Montag, 29. November 2010

Cajamarca - Chachapoyas: ¡¡¡Velos geklaut!!!

Da sind wir also am Sonntag vor einer Woche weitergefahren. Was uns bis Celendín, der nächsten grösseren Ortschaft, erwartete, wussten wir nicht genau. Es würde hügelig werden, soviel war klar, die Details lagen hinter der ersten Steigung verborgen.

Diese Voraussage erfüllte sich dann natürlich auch. Es waren aber wirklich nur Hügel und das Auf und Ab haute uns nicht aus den Socken. Das sollte erst später kommen. Da wir wie immer früh aufbrachen, hielten sich die Temperaturen in Grenzen. Bis zum ersten Dorf, La Encañada, mussten wir eine Steigung und einige Wellen überqueren, dann kam die logische Abfahrt ins Tal. Dort unten waren viele Leute mit Vieh unterwegs, wie sich herausstellte fand im Dorf gerade ein Viehmarkt statt. Nach nur kurzer Pause stieg die Strasse, nun seit einigen Kilometern wieder "Naturstrasse", wieder an. Eine Gruppe Velofahrer, die wir in Cajamarca getroffen hatten, hatten uns gesagt, dass der Belag dieser Strasse hier, obwohl kein Asphalt, gut sei. Und tatsächlich, es war zwar staubig wie immer, aber wir kamen gut vorwärts, selbst hügelaufwärts. Die Steigung war moderat und da es am frühen Nachmittag bewölkt wurde, war die Sache gar nicht so unangenehm.

Test neue Fototechnik.

Auf der anderen Seite des Berglis fühlten wir uns wie in die Schweiz versetzt. Sanfte Hügel, von leuchtend grünen Wiesen und gelegentlichen Wäldchen bedeckt und überall Milchkühe. Klar, irgendwoher muss die Milch für all den Käse, den man in Cajamarca kaufen kann, ja kommen. Weiter ging's, mehrheitlich bergab, aber immer wieder über kleine Wellen, bis schliesslich die richige Bajada nach Celendín begann, wo wir abends gegen 17 Uhr eintrafen. Wir hatten die Information erhalten, dass in Celendín Julio wohne, ein Ciclista, bei dem man allenfalls übernachten könne. Dumerweise war er aber nicht zu Hause, also suchten wir ein Hostal und fanden mit "Mi Posada" eine Superunterkunft, günstig, ruhig, sehr herzliche Leute und nahe der Plaza. Perfekt. Gerade aufregend war jener Tag zwar nicht gewesen, aber irgendwie befriedigend. Die Batterie meines Bikecomputers war gerade leer und ich weiss nicht nicht gena, wie viele Kilometer wir absolviert hatten, gemäss Wegweiser müssten es jedoch etwa 107 km gewesen sein und gemäss Martina waren wir über acht Stunden (Nettofahrzeit) unterwegs. Entsprechend kaputt waren wir und einiermassen überrascht, dass wir trotzt einigen Stunden Steigungen über 100 km geschafft hatten (den Bajadas sei Dank).

Wie sich's gehört begann auch der nächste Tag mit einem Hügel. Die Strasse war immer noch in gutem Zustand und führte hauptsächlich durch Mais- und Kartoffelfelder. Vergeblich versuchte ich, hübsche, rot-schwarze Vögel zu fotografieren. Die konnten zwar jeweils lange in einem Busch sitzen, kaum zückte ich die Kamera, waren sie weg. Soviel zu meinem Talent als Fotografin. Noch am frühen Vormittag hatten wir die Passhöhe erreicht, machten kurz Pause und bestaunten dann die vor uns liegende Abahrt zum Río Marañon. Wir befanden uns da vermutlich auf ca. 3'200 m.ü.M., gemäss Information von anderen Velofahrern liegt der Fluss auf etwa 800 m, der Pass danach soll mit 3'600 m der höchste Punkt des Departament Amazonas sein. Mit anderen Worten, es lag eine Abfahrt der Extraklasse vor uns und danach die Steigung mit den meisten Höhenmetern, die wir je zu bewältigen gehabt hatten.

Aussicht vom Pass ins Tal des Río Marañon.

Und los ging's. Auf dieser Strecke hatte man die Wahl zwischen schnellem Runterfetzen und hübsche Blumen am Strassenrand sehen. Beides gleichzeitig erweis sich als sehr tricky, da man sich ja auch auf die Strasse konzentrieren musste (daneben ging es sehr steil abwärts). Ab und zu klappte die Kooradination jedoch, dann gab es z.B. solche Blumen zu sehen.
 
Schöne Blumen auf dem Weg ins Tal.

Diese Seite des Passes war zwar völlig anders als die Seite von Celendin, Landwirtschaft wird jedoch auch betrieben. Swischen Cajamarca und Celendín hatte es zu meiner Überraschung sogar einige alte Traktoren gegeben. So fortschrittlich ist man hier noch nicht, hier wurde nach altbewährter Methode mit Stieren- oder Ochsengespannen gepflügt.

Hier gibt's keinen Traktor.

Der ein oder andere Halt wegen leuchtenden Blumen brachte noch andere faszinierende Beobachtungen mit sich. Z.B. dieser "Kugelstösser"-Käfer. Keine Ahnung, wie der richtig heisst, obwohl ich schon von diesen schrägen Typen gehört habe. Dieser hier war denn auch wie im Dokumentarfilm damit beschäftigt, eine Erdkugel, die viel grosser ist als er selber rückwärts durch die Welt zu schieben. Und da die Welt bekanntlich nicht total flach und eben ist, hatte er seine liebe Müh und Not, seine Kugel durch all die Rinnen über all die Erdwällchen zu stossen. Wenn er sich seinen Weg zuvor ausgekundschaftet hätte, wäre das mit ein paar kleinen Kurven und Umweglein bedeutend einfacher gegangen, aber auf die Idee kommen Käfer offenbar nicht.

Auch er bei schwerer Arbeit: "Kugelstoss"-Käfer.

Zumindest im Moment war unser Job noch leichter. Es ging noch kilometerweise bergab, meistens nicht sehr steil und je länger je heisser aber es ging bergab und kostete damit kaum Kaft. Je weiter wir ins Tal hinunterkamen, desto trockener und brauner wurde die Landschaft, bis fast nur noch Kakteen und Dornbüsche wuchsen. Einzige Ausnahmen bildeten einige Häuser, dort gab es Wasser und war alles grün. Dort gab es ausserdem agressive Hunde, die uns am liebsten fressen wollten. Bergab waren wir aber schneller und konnten ihnen die Zunge rausstrecken. Pech hatten die Schnellfahrer dort, wo es vor Häusern Schwellen gab. Und zwar ganz fiese, die dieselbe Farbe hatten wie die Erde der Strasse und damit kaum sichtbar waren. So war die eine oder andere Vollbremsung nötig um sich nicht die Felgen zu zerstören oder irgendwohin davonzufliegen. Frontalcrashes gab es auf dieser Bajada ohnehin ein paar. Meistens mit Schmetterlingen, die davon hoffentlich keinen Schaden davontrugen.

Río Marañon.

Kurz vor Mittag hatten wir den Fluss erreicht, überquerten die Brücke und waren schweissgebadet. In einem kleinen Dorf gab es einen Polizeiposten mit obligatorischer Kontrolle. Dann durften wir netterweise im Schatten des Polizeigebäudes Zmittag essen, in der Sonne hätten wir das nicht überlebt. Unser Käse war auch so schon fast tot, bzw. war zu Streichkäse mutiert. Vor dem Polizeiposten gab es auch ein Klo mit integrierter Dusche, wo wir Wasser tanken und uns kurz waschen konnten. Jede Bewegung führte zu Schweissausbrüchen. Und so sollten wir diese Steigung hochkommen??? Das waren immerhin um die 2'800 m, die wir hier raufmussten...

Zu Beginn war die Strasse zum Glück noch nicht steil und führte an einigen Stellen unter schönen alten Mangobäumen durch, die dunkle Schatten warfen. Als wir wieder in praller Sonne fuhren, meinten wir, bald verglühen zu müssen. An einem Bächli konnten wir die T-Shirts tauchen, das kühlt am effizientesten ab. Wir hatten etwa drei Kilometer geschafft als wir an einem Haus vorbeigefahren waren und wir gerade beratschlagten, ob wir fragen sollten, ob wir dort campen könnten, als die Leute uns zurückriefen und uns je eine Mango schenkten. Wow, mega nett. Unsere Frage nach einem "Campingplatz" wurde dann auch enthusiastisch bejaht. Der ältere Herr, mit dem wir redeten, stellte sich als (ehemaliger) Polizeigeneral vor, der auch einmal die Schweiz besucht hatte. Was ihn dort anscheinend sehr beeindruckt hatte, war, dass alles Wasser trinkbar ist, ausser es steht etwas anderes angeschrieben:-)

Unsere neuen Freunde luden uns zu einem Bad im nahen Bach ein, was natürlich gerade recht kam. Mann, tat das gut. Ausserdem war es auch äusserst unterhaltsam, mit einem peruansichen General und seiner Tochter im Flüssli zu plantschen und dabei aufzupassen, nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Was etwas unpraktisch war, war der viele Sand im Wasser, der isch überall mit einschlich. Da ich in Unterhosen und Top badete blieb mir dieser Sand auch recht lang erhalten. Erfrischt und entstaubt wurden wir mit zum Zvieri eingeladen und erfuhren dort, dass wir in einer Art kleinen christlichen Gemeinde gelandet waren, wo viel gebetet wurde. Und wo eine der besten heissen Schokolade in ganz Peru hergestellt wurde. Und zwar von A bis Z selber. Der Kakao wuchs zwischen all den Mangobäumen, wurde vor Ort getrocknet, geröstet und gemahlen (oder gepresst, oder was auch immer) und schmeckt auch wie man sich heisse Schokolade vorstellt. Genial.

Später nahmen wir an einer Art Gottesdienst teil, wo wir etwas über die Läuterung des ehemals nicht gerade zimperlichen Polizisten, der auch gegen den Sendero Luminoso gekämpft hatte, zum gläubigen Christen erfuhren. Interessant, was es hier so alles gibt. Auch das Abendessen war sehr fein, mit einem Agua de Anís, einer Art Aniswasser, ebenfalls selber hergestellt, und ebenfalls mega fein. Zum Schlafen war es uns immer noch fast zu heiss, auch im Seidenschlafsack schwitzten wir weiter.

Unsere Familie für einen Nachmittag/Abend,
Cintia, ihr Vater, der General und vier Hermanitas.

Um dieser Hitze zu entgehen, standen wir schon um halb fünf auf, schafften es jedoch nicht, vor sechs Uhr loszukommen. Logisch, bei so vielen netten Leuten, von denen man sich verabschieden muss. Gelohnt hat sich das frühe Wecken aber auf jeden Fall, die Temperaturen waren noch angenehm und unsere Gehirne wurden an jenem Tag nicht mehr so krass weichgekocht. Auch die Morgensonne liess sich noch aushalten, es blies ein leichter Wind und manchmal fanden wir kleine Bäche um uns abzukühlen. Glücklicherweise gab es auf dieser Strecke nicht viel Verkehr und die wenigen Autos und Laster waren zu unserem absoluten Unglauben sogar rücksichtsvoll und fuhren langsam vorbei! Ein Lastwagenfahrer, den wir ein paar Mal rauf und runterfahren sahen, schenkte uns sogar eine Mango und entschuldigte sich noch, weil er nur eine einzige hatte. Uf, wo sind wir hier denn gelandet?

Bis zum Mittag hatten wir einiges an Höhe gewonnen und waren der schlimmsten Hitze so enttronnen. Mühsam waren einzig die diversen Feuer, mit denen Buschland abgebrannt wurde und durch deren Rauch und Asche wir hindurch mussten. Aber dagegen gab es nichts zu unternehmen, da galt einfach Augen zu und durch. Oder besser Augen auf, man wollte ja nicht den Hang hinabstürzen.

Noch mehr schöne Blumen.

Die Strasse, die sich natürlich über mehrere Kilometer Breite des Berges hin und her wand, erlaubte so auch Aussicht in Seitentälter, die unterschiedlich grün waren und von verschiedenen Pflanzen bewachsen wurden. Auch die Perspektive des Blicks ins Tal wandelte sich ständig, so wurde einem nie langweilig. Ausserdem war da natürlich noch die Strasse auf der anderen Talseite, auf der am Vortag runtergebrettert waren. Sich vorzustellen, wo ma dort jetzt ungefähr wäre, war jedoch eher frustrierend, man meinte, überhaupt nicht vorwärtszukommen. Stimmt jedoch nicht, bis zum spätren Nachmittag hatten wir 33 Kilometer geschafft als wir bei einem Restaurant fragten, ob es irgendwo einen flachen Platz zum campen gäbe. Den gab es sogar, gleich ein paar Meter weiter mit super Aussicht ins Tal. Cool, also blieben wir dort und unterhielten die staunende Kinderschar, die uns beim Zeltaufstellen und Kochen nicht aus den Augen liess.

Der nächste Morgen kam bald und uns blieben noch 27 Kilometer bis zur Passhöhe. Bis etwa halb zwölf hatten wir auch das geschafft und stellten fest, dass es dort oben eher kühl war. Ja logisch, auf dieser Höhe war es noch immer kalt gewesen, nach der Hitze im Tal hatten wir uns das einfach nicht mehr vorstellen können. Da wir uns das zeitlich locker leisten konnten, bis zum Dorf Leymebamba ging es nur noch abwärts, hielten wir Siesta und genossen die Stille in der Höhe.

Nach dieser Strecke mit tropischen Pflanzen glaubten wir uns auf der anderen Seite wieder in die Schweiz gebeamt. Klar, einige Details wie Baustiel der Häuser und Baumarten stimmten nicht ganz, im Grossen und Ganzen könnte die Landschaft jedoch in der Schweiz liegen. Wir flitzen durch ein paar winzige Dörflein und standen um etwa halb drei in Leymebamba auf der Plaza. Wir wollten dort übernachten, da es dort einiges zu sehen gab. Ausser einem Museum war uns ein schöner Wasserfall und die Laguna de los Cóndores empohlen worden. Wie sich dann aber leider herausstelle, würde man für einen Besuch der Lagune mindestens drei Tage und einen Führer brauchen und der Wasserfall befand sich gar nicht in der Nähe. So blieb das Museum, das wir für den nächsten Morgen einplanten.

Könnte doch fast in der Schweiz sein.

Und das es dann auch Wert war, 4.5 km den Hügel hinauf zurückzufahren. Ausgestellt waren dort diverse Gegenstände (Keramik-Gefässe, Textilien, Werkzeuge, geschnitzte Figuren) der Chachapoya-Kultur, die sich nach der Eroberung durch die Inkas mit der Inka-Kultur vermischt hatte. Bei der Laguna de los Cóndores hatte man zahlreiche Mumien gefunden, die jetzt auch im Museum zu bestaunen waren. Interessanterweise waren die Chachapoyas hellhäutige, grosse Menschen gewesen, offenbar europäischen Ursprungs. Im Museum wurde die Frage, woher diese Leute denn wohl gekommen waren, jedoch nicht beantwortet.

Schräge Typen gibt's da...

Am selben Tag kurz nach Mittag fuhren wir weiter in Richtung Tingo, dem Ausgangspunkt für die Besichtigung von Kuelap, einer der bedeutendsten Ruinen im Norden Perus. Das war eine ruhige, mehrheitlich abfallende Halbtagesetape entlang dem Río Utcubamba. Das Flusstal war grün, hübsch aber nicht weiter spektakulär. In Tingo fanden wir eine günstige Unterkunft mit überraschen bequemen Betten. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass die Sache mit dem versprochenen heissen Wasser einmal mehr nicht funktionierte. Aber ok, kalte Duschen sind nichts Neues. Blöder war, dass, als Martina unter der Dusch stand, bald gar kein Wasser mehr kam. Auf meine Nachfrage hin reagierten die Señoritas des Hostales nicht weiter überrascht und brachten einen Eimer Wasser ins Zimmer. Offenbar sind Unterbrüche in der Wasserversorgung hier keine Seltenheit.

Da wir unsere Frühstücks-Haferflocken langsam aber sicher extrem satt haben, hatten wir zum Zmorge Sandwiches und Kaffee bestellt, auf 6 Uhr, immerhin erwarteten uns drei Stunden Aufstieg nach Kuelap. Als um 6.10 Uhr noch niemand in der Küche stand, begnügten wir uns mit unseren öden Avenas und waren eine halbe Stunde später abmarschbereit. Inzwischen war auch die Küche bevölkert, so cancellten wir das bestellte Frühstück und legten los. Trotzt der morgendlichen eher kühlen Temperaturen waren wir bald klatschnass geschwitzt, der Weg war aber auch blödsinnig steil. Und schon bald stellte ich fest, dass mein Magen durch irgendetwas beleidigt war, hatte aber keine Ahnung, was das Problem sein könnte. Je weiter wir hochstiegen, desto mieser ging es mir, ich hatte Rückenschmerzen, keine Energie, war total kaputt. So brauchten wir denn auch insgesammt dreieinhalb Stunden bis wir die Festung endlich erreicht hatten.

Kuelap Haupteingang.

Das nächste Problem bestand darin, Tickets zu kaufen. Offenbar gab es nur beim Parkplatz eine Verkaufsstelle, die befand sich aber weitere 20 Minuten Fussmarsch vom Eingang entfernt. No way! Wir würden ganz gewiss nicht weitere 40 Minuten in der Gegend rumlatschen. Schliesslich trafen wir einen netten Angestellten der Anlage, bei dem wir die Eintrittsgebühr entrichten konnten, wenn auch ohne im Gegenzug ein Ticket zu erhalten. Aber wir sind hier in Peru, also kein Problem. Wir fanden auch prompt eine Führerin, die uns eine gute Stunde die Anlage zeigte und erläuterte.

Gemäss den Archäologen hatten hier in der Blütezeit der Chachapoya-Kultur 3'000-4'000 Menschen gewohnt, in kreisförmigen Wohngebäuden, die alle gleich eingerichtet waren. Es gab einen Eingang, eine Art erhöhte Plattform (als Bett?), einen Stein, der zum Getreidemahlen diente und ein oder mehrere ebenfalls kreisförmige Löcher, die als Grabstätte dienten. Die Viviendas waren aussen mit geometrischen Mustern verziert, die den gesellschaftlichen Rang der Bewohner anzeigten.

Viviendas, Wohngebäude in Kuelap.

Auf unserem Rundgang trafen wir noch Archäologen bei Ausgrabungen und konnten eine interessante Unterhaltung zwischen ihnen und unserer Führerin verfolgen. Erst ging es um den Ursprung eines Gebäudes, das bis anhin als Chachapoya-Architektur klassiert wurde, jetzt aber zum Inka-Stil zugehörig bezeichnet wurde. Die Inka hatten Kuelap erobert, aber nicht zerstört. Sie hatten es bewohnt und weitere Gebäude errichtet, aber keine runden, sondern rechteckige. Als die Spanier hier aufkreuzten, verbündeten sich die sich von den Inkas unterdrückt fühlenden Chahapoya mit ihnen und halfen ihnen, die Inkas zu besiegen. Dumm nur, dass die Spanier die Unterdrückung danach fortsetzten.

Soweit so gut, das war noch nicht überrachend. Als sich die Konversation zu  Gebräuchen verschiedener Amazonas-Stämmen wandte, wurde es interessanter. Anscheinend sei hier Kannibalismus weit verbreitet gewesen. Und das nicht in grauer Vorzeit, sondern bis von 20-30 Jahren. Belege dafür gäbe es zwar keine, aber an den unzähligen Legenden und Berichten muss wohl etwas Wahres sein. Bei vielen Hochkulturen in Lateinamerika (Inka, Maya, Azteken) waren auch Menschenopfer üblich und unsere Füherin vermutete, dass da teilweise auch ein gewisser Kannibalismus dahintersteckte. Schön, schön, ich hatte ja auch schon Stories von menschenfressenden Urwaldbewohnern gehört, wirklich geglaubt hatte ich das bisher jedoch nicht.

Vivienda reconstruida, rekonstruiertes Wohngebäude.

Bald nach Ende der Führung machten wir uns auf den Rückweg. Graue Wolken drohten und wir hatten keine Lust, diesen steilen, wenn nass bestimmt äusserst glitschigen Weg bei Regen runterzuklettern. Inzwischen waren mein Kopf und Rücken in so üblem Zustand, dass ich weder nach links noch nach rechts schauen konnte und jeder Schritt schmerzte. So schlich ich langsam den Berg runter und wünschte mir, nie da raufgewandert zu sein. Zurück in Tingo löste eine Erkältungs-Tablette das Problem verblüffend schnell, das Problem mit dem fliessenden Wasser hingegen schien unlösbar zu sein. Jedenfalls war nichts mehr mit kalter Dusche, eine Katzenwäche mit Lappen und Flasche war das höchste der Gefühle.

Als wir am nächsten Morgen unsere Velos packen wollten, machte Martina eine schreckliche Entdeckung. Unsere Velos waren fort! Weg, fort, gestohlen!! Natürlich nicht die grossen, teuren Stahlrösser, sondern jene etwa 4 cm kleinen Drahtvelölis, die wir für je 50 Cent in Cusco gekauft und an den Lenkern befestigt hatten. Oh Schreck, ich hatte an diesem winzigem Velo solche Freude gehabt, jetzt hat es irgend so ein kleiner mieser, fieser Dieb! Leider wussten wir nicht, ob die evtl. schon seit Leymebamba gefehlt hatten und konnten darum keinen Aufstand veranstalten. Aber auch dort hatte es im Hostal einen Jungen gehabt, der sehr an unseren Velos interessiert gewesen war, ist also schon möglich, dass die Velölis dort geblieben sind. Ah Shit!!!

Die nächsten 23 km führten uns weiter sanft bergab durchs Utcubamba-Flusstal bis zur Abzweigung nach Chachapoyas. Hier begann der Asphalt und die Subida, 15 km Steigung bis zur Stadt, kombiniert mit schön warmen Temperaturen. Aber was sind schon 15 km? Klar, wir schwitzten und hatten Durst, aber irgendwann hatten wir die Aussenquartiere der Stadt erreicht, wo ich mir die Autowaschanlagen merken konnte, um später den Staub aus meiner Schaltung zu waschen. Dann war der Asphalt fertig und es folgten ein paar hundert Meter übelste Steinpiste, dann eine steile Steigung auf Betonplatten und schon waren wir im Zentrum der Stadt. Nach einigem Suchen hatten wir sogar eine hübsche Unterkunft gefunden, nicht supergünstig aber dafür sympatisch. Hier sind zwei Tage Pause geplant, dann geht's endgültig in die Tropen und vor allem in Richtung Ecuador.

Donnerstag, 18. November 2010

Trujillo - Cajamarca: Hagel, Hitze und Jammerkatze

Ja, wir sind tatsächlich schon weitergefahren. Christian, ich wäre gerne noch ein paar Tage länger in der Casa de Ciclista in Trujillo geblieben, aber Martina fand's langsam nicht mehr so spannend dort. Also haben wir eines Morgens unsere Sachen gepackt, sind nochmals auf den Mercado einen feinen Fruchtsalat essen und waren dann schon bald bereit zu Aufbruch. Lucho wollte uns noch ein Stück begleiten, also warteten wir noch eine Weile bis auch er bereit war.

Für weitere Verzögerungen sorgte Truji, ein kleines Kätzchen, das ich etwa eine Woche zuvor adoptiert hatte. Jesse und Sammie, zwei Velofahrer-Teenies, hatten sie auf der Strasse aufgelesen, ganz alleine und halb verhungert. Und da ich bekanntlicherweise einem kleinen Büsi (etwa vier Wochen alt) nicht widerstehen konnte, musste ich jetzt eine Möglichkeit finden, die Katze auf dem Velo zu transportieren. Ich hatte einen kleinen Rucksack gekauft und sie darin schon ein paar Mal herumgetragen, was recht gut geklappt hatte. Jetzt auf dem Velo schien ihr das aber nicht mehr sehr zu gefallen und sie kletterte immer wieder heraus. Die einzige Lösung war, die Öffnung so zuzuschnüren, dass das Kätzchen nicht mehr durchpasste. Zu Beginn sorgte das jweils für protestierendes Miauen, dann schlief sie aber immer ein.

In der ersten Nacht schlief Truji noch in meinem Helm.

Mit Luchos Hilfe war es dann natürlich ein Leichtes, den richtigen Weg aus Trujillo herauszufinden. Die ersten paar Dutzend Kilometer waren flach und wir kamen gut voran. Auch auf diesem Weg gab es einen Abschnitt, der anscheinend gefährlich ist und wo wir schnell und in der Strassenmitte durchfuhren. Links und rechts erstreckten sich Zuckerrohrfelder, in denen sich mögliche Angreifer bestens verstecken könnten. Wir hatten aber keine Probleme, niemand versuchte irgendetwas zu rauben. Wir assen in einem Restaurant zu Mittag, was vor allem meine kleine Jammerkatze freute. Ich fand das Huhn zwar ungeniessbar, weil eher ein zäher Kampfhahn, Truji war jedoch im siebten Himmel.

Truji während einer Pause.

Nach der Mittagspause begann die Strasse anzusteigen, erst nur ganz leicht, mit der Zeit aber immer steiler. Lucho, der über ziemlich viel überschüssige Energie zu verfügen schien, schob Martina und mich abwechselnd den Hang hinauf. So ging das zwar schneller, war aber auch viel anstrengender, da wir viel schneller strampeln mussten. Entsprechend geplättet waren wir beide, als wir gegen 18 Uhr in der kleinen Ortschaft Platanar ankamen. Entgegen Luchos Annahme gab es dort aber keine Unterkünfte, also mussten wir zelten. Ein netter Herr erlaubte uns, das Zelt vor seinem Haus aufzustellen, hinter einer Mauer, schön geschützt. Dummerweise hatte Lucho aber weder Matte noch Schlafsack dabei. Also taten wir unser Bestes, ihm eine gewisse Isolation mit Taschen und Jacken zu basteln. Zum Glück war es dort auch nicht kalt.

Unglücklicherweise befand sich unser "Camp" unmittelbar neben der Strasse, auf der die ganze Nacht lang Busse und Lastwagen durchdonnerten. Nicht, dass sie schnell fuhren, da gab es nähmlich eine steile, fiese Schwelle, die solches verhinderte. Das Anfahren nach dem Fast-Stopp machte aber umso mehr Lärm. Um sechs Uhr standen wir darum nicht extrem gut erholt auf und packten unsere Sachen. Uns erwartete ein weiterer Tag mit einer harten Steigung und wir wussten, dass wir bis zum Abend nicht zuoberst sein würden. Bis zum Mittag war es trocken, bald darauf begann es jedoch zu regnen. Lucho, der eigentlich vorgehabt hatte, bis etwa 14 Uhr mit uns mitzukommen, entschied sich, schon früher umzukehren, da er auch keine Regenjacke dabei hatte.

Martina und ich fuhren weiter durch den immer stärker werdenden Regen. Die Strasse war hier noch asphaltiert, so war das Ganze eigentlich nicht weiter tragisch. Trotzdem waren wir froh, als wir die Abzweigung nach Otuzco erreicht hatten und in Richtung der Stadt abbogen. Kurze Zeit später hatten wir Otuzco erreicht und fanden ein günstiges Hostal, wo auch mein Kätzchen rein durfte. Diese Nacht wurde bedeutend angenehmer als die letzte.

Am Morgen darauf hatte sich das Wetter gebessert und wir fetzten zur Abzweigung zurück. Ab jetzt ging's auf Kies, Sand und Steinen weiter. Der Boden war natürlich noch feucht und etwas klebrig, dafür wirbelte noch niemand Staub auf. Wie wir ja gewusst hatten, wartete erst einmal die Fortsetzung der Steigung auf uns. Die Landschaft war relativ ähnlich wie weiter im Süden, ausser dass es etwas grüner war. Und da inzwischen die Sonne schien wurde uns mit der Zeit ganz schön warm. Irgendwann hatten wir die Passhöhe aber erreicht, genossen die folgende Bajada, nur um gleich den nächsten Hügel hochzukriechen.

Während der Mittagspause liess ich Truji natürlich aus der Tasche raus. Das Büsi schien kein Gras zu kennen und war entsprechend vorsichtig aber auch neugierig. Aber klar, wie immer war das wichtigste, Futter zu bekommen, die Gegend auszukundschaften, war zweitrangig. Interssanterweise hatte die Kleine zwar Dauerhunger, war dabei aber ziemlich wählerisch. Huhn war das Beste, Dosenfisch auch super, Katzenfutter dagegen fand sie nahezu ungeniessbar.

Gras ist suspekt, besser auf dem Rucksäckli bleiben.

Dann hiess es wieder ab in den Rucksack und weiter den Berg hoch. Viel Umwerfendes passierte an jenem Nachmittag nicht mehr. Die Steigung war nicht weiter krass, die Strasse auch nicht schlecht. Gegen 16 Uhr kamen wir auf einer Art Plateau an und sahen die drohend grauen Wolken genau dort, wo wir hinwollten. Dazu blies ein unangenehm kalter Wind. Da es dort auch einen schönen, flachen Fussballplatz gab, fragten wir bei einem Restaurant, ob wir dort campen dürften und kamen dabei sogar ein Zimmer angeboten. Das war perfekt, zwar nichts luxuriöses, sehr harte Betten, aber geräumig, trocken und sogar mit Licht.

Als wir am folgenden Morgen bei Sonnenschein losfuhren, ahnten wir noch nicht, wie hart der Tag werden sollte. Erst führte die Strasse mit nur leichtem Auf und Ab über die erwähnte Ebene, dann kam sogar eine Bajada in ein Tal hinab. Die Strasse war jedoch noch nass vom Regen in der Nacht und das Vorwärtskommen war jetzt schon zäh und es fühlte sich an, als hänge jemand hinten am Rad. Nach einer kurzen Subida erreichten wir ein Dorf, wo wir Brot kauften, dann ging's nochmal kurz bergab und dann begann der Ernst des Tages. Die Strasse, die auf den nächsten Hügel führte, war zwar asphaltiert, dafür begann es bald stark zu regnen, oben herrschte totale Weltuntergangsstimmung, der Himmel war schwarz und ab und zu donnerte es. Um den Spass zu perfektionieren, hagelte es auch noch und war saukalt. Kurz darauf sah die Sache wieder besser aus, es hörte auf zu regnen und es brachen sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken.

Es folgte ein leichtes Auf und Ab, wir sahen einen Haufen Llamas, dann wurde das Licht wieder ausgeknipst, alles war dunkel und der Himmel öffnete die Schleusen von Neuem. Wir fetzten wieder in ein Tal hinunter, was wir trotzt Regen eigentlich hätten geniessen sollen. Ging aber nicht, da wir schon wieder die nächste Subida vor Augen hatten. Nicht schon wieder, die Leute hatten doch gesagt, nach diesem Hügel sei es platt. Ja, aber wir sind hier eben in Peru und Aussagen von Autofahrern ist eh nicht zu trauen. Dort unten wurde aus einer holprigen Asphaltstrasse abschnittweise eine beschissene, klebrige Sandstrasse, die uns fast verzweifeln liess.

Als der Regen einmal kurz nachliess, machten wir Pause und assen eilig ein Brötchen. Zwei Arbeiter einer nahen Mine hielten für ein Schwatz an und wir erfuhren, dass der Hügel vor uns 4'200 m hoch sei. An sich kein Problem, so hoch waren wir ja schon oft gewesen, aber das erklärte natürlich die Kälte. Als wir weiterstrampelten, regnete es schon wieder. Wäre ja auch langweilig sonst. Vom Pass ging es dann in einer langen Abfahrt in ein Tal hinunter und wir hofften, bald in Huamachuco, der nächsten Stadt anzukommen. Die letzten ca. 10 km zogen sich jedoch extrem in die Länge und der Regen, der zwischendurch mal nachgelassen hatte, verstärkte sich auch wieder. Als wir den Ort erreicht hatten, waren wir nicht mehr wählerisch, was die Unterkunft betraff. Normalerweise schauen wir immer einige an, die erste hier war einigermassen akzeptabel, also los rein. Leider wurde nichts aus der versprochenen warmen Dusche, da zeitweise das Wasser abgestellt war. 

Brigitte, Du bist im Fall nicht die Einzige, die Velofahren im Regen nicht so toll findet, auch wir hatten an diesem Tag sehr oft einen Totalanschiss:-)

Am nächsten Morgen regnete es immer noch (oder schon wieder?) Entsprechend motiviert fuhren wir los. Immerhin, der Tag begann mit einer Bajada und der Regen hörte bald einmal auf. Bei der Lagune Sausacocha zogen wir das Regenzeug auch schon wieder aus und genossen Sonnenschein und flache Streckenführung. Aber wir waren immer noch in Peru und die nächste Steigung liess nicht lange auf sich warten. Auch die Strasse dort war unterhaltsam und mit grossem, losen Kies bestreut, auf dem ich hin und her driftete und kaum vorwärtskam. Hechel, winsel, wie haben wir uns das bloss verdient? Aber wie Michela, die Italienerin in der Casa in Trujillo sagte, selbst wenn es uns noch so mies geht, sollen wir immer daran denken, wie cool das ist, was wir hier machen und dass wir uns das selber ausgewählt haben... Jaja, stimmt schon, ist absolut supercool, sowas. Welcher Depp hatte denn die Idee, fast im Regen abzusaufen oder mit dem Velo in Kies und Sand steckenbleiben zu wollen???

Aussicht von einem der vielen Hügel vor Cajabamba.

Aber jede Subida hat ein Ende, auch jene hier. Die darauffolgende Bajada war belagmässig besser, das Kies war etwas kleiner und fester und es schien immer noch die Sonne. Unten im Tal machten wir Mittagspause und griffen dann die nächste Steigung an. So langsam wurde es schwierig, all die Hügel in der richtigen Reihenfolge in Erinnerung zu behalten, schlussendlich ging es einfach ununterbrochen auf und ab und nochmals auf und ab. Die letzte Abfahrt an jenem Tag brachte uns aber definitiv nach Cajabamba, wo wir schon gegen 14 Uhr auf der Platza standen. Die anschliessende "Bettsuche" verlief äusserst erfolgreich und wir fanden mit dem Hostal "Sol Naciente" eine Superunterkunft zu einem guten Preis. Das Zimmer war gross, das Bett bequem und die Dusche wirklich ein absoluter Traum!!

Von Cajabamba nach Cajamarca waren es noch rund 123 km, gemäss Angaben auf der Karte. Was uns die Karte nicht sagt, ist wieviele Höhenmeter zu bewältigen sind. Wir sagten uns also, dass zwischen zwei und vier Tagen alles möglich war. Natürlich ging es auch nach Cajabamba weiter mit dem auf und ab, oder eher mit dem ab und auf. Die gut 15 km lange Bajada war jedenfalls genial und endete in einem grünen, schon fast tropischen Tal. Dort schien man keine Brücken zu kennen und so mussten wir an einem kleinen Fluss die Schuhe ausziehen und die Velos durchs Wasser schieben. Zum Glück hatten wir nicht versucht, einfach hindurch zu fahren, da gab es nämlich ein paar grosse Steine, die das bestimmt verhindert hätten.

Flussdurchquerung.

Während unserer ersten Znüni-Pause kamen wir etwas in Kontakt mit einem kleinen Mädchen, das mit seiner Mutter dort unterwegs war. Und da mir schon länger klar war, dass diese Reise per Velo auf die Dauer nichts für mein Kätzchen war, schenkte ich Truji kurz entschlossen dem Mädchen. Das war zwar hart, ich hätte mein armes, kleines Büsi gerne weiter mitgenommen, aber die kleine Katze war in den letzten zwei Wochen reifer geworden und wollte je länger je mehr ihre Umgebung erkunden und nicht mehr stundenlang in einem Beutel am Lenker hängend schlafen. Hoffentlich habe ich ihr ein gutes Zuhause gefunden!

In diesem grünen Tal wohnt jetzt auch Truji.

Nach ein paar weiteren eher flachen Kilometern folgte die Steigung Nr. 2 des Tages. Und das im prallen Sonnenschein. Autsch, das war ganz schön heiss. So heiss, dass wir uns schliesslich entschieden, mit kurzen Hosen zu fahren. Bisher haben wir das vermieden, die Männer sind so schon mühsam genug. Nach zwei Stunden hatten wir die "Passhöhe" erreicht und machten Mittagspause. Seit Huaraz hat sich unser Menu etwas geändert. Wir klemmten nicht mehr Avocado und Tomate, sondern Käse und Tomate ins Brot. Und in Cajabamba gab es sogar "Queso Tipo Suizo", Käse nach Schweizer Art. Naja, alles ist relativ, aber schlecht war dieser Käse wirklich nicht.

Queso Tipo Suizo.

Nach einer weiteren sensationellen Abfahrt hatten wir am frühen Nachmittag San Marcos erreicht und entschlossen uns, wegen drohenden Wolken dort zu übernachten. Wenn möglich wollten wir nicht mehr so total verpisst werden wie vor Huanchaco. Die Entscheidung war schlau, der Regen kam am Abend mit der üblichen Wucht.

Am nächsten Morgen sah der Himmel immer noch trüb aus und als wir losfuhren, nieselte es leicht. Trotzdem zogen wir bald die Regenjacken aus, es war nämlich trotzt allem warm und wir mussten schliesslich wieder einen Hügel rauf. Je weiter nach oben wir kamen, desto dichter wurde der Nebel. Schade um die Aussicht, aber die Temperatur war perfekt. Seit Cajabamba war die Strasse wieder schön asphaltiert und so wurden wir weder mit Dreck verspritzt noch eingestaubt. Am Strassenrand blühten sogar Kakteen. Was will man mehr?

Ein Farbtupfer in der grauen, vernebelten Landschaft.

Einmal mehr folgte eine Bajada auf eine Subida, und was für eine. Das war wieder der absolute Hammer. Und wer glaubt's denn, der zweite Hügel des Tages war sogar noch harmloser als der erste. Wieder gab es oben eine Mittagspause und wir freuten uns schon, am selben Tag noch Cajamarca zu erreichen. Was dann ja auch geklappt hat. Aber... ganz so einfach sollte es nicht werden. Es begann nämlich recht plötzlich wieder in Strömen zu schiffen und da wir noch am Essen waren, zogen wir nicht gleich das Regenzeug an, sondern verzogen uns unter ein paar Bäume. Sowas von dämlich. So waren wir schliesslich schon ziemlich nass, bis wir uns bequemten, Regenjacken und -hosen zu montieren.

Von den letzten etwa 20 km bis Cajamarca waren fast die Hälfte wieder eine Bajada, und wieder eine sehenswerte. Diese Strecke könnte ich gleich nochmals zurück fahren (d.h. bis Cajabamba), die Abfahrten dort sind einfach weltklasse. Eher unangenehm war zwar der Regen, der uns fies ins Gesicht peitschte, aber immerhin war's kein Hagel. Wir mussten nochmals über ein kleines Hügeli, dann hatten wir die bügelbrett flache Ebene vor uns. Hier hatte Martina ein kleines technisches Problem, die Schrauben ihrer Scheibenbremsen hatten sich gelöst. Mann, Lucho, da bist Du ein super Velomech, aber ziehst die Schrauben nicht richtig an! Aber Martina ist werkzeugmässig gut ausgerüstet und konnte das Problem beheben.

Wir schafften es tatsächlich bis 14 Uhr ins Zentrum der Stadt und machten uns guten Mutes auf die Suche nach einer Unterkunft für die nächsten paar Tage. Schon bald stellten wir jedoch fest, dass Cajamarca diesbezüglich ein teures Pflaster ist. Wir besichtigten über ein halbes Dutzend Hostales, die aber entweder zu teuer oder zu schmudelig oder beides waren. Nach etwa zweieinhalb Stunden, inzwischen müde und frierend, entschieden wir uns für ein Hostal, wo wir ein so kleines Zimmer bekamen, dass wir uns darin kaum mehr drehen konnten, als wir alles Gepäck verstaut hatten. Und die Sache mit der heissen Dusche war auch hier eher Utopie als Wirklichkeit. Gestern Morgen konnten wir immerhin das Zimmer wechseln, jetzt haben wir etwas mehr Platz.

Heute haben wir einen Ausflug ins nahe Dorf Baños del Inca unternommen und dort ein Bad in den Thermalquellen genossen. Mann, tat das gut.Vorhin auf der Plaza zurück in Cajamarca fühlten wir uns hingegen einmal mehr als Attraktion für die Einheimischen. Eine halbe Schulklasse auf Exkursion wollte Fotos mit uns. Dabei haben wir gar nichts spezielles gemacht als dort gesessen und Brot gegessen. Da soll einer mal die Peruaner verstehen.

PS: ¡Liebe Grüsse an das Bonstetter Kerzenziehen-Team! ¿Gibt es dieses Jahr wieder irgend eine Neuigkeit?

Dienstag, 9. November 2010

Lauforganisation auf Peruanisch

Da hatten Lucho und ich also eine ganze Woche lang top seriös traniert. Im Klartext heisst das, dass ich ein erstes Mal alleine etwa eine halbe Stunde ganz locker joggen gegangen bin und das recht gut geklappt hatte. Tags darauf sind Michela, eine Italienerin, die auch in der Casa de Ciclista wohnte, Lucho und ich zu einem Strand und zurück gejoggt. Wir waren eine Stunde unterwegs, was normalerweie kein Problem wäre, aber da ich seit 11 Monaten nicht trainiert hatte, taten mir die Beine ganz schön weh. Zum Glück ist Lucho nicht nur ein super Velomech, sondern auch ein guter Masseur. Nach diesem Lauf folgte ein Ruhetag und dann ein 1.5-stündiges Training, ein weiterer Ruhetag und ein 2-stündiger Longjogg. Das war's dann auch schon, jetzt noch zwei Tage Pause und dann musste ich fit sein für die 21 km.

Die Bürokratie vor dem Lauf war auch so richtig amerikanisch. Dass man sich per Internet anmelden konnte, war ja bemerkenswert modern. Dann musste man sich aber noch einem ärztlichen Check unterziehen und das "Gesundheitszertifikat" zur Startnummerausgabe mitbringen, damit sichergestellt war, dass keine unfitten Leute teilnehmen...

Am Morgen des Laufs schaffte ich es sogar trotzt luchoischem "noch-rasch-dieses-und-jenes-erledigen" frühzeitig meine Startnummer und das obligatorisch zu tragende Laufshirt abzuholen. Lucho selber war etwas im Stress, da er den ärztlichen Check arbeitsbedingt noch nicht gemacht hatte. Schlauerweise konnte man den aber vor Ort vor dem Start noch nachholen. Die Zeit wurde langsam knapp, hätte aber eigentlich noch reichen müssen. Die Jugendkategorie und die 10 km-Läufer waren pünktlich gestartet, um 9.00 Uhr sollten wir dran sein. Entsprechend überrascht war ich, als ich aum 8.55 Uhr aus dem Klo kam, und das Feld gerade um die Kurve bog und Aracelly, Luchos Frau, mir zurief, dass ich den Start verpasst habe und schnell mitlaufen sollte. Hä, wie bitte?? Aber ok, was soll's, ich hängte mich den letzten Läufern an und sah vor mir Lucho dasselbe tun, er aber noch ohne Startnummer und orangem T-Shirt.

Soweit so gut, der frühe Start hatte mich zwar etwas überrumpelt aber weiter war das ja kein Problem. Schade nur, dass ich die Startlinie nicht überquert und somit meine Zeitmessung nicht aktiviert hatte (man ist hier topmodern mit Chip ausgerüstet). Aber jetzt galt es erst mal herauszufinden, wie hier in Peru so ein Lauf organisiert war. Gemäss Website sollte es bei km 5, 10, 15 und 18 Getränkestellen geben. Aber schon der Ort der Startnummernausgabe hatte nicht gestimmt. Also, wer weiss, was da sonst noch für Überraschungen auf mich zukamen?

Interessant war da erst mal, dass keine Strassen abgesperrt waren. An grösseren Kreuzungen spielte die Polizei Streckenposten und hielt den Verkehr an, sonst war man frei, sich seinen Weg zwischen Autos, stinkenden Bussen und anderen Fussgängern zu suchen. Da ich schon bald recht durstig war, hoffte ich auf die Existenz der erwähnten Puntos de Hidracion. Dass es so einen auch tatsächlich einmal gegeben hatte, bemerkte ich an den weggeworfenen Wasserflaschen am Strassenrand. Oh Shit, hoffentlich heisst das nicht, dass die bis zu meiner Ankunft alle ausgetrocknet sein werden. Das würden lange 21 km werden. Relativ kurz darauf kamen aber schon ein paar Jugentlich in Sicht, die Wasser an die Läufer verteilten. Super, ab und zu klappte doch etwas.

Nach ein paar weiteren Kilometern kam auch schon Getränkestelle Nr. 3. Nett, aber eigentlich war das zu bald nach der vorherigen. Inzwischen war das Hauptfeld längst ausser Sicht, was gewisse Streckenposten offensichtlich zur Annahme verleitet hatte, dass keine Läufer mehr kommen würden. Jedenfalls wurde die "Signalisierung" der Strecke, d.h. von Abzweigungen immer schlechter bis nicht existent. Es gab auch immer weniger Polizisten, die den Verkehr regelten, bzw. für uns Läufer anhielten und so blieben wir ab und zu zwischen den Autos stecken bzw. wurden fast überfahren. Zu meinem Glück waren vor mir noch ein paar orange Punkte in Sicht, sonst hätte ich mich garantiert verirrt.

Leider hatten sich nicht nur die Streckenposten verabschiedet, es gab auch keine offiziellen Getränkestellen mehr. Umso dankbarer war ich, als da plötzlich am Strassenrand eine junge Frau stand, mir ein Glas Gatorade anbot. Überhaupt war die Unterstützung des Publikums gar nicht schlecht, besonders Frauen feuerten vor allem Läuferinnen begeistern an. Anstatt des gewohnten "Hopp, Hopp" bekam ich hier "¡Bravo Gringa!" und "¡Vamos, Gringa, vamos!" zu hören.

Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden tauchte ein Freund von Lucho mit Velo und Wasserflasche auf. Das war mega nett, ich war zwar noch knapp nicht verdurstet aber so eine mitradelnde Wasserversorgung war echt Gold wert. Als er nach einiger Zeit meinte, es seien nur noch etwas sechs Quadras bis zum Stadion kam mir das etwas komisch vor, da es meinem Gefühl nach noch weiter sein musste, aber er hatte tatsächlich recht. Cool, da konnte ich meine schon fast seit Beginn schmerzenden Beinen nochmals motivieren und ein noch wenig beschleunigen. Im Stadium Mansiche blieb dann noch die übliche "Ehenrunde" auf der Bahn und dann war ich in etwas über zwei Stunden im Ziel.

Am Ziel im Stadium Mansiche.

Mann, war ich froh, endlich da zu sein. Das waren zwei lange Stunden im Grossstadt-Verkehr gewesen. Und es war vielleicht nicht wirklich heiss, aber doch zumindes sehr warm gewesen. Noch wärmer war der Empfang durch Luchos Familie am Ziel und wie hier in Peru üblich, gab's erst mal eine lange Fotosession mit jedem Familienmitglied einzeln und in allen möglich Kombinationen. Und das natürlich unmittelbar nach dem Ziel. Das ist der Vorteil, wenn man spät ankommt und nicht von dutzenden nachfolgenden Läufern plattgemacht wird.

Ein anderer Läufer, den ich unterwegs ein paar Mal gesehen hatte, sprach mich etwas später an und löste das Rätsel mit dem falschen Zeit- und Distanzgefühl. Anscheinend hatten wir irgendwo eine falsche Abzweigung erwischt und ein paar Kilometer ausgelassen. Meiner Schätzung nach hatten wir so bestimmt 5-10 Minuten "gewonnen". Tja, schade, aber eine Laufstrecke muss eben signalisiert sein, sonst laufen alle wie Schafe dem verirrten Leithammel nach.

Yep, wir haben's beide geschafft.

Wieder ein Lauf geschafft, eine Startnummer mehr für die Sammlung. Wenn auch der Verkehr unterwegs manchmal etwas mühsam gewesen war, war der Wettkampf doch unterhaltsam gewesen und die Teilnahme der Gringa scheint den Einheimischen positiv aufgefallen zu sein. Interessant war für mich auch gewesen, dass meine Muskulatur zwar klar überfordert gewesen war, dass ich jedoch nicht einmal nach dem Schlussspurt im Stadion aus der Puste gekommen bin. Hoch lebe das Höhentraining!