcelona
reichen würden und wo planten wir einen Einkaufs-Stopp. Ganz so einfach wie das
klingt, ist es jedoch noch lange nicht. Es gab zwar schon Dörfer entlang der
Route, wie z.B. Gurrea de Gallego, ob es dort dann auch noch Läden hat, ist
nicht immer so sicher. Und wenn, sind die möglicherweise so winzig, dass man
lange nach Haferflocken und Milchpulver suchen kann. Um das herauszufinden,
muss man aber natürlich ins Dorf rein, nach Laden und Produkten suchen, nur um dann
festzustellen, dass das vergebene Liebesmüh ist. So verblödelt man locker mal
rasch eine halbe Stunde oder mehr, die man auf der Strasse viel
gewinnbringender hätte einsetzen können. Es hat eben schon seine Gründe, warum wir
nach wie vor eher viel Food geladen haben. Bei einer Tankstelle tipo
Autobahnraststätte machten wir dann Pause und fühlten uns wie im Zoo, so wurden
wir von allen Seiten angestarrt. Und weil wir Hunger hatten und etwas Warmes
immer besser ist, bestellten wir getostete Sandwiches. Dann assen wir einige
unserer eigenen süssen Dinger und weil die eigentlich viel zu süss waren,
musste da gleich noch ein Sandwich her um den Salz-Zucker-Spiegel wieder ins
Lot zu bringen.
Freiwillig
oder nicht, schliesslich mussten wir wieder in den Regen hinaus. Es war immer
noch platt, immer noch keinen Gegenwind, dafür stärkeren Regen als zuvor. Wir
passierten San Jorge, später Tardiento, dann Grañen und Lalueza. Es passierte
absolut nichts, es gab absolut nichts zu sehen, es war ganz einfach restlos
alles nass. Erst als wir in die Nähe des etwas grösseren Ortes Sariñena kamen,
wurde die Welt etwas heller, erschien etwas freundlicher und am Horizont
tauchte sogar ein heller Streifen auf und man konnte erahnen, dass die Welt
eventuell doch noch nicht untergegangen war.
Schlamm im Vordergrund, Lichtblick am Horizont. |
Wieder
einmal stellte sich die Frage der des Pennplatzes. Wir konnten nicht darauf
zählen, wieder ein so praktisches verlassenes Haus zu finden und auf diesem,
von zwei Tagen Regen aufge- und durchweichten Boden ein Zelt aufzustellen, selbst
wenn es momentan nicht mehr regnete, erschien reichlich utopisch. Man will sich
ja nicht gleich in den Schlamm setzen und dort für den Rest seines Lebens
stecken bleiben. Ausserdem war Martinas Schlafsack ziemlich feucht, nicht zu
reden von ihrer Jacke und ihrer Stimmung, die bei Regen jeweils relativ schnell
leidet. So kurvten wir ins Zentrum von Sariñena, fanden ein Hostal und machten
wieder einen Unterkunfts-Check, so wie letztmals wohl in Tijuana. 25 Euro für
ein Zweierzimmer mit geteiltem Bad erschien uns ok und da die Aussicht auf eine
Dusche und Platz, all das nasse Zeugs aufzuhängen, sehr verlockend war, waren
wir bald damit beschäftigt, unser Gepäck zum Zimmer hinaufzuschleppen (83.08 km
in 4:49 Stunden).
Am Morgen
sah das Leben tatsächlich schon wieder viel fröhlicher aus. Der Himmel war zwar
noch ganz leicht bewölkt, das gute Wetter war aber auf dem Vormarsch. Und wenn
man trockene Sachen einpacken kann, ist das sowieso glücklicher als nasse Kleidung anziehen. Wenn man dann noch eine flache Strasse vor sich hat und von einem
freundlichen Wind geschoben wird, dann ist das wohl kaum mehr schlagbar. So
ging das rund 25 km lang. Wir surften durch Sena und Villanueva de Sigena und
hatten viel zu bald unsere Abzweigung in Richtung Norden erreicht und hatten
den Wind dann von der Seite. Plus einen Hügel zum erklimmen. Das machte zwar
nicht mehr ganz so viel Spass, sonderlich tragisch war es aber auch nicht.
Ausser in den Momenten, wo sich die Strasse im Zick-Zack den Hügel hinaufwand und wir den Wind direkt im Gesicht hatten. Das war nicht nett. Schon flitzten
wir aber runter nach Alcoleada de Cinca, wo wir von zwei älteren Herren zum
Kaffee und Znüni eingeladen wurden. Sie hätten uns am Abend zuvor im Hostal
(das auch eine Bar ist) gesehen und wollten uns etwas sponsern. Ziemlich
überrascht nahmen wir das Angebot an und lauschten dann den Geschichten der
beiden, von denen wir bestenfalls die Hälfte verstanden.
Und schon
ging es weiter, nun wieder mit leicht seitlichem Rückenwind, der mir wieder ein
Grinsen auf’s Gesicht pflanzte. Es ist schon supergeil, so vor sich hin zu
velölen und mit ganz wenig Kraftaufwand so schnell vorwärts zu kommen. Wir
cruisten durch Albalate de Cinca und via Esplús nach Binéfar und dann, nach
einer leichten Richtungsänderung hatten wir den Wind wieder fadengerade im
Rücken. Das war einfach viel zu schön um wahr zu sein! Wann würden wir wohl aus
den Traum erwachen, nur um festzustellen, dass wir in einem verregneten Zelt
sitzen und nun in die Nässe und den Gegenwind hinausmüssen? Ok, bis jetzt ist
das nicht passiert. Wir fuhren wieder durch Oliven- und Mandelnhaine und erklommen
den einen oder anderen Hügel, die für interessante Landschaft sorgten. Es gabh da sogar eine Art kleine Tafelberge.
Storchen-Hochburg... |
... Tafelbergli... |
... und schon sind wir in Catalunya. |
Wir
überquerten die Grenze zu Catalunya und in den Dörfern Tamarite de Litera,
Alfarrás und Algerri stellten wir dann fest, dass nun alles auf katalanisch
angeschrieben ist. Interessanterweise nicht zweisprachig wir in der Region von
Pamplona, sondern einsprachig katalanisch. Aber ok, im Falle von
Verkehrsschildern versteht man das auch, meistens oder halbwegs jedenfalls. Uns war zwar gesagt worden,
katalanisch sei dem spanischen nicht sehr ähnlich, diese Einschätzung teilen
wir aber eindeutig nicht. Eigentlich hätten wir noch stundenlange so weiter
fahren können, wir wussten aber, dass wir uns einer Stadt annäherten und
wollten darum so bald wie möglich einen Nistplatz für die Nacht finden. Auf
einer kleinen Anhöhe sahen wir auf die Ebene vor uns, erkannten, dass wildes
campen da nicht einfach sein würde, und bogen darum auf eine schmale
Seitenstrasse ab, die in die Hügel hinauf führte. Dort checken wir erst ein
verlassen wirkendes Gebäude ab, das sich aber als ungeeignet erwies, und
entschieden uns dann, uns in bzw. hinter einige Büsche zu schlagen. Windschutz
war das Thema Nr. 1, auf Abendsonne verzichteten wir in diesem Fall (95.30 km
in 5:1 Stunden). Inzwischen ist es noch vor 20 Uhr stockdunkel, was nichts
Gutes erwarten lässt, da bald die Umstellung auf Winterzeit erfolgen wird.
Trotzdem ist es cool, Blitzen in der Entfernung zuzuschauen und selber im Licht
des fast vollen Mondes zu stehen. Obwohl, lange rumstehen war keine Option, der
Wind blies nämlich immer noch, und um diese Zeit war das nun saukalt.
Mandelbüsche wachsen hier... |
... und winzige, buschige Eichen. |
Wrrr,
frier, schlotter, auch der Morgen war ganz schön kühl. So assen wir eben im
Zelt Zmorge, wo es immerhin ein klein wenig wärmer, bzw. weniger kalt war. Der Grund, warum das
eine Neuheit ist, ist dass es bisher in Spanien meist nicht soo kalt gewesen
war und in Kanada war im Zelt essen aus bärtechnischen Gründen untersagt
gewesen. Wir waren gerade so schön am Zusammenpacken und ich wollte eben in die
Büsche verschwinden, als mich Schüsse ganz in der Nähe wieder heraustrieben.
Wir hatten in einer Area Privada de Caça gezeltet und an einem Sonntag Morgen
vertreiben sich viele Spanier ihre Zet offensichtlich mit jagen. Wen oder was
die da verfolgt haben, wissen wir nicht, wir trauen Jägern aber nicht über den Weg und sind darum so schnell als möglich
abgehauen. Der Tag begann mit einer kurzen Abfahrt und dann einer langen Gerade
nach Balaguer. Mit leichtem Rückenwind, viel machte der um diese Zeit aber noch
nicht aus. Wir kamen durch die Dörfer Bellcaire d’Urgell und La Fuliola und
hatten dann schon bald die nächst grössere Ortschaft erreicht. Die
katalanischen Verkehrsschilder verstanden wir in diesem Fall nicht ganz, fanden jedoch eine
Strasse, die um die Stadt herum führte. Unser nächster Orientierungs-Ort war
Tàrrega und das war sogar ausgeschildert, soweit also kein Problem.
Sonderlich
spannend war die Strecke aber nicht. Es ging flach mehrheitlich gerade aus mit
seitlichem Rückenwind. Zügig passierten wir einige kleinere Dörfer, in Tàrrega
fanden wir praktischerweise eine Cafeteria, die draussen eine Arte Zelt oder
dreiseitigen Windschutz mit Tischen und Stühlen hatte. Dort konnten wir
halbwegs ohne zu frieren etwas trinken und gleichzeitig unseren eigenen Food
essen. Inzwischen war der Wind zum Sturm mutiert und als wir wieder in den
Sätteln sassen, wurden wir ganz schön hin und her geschüttelt, soo je nach
aktueller Richtung der Strasse. Meistens hatten wir aber Rückenwind und der
schob uns tatkräftig die nächste, relativ lange Subida hinauf. Extrem chic,
sowas! Die folgende Bajada beinhaltete dann so einiges an Action. Erst ging es
volle Kraft bergab, nach der nächsten Kurve hatten wir dieselbe luftige Kraft
von vorne und in der Biegung darauf natürlich von der Seite. Das war nicht mehr
koscher. Gleich darauf wieder mit Rückenwind ging’s wieder blitzartig vorwärts.
Nun sind 60 km/h ja eigentlich nichts Neues und insofern auch durchaus ok, aber
wenn da noch so eine Wind bläst, von dem man ja nie weiss, wann er das nächste
mal eine seitliche Böhe ausspukt, dann ist das etwas riskant. Also besser etwas
bremsen. In dem Stil ging es runter durch Solivella, dann flach aber immer noch
schnell nach Guàrdia dels Prats, wo wir einen mehr schlecht als recht
windgeschützten Ort zum Essen fanden. Der Wind war nämlich nicht nur stark,
sondern, im Gegensatz zum Tag davor, auch saukalt.
Nach der
Pause änderten wir unsere Fahrtrichtung, hatten also den Wind von der Seite,
teilweise sogar fast von vorne. Und es ging einen Bergrücken hinauf.
Suboptimal, aber was will man machen. Wir hielten nun Ausschau nach einem
Campplatz, was aber schwierig wurde. Jäger könnten ja auch gut am Sonntag Abend
rumschleichen und eine weitere Begegnung wollten wir vermeiden. Die unbeliebten
Schilder standen aber auch da an fast jeder Kiesstrasse. So wie es aussieht,
ist ganz Spanien in private Jagtgebiete aufgeteilt. Erschwerend kam der Wind
hinzu. Dem möchte man ja auch nicht völlig ungeschützt ausgesetzt sein. Wir
schauten uns diverse Orte an, waren aber nirgendwo so wirklich glücklich. Nicht
einmal eine grosse Sporthalle war in der Lage, uns Windschatten zu basteln.
Nach Cabra del Camp ging es mal kurz bergab, dann befanden wir uns wieder auf
einer Ebene. Wo es zu unserem Unglauben weniger windig war. Es war nun schon um
die halb sechs Uhr und wir standen damit ziemlich unter Zugzwang. So schlichen
wir uns auf einen Feldweg, der zwischen Weinreben hindurch von der Strasse
wegführte. Sehr optimistisch waren wir nicht mehr gestimmt, umso erleichterter
waren wir, als wir hinter einem Hügel zwischen Haselnuss-Sträuchern einen
flachen, windgeschützten Ort vorfanden. Ausgesprochen hübsch war es da, viel
idyllischer als der letzte Pennplatz. Ok, wir wussten ja noch nicht, wie uns
der Morgen empfangen würde, aber das Problem der Nacht war erst mal gelöst
(89.09 km in 5:29 Stunden).
Es war dann
nicht der Morgen, der Überraschungen mit sich brachte, sondern die Nacht. Ich
erwachte kurz nach 2 Uhr wegen einem Sturm, der das Zelt durchschüttelte. Der
kam aus einer anderen Richtung als der Wind tagsüber, unser Hügeli und die
Büsche schützten uns also nicht mehr wirklich. Nach einer Weile entschied ich
mich, da rauszugehen um das Zelt fester zu verankern. Am Abend hatten wir es,
wie bis anhin immer, nicht für nötig gehalten, sämtliche Heringe einzupflanzen.
Als das geschehen war, war mir aber wohler. Wieder einschlafen konnte ich
deswegen noch lange nicht, das Getöse des Windes war mit Heringen eben nicht
auszulöschen. Am Morgen war dann interessanterweise aber Ruhe. Übriggeblieben war
ein leichter Wind von hinten, der uns nach El Pla de Sta Maria schob. Dort
schafften wir es dann, uns auf der Karte und dem Planeten zu orientieren und
die richtige Strasse in die richtige Richtung zu nehmen. Es war schweinekalt,
das Thermometer zeigte 0°C an, was ja ok wäre, der Wind tat aber sein Übriges
um uns fast Finger und Zehen abfrieren zu lassen. Wir waren in unseren warmen
Jacken gestartet, was schon seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen war. Martina
bewaffnete sich zusätzlich mit Winterhandschuhen, ich mit meinem Buff und es dauerte so einige Zeit bis wir an einer Steigung einiges davon
auszogen. Interessanterweise war der Wind fast ganz verschwunden, wir waren also
wieder selber für unser Vorwärtskommen zuständig.
Der
Fahrstill bzw. eine gewisse Agressivität gewisser Leute liess erahnen, dass wir
uns einer grösseren Stadt näherten, und das, obwohl Barcelona noch lockere 80
km weit entfernt war. In El Vendrell loiterten wir bei einer Mall herum, d.h.
hängten uns dort in die Sonne und stopften uns mit Süssigkeiten voll. Irgendwie
ist Schokolade ihren Rang in letzter Zeit etwas losgeworden. Speziell Milka,
von der wir in Pamplona gleich zwei grosse Tafeln gekauft hatten (weil Aktion),
hatte einigermassen für eine Überdosis gesorgt. Dafür war Kondensmilch ins
Spiel gekommen und die hatte ihren Neuheitswert noch nicht verloren. Die gibt
es in Tuben zu kaufen und die Bildli darauf sprechen deutliche Sprache. Die
sind für Wanderer und Velofahrer gemeint, wohl so als eine Art Energie-Gel. Und
da sie bedeutend feiner ist als jedes offizielle Energie-Gel, sei es von Power Bar,
Squeezy oder was auch immer, hat sie da leichtes Spiel.
Weiter ging
es auf einer jener Nationalstrasse, die zwar keine eigentlichen Autobahn war, die auch pro Richtung nur eine Spur hatte, sonst aber teilweise schon
Autobahn-ähnliche Merkmale aufwies, wie z.B. eine riesige Menge Verkehr, aber
oft auch einen breiten Seitenstreifen. Diesmal kamen wir aber nicht weit, d.h.
die Autos kamen nicht weit. Da gab es nämlich eine Baustelle und unsere Spur
war gesperrt. Was uns nicht daran hinderte, auf erwähntem Seitenstreifen an den
wartenden Autos vorbeizufahren. Gleich darauf wurde aber die andere Seite
gesperrt und unsere Spur geöffnet. Zum Glück war die Baustelle ganz lang und so
mussten all die ungeduldigen Auto- und Lastwagenfahrer schön brav und langsam
vorbeifahren. Währenddessen studierte ich den Stau, der sich auf der
Gegenfahrbahn innert kürzester Zeit gebildet hatte. Speziell richtete ich meine
Aufmerksamkeit auf die Reifen der Lastwagen, die auch hier in Spanien sehr oft
nicht mehr sonderlich viel Profil aufweisen. Weiss nicht, ob die in der Schweiz
so noch erlaubt wären, aber ich hegte den Verdacht, dass dem nicht so wäre.
Zehn
Kilometer weiter hatten wir den Stau dann „überholt“, d.h. wir grinsten die
Autofahrer auf der anderen Seite an, die nicht wussten, dass ihnen gleich
darauf eine längere Warterei bevorstand. Bald war aber auch uns das Grinsen
vergangen, jetzt herrschten nämlich waschechte Autobahn-Bedingungen und es war volle Konzentration gefragt speziell bei der Manövrierung durch Ein- und
Ausfahrten in einem Verkehr, wo die Leute ganz gewiss nicht mit Radfahrern
rechnen. Nicht, dass unsere Anwesenheit da illegal gewesen wäre, aber zumindest
äusserst unüblich und damit unerwartet. So ging das eine ganze Weile, es war
flach, die Landschaft uninteressant, das Wetter aber ganz angenehm. Bei einer
kleinen, desolat wirkenden Tankstelle machten wir Pause, assen Zmittag und genossen die Sonne.
Nach einem riesigen Kreisel mit Anschluss zur Autopista nahm der Verkehr ab und
unsere Strasse hatte wieder mehr Landstrassen-Charakteristiken. Uns stand nun
die letzte Steigung vor Barcelona bevor, was die Sache spannender machte und
uns durch hübsche Wälder und das Dorf Ordal mit sehr prominentem Kirch- oder
Festungsturm führte.
Einfahrt ins Dorf Ordal. |
Die Pt.
Ordal war nicht ganz 500 m hoch, dann ging es fetzig und eiskalt hinunter nach Les Casets d'En Julià und Vallirana, wo wir bei einem Kreisel mit nur Ausfahrten auf die Autopista
stecken blieben. Ein Blick auf die Karte verriet, dass wir etwa hundert Meter
zurück und dort die Abzweigung nach Cervelló nehmen mussten. Ab da ging es erst durch kleinere, später grössere Dörfer und verkehrsreiche Agglo nach
Barcelona. Auch ÖV Busse mischten sich ins Geschehen, verhielten sich aber
unerwartet berechenbar. Insgesamt war die Annäherung und Einfahrt nach
Barcelona, mit Ausnahme jenem Stück „pseudo Autobahn“, gar nicht so schlimm wie
angekündigt und daher erwartet gewesen. Klar, Stadtverkehr ist anstrengend,
speziell, wenn man den Weg nicht kennt, die Strecke sich dahinzieht und die
Strassen nicht immer angeschrieben sind. So fragte ich ein paar Mal nach, wir
waren immer richtig und fanden schliesslich die Adresse unseres Warmshowers
kurz nach halb sieben Uhr (98.37 km in 6:04 Stunden). Auf unser Läuten
antwortete niemand, José kam aber zwei oder drei Minuten nach uns nach Hause.
Unsere
Sachen in die Wohnung zu bringen, war ja nicht das Problem. Sie dann aber in
Josés Zimmer zu verstauen, schon eher. Er wohnt in einer WG mit vier Zimmern,
wo, wenn alle da sind, sieben Personen wohnen. Sein Zimmer, das er uns abtrat,
hat die Grösse einer kleinen Gefängniszelle (ist auch etwa so dunkel), so dass
wir unsere Sache da kaum reinbrachten. Und da mussten wir über Nacht noch eine
Matte auslegen und tagsüber einen Gang zum Waschräumli freihalten, in das man
nur via Josés Zimmer reinkommt. Generell sind spanische Wohnungen eher komisch,
so schlauchartig angelegt und Tageslicht ist da öfters eine Rarität. Fenster
zeigen nicht wirklich nach draussen, sondern in einen winzigen Hof, wo nicht
viel Licht eindringt. So haben wir noch einen anderen WS kontaktiert, der erst
ab dem 30. Oktober verfügbar war und nun unseren Umzug auf heute Abend abgemacht.
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