Erklärtes Ziel wäre es gewesen, zwischen 8.30 und 9 Uhr loszufahren. Dass das nicht klappen würde, war vorhersehbar gewesen und darum nicht weiter tragisch. Wir waren zwar pünktlich fertig mit Bepacken und Beladen, mussten dann aber noch auf Oliva und Susanna warten, die sich auch von uns verabschieden wollten, wegen Pico y Placa aber erst nach halb neun auf die Strasse konnten (Pico y Placa ist ein System zur Reduktion des täglichen Verkehrschaos, das in diversen grossen Städten angewendet wird, zum ersten Mal haben wir das in Quito gesehen. Die Regel ist, dass an bestimmten Tagen in der Woche Autos mit bestimmten Nummern zu Stosszeiten nicht fahren dürfen.).
Nach einer längeren Abschiedszeremonie, während der wir vom Nachbar noch Tips zur Strecke erhielten, schafften wir es um ca. Viertel vor zehn, auf die Sättel zu steigen. Da Oliva und Susanna in die gleiche Richtung mussten, fuhren sie voraus und lotsten uns durch die Strassen und auf die Autobahn in Richtung Norden. Medellíns Kilometer 0 hatten wir schon anlässlich der Turibus-Fahrt kennengelernt, vor hier aus war die Sache einfach, immer geradeaus in Richtung Norden.
Medellín ist komplet verwachsen mit den Städten ringsum, die Grenze zu Bello, dem nächsten Ort, wäre nicht erkennbar gewesen, wenn da nicht plötzlich ein Schild mit "Bienvenidos en Bello" gestanden hätte. Als wir aber auch hier die letzten Häuser hinter uns gelassen hatten, atmeten wir auf. Auf Autobahnen durch Grosstädte zu pedalen, ist alles andere als lustig. Man wundert sich nichth mehr über die dichte Smogschicht über der Stadt und hat das Gefühl, die Lungen müssten bis in den untersten und letzten Zipfel dunkelgrau bis schwarz verfärbt sein. Eine Gasmaske wäre auf jeden Fall keine Übertreibung (nur wohl zu heiss). Endlich im Grünen hatten wir dann ein gutes Gespür für die Auswahl unseres ersten Pausenplatzes. Wie wir nach einigen Minuten feststellten, sassen wir gleich neben einem Lager für giftige Abfälle (es war leider der einzige Ort, wo man sich neben der Strasse hinsezten konnte).
Gerade viel passierte nicht an jenem Vormittag. Auch ausserhalb Medellíns hatte es noch viel Verkehr und wir waren froh, dass wir fürs Mittagessen eine Wiese etwas abseits der Strasse finden konnten. Nach diesen ersten ca. 32 flachen Kilometern begann die Steigung, die gemäss Nachbar so krass sein soll, dass wir bestimmt absteigen und schiebn müssten. Da dies auf einer Asphaltstrasse bisher noch nie vorgekommen war, waren wir nicht sonderlich besorgt. Auf unsere Nachfrage hatte der Nachbar noch präzisiert, dass dieser Pass ähnlich steil sei wie der Alto de Minas südlich von Medellín. Na also, halb so wild.
Die Subida war schliesslich steil genug um uns in den ersten oder zweiten Gang zu zwingen, schieben mussten wir aber nicht. Am Nachmittag wurde der Himmel je länger je stärker bewölkt, was für uns sehr angenehm war. Leider begann es später zu regnen, was auf dieser Höhe nicht mehr optimal war. Solange wir strampelten, war das zwar kein Problem, sobald wir aber stoppten, wurde es aber unangenehm kühl. Um etwa vier Uhr erreichten wir eine kleine Anhäufung von Häusern, eine Art "Vorort" des Dorfes Don Matías. Dort fanden wir auch eine günstige Unterkunft, zu unserer Überraschung sogar mit heisser Dusche.
Meine neuen Gallionsfigürchen hatten den ersten Tag überlebt. |
Der Abend und der nächste Morgen wurden kalt, da die Fortsetzung der Steigung aber nicht lange auf sich warten liess, wurde uns bald wieder warm. Der Tag war geprägt von dauerndem Auf und Ab und grauem Himmel. Einziger Zwischenfall, um 9 Uhr hatte ich einen Platten, wenn meine Buchführung stimmt, Nr. 6. Nach gut kolumbiansicher Art war sogleich ein einheimischer Ciclista zur Stelle um mir bei der Reparatur zu helfen. Langsam nervte mich diese fast schon aufdringliche Hifsbereitschaft und ich antwortete, ich wisse schon, die ich den Schlauch wechseln müsse. Als ich dabei war, den neuen Schlauch zu montieren, schien dem anderen etwas nicht zu passen und er nahm mir Schlauch, Mantel und Rad einfach aus der Hand. Ok, wenn Du meinst. Schulterzuckend begann ich, meine Sachen wieder einzupacken und schaute dem Typ zu, wie er damit kämpfte, das Rad wieder in die Kette zu flechten. Zum Glück kam dann mein Spezialschlüssel zum Zug, so dass ich wieder selber Hand anlegen durfte. Dann war alles wieder aufgepumpt und -geladen und fahrbereit. Einige Kilometer weiter befand sich eine Autowerkstatt, dort konnte ich noch etwas mehr Luft in den Reifen blasen lassen.
Schon kurz nach 11 Uhr begann es zu regnen, diesmal zogen wir unsere Regenjacken an, hier oben war es zu kalt um nass zu werden. D.h. solange es bergauf ging, wäre das kein Problem gewesen, die Abfahrten zwischendrin wären aber in durchnässtem Zustand nicht mehr witzig gewesen. Und wie üblich hielt der Regen auch nicht an, z.B. stoppte er kurz bevor wir in einem Restaurant etwas heisses trinken gingen und setzte wieder ein als wir weiterfuhren.
Am Nachmittag überlegten wir uns, ob wir wetterbedingt früh anhalten sollten, man sagte uns dann aber, dass es bis zur Ortschaft Yarumal fast nur noch bergab gehen sollte. Und da für den Moment gerade die Sonne wieder schien, fuhren wir weiter. Nach zwei weiteren Güpflis begann denn auch tatsächlich die erwähnte Bajada, und was für eine. Das war wieder einmal spitzenmässig, die letzten zwei Kilometer nach Yarumal waren dafür spitzenmässig steil. Da die Bomberos dort keinen Platz für Ciclistas hatten, machte ich mich, nun wieder in totalem Pisswetter, auf die Suche nach einer Unterkunft. Auch hier wieder hängte sich ein so mühsamer Typ an mich ran, der mir unbedingt behilflich sein wollte. Mir einige Unterkünfte zu zeigen, wäre ja noch in Ordnung gewesen, er hat mir aber auch jeweils sogar mein Sprüchlein abgenommen, was mir ziemlich auf den Wecker gegangen ist. Dass er anschliessend für seine Dienste bezahlt werden wollte, war eher unkolumbianisch, hat mich aber etwas gelernt. Auch wenn es unhöflich ist, werde ich in Zukunft ungebetene Hilfe von mir unsympathischen Personen nicht mehr annehmen.
Wir verbrachten eine weitere Nacht in der Höhe (hier etwa 2'300 müM) und hatten am folgenden Morgen weitere ca. fünf Kilometer bergauf zu klettern. Danach sollte eine Abfahrt bis auf etwa 200-300 müM folgen. Erst sah das etwa so aus: sieben Kilometer bergab, drei wieder rauf, runter, rauf usw. Was mir auf jener Strecke auffiel, war wieder einmal ein krasser Kontrast. Kurz nach Yarumal protzten einige grosse, schöne Holzhäuser, ein paar Kilometer später fuhren wir an kleinen Bretterbuden mit Plastiküberzu vorbei, dass ich mich erst fragte, ob da Leute wohnen oder ob das nur Verkaufsstände waren. Im Vorbeifahren konnte ich jedoch durch eine Tür spähen und sah dort ein Bett stehen. Also eindeutig ein Wohnhaus.
Ab Km 20 und einem kleinn Kaff namens Ventanas begann die Abfahrt aber ernsthaft. Da konnte man wieder einmal so richtig blochen, und alles ohne die geringste Anstrengung. Kurve um Kurve und... Vollbremsung. Fast wäre ich in eine stehende Kolonne gekracht. Was weiter unten los war, war von oben nicht zu erkennen, da aber kein Gegenverkehr kam, fuhren wir an den Autos vorbei und gingen wir nachschauen. Als wir einen umgekippten Lastwagen sahen und zwei Krahnfahrzeuge, die gerade dabei waren, den wieder auf die Räder zu stellen, war der Grund für die gesperrte Strasse klar. Und so, wie hier z.T. gefahren wird, überraschte dieser dritte Unfall mit einem Lastwagen, den wir in Kolumbien gesehen haben, auch nicht wirklich.
Verunfallter Lastwagen wird gerettet. |
Schon bald stand der Laster wieder aufrecht, die Krähne fuhren weg und wir Ciclistas wurden als erste durchgelassen. Danach waren die Autos der Gegenseite dran und so hatten wir unsere Fahrspur eine ganze Weile für uns allein. Die Aussicht ins Tal hinab war cool, wie immer in Kolumbien leuchtend grüne Bergen. Je weiter hinunter wir kamen, umso heisser wurde es und wir schwitzten trotzt Fahrtwind von Geschwindigkeiten von 30-50 km/h. Teilweise war die Strecke etwas abenteuerlich, da der auf den ersten Blick schöne Asphalt an vielen Stellen ziemlich verbeult war und die Velos öfter mal bocken liess. Oder man hatte in einer Kurve plötzlich einen entgegenkommenden Lastwagen auf seiner Spur, der gerade den Unebenheiten auf seiner Seite auswich und sich dabei nicht um allfällige Velos kümmerte.
Plötzlich waren wir unten am Fluss. Zack, einfach so und fertig war die Abfahrt. Einmal mehr überquerten wir den Río Cauca und folgten schliesslich seinem Kurs. Dort unten war es so drückend, dass wir im ersten Moment kaum mehr atmen konnten. Zum Glück gab es dort der Strasse entlang unzähige Lavaderos, Lastwagen-Wäschereien, bei denen permanent Wasser aus den Schläuchen in die Luft spritzte und wir uns einen Spass daraus machten, durch diese Springbrunnen hindurch zu fahren. Bald begann es aber ein wenig zu regnen, die Abkühlung war jedoch nicht sonderlich gross. Bei einem jener Lavaderos fanden wir auch einen Schattenplatz für eine Mittagspause. Als wir uns anschliessend wieder in die Sättel setzten, setzte der Regen wieder ein, diesmal aber stärker und länger. Das war erst einmal äusserst angenehm. Auch dass der Russ, der an den Armen klebte, abgewaschen wurde, störte uns nicht im Geringsten. Nach längerer Zeit wurden die am Körper klebenden Kleider aber etwas mühsam und als wir in einem kleinen Dorf namens Puerto Belgica ein günstiges Hotel fanden, entschieden wir uns, für den Tag Schluss zu machen. Über 100 km waren genug, auch wenn viele davon Teil einer Bajada waren.
In jenem Ort war es zwar heiss, aber auch sehr feucht, was natürlich das Trocknen unserer Wäsche nicht gerade beschleunigte. Der Ventilator an der Decke sollte da behilflich sein und da wir keine nasse Wäsche auf dem Bett ausbreiten wollten, spannten wir kurzerhand ein paar Wäscheleinen über's Bett. Wirklich trocken waren die Sachen bis zum Morgen allerdings nicht, zumal wir das Bett in der Nacht ja selber brauchten, aber am nächsten Morgen legte ich meine Sachen während Pausen eben auf dem Velo aus, so klappte das nicht schlecht.
Wäschetrocknen im Zimmer. |
In Caucasia stoppten wir kurz beim Exito, einem grossen Supermercado, um Futter nachzutanken. Kurz darauf sahen wir auf einem Strassenschild den untrüglichen Beweis dafür, dass wir uns der Karibik näherten: "Region Caribe" stand dort angeschrieben. Juhuii, bald würden wir am Strand hängen.
"Region Caribe": wir nähern uns der Karibik. |
Das sollte aber erst noch etwas dauern. Bis zur Karibik waren es noch ein paar hundert Kilometer in brütender Hitze entlang Strassen, wo stinkende Lastwagen uns regelmässig Russwolken ins Gesicht bliesen. Es war dort nicht ganz so platt wie vor und nach Cali, die Hügel waren aber selten hoch oder steil, aber aufwärts pedalen ist bei solcher Hitze immer mühsam. Ich stellte mir vor, wie es jemandem gehen würde, der von dieser Seite her nach Medellín möchte und jene Steigung hochklettern muss, bei der uns schon beim Abwärtsfahren der Scheiss nur so den Rücken runtergelaufen war. Zweifelhaft, ob man so etwas überleben würde. So einige Male wünschten wir, kurz in den immer noch Hochwasser führenden Fluss zu jucken um uns etwas abzukühlen. Die Wasserbüffel, die wir auf jener Strecke sahen, machten das schliesslich auch so und hatten damit absolut recht.
Die machen's richtig! |
Natürlich wurden wir am Nachmittag nochmals so richtig verpisst, das schien ein gut eingespieltes Wettermuster zu sein: Am Morgen heiss, am Nachmittag Schauer oder Dauerregen. Zu Beginn war das jeweils die grosse Erleichterung, mit der Zeit wurde der Regen manchmal etwas lästig, problematisch war er höchstens für meine Velokette. Bei Trockenheit läuft alles geschmeidig und geräuschlos, sobald die Kette nass ist, rattert sie, dass mir die Haare zu Berg stehen. Komischerweise macht sie dann nicht nur Krach, es fühlt sich so an, als ob sie irgendwo streift, was den Lärm verursacht. Kaum ist sie wieder trocken, ist alles wieder in Ordnung. Abends putzte und ölte ich die Kette jeweils pflichtbewusst, was an dem Problem jedoch rein gar nichts änderte. Was zählte, ist die Nässe (und allenfalls die Tatsache, dass die Kette schon ein paar tausend Kilometer hinter sich hat).
Es hatte sich auf jener Strecke bewährt, für Übernachtungen nicht in eine Ortschaft zu fahren, sondern in Hotels entlang der Strasse zu bleiben. Das ist das Einfachste und oft auch sehr günstig, Restaurants gab es nebenan auch immer. So schliefen wir in jener Nacht kurz vor Planeta Rica, wo wir uns tags darauf betr. einer Routenänderung entschliessen mussten. Anstatt nach Montería zu fahren und dort der Küste nach nach Cartagena zu radeln, würden wir erst geradeaus nach Sincelejo fahren und später die Abzweigung nach Managué und ein Boot nach Mompóx nehmen. Scott hatte mir den Ort empfohlen und wir waren neugierig, also fuhren wir geradeaus. Bis zum Dorf Sahagún, wo wir die nächste Nacht verbrachten, passierte nicht viel. Es war flach, grün und heiss.
Am Morgen darauf wurde von meinem Platten Nr. 7 erst mal unser frühe Start zunichte gemacht. Diesmal war das ein grosses Loch, man hörte die Luft so richtig rauszischen. Obwohl wir gleich neben der Strasse hielten und uns vor einer Art Werkstatt, wo es einen überdachten, sauberen Platz gab, einrichteten, liessen mich alle Männer in Ruhe den Schlauch wechseln. Kein einziger musste mir beweisen, dass er das alles viel besser konnte als ich. Etwa 45 Minuten später ging's weiter, immer sanft auf und abwärts durch leuchtend grüne Weiden. Für Abwechslung sorgte Sampués, wo es dutzende Artesanía-Läden mit wunderschönem Kunsthandwerk gab. Dort wurden z. B. Möbel, Hüte, Taschen und Hängematten angeboten. Was mir aber am besten gefallen hatte, war ein Stand mit ganzen Schwärmen von hölzernen Papagien. Das bunte Vogelgewirr sah schlicht genial aus.
Bunte Holzpapageien in Sampués. |
In Sincelejo, dem letzten grösseren Ort vor der Abzweigung nach Mompóx hielten wir wieder einmal bei einer Panadería um Brot zu kaufen. Wie meistens erregte unsere Anwesenheit Aufsehen, weshalb wir eigentlich lieber ausserhalb Ortschaften Pause machten, einfach weil's entspannter ist. Ein Señor, der dort Artesanía verkaufte, schien unsere Reise äusserst cool zu finden und schenkte er uns je ein Armbändli und Ohrringe in Form der hier typischen Sonnenhüte. Unsere waren natürlich ganz winzig, sahen aber hübsch aus.
Nach der Stadt wurden wir wie üblich von einem kurzen aber heftigen Regenschauer bis auf die Knochen eingenässt. Dann schien wieder die Sonne und wir bogen von der Hauptstrasse ab. Nach einer weiteren Stunde checkten wir im kleinen Dorf San Pedro in eine Unterkunft ein, die nicht supergünstig war, aber die einzige, die wir fanden. Dort hängte ein etwa sechs oder sieben Jahre alter, äusserst neugieriger Junge herum. Normalerweise haben wir damit kein Problem, dieser Chico wollte aber nicht hören, als wir ihm sagten, er solle doch bitte unser Werkzeug und unsere Velos nicht anfassen oder nicht in unser Zimmer inhein kommen. Als auch wiederholte Mahnungen nichts nutzten, ging ich bei der Señora des Hotels nachfragen, ob der denn zum Hotel gehöre. Sie verneinte das und warf ihn schliesslich raus. Irgendwie erschien uns das etwas fies, aber wir wollten gerne unsere Privatspäre und unsere Sachen respektiert sehen. Später realisierte ich, dass der doofe Goof sogar einige meiner Galionsfigürchen weggekratzt hatte.
Der folgende Tag begann warm wie immer, nicht einmal am frühen Morgen fühlte sich die Luft kühl an. In der Stadt Managué erhielten wir einen Tipp betr. den Weg nach Mompóx. Das Städtchen befand sich auf einer Insel im Río Magdalena, und anscheinend war das Dorf Yatí der beste Ort um ein Boot zu nehmen. Erst mussten wir in der äusserst südamerikansich wirkenden, sprich total chaotischen Stadt die richtige Abzweigung finden. Wie immer klappte das mit Hilfe der Einheimischen reibungslos und kurz darauf befanden wir uns auf einem Strässlein, das dem Flussufer entlang führte. Auch hier sahen wir Korräle, Weiden und Häuser unter Wasser. Das sollten wir in den nächsten Tagen noch oft zu Gesicht bekommen.
Bis zum Anlegeort der Lancha war es nicht mehr weit, allerdings mussten wir dort noch etwa zwei Stunden warten, was eher langweilig war. Es war heiss, staubig und gab nichts zu tun. Bei einem Restaurant rutschte ein Gelähmter auf den Knien rum und bettelte die Leute an. Ich hatte mich zuvor schon einige Male gefragt, was Gelähmte wohl gemacht hatten, bevor es Rollstühle gab. Hier fand ich darauf die Antwort. In Südamerika habe ich noch nicht viele Einheimische gesehen, die Bettlern Geld oder sonst etwas gegeben hätten. Einerseits verständlich, es gibt soooo viele davon. Andererseits frage ich mich bei gewissen offensichtlich kranken oder behinderten Leuten, wie die es schaffen, zu überleben. Auf jeden Fall kaufte ich diesem Mann etwas zu essen und zu trinken und war ganz erleichtert, als ich sah, dass auch andere ihm ab und zu etwas zusteckten.
Ausser uns und unseren Velos warteten noch ein paar Motorräder und ein in Karton verpackter neuer Kühlschrank auf den Transport auf die Insel. Einige Leute sassen auch da, besonders viele waren es aber nicht. Umso überraschter waren wir, als das Boot dann doch randvoll war, hauptsächlich mit Passagieren. Vermutlich gab es hier sogar so etwas wie einen Fahrplan und die Einheimischen, die den ja kennen, tauchten erst kurz vor der Abfahrt auf.
Unsere Velos warten zusammen mit Motorrädern und Kühlschränken aufs Aufgeladenwerden. |
Die Bootsfahrt war nicht weiter spektakulär. Wir sassen dicht gedrängt auf den Holzbänken und wahren froh über den leichten Wind, der uns ins Gesicht wehte. Wir sahen mehr überflutete Fincas, an diversen Stellen sah man Zaunpfosten aus dem Wasser ragen und musste annehmen, dass sich dort einmal Gärten oder Rinderweiden befunden hatten. Da unsere Velos als letztes eingeladen worden sind, wurden sie nach der Ankunft als erstes ausgeladen. Währenddessen waren wir noch hinter diversen Bänken und vielen Leuten blockiert, was mich etwas nervös machte. Da draussen tummelten sich so viele Leute, Autos, Pferdekutschen, Esel etc., die es uns unmöglich machten, zu sehen wo die Räder abgestellt wurden und wer möglicherweise daran herumfingerte. Für etwas Ablenkung sorgte ein junger Bursche, der offenbar total fasziniert war von der Tatsache, mit zwei Gringas auf dem Schiff gewesen zu sein und uns ohne Witz um Autogramme bat. Als ich etwas verständnislos fragte, warum er das möchte, meinte er, weil wir Ausländerinnen seien. Ja, und??? Das sei speziell und er freue sich über unseren Besuch in seinem Land und hätte gerne eine Erinnerung an uns. Was soll man da noch sagen? Wir erfüllten seinen Wunsch und schrieben auf sein Hemd. Mir gelang es kurz darauf, mich zwischen einigen Passagieren durchzuquetschen und nach unseren Gefährten zu fragen. An einen Lastwagen gelehnt und von einem Besatzungsmitglied bewacht erwarteten uns unsere treuen zweirädrigen Freunde. Wieder einmal super Service. "A la orden", wie es in Kolumbien immer heisst.
Die letzten knapp 40 km nach Mompóx wurden recht unterhaltsam. D.h. erst mal war es natürlich heiss, zum Glück wehte aber meistens eine leichter Brise. An einer Baustelle mussten wir kurze Zeit warten. Dort hatte der Fluss ein Stück der Strasse mitgerissen und im Moment war ein Provisorium im Bau. Als wir dann in einem kleinen Dorf in einem Pärkli Pause machten um etwas zu essen, waren wir fast sofort von einer Gruppe Kinder umringt, die uns begutachteten als wären wir Aliens. Sie besprachen auch die Frage, woher wir wohl kommen könnten und ob wir evtl. sogar Spanisch sprächen. Ein besonders Mutiger wagte es dann und sagte "Hola". Da sagte ich auch mal hola. Sie waren ganz fasziniert, dass wir den Gruss offensichtlich verstanden hatten. Aus dieser ersten zögerlichen Kontaktaufnahme wurde schliesslich ein richtiges Gespräch, zu dem sich später auch Erwachsene gesellten. Anscheinend verirren sich nicht so oft weisse Radfahrer in jenes Dorf und halten dort sogar noch an.
Wie wir gewarnt worden waren, waren nach der Ortschaft Teile der Strasse tatsächlich unter Wasser. Dieses war jedoch nicht tief, vielleicht 30 cm, der Boden dort aber voller losen Steine, wie in einem Flussbett eben. Mit einigem Strampeln kamen wir aber problemlos hindurch, die Abwechslung kam uns gerade recht. Auf einigen Kilometern gab es keinen Asphalt mehr und wir genossen die erste Kiesstrasse seit hunderten von Kilometern so richtig. Auf Asphalt kommt man zwar schneller vorwärts, irgendwann wird's aber etwas langweilig. Was wir hier zu sehen bekamen, ein überschwemmter Bauernhof nach dem anderen, lies die Frage aufkommen, ob dieser zweite Ernteausfall in Serie nicht die Nahrungsmittelversorgung dies Landes gefährde. Bis jetzt hatten wir zwar noch nichts von einer drohenden Hungersnot gehört, eine gewisse Nahrungsknappheit liegt aber extrem nahe.
Auf dem Weg nach Mompóx. |
Englang der Strasse waren einige erhöht liegende Häuser bewohnbar und entweder via provisorische Holzstege oder Kanus erreichbar, andere waren verlassen. Entsprechend standen auf der Strasse, die ebenfalls erhöht liegt, unzählige Holz- und Plastikhütten, in denen die Leute wohnen. Im Ortseingang von Mompóx sahen wir eine richtige Zeltstadt. Tragisch, was der Río Magdalena hier anrichtet, und das anscheinend, in einem gewissen Mass, jedes Jahr. Irgendwie erscheint aber auch die Lebensform der Menschen hier nicht gerade an die Natur angepasst. In einem Museum in Bogatá hatten wir ein kleines Filmli zu der Region gesehen. Die Indígena, die die Gegend früher bewohnt hatten, hatten hier ein riesiges System an Kanälen und erhöhten Plattformen angelegt, so dass der Fluss jedes Jahr die Felder zwar bewässert, aber nicht total geflutet hatte. Und Häuser wurden nur auf noch höheren Plattformen gebaut. Aufnahmen aus der Luft zeigen die Überreste dieser genialen Anlagen immer noch deutlich. Wenn so etwas vor hunderten oder tausenden Jahren möglich war, wieso macht man denn heute das nicht nach???
In Mompóx, während der Suche nach einer Unterkunft, wurden wir von einem älteren Herrn angesprochen, der uns ein Zimmer in seinem Haus anbot. Für COP 25'000, was dem Preis eines nicht allzu teuren Hotels entspricht. Da das Zimmer durchaus in Ordnung war und wir in dem touristischen Städtchen kaum etwas günstigeres gefunden hätten, nahmen wir das Angebot an. Dass es abends ab 20 Uhr kein fliessendes Wasser mehr gab, sagte er uns erst, nachdem wir eingezogen waren, dass das auch schon um 19 Uhr der Fall sein konnte, merke ich erst, als ich am zweiten Abend unter der Dusche stand und kein Wasser mehr kam. Sonst war der Señor noch ganz nett, redete viel und richtete ganz nach südamerikanischer Manier ein Chaos an.
Am nächsten Morgen gingen wir mit ihm in einem Hotel gegenüber frühstücken. Das Hotel war ein schweineteures, in welches wir uns alleine nie verirrt hätten. Die Besitzerin hatte uns aber am Abend zuvor ein Frühstück zum halben Preis angeboten, weil sie von unserer Veloreise beeindruckt war. Auf dem Weg dorthin wurden wir von einem Touriführer angesprochen, der uns schon tags zuvor kurz nach unserer Ankunft angequatscht hatte. Er wollte uns für eine Bootstour auf dem Ciénaga (eine Art See, aber nicht sehr tief und mit vielen Pflanzen) gewinnen. Wir waren interessiert, sagten aber noch nicht definitiv zu. Im Hotel plauderten wir dann mit Manuel und Rudolf, einem Kolumbianer und einem Deutschen, die dort logierten. Unser Gastgeber schlug auch ihnen diese Bootstour vor, da der Guía ein guter Freund von ihm sei. Irgendwann und irgendwoher kam plötzlich noch eine andere Tour ins Gespräch, was Martina und ich allerdings zu jenem Zeitpunkt nicht realisierten. So verabredeten wir uns mit den beiden anderen für den Ausflug und verabschiedeten uns, da wir zuerst noch das Dorf anschauen wollten. Draussen trafen wir jenen Guía nochmals, der nun wissen wollte, ob wir mit auf seine Tour kamen. Da wir inzwischen etwas verunsichert waren, fragte ich nach, ob er denn der Führer des Hotels sei, was er bejahte, wenn auch in einem nicht so überzeuten Tonfall. Da aber Programm und Uhrzeit in etwa übereinstimmten, nahmen wir nun an, dass da von derselben Tour die Rede gewesen war.
Also spazierten wir durch das koloniale Städtchen, in dem es hübsche Strassen, schöne Gebäude und, wie immer, coole Kirchen zu sehen gab. Hier zeigte sich auch wieder einmal, das Kirchenbesichtigungen in heissen Gegenden schlaue Beschäftigungen sind. Dort ist es oft bedeutend kühler als in den Strassen, wo man riskiert, gegrillt zu werden. Wie auch in anderen Städten waren die kolonialen Häuser hier recht speziell. Von aussen sah man die Tür und Mauern, vielleicht ein paar Fenster. Wenn man da aber hineinschauen oder gar -gehen konnte, tat sich oft eine andere Welt auf. In grosszügigen Innenhöfen gab es Gärten mit in allen Farben leuchtenden Blumen und andern Pflanzen, manchmal Brunnen und sogar Bäume. So ein Haus zu besizten wäre echt der Hammer.
Iglesia Sta. Barbara. |
Mompóx hätte eigentlich eine hübsche Uferpromenade mit Spielplatz und Fussballplatz. Da sich das alles aber, wie das ganze Dorf, unter dem momentanen Wasserspiegel des Magdalena befindet, war es dort äusserst feucht. Wobei der Zustand des Kinderspielplatzes sowieso nicht auf intensive Nutzung schliessen liess, die meisten der Schaukeln waren kaputt.
Überschwemmter Spielplatz. |
Wir sassen mit unserem Gastgeber noch beim Mittagessen, als "unser" Guía vorbeikam um sich zu vergewissern, dass wir für seine Tour bereit waren. Nun stellte sich heraus, dass am Morgen von zwei verschiedenen Ausflügen die Rede gewesen war. Unser schlaue Señor, der quasi beides in einem Atemzug vorgeschlagen hatte, hätte das unserer Meinung nach eigentlich merken müssen, hatte aber natürlich nichts gesagt. Als ich den Guía fragte, warum er denn ja gesagt habe, als ich ihn gefragt hatte, ob er der Guía des Hotels sei, meite er, dass ich das nicht gefragt habe. Wieder einmal wunderte ich mich, ob die Leute hier mich wirklich nicht verstehen oder ob sie schlicht nicht zuhören. Wie auch immer, für uns klang seine Version interessanter als die andere, vom Hotel organisierte. Da wir uns aber mit unseren neuen Freunden verabredet hatten, wollten wir uns nicht entscheiden ohne mit ihnen gerdet zu haben. Also gingen wir kurz über die Strasse und besprachen die Sache.
Manuel kam schliesslich mit uns mit, Rudolf entschied sich, lieber Siesta zu machen und für einmal gar nichts zu tun. Das Reisli lohnte sich dann aber wirklich auch. Ausser uns dreien war noch eine französisch/kolumbiansiche Familie mit von der Partie. Erst fuhren wir über den Magdalena, danach konnte man an den Zaunpfählen links und rechts erkennen, dass wir uns eigentlich auf einem Strässchen befanden. Wir überquerten auch ein Fussballfeld, auf dem noch mehr Wasser stand als auf jenem im Dorf. All die gefluteten Häuser und Höfe ware allerdings langsam etwas deprimierend anzusehen.
Überschwemmter Bauernhof. |
Der Ciénaga wurde dann aber interessant. Vom Boot aus sahen wir viele Vögel und auch Iguanas. Die sassen zu dutzenden auf Ästen über dem Wasser und die wenigsten hielten es für nötig, zu flüchten als wir vorbeifuhren.
Iguana. |
Wir besuchten zwei Inseln, wo jeweils eine Familie wohnte. Auf diesen Inseln wuchsen diverse verschiedene Mangobäume und wir durften so viele Mangos aufsammeln wie wir wollten. Das war so richtig cool, diese Früchte waren ganz frisch und schmeckten so gut wie kaum welche zuvor. Die meisten waren allerdings klein, die kleinsten etwa so gross wie Aprikosen. Die schneidet man auch nicht auf, da beisst man ein kleines Loch in die Schale und drückt und quetscht Saft und Fruchtfleisch durch das Loch heraus. Diese Art, Mangos zu essen ist äusserst unterhaltsam, aber danach muss man Hände und evtl. sogar Kleider waschen.
Nach dem Besuch der zweiten Inseln hatten wir noch die Gelegenheit, im Ciénaga zu baden. Eine richtige Abkühlung war das zwar nicht, Spass machte es trotzdem. Zuerst wagten sich nur der Schiffsjunge, Martina und ich ins Wasser, nach einer Weile kamen auch Manuel und die Franzosen ins Wasser. Kurz vor Sonnenuntergang hiess es dann zurück auf's Boot und ab in Richtung Mompóx. Wieder ging's über Fussballplatz und Feldwege auf den Magdalena, wo wir einen stimmungsvollen, schon fast kitschigen Sonnenuntergang bestaunen konnten. Auch auf dem Rückweg sahen wir wieder jenes Getier auf Bäumen und Sträuchern, diesmal machte uns jedoch nicht mehr der Führer, der sich schon fast verabschiedet zu haben schien, sondern einer der Bootsmänner darauf aufmerksam.
Río Magdalena bei Sonnenuntergang. |
Am nächsten Morgen begann wieder der Ernst des Reisens. Um von der Insel wieder aufs Festland zu gelangen, mussten wir wieder eine Lancha nehmen. Diesmal mussten wir nicht warten unddas Böötli war auch nicht so überfüllt. Auch diesmal ging's einem Feldweg entlang, der kurzerhand zur stark befahrener Wasserstrasse umfunktioniert worden war.
Zweite Bootsfahrt mit Velos. |
Im kleinen Dorf Peñoncito wurden wir ausgeladen, erhielten letzte Hinweise, wo wir durchfahren mussten und los ging's. Hier hatten wir nun endgültig das ländliche Kolumbien erreicht. Als Gringas erregten wir einiges an Aufsehen und Asphalt gab es keinen. Die ersten rund acht Kilometer gefielen uns besonders gut. Die "Strasse" war ein schmaler Sandweg, auf dem nichts und niemand schnell fahren konnte. Das hat einerseits mit der Qualität des Weges zu tun, andererseits mit den Zebuherden, die dort ganz gemütlich vor sich hin spazierten und die wir nicht zu sehr stressen wollten.
Schiesslich erreichten wir die "Hauptstrasse". Und doch, dort gab es Asphalt, für knapp einen Kilometer vielleicht. Bald darauf rumpelten unsere Räder wieder über Kies und wir wurden von vorbeirasenden Autos und Motos eingestaubt. Als wir an einer Schule vorbeifuhren, stand der Lehrer mit seiner ganzen Klasse am Zaun und rief uns etwas zu. Aus Neugierde hielten wir an und redeten eine Weile mit dem Profe. Die Kinder waren zu scheu um mit Ausländern zu reden. "Eine Weile" dehnte sich aus und aus bis wir nach geschätzten eineinhalb Stunden insistierten, dass wir weiter müssten. Der Lehrer hätte uns am liebsten den ganzen Tag dort behalten, die Jungs der Klasse hatten sich aber längst verabschiedet und waren Fussball spielen gegangen.
Unser Weg war aber noch weit und erfahrungsgemäss zogen sich Kiesstrasse oft sehr in die Länge. Die bisherigen hohen Tages-Durchschnittsgeschwindigkeiten von um die 18 km/h würden wir hier nie erreichen. Trotzdem wartete eine Strecke von über 85 km auf uns. Jene Gegend stellte einen krassen Kontrast zur modernen, herausgeputzten Metropole Medellín dar. Wenn die Hausmauern der Häuser im nächsten Dörfli, Pijiño (das ist sogar auf der Karte drauf), nicht farbig gestrichen wären, könnte man dort einen Film der Jungsteinzeit drehen. Die Wände bestehen aus geflochtenen dünnen Ästen, die mit Lehm verputzt sind, die Dächer sind aus Stroh. Wenn wir mal kurz stoppten, wurden wir von den Kindern aus sicherer Entfernung begutachtet, vielleicht rief uns mal jemand etwas zu. Die Erwachsenen, die wir ab und zu nach dem Weg fragten, schienen sich meist zu freuen, dass wir ihr Land besuchten und wir wurden oft gefragt, wie uns Kolumbien gefalle (falls ich es noch nicht erwähnt habe: sehr gut). Oft wurde dabei hervorgehoben, dass die Leute in der Region (wo auch immer wir uns gerade befanden) besonders gastfreundlich waren und dass man in anderen Provinzen mehr aufpassen müsse. Besonders Medellín scheint z.T. noch einen eher schlechten Ruf zu haben.
Ländliches Kolumbien 1. |
Da wir in der Hitze manchmal ein kühles Getränk der lauwarmen Suppe in unseren Bidons bevorzugten, nutzten wir auch schon mal die Gelegenheit, wenn sich bei den Häusern an der Strasse Kioske mit Kühlschränken befanden. Weit besser als eine Flasche oder ein Wasserbeutel herausnehmen wäre zwar selben hineinsitzen, meist geht das ja aber nicht. Bei einem solchen Haus wanderte ein kleiner Knirps herum, der an den Velos interessiert war. Da der bestimmt kein verwöhnter Grossstadt-Goof war und ich seit Peru (und seit Cuenca mit noch mehr Nachschub) bunte Ballone mittrage, blies ich einen auf und schenkte in dem vielleicht Zweijährigen. Glaub nicht, dass der schon einmal einen Ballon gesehen hatte, besonders viel Spielzeug gab es in seinem Haus vermutlich nicht.
Wie so oft in Kolumbien war die Strecke auch diesmal länger als auf der Karte vermerkt. Oder mein Kilometerzähler zeigt einen zu hohen Wert, was aber eher unwahrscheinlich ist, da Martina immer ein paar Kilometer mehr drauf hat als ich. Wir waren auf jeden Fall froh, als wir die asphaltierte Strasse erreicht hatten, wie uns aber gesagt worden war, gab es in La Gloria keine Unterkünfte. Blieb nur, die neuen Kilometer bis El Difícil abzuspuhlen und dort zu schlafen. Bis wir an jenem Abend duschen konnten, wurde es spät, dafür hatte das Zimmer eine Klimaanlage.
Als wir am Morgen losfahren wollten, hatte ich schon wieder zwar nicht gerade einen Platten, aber doch einen verdächtig weichen Vorderreifen. Da ich keine Lust hatte, schon wieder einen Tag mit Schlauchwechseln zu beginnen, pumpte ich und hoffte auf das Beste. Nach El Difícil gab es dann wieder die Möglichkeit, auf einer Schotterstrasse eine "Abkürzung" zu nehmen. Dass wir dort nicht schneller sein würden, war klar, aber wenig Verkehr ist immer ein starkes Argument. Die Landschaft wurde hier ziemlich abwechslungsreich. Mal standen da Bäume und Büsche, dann gab es fast nur Wiese und Rinder zu sehen, später sahen wir Kakteen und meinten, bald in einer Wüste anzukommen. Eine oder zwei Kurven danach konnte alles wieder leuchtend grün sein, kurz darauf wuchsen ringsum wieder riesige schöne Bäume. Auch war es wieder viel hügeliger als in den Tagen zuvor, was einerseits für Abwechslung sorgte, uns andererseits manchmal fast verglühen liess. Wenn an so einer kleinen Steigung mal keine Wolke die Sonne verdeckte und gerade kein Wind wehte, hätte man meinen können, in einer Sauna unterwegs zu sein.
Ländliches Kolumbien 2. |
Dafür, dass die Gegend etwas vernachlässigt wirkte, sorgten auch diverse Brücken, die für Autos gesperrt waren, da sie schon alt und der Last anscheinend nicht mehr gewachsen waren. Dort war dann jeweils eine Señora in Leuchtweste stationiert, die die Autos durch den Fluss schickte, was kein Problem war, da das Wasser dort nirgendwo tief war. Auch die Strassenoberfläche war sehr unterschiedlich. Es begann mit schön harter Erde, mal war da nur loses Kies oder viele spitze Steine, die uns holpern liessen und uns ausbremsten. Ein Abschnitt war besonders unterhaltsam. Bei Regen muss die Stelle wohl praktisch unpassierbar, da total verschlammt sein. Zu unserem Glück hatte es ein paar Tage nicht geregnet und die Erde war trocken und hart. Aber natürlich trotzdem total verbeult. Ich übersah dort eine Art natürliche Schwelle und fuhr etwas zu schnell darüber hinweg. Der Satz, den mein Velo machte, warf eine Vordertasche ab und auch mich beinahe in den Dreck.
Weiter vorne machte die Strasse eine Rechtskurve und mit einem Schlag war die Oberfläche wieder schön glatt und viel zügiger befahrbar. Einige Zeit später gab es keine wilde Vegetation mehr, links und rechts befanden sich kilometerweise Palmenplantagen. Das machte auch die Suche nach einem schattigen Rastplatz schwierig, da die Palmen eingezäunt waren. Schliesslich krochen wir bei einer Einfahrt unter dem Stacheldraht hindurch, da es nicht in Frage kam, in der Sonne zu essen.
Obwohl wir freiwillig die Holperstrasse gewählt hatten, waren wir froh, wieder auf Asphalt zu stossen. Mein Schlauch hatte nun stundenlange unter schwierigeren Verhältnisen dichtgehalten, nach einigern Kilometern auf dem glatten Belag war die Luft wieder draussen. Wir wollten eigentlich nicht mehr extrem viel weiter, also pumpte ich nochmals. Das war extrem schweisstreibend und es dauerte recht lange, bis der Reifen wieder hart war. Wieso wohl? Weil der Schlauch nun wirklich ein Loch (Nr. 8) hatte und eben doch noch ausgetauscht werden musste. Saublöd, drei Löcher in so kurzer Zeit. Da mir der Vorderreifen wegen einem beginnenden innwendigen Riss schon vor El Bordo Probleme bereitet hatte, vermutete ich, dass nun jener Parche, den mir Martina gegeben hatte, durchgewetzt war. War er aber nicht, der Übeltäter war wie so oft ein winziges Stück Draht.
Welcher Sauhund hat meinen Schlauch kaputt gemacht? |
Da mein Vertrauen in diesen Reifen aber nicht mehr so gross war und ich ihn in Cartagena sowieso hatte wechseln wollen, entschied ich mich, bei dieser Gelegenheit gerade den Ersatzmantel zu montieren. Der war zwar etwas störrisch, jetzt sieht mein staubiges Velo aber wieder ganz fancy aus. Meine immer noch mangelnde Assimilierung in Südamerika beweis ich damit, dass ich den ausgedienten Reifen nicht einfach am Strassenrand liegen liess, sondern bis zum nächsten Abfalleimer mitschleppte (müsste man so etwas seigentlich speziell entsorgen?).
Die sinnlose Pumpaktion und das Schlauchwechseln danach hatten natürlich einiges an Zeit in Anspruch genommen und wir waren wieder einmal spät dran. Da die Strassenbeschilderung hier im Norden oft nicht mehr so genial war, verpassten wir auch noch die Abzweigung zum Dorf Fundación und mussten weiter nach Aracataca. Es war wieder ein langer Tag gewesen, wir waren müde und wollten Schluss machen. Es ging schon auf 18 Uhr zu, normalerweise stoppten wir vor 16 Uhr, was schon am Vortag nicht geklappt hatte. Immerhin hatten wir Glück und fanden ein Hotel gleich an der Strasse, so fiel mühsames Suchen in einem chaotischen Ort weg. Dass wir ein paar Kilometer weiter als geplant gefahren waren, war nicht weiter tragisch, wir wollten es am nächsten Tag bis Santa Marta schaffen und das würden wieder weit über 100 km werden.
Die nächste Tagesetappe wurde landschaftsmässig noch interessanter. Seit jenem Pass nach Medellín hatten wir keine richtigen Berge mehr gesehen, hier gab es sie nun wieder. In der Sierra Nevada Sta. Marta gibt es sogar einen über 5'000 m hohen Berg, der quasi gleich am Meer steht. Dort befindet sich auch die Cuidad Perdida, eine archäologische Stätte, die interessant sein soll. Man kommt dort aber nur zu Fuss hin, was ein Trek von mehreren Tagen bedeuten würde und die Zeit haben wir hier nicht mehr. Trotzdem, es tat gut, die grünen Hügel vor uns aufragen zu sehen.
Es gibt wieder Berge. |
Die Strasse führte natürlich am Fusse der Bergen entlang, was für uns höchstens ein paar leichte Wellen bedeutete. Dort gab es auch wieder ganze Heerscharen von Mangobäumen und die beiden Früchte, die wir kauften, waren absolute Spitzenklasse. Wir erreichten die Gabelung Barranquilla/Santa Marta, wo wir feststellten, dass falsche Kilometerangaben auf der Karte ausnahmsweise zu uneren Gunsten sein können. Wir hatten 15-20 km weniger als erwartet vor uns. Ab jener Abzweigung war die Strasse ganz neu, zwei Spuren in jede Richtung und wie so oft waren die beiden Richtungen total getrennt. Und, das einzige, was uns wirklich interessierte, es gab wieder einen breiten Seitenstreifen. Einmal mehr pedalten wir ein Hügeli hinauf und was sahen wir da in der Entfernung? Das Meer! Wir hatten die Karibik erreicht! Juhuu, das musste gleich bildlich festgehalten werden! Tatsache war, dass da zwar das Meer zu sehen war, es wirkte aber eher grau und sah überhaupt nicht hübsch aus mit den vielen Frachtern und anderen komischen Schiffen und Schifflein, die da widerlich die Luft verpesteten. Da befand sich auch eine seltsame Plattform im Wasser, die vielleicht so etwas wie eine Tankerladestation sein könnte (???).
Erster Blick auf das karibische Meer. |
Die letzten etwa 20 km bis nach Sta Marta waren nicht weiter speziell. Viele Ortschaften, stärkerer Verkehr und einige fette Beach Ressorts. Da wir planten, zwei oder drei Tage in der Stadt zu bleiben, suchten wir unsere Unterkunft mit etwas mehr Sorgfalt aus und fanden mit dem Hotel Titanic eine sympatische und günstige Bleibe. Wir waren am frühen Nachmittag angekommen, machten erst einmal Siesta und gingen gegen Abend noch an den Strand. Wir hatten uns geschworen, noch am Tag unserer Ankunft im Meer baden zu gehen. Was wir auch machten, unser erste Eindruck von Santa Marta und dem Stadtstrand war allerdings nicht gerade gut. Es war Sonntagabend und der Strand ist offensichtlich ein beliebtes Ausflugsziel für nicht sehr zivilisierte Einheimische. Das klingt jetzt hoffentlich nicht rassistisch aber die Mengen Abfall, die da herumlagen, rechtfertigen m.M. nach eine solche Aussage. Warum genau das Meer eher nach Kloake roch, war uns nicht ganz klar. Dass die Müllberge am Strand widerlich waren, fanden offensichlich auch andere. Ein junger Kolumbianer schien sich dafür zu schämen und entschuldigte sich bei uns (obwol der Abfall ja vermutlich nicht von ihm stammte).
Von Sta. Marta aus hatten wir eigentlich vorgehabt, den Parque Nacional Tairona zu besuchen. Als wir uns genauer darüber informierten, stellte sich jedoch heraus, dass so ein Ausflug ziemlich teuer werden würde und wir waren nicht bereit, so viel Geld auszugeben, nur um einen hübschen Strand zu sehen. Auch nervt uns diese Politik der Touristen-Abzockerei an gewissen Orten. Klar, anderorts (in Argentinien, Chile und Peru) hatten wir auch viel investiert um herausragende Landschaften zu sehen, teilweise (z.B. Torres del Paine) hatten wir die Preise im Nachhinein auch als zu hoch empfunden für das, was geboten wurde. So machten wir eben nur einen Halbtagesausflug nach Taganga, einem kleinen Fischerdorf nördlich von Sta. Marta.
Fischerbote in Taganga. |
Das kleine Kaff wirkte auf den ersten Blick noch relativ ursprünglich, auf den zweiten Blick aber auch schon ziemlich touristisch. Der Fruchtsaft, den wir dort tranken war teuer und nur eine wässrige Brühe, die kaum nach etwas schmeckte. Typisch Touri-Ort. Wir machten einen etwa 10-minütigen Spaziergang zur Playa Grande, dem Dorfstrand. So schön wie angekündigt fanden wir den aber auch nicht, ein Restaurant nach dem anderen, die meisten davon jedoch geschlossen. So wanderten wir eben noch etwas weiter dem trocknen Hügel entlang zwischen Dornbüschen und Kakteen hindurch. Dort wuselten Unmengen von Eidechsen herum, die Männer leuchtend blau-gelb, die Frauen bescheiden braun aber bedeutend besser getarnt. Viel Aufregendes gab es jedoch nicht mehr zu entdecken. Ein paar winzige Strändlein mit einigen Hütten, wo offensichtlich Fischer wohnten, oder sich zumindest aufhielten.
Unser nördlichste Punkt in Südamerika. |
Nach einer Mangoess-Pause gingen wir zurück zum Grossen Strand, wo wir eine Weile kleine Krebslein beobachteten, die dort in Löchern im Sand leben. Das Wasser war zwar auch nicht so bilderbuch-karibisch blau, der Strand war aber weitestgehend abfallfrei und das Wasser stank nicht. Dafür jagten einige Kids Krebse, die sie in aufgeschnittenen Petflaschen sammelten und dann in Sandgruben gegeneinander kämpfen liessen. In unseren Augen eine fiese Freizeitbeschäftigung, aber was soll man in einem Land erwarten, wo Hahnen- und Stierkämpfe normal sind?
Den Nachmittag verbrachten wir in Sta. Marta im Internet und auf der Suche nach leichteren Strandkleidern und einem Postbüro. Kolumbien ist postmässig extrem mühsam. Es gibt wenig Poststellen und niemand scheint zu wissen, wo diese sich befinden. Neben der staatlichen Post gibt es diverse privaten Post- und Kurierunternehmen, die jedoch sehr teuer sind. Auch varieren die Angaben, wie lange den eine Karte in die Schweiz benötigt, zwischen zwei und vier Wochen. Wie soll so je eine Karte auch nur annähernd genau an einem Geburtstag ankommen, wenn man keine Ahnung hat, wie lange sie für die Reise braucht und zur geschätzten Zeit dann keinen Briefkasten findet? Am Abend gingen wir wieder einmal ins Kino. Wenn man schon in der Karibik ist, ist ein Film über karibische Piraten schliesslich naheliegend.
Den letzten Tag in Sta. Marta verbrachten wir ähnlich. Da ich kein ärmelloses Top, dafür einen taubstummen Schneider fand, liess ich eines meiner T-Shirts ändern bzw. einfach die Ärmel abschneiden. Wenn es heiss ist, habe ich immer den Eindruck, dass auch kurze Ärmeli einen hohen Hitzestau verursachen und heiss genug ist es allemall. Wir gingen auch nochmals an den Strand um zumindest einige wenige Fotos der Stadt zu schiessen. Aber viel Interessantes gab es nicht zu sehen, am ehensten noch den Frachthafen. Immerhin war der Strand nicht mehr so zum Mülleimer degradiert wie am Sonntagabend und das Wasser roch auch wieder normal.
Frachthafen in Santa Marta. |
Der Abschied von Sta. Marta viel uns nicht schwer. Unser erste Kontakt mit der Karibik war nicht gerade überwältigend gewesen und die Stadt, deren Strassen bei jedem Regen überschwemmt wurden und faulig stanken, hatte nicht sehr viel zu bieten. Aus der Stadt raus zu kommen, war nicht kompliziert, wir waren früh gestartet und es hatte noch nicht viel Verkehr. Etwa eine halbe Stunde später waren dafür die Vororte total verstopft und wir immer waren es vor allem Busse, die uns das Leben schwer machten. Später auf der neuen Autobahn mit Seitenstreifen fühlten wir uns wieder wohler.
Die Strasse von der Stadt Ciénaga nach Barranquilla führte dem Meer entlang, wobei die Aussenbezirke von Ciénaga extrem slumig wirkten. Jene Häuser waren nur wenige Centimeter über dem Wasserspiegel gebaut und zwischen Strasse und Siedlung befand sich ein flacher Tümpel mit so viel Müll, wie wir nun selten gesehen hatten. Naiv, wie wir offensichtlich noch immer sind, hielten wir an un machten ein paar Fotos, was eine Polizeistreife dazu veranlasste, ebenfalls zu stoppen und uns davor zu warnen, dort Pause zu machen, man würde sonst ausgeraubt. Gleichzeitig kam aber das Angebot uns zu begleiten, falls wir noch mehr föteln möchten. Da es aber nicht viel mehr zu sehen gab, fuhren wir weiter. Wir hatten schon kurz vor diesen Slums gestoppt und etwas gegessen und waren dort zum ersten Mal in Kolumbien und überhaupt das erste Mal seit sehr langer Zeit als Ausländer angefickt worden. Aber das war offensichtlich schon eine nicht empfehlenswerte Gegend gewesen und dass agressiv fordernde Bettler, die nichts erhalten, sauer werden, kann eben schon einmal sein.
Auch auf der anderen Seite der Strasse war Wasser, das eher nach Ciénaga als nach Meer aussah. Dort gab es recht baufällige Stege und ebenso baufällige Hütten, von denen wir auch nicht wussten, ob dort effektiv Leute leben, oder ob das so eine Art geschützte Anlegestelle für Fischer war.
Haus im Ciénaga. |
Die Strecke durch jenes Feuchtgebiet war zu Beginn interessant, mit der Zeit aber eher eintönig. Die Strasse war schnurgerade ohne die kleinste Kurve, links und rechts Büsche, Bäume und Kakteen. Anlässlich einer Pause im Schatten eines Baumes meinte ich, dass unser Trinkwasser hoffentlich bis Barranquilla reichen würde und anschliessend liess ich prompt einen meiner Bidons stehen. Dummerweise bemerkte ich das erst über zehn Kilometer später. Wie's aussieht, hat mein Gehirn schon etwas unter der Hitze gelitten.
Kurz vor Barranquilla überquerten wir ein letztes Mal den Río Magdalena, der hier immens riesig war. Danach befanden wir uns für viele Kilometer in einer chaotischen Grossstadt, in der etliche Baustellen und unlogische Beschilderung die Navigation noch komplizierter machten. Ob wir die gewünschte Strasse je gefunden hatten, wissen wir bis heute nicht, die Karte war da auch nicht wirklich behilflich. Bis zur Ortschaft Puerto Colombia waren es dann auch nicht, wie uns vor Barranquilla gesagt wurde, etwa 16 km, sondern eher 35 km. An jenem Tag waren wir über 7.5 Stunden unterwegs gewesen und hatten um die 137 km zurückgelegt, unser absolute Rekord (Martinas Compüterli zeigte sogar 140 km an). Entsprechend platt waren wir am Abend und das Bad im Meer kam da gerade recht.
Letzte Überquerung des Giganten Magdalena. |
Da es bis Cartagena nochmals über 100 km waren, hatten wir vor, bis kurz vor die Stadt zu fahren, dort eine Nacht zu bleiben und uns einen gemütlichen Nachmittag zu machen. Kurz vor Cartagena gab es jedoch nur teure Beach Ressorts und in der Ortschaft Boquilla, die uns empfohlenworden war, fanden wir auch nichts Günstiges. Da wir trotzt hügeliger Landschaft schon kurz nach Mittag vor Cartagena standen, entschieden wir uns, eben doch ins Zentrum zu fahren und dort ein nicht so teures Hostal zu suchen. Das stellte sich dann aber als nicht so einfach heraus. In kolonialen Gebäuden haben viele Zimmer keine Fenster, was für eine Nacht ok ist, aber nicht für über eine Woche. Dazu hätten wir gerne einigermassen gute Matratzen und bei diesen Temperaturen wäre ein eigenes Bad zum zwischendurch kurz duschen äusserst praktisch (ok, vielleicht sind wir inzwischen einfach verwöhnt).
Das Zimmer, für das wir uns (zumindest vorläufig) entschieden, ist teurer als alles, was wir seit Cusco bezahlt hatten. Die Casa Vienna in der Calle San Andrés können wir aber trotzdem empfehlen. Das Hostal ist hübsch, sauber mit gut ausgerüsteter Küche, Internet und gratis Kaffee den ganzen Tag. Auch werden dort Segelboote nach Panamá vermittelt, was natürlich äusserst praktisch ist. Praktisch ist auch, dass unser Badezimmer hier eine Tür hat und die Dusche nicht das ganze Badezimmer nass macht, da dort eine Schiebetür vorhanden ist. In letzter Zeit gab es das selten, da war immer alles offen. Dass die Klos und Duschen Wände zum Rest der Zimmer hatten, muss vermutlich schon fast als Luxus angesehen werden.
Unser erste nächtliche Spaziergang durch Cartagena war äusserst unterhaltsam. Auf einer Plaza fand eine Tanzvorführung statt, die uns absolut platt machte und nur schon vom Zuschauen zu Schweissausbrüchen führte. Krass, welche Verrenkungen diese Tänzer/innen machten und vor allem wie schnell sie sich bewegten. Speziell herzig war auch der kleine Junge, der dazuzugehören schien und immer mittanzte.
Nächtliche Tanzvorfürung in Cartagena. |
Interessant ist für uns die Feststellung, dass wir hier trotzt extrem hohen Temperaturen oft sehr lange Tagesetappen geschafft haben. Seit Medellín haben wir fünf Mal über 100 km gemacht (gemäss Martina sechs Mal). Das ist klar ein Vorteil der flachen Regionen, andererseits ist platte Landschaft mit der Zeit auch nicht mehr so interessant. Die war hier zwar immer schön aber nicht spektakulär und nach einer Weile hat man genug grüne Wiesen, Büsche und Bäume gesehen. Auch überschwemmte Höfe und Hochwasser führende Flüsse haben irgendwann keinen Neuheitswert mehr. Kolumbien hat uns extrem gut gefallen, was Landschaft und Leute betrifft, aber es ist Zeit, etwas Neues zu sehen und wir hoffen, das in Mittelamerika bald auch zu finden.
Hier noch ein paar Überlegungen und Fragen zu Sonne und Sonnencremes.
Erst mal: gibt es auf dem Markt ein Sonnenschutzmittel, das nicht zu erhöhter Schweissproduktion führt? Wir schwitzen auch so schon genug, dass muss nicht noch gefördert werden.
Zweitens: Woher stammt das Märchen, dass die Sonneneinstrahlung und daher die Sonnenbrandgefahr in den Bergen höher ist als in tiefen Lagen? Das ist eindeutig falsch. Bis Huaraz hatte ich mit Faktor 15 kein Problem, in Trujillo stellte ich auf Faktor 30 um und hier in der Karibik habe ich mir nach einem Sonnenbrand (trotzt zweimaligem einschmieren) Creme mit Faktor 50 gekauft.
Drittens: Wieso kriegt man in der Hitze Pickel (vor allem aber nicht nur) im Gesicht? Die sind hässlich, tun weh und tauchten erstmals auf, als wir nach jenem Pass nach Medellín in so richtig heisse Gebiete vordrangen. Allerdings leidet hier nicht nur die Gesichtshaut, als wir in Santa Marta ankamen, war auch mein Hintern so voller roten und vereiterten Püggel, dass ich kaum noch wusste, wie auf dem Velosattel sitzen. An den Beinen verursacht die Sonne eine Art rote Ausschläge, die zwar meistens nicht weh tun, aber trotzdem seltsam sind. Ich habe sie vereinzelt, Martina flächendeckend. Sie meint, es sei Sonnenallergie. Sowas hatte ich noch nie und ich habe es nur an den Beinen, die nicht so viel Sonne abkriegen wie die Arme. Das erscheint mir etwas rätselhaft, mal sehen, ob der geplante Besuch eines Dermatologen hier Klärung bringt.