Sonntag, 30. Oktober 2011

Oaxaca - Cuernavaca: Total absolut oberversmogt

Eigentlich sollte der Titel dieses Berichts "Kakteen, Vulkane und Verkehr" heissen, der Smog der letzten Tage hat aber alles andere in den Schatten gestellt. Krass, beeindruckend und vor allem beängstigend.

...

Es war überraschend einfach, den Weg aus Oaxaca rauszufinden, wirklich angenehm zu fahren war es jedoch erst als wir die Cuota erreicht hatten und der starke Verkehr sich lichtete. Es war erst mal wieder relativ flach und als wir nach etwa 20 km zurück blickten und die Smogschicht über der Stadt sahen, wunderten wir uns nicht mehr über Halskratzen, Niesen und anderen Unannehmichkeiten der Grosstadt.

Da hinten im Smog liegt Oaxaca.

Langsam wurde es hügelig, der höchste Punkt jenes ersten Tages nach Oaxaca war fast 2'400 müM. Wir genossen den Sonnenschein und die zum Velofahren perfekten, relativ kühlen Temperaturen. Überhaupt, der ganze Tag war genial gewesen, inklusive Nachmittag/Abend. Wir fanden nämlich nach 78 km und 6:30 Stunden eine Tankstelle, wo es auch ein Restaurant mit hübschem Wiesli daneben gab. Die Señora, die wir um Erlaubnis zum campen fragten, war unkompliziert und so stand auf der Wiese schon bald unser "Haus". In einer Ecke neben dem Restaurant-Gebäude kochten wir unser Abendessen und in der Nacht wurde es zwar kühl aber unsere Schlafsack-Kombination aus Seide, Faserpelz und leichtem Schlafsack bewährte sich bestens und wir verbrachten eine gemütliche Nacht, immerhin auf immer noch knapp über 2'000 müM.

Der folgende Tag begann zwar noch mit etwas Sonne, die im Laufe des Tages jedoch kaum mehr zu sehen war. Die Hügel führten uns wieder höher hinauf, was nun Nebel und Kälte bedeutet. Interessant war jedoch die Landschaft, auf einmal ganz anders gefärbt war. Bisher war die Erde meist orange-rot gewesen, nun war da plötzlich alles grün, später weisslich und zwischendurch mal eine Art rosarot. Trotzt dem Farbspiel fanden wir den später einsetzenden Regen extrem überflüssig. Bergauf ging das ja noch, bergab wurde es dann unangenehmer. Die Regenjacken hatten wir zwar angezogen, für Regenhosen war es jedoch trotzt allem eher zu warm. Um die Mittagszeit kamen wir an einer Caseta de Cobro vorbei, wo sich wie meistens auch einige Comedores befanden. Huevos a la Mexicana, Rühreier mit Tomate, grüner Chili und Zwiebeln, hatten sich bewährt und die Señora machte die Tortillas gleich selber mit einer coolen Presse. Dazu gab es ein paar Bohnen und sogar eine halbe Avocado. Und einen gratis Kamillentee. Nach all dem Futter waren wir natürlich eher unmotiviert, wieder inden Regen rauszugehen, leider blieb nichts anderes übrig. Unsere Absicht, wieder zu campen hatten wir aber schon eine ganze Weile aufgegeben. Gut zu wissen, dass es nach knapp 55 km (und guten 4 Stunden) irgendwo ein Hotel geben musste. Dem war denn auch so und wir erhielten ein nicht überteuertes Zimmer für P. 150. Mit nur einem Bett zwar, das aber easy breit genug war. Die Dusche war heiss, das war eh das wichtigste.

Der Morgen darauf begann dick vernebelt und eiskalt. Die nette Señora des Hotels bot uns einen heissen Tee an und meinte, sie sei besorgt, wenn wir bei diesem Wetter auf die Strasse gingen. In der Tat wäre das ohne Seitenstreifen keine Option gewesen. Als wir uns nach 8 Uhr auf die Socken machten, verzog sich der Nebel aber  schon langsam, und bei der ersten Znünipause, die schon recht bald kam, war es schon fast sonnig. Die aus weissen Steinplatten bestehende Landschaft änderte sich schnell wieder und bevor die ersehnte Abfahrt des Tages kam, hatten wir noch grandiose Aussicht in ein weites Tal, in dem problemlos ein Western gedreht werden könnte. In der Ferne sahen wir auch den ersten Schneegipfel seit Ecuador und vermuteten, dass das der berühmte Vulkan Popocatépetl sein müsste.

Westernmässige Landschaft.

Und schon flitzten wir den Berg runten, nun bei strahlendstem Sonnenschein. Die Mengen Kakteen, die dort an den Berghängen wuchsen, faszinierten uns und so stoppten wir alle paar Kilometer und knipsten so viele Fotos wie schon lange nicht mehr. Auf einer Brücke, die über eine weite Schlucht mit einem läpischen Rinnsal spannte, war die coole Bajada jäh beendet. Nun würde es wieder bergauf gehen, voraussichtlich nicht sehr steil, bei Sonne sollte das aber wieder sehr warm werden.

Quadratkilometerweise Kakteen.
Zuunterst ist der Fluss, jetzt geht es wieder bergauf.
Die sehen schon recht majestätisch aus.

Die Vegetation änderte sich auch schon bald wieder, immer mehr Büsche mischten sich zwischen die verschiedenen Kakteenarten. Am liebsten hätten wir an jenem Nachmittag ein Wildcamp aufgebaut, umgeben von ebendiesen Büschen und ein paar riesigen Kakteen. Da die blöde Strasse jedoch beidseits eingezäunt war, erwies es sich als unmöglich, von der Strasse wegzukommen. Der Boden bestand auch hier noch aus jenen Gesteinsplatten und vermutlich wäre es da auch gar nicht möglich gewesen, Heringe reinzuhauen. So bogen wir bei der nächsten Ausfahrt nach guten 77 km und etwas über 5 Stunden eben von der Strasse ab und das erste, was wir da sahen, war ein Motel. Ok, man kann ja mal nachfragen. Ein Zimmer hätte jedoch P. 250 gekostet und wir hatten keine Lust, so viel Geld auszugeben. Als wir erwähnten, dass wir eigentlich einen Zeltplatz suchten, bot uns der Herr den Hinterhof des Motels an. Da stand ein grosser Baum und unser Zelt hätte da prima hingepasst. Wir fragten nach dem Preis und waren etwas geschockt ab den genannten P. 200. Zum zelten! Diesen Schock sah man uns offensichtlich an und als wir Anstalten zum wegfahren machten, wurde der Preis auf P. 100 gesenkt. Ok, wir hatten auch Zugang zu einem Klo und einer heissen Dusche angeboten bekommen und so erschien uns das als gerade noch bezahlbar. Wir befanden uns da vermutlich etwa auf 1'400 bis 1'500 müM und  so war die Kälte auch in dieser Nacht kein Problem.

Dafür wurde es am nächsten Morgen wieder etwas schwierig, aus den Schlafsäcken zu kriechen. Die ersten 10-15 km wurden dann überraschend flach, gemäss Profil hätten wir mehr Steigung erwartet. Wir waren aber auch gar nicht sicher, wo genau auf diesem Profil wir uns befanden, und solange es flacher als erwaret ist, ist man sowieso glücklich. Die erste Caseta de Cobro brachte wieder Futterstände und diesmal einen heissen Kaffee mit sich. Dort setzten wir uns in die Sonne und wärmten uns erst einmal auf. Da wurden Erinnerungen an Peru wach, wo wir das auch dann und wann so gemacht hatten, ausser dass es dort nie heisse Getränke dazu gegeben hatte (und es noch ganz massiv kälter gewesen war, mit gefrohrenen Bächen z.B.). Nun hatten wir auch den weissen Vulkan wieder vor Augen und ein genaueres Kartenstudium machte klar, dass das unmöglich der Popocatépetl sein konnte. Viel wahrscheinlicher war, dass das der Pico de Orizaba, Mexikos höchster Berg, war.

Pico de Orizaba oder Citlaltépetl (5'636 m).

Die Steigung auf den Pass vor Puebla kam vielleicht etwas später als erwartet, aber sich kam trotzdem. Nicht übermässig steil, es blieb genug Energie übrig, die immer karger werdende Landschaft zu studieren. Schon interessant, in Peru und Ecuador war auf einer Höhe von etwa 2'500 m wilde Vegetation gewuchert und es war immer angenehm warm bis heiss gewesen. Hier oben wuchs auf den Hügeln, die die Strasse überragten, praktisch nichts mehr. Immerhin war es dort oben im Sonnenschein sehr gemütlich. Und da wir unseren lieben Vulkan wieder vor der Nase hatten, organisierte Martina ein professionelles Fotoshooting.

Pause auf 2'400 müM.

Nun ging es abwärts. Auch nicht steil, aber aber doch zügig. Wir hoffen, doch noch einmal wild campen zu können, zweifelten aber daran, da wir uns nun je länger je mehr im Dunstkreis von Puebla, einer recht grossen Stadt, befanden. Kurz nachdem wir von der Mex 135 D auf die Mex 150 D eingebogen waren, kamen wir an einer Tankstelle vorbei, da es aber noch früher Nachmittag war, fuhren wir weiter. Auch die zweite Tankstelle war uns zu früh. Das Velofahren war auf der neuen, vierspurigen Autobahn aber längst nicht mehr so spassig wie zuvor. Der Verkehr hatte stark zugenommen und der Seitenstreifen war so zugemüllt mit losen Kies, Glassplittern und Teilchen explodierter Autoreifen (bekanntlich mit fiesen Drähtlis), dass wir voll konzentriert auf den Boden starren mussten. Als der Seitenwind etwa um 16 Uhr plötzlich in frontalen Gegenwind umschlug hatten wir (nach fast 74 km und 5:30 Stunden) die Nase voll und verliessen die Cuota um eine weitere Tankstelle abzuchecken. Da gab es aber keine Grünanlage und so kurvten wir durch die danebenliegende Siedlung und suchten Kirche, Schule oder Gemeindsgebäude. Leider wohnten aber weder Pfarrer noch Lehrer in der Nähe und der Señor, der die Schlüssel zum Gebäude am Parque besass, war gerade nicht da.

Nach weiterer Suche fanden wir ein hübsches Wiesli neben einem Haus und auf Anfrage erhielten wir die Erlaubnis zum campen. Glücklich stellten wir das Zelt auf, bereiteten unsere Betten vor, kochten und assen zu Abend. Zwischenzeitlich kam eine Familie vorbei und lud uns zu sich ins Haus ein, es sei da wärmer und gemütlicher. Da wir aber schon fertig installiert waren, hatten wir keine Lust, alles wieder abzubauen und gaben uns Mühe, unsere Dankbarkeit für das Angebot zu zeigen und ganz freundich abzulehnen. Gerade als wir aber am Geschirr waschen waren, fuhr eine Polizeicamioneta vorbei, die kurz darauf zurückkam. Die Polizisten, bzw. eine Polizistin informierte uns, dass es da nicht sicher sei und wir da besser nicht campen sollten. Ja, was nun? Einer der Polizisten nahm mich mit auf die Suche nach dem Herrn, der die Schlüssel zu jenem Gebäude hatte, der war aber immer noch nicht da. Der Polizist brachte mich zu einem anderen Haus, welches, wie ich gleich erfuhr, seines war, und stellte mich seiner Frau vor, die mich einlud, bei ihr und ihrer kleinen Tochter im Schlafzimmer zu schlafen (ihr Mann hatte ja Nachtschicht). Das war ein überwältigend nettes Angebot, und die Optionen schienen uns auch ausgegangen zu sein. Ich nahm mal so "provisorisch" an und sagte, ich müsste noch mit Martina reden. Sie hatte sich in der Zwischenzeit mit den anderen Polizisten unterhalten, die ihr eine grosse Halle im Polizeigebäude im Nachbardorf angeboten hatten. Das schien dann auch mir die bessere Lösung um nicht in den intimsten Wohnbereich einer Familie einzudringen. So packten wir zusammen und luden Gepäck und Velos auf die Ladefläche der Camioneta. In der Halle, einer riesige Theaterhalle mit Bühne, war dann auch jede Menge Platz vorhanden und so installierten wir unsere Matten zum zweiten Mal an jenem Tag. 

Dass diese Nacht kälter war als bisher auf 2'000 m Höhe, hatten wir schon länger festgestellt. Die Temperatur in dem luftigen Gebäude war auch kaum höher als draussen und kaum hatten wir uns in die Schlafsäcke verkrochen, bemerkten wir auch den konstanten Luftzug, der über den Boden schlich. Um es kurz zu sagen: wir frohren die ganze Nacht und verfluchten uns, zweimal das Angebot, in einem Haus zu schlafen, abgelehnt zu haben. Wir hatten den Wecker auf 7 Uhr gestellt, brauchten aber eine halbe Stunde, uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, das letzte Bischen Wärme zu verlassen und aufzustehen. Bald darauf verabschiedeten wir uns von den hilfsbereiten Policías und fuhren die 4 km zur Autobahn zurück. Dort wärmten wir uns erst mal an einem Becher Kaffee auf bis wir dann um 10 Uhr, bei nun bedeutend freundlicheren Temperaturen, wieder in die Pedalen traten.

Hombre, wurde das langweilig. Es war platt, links und rechts Gras, Büsche, Weideland und ab und zu ein paar Häuser. Der Seitenstreifen die gleiche Katastrophe wie tagszuvor und jede Menge Verkehr. Da wir spät gestartet waren, war schon bald Zeit zum Mittagessen und wir fanden auch ein freundliches Restaurant an der Strasse. Dann ging es weiter mit immer mehr Verkehr je näher wir uns der Millionenstadt näherten. Man hatte bald nicht mehr das Gefühl, sich auf einer Cuota zu befinden, die Strasse wurde so busy wie jede andere auch und Busse hielten regelmässig auf dem Seitenstreifen an und blockierten den Weg. Nach der Abzweigung ins Zentrum wurde der Verkehr aber wie erwartet noch dichter und Strassengabelungen, wo wir links abbiegen mussten, für uns noch komplizierter. Wegen Baustellen war der Weg ins Centro Histórico durch ruhige Wohnquartiere ausgeschildert, was die Sache für uns einfacher machte. Positiv war auch, dass es fast 10 km weniger weit war als erwartet (66 km in etwa 3:45 Stunden). Auch die Hotelsuche wurde diesmal nicht weiter aufwändig, das erste Haus, das ich anschaute, war günstig und da wir ein paar Tage bleiben wollten, erhielten wir einen kleinen Rabatt (P. 140 / Nacht). Dass das Hotel Rio auch ein Stundenhotel war, störte uns nicht und die Señora, die schon einmal in der Schweiz in den Ferien gewesen war, schwärmte uns die ganze Zeit von unserer Heimat vor:-).

An diesem Freitagabend verstiessen wir gegen das Versprechen, das wir unseren Familien gegeben hatten, Nachts nicht gross in der Gegend herumzuspazieren. Aber was will man den machen, wenn es dunkel ist, wenn man aus dem Restaurant rauskommt? Die Avenida 5 de Mayo war angefüllt von quirrligem Leben, Jung und Alt waren unterwegs und es wurde alles mögliche lautstark zuum Verkauf angeboten. Es war entsprechend laut und die Stimmung fröhlich und ausgelassen. Auch die Temperaturen waren nicht allzu fies, man brauchte zwar eine Jacke, konnte sich so aber gemütlich draussen aufhalten. Puebla, die mit vollem Namen "Heróica Puebla de Zaragoza" heisst und auch "Puebla de los Angeles" genannt wird, liegt immerhin auf  gut 2'000 müM.

Am Samstagmorgen war das Zentrum erst noch ruhiger. Im Laufe des Morgens wurde es aber wieder sehr lebendig und der Zócalo, wie die Plaza auf mexikanisch heisst, ist Treffpunkt aller, die Zeit zum flanieren und rumhängen haben. Da sieht man politische Aktionen gegen raffgierige Banker, sportliche Veranstaltungen und Clowns, die für Unterhaltung sorgen. Dazu die allgegenwärtigen Ballonverkäufer, die natürlich vor allem um die Aufmerksamkeit der Kinder buhlen. Dazwischen spazieren ein paar hellhäutige Gringos und Gringas herum, knipsen mit dem Einheimischen um die Wette und verbrennen sich dabei die weisse Haut.

Clown-Akro auf dem Zócalo.

Ebenfalls auf dem Programm stand für uns ein Busreisli in die Nachbarstadt Cholula. Dort steht eine von den Azteken erbaute Pyramide, die aber anscheinend bei der Ankunft der Spanier schon überwachsen war. Wie auch nicht anders zu erwarten war, liess Hernán Cortés zuoberst eine Kirche errichten. Leider ist es nicht mehr möglich, die Pyramide von innen anzuschauen, so stiegen wir halt auf den Hügel hinauf, bestaunten Mexiko Citys beiden Hausberge (auch aus der Nähe hiner einer Smogschicht) und schauten die hübsche Kirche an. Viel Action war in dem kleinen Ausflügli nicht inbegriffen, was es aber zur perfekten Ruhetags-Beschäftigung machte.

Popocatépetl (5'462 m) und Itzaccihuatl (5'285 m).
Santuario de Nuestra Señora de los Remedios.

Wieder einmal eine Ruine. Azteken-Stil diesmal.

Wir blieben noch einen Tag in Puebla, da wir noch versucht hatten, einen Besuch des VW-Werks Mexiko mit seinen 15'000 Angestellten zu organisieren. Das hat dann leider nicht geklappt und so hatten wir noch einen Tag zur freien Verfügung. Wir schlenderten nochmals durch das Zentrum, liessen uns von einem Guía zu einer geführten Besichtigung der Kathedrale überreden und besuchten die Bibliotheca Palafoxiana, die um die 46'000 Bücher umfasst, von denen neun handgeschrieben sind und das älteste aus dem Jahr 1473 stammt. Diese uralten Bücher konnte man aber nicht anschauen und auch alle anderen waren hinter Gittern und man durfte nicht einmal den Saal fotografieren, geschweige denn irgendetwas aus der Nähe. Trotzdem, so alte Bücher waren faszinierend und ich fragte mich, was man denn vor ein paar huntert Jahre so alles aufgeschrieben hatte.


Natürlich war auch wieder Einkaufen für's Abendessen und die nächste Etappe angesagt und so verschlug es uns wieder einmal in den Mercado. Da hingen die üblichen gelblich gefärbten, nackten Hühnerleichen herum und Fleisch in allen Stadien der Frische und Unfrische. Für uns interessanter waren die Gemüse- und Früchteabteilungen und ausserdem die riesigen Mengen an Süssigkeiten. Sah aus, als gäbe es die nicht immer, die waren speziell für den nahenden Día de los Muertos, dem Tag der Toten, fabriziert worden. Zuckersächeli in allen Farben und Formen und wenn man Osterhasen oder Samichläuse aus Schokolade machen kann, warum dann keine Totenköpfe?

Hmmmmm!!!

Der Tag der Toten naht, die ganze Stadt ist voller Skelette.

Am nächsten Morgen ging es auch schon weiter. Wir wären eigentlich um etwa Viertel nach sieben startbereit gewesen, da es aber noch recht dunkel war, genehmigten wir uns einen Kaffee und warteten das Tageslicht ab. Um acht Uhr war es denn soweit und wir stürzten uns in den chaotischen Grossstadtverkehr. Erst durch Seitenstrassen, die immer breiter wurden bis wir es auf die 12-spurige Periférico, die "Umfahrungsstrasse" geschafft hatten. Dort stellten wir wieder einmal fest, dass Signalisierungen nicht für Ciclistas gemacht sind. Da war nämlich schon recht bald unsere Richtung ausgeschildert und wir spurten brav ein, nur um dann kilometerweise mitten auf der Autobahn zu pedalen, bis wir von der Polizei wieder an den rechten Rand geschickt wurden. Später mussten wir das fast lebensgefährliche Einspurmanöver dann natürlich wiederholen.

Als wir schliesslich auf der Cuota waren, wurden die Autos, die uns um den Grind flitzten weniger, dafür wurden wir bei der ersten Caseta de Cobro kurzerhand durch den Parkplatz geschickt und mussten die Velos danach über eine Treppe wieder auf die Strasse hinaufhieven. Aber immerhin, wir wurden nicht weggeschickt und mussten auch nicht bezahlen. Der Seitenstreifen hier war auch recht ok und die ersten 10-12 km ziemlich flach. Die Steigung, die dann kam, wäre eigentlich nicht weiter beeindruckend gewesen, wenn wir von dort nicht wieder eine gute Aussicht auf eine Smogschicht gehabt hätten, die im Unterschied zu jener von Oaxaca nicht dünn und weiss, sondern dick und braun war. Und auch einige negative Auswirkungen dieses hässlichen Leintuchs machten sich bemerkbar, speziell bei Martina. Sie begann in dieser Subida zu husten und hat seither nicht wirklich damit aufgehört. Mir wurde bewusst, dass mein dauerndes Niessen in Oaxaca begonnen hatte und seit Puebla war das schlimmer geworden. Yep, das sind die Folgen von Luftverpestung in Reinkultur.

 
Ist das nicht oberwiderlich!?!

Hinter dem Hügel war die Luft dann ein ganz klein wenig reiner, aber wirklich nur ganz wenig. Immerhin ging es abwärts, wenn auch ab und zu mit kleinen Hügelis. Wir fuhren nun recht nahe am Popo vorbei, aber selbst aus dieser Nähe war der Berg nur durch eine bräunliche "Dunst"schicht zu sehen. Und vermutlich um sich nicht lumpen zu lassen stiess der Vulkan immer mal wieder ein Rauchwülchli aus. Im Laufe des Tages sammelten sich diese Wolken um den Gipfel an und am Nachmittag war der Berg kaum mehr zu sehen, da oben Wolke, unten Smog.

Der versmogte Popo raucht mit.

Als wir wieder in flachere Gefilde vorstiessen, wurde unser Traum vom Wildcamp schon wieder zerschlagen. Links und rechts erstreckten sich Felder, erst Amaranth, später Hirse und da war es kaum möglich, einen versteckten Platz zu finden, wo wir unsere Hütte hätten aufschlagen können. Und so folgten wir dem Schild eines Motels und kriegten ein Zimmer für P. 150, was durchaus in Ordnung war. Wir hatten eine warme Dusche und eine oder mehrere kleinere, gescheckte Kakerlaken im Zimmer.

Gemäss Profil erwarteten uns tags darauf etwa 60 relativ flache Kilometer mit nur einer, vielleicht 5 km langen Steigung kurz vor Cuernavaca. Blöderweise fanden wir einmal mehr die geplante Strasse nicht und anstelle der kurzen Steigung landeten wir auf einer über 20 km langen. Die Landschaft da war zwar cool, so richtig felsig und waldig, aber da wir einen easy Tag erwartet hatten, waren wir eher spät gestartet und hatten eine ausgiebige Kaffeepause gemacht. Um 16 Uhr trafen wir einen einheimischen Ciclista, der uns verriet, dass es bis zur Abzweigung nach Cuernavaca noch weitere etwa 8 km bergauf gehe und dann noch über 20 km bis in die Stadt. Das wäre zwar nicht unmöglich gewesen, wir hatten aber keine Lust, erst abends zwischen 17 und 18 Uhr in einer grösseren Stadt anzukommen und im Feierabendverkehr steckenzubleiben und irgendwie noch eine Unterkunft zu suchen. Da wir uns gerade bei einer Caseta de Cobro befanden, fragten wir um Erlaubnis, auf einer kleinen Wiese zu campen. Ging da nicht, jedoch etwa 200 m weiter oben war's erlaubt. Gerade ruhig war der Ort nicht, links die Strasse, rechts hinter einem Zaun eine Party. Aber was soll's, wir hatten gratis Klos und eine sichere Wasserversorgung. Von der erhöhten Position hatten wir am Abend Sicht auf den Smog weiter unten im Tal und konnten den matten, roten Sonnenuntergang bestaunen.

Die Party nebenan war früh beendet worden und zumindest mich hatte der Verkehr nicht allzusehr vom Schlafen abgehalten. In einer Stunde hatten wir die verbleibenden 8 km Steigung hinter uns gebracht und bis ins Stadtzentrum waren es dann keine 15 km mehr gewesen, und das alles abwärts. Die Suche nach bequemen Betten war ernüchternd. Entweder teuer oder mies schien das Motto der Stadt zu sein. Wir hatten uns schliesslich für eine "Casa de Huespedes" entschieden, die i.d.R. günstiger sind als Hotels, aber eben auch nicht immer hübsch. Für P. 200 haben wir zwei weiche Betten und ein (stinkendes) privates Bad gekriegt, kaputte Moskitonetze und abbröckelnde, verschimmelte Wände, dazu grosse Kakerlaken und eine gute, schön heisse Dusche. Interessanterweise war das WC mit Sitz und sogar Deckel ausgestattet und es gab einen jener (üblicherweie abgebrochenen) Seifenlagerplätze und eine (üblicherweise fehlende) Stange für Handtücher, die jedoch eher an läppische, etwa 50 Jahre alte Waschlappen erinnerten. Nach einer Reparatur durch den Señor des Hauses funktioniert nun auch die Lampe, der Spray gegen Kriech- und Flugtierchen hatte dagegen komplett versagt. Mensch, was hätten wir in Puebla für diesen Preis für ein luxuriöses Zimmer gekriegt!

Der erste Eindruck von Cuernavaca hatte die Stadt also nicht zu einem unserer Lieblingsorten befördert und so hofften wir nun auf eine Rehabilitation mit einem coolen Umzug zum Día de los Muertos. Am Nachmittag besuchten wir den Gardín Borda, wo es eine Ausstellung grosser Figuren geben sollte. Die fanden wir dann auch, grosse von Schülern/Studenten begastelten skelettalen Damen, La Muerte. Auch gab es "Ofrendas", eine Art angerichtete, mit Blumen und Artesanía geschmückten Tische/Altare, die dem Tod/den Toten gewidmet sind und wo auch Esswaren geopfert werden. Im grossen Garten fand auch ein Markt statt, wo auch Organisationen ihre Stände hatten, wie zum Beispiel eine lateinamerikanische Tierschutzorganisation oder eine Vereinigung mexikanischer Bauern, die sich gegen die (natürlich längst erfolgte) Einführung von gentechnisch verändertem Mais  wehren.

Ofrenda.

La Muerte.
 
Nun hatten wir natürlich auch noch sehr auf das "Gran Désfile", den grossen Umzug zu Ehren des Todes gesetzt und positionierten uns am Samstagabend strategisch an einen Strassenrand und warteten zusammen mit einigen Einheimischen auf die Action. Die kam dann auch, wie es sich gehört, begleitet von motorisierten Polizisten. Gleich dahinter führte eine langbeinige, tanzende Muerte den Umzug an. Wenn man die Kamera anhob, positionierte sie sich und versuchte auch ab und zu, Leute unter ihren Röcken zu fangen. Dahinter kam eine Gruppe Indígena-Tänzer (der Brauch der Totenverehrung ist schliesslich keine christliche Erfindung), eine Musikgruppe und zwei Lastwagen mit ähnlichen Totenfiguren, wie wir sie am Morgen in der Ausstellung gesehen hatten. Mit unterwegs waren einige verkleidete Leute und Kinder und eine Menge Zuschauer, die fotografieren eher schwierig machten.

La Muerte will mich einfangen.

Lastwagen mit Figuren.

Nach den beiden Lastwagen war der "grosse Umzug" schon vorbei und wir beide etwas enttäuscht. Das war's schon?!? Entweder hatten wir zuviel erwartet, oder Cuernavaca war eben nicht die richtige Stadt für dieses Fest gewesen. Wir waren von Cuernavaca insgesamt ohnehin nicht sonderlich beeindruckt gewesen und hätten den Besuch hier (auch weg- bzw. steigungstechnisch) besser ausgelassen. Dazu waren wir heute Morgen noch genervt, weil der Typ vom Internet gesagt hat, sie öffnen am Sonntagmorgen um 10 Uhr und als wir um fast halb elf dastanden, war alles noch zu, total tote Hose in der gesamten Stadt. Später fanden wir dann raus, dass auch Mexiko Ende Oktober von Sommer- zu Winterzeit wechselt und wieder einmal wir selber die zeitliche Verwirrung fabriziert hatten...

Nun, für uns heisst das, dass wir ab morgen wieder früh starten können, abends aber ab 18 kein Tageslicht mehr haben werden. Das war ohnehin interessant gewesen. Nach jeder Pause von ein paar Tagen haben wir gemerkt, dass es am Morgen immer später hell wurde, abends schien sich da aber kaum was geändert zu haben. Jetzt werden wir wieder um 5 Uhr aufstehen und um 6.15-6.30 Uhr auf der Strasse stehen. Wunderbar.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Meine bisherige Route

So, inzwischen habe ich es sogar geschafft, meine Route auch optisch darzustellen.
Bis und mit Guatemala:



Ver Ufemvelo 2. Versuech en un mapa más grande


 Ab Belize:


Ver Ufemvelo ab Belize en un mapa ampliado

Montag, 17. Oktober 2011

Oaxaca de Juárez


Da wir nun vier Tage früher als erwartet in Oaxaca (ausgesprochen Oachaca, das CH jedoch fast nur gehaucht wie ein H) angekommen waren, hatten wir auch genug Zeit, einerseits mein Velo wieder auf Vordermann bringen zu lassen, andererseits, zum internetlen und auch die durchaus interessante Stadt anzuschauen. Wie ich es vielleicht schon einmal erwähnt habe, sind wir nicht mehr in einer so richtigen Budget-Region, weshalb wir nun manchmal auch selber kochen, wenn wir in einer Stadt sind. Überdachte Ecken in Hotels eignen sich dazu perfekt, mit Benzin geht im Zimmer kochen natürlich nicht mehr.

Gemüsesuppe mit Sternli.


Dass der Día de los Muertos, der Tag der Toten (31. Oktober - 2. November), nahe ist, ist am allgegenwärtigen, makaberen Schmuck der Geschäfte leicht festzustellen. Überall hängen Totenköpfe und Skelette, die z.T. noch bunt bemalt und auch gekleidet sind. Klarer Fall, wir müssen sicherstellen, dass wir uns Ende Oktober/Anfang November in einer grösseren Stadt befinden um so einen Totenumzug live miterleben zu können.

Geschmückt für den Tag der Toten.


Wie es sich für eine grosse, koloniale Stadt in Mexiko gehört, stehen auch in Oaxaca viele imposante und wirklich schöne Kirchen. Da wir uns ausgerechnet den  Sonntag für unseren Stadtrundgang ausgesucht hatten, waren jedoch vielerorts gerade Gottesdienste im Gang und Besuche/Fotografieren nur beschränkt möglich.

La Catedral.
Santo Domingo.


Die diversen Verkäufer von bunten Gasballonen erinnerten uns an Cuenca, wo das vor Weihnachten auch so war. Keine Ahnung, ob in Oaxaca dieses Ballonangebot immer besteht, oder ob das mit den bevorstehenden Feiertagen Ende Monat zusammenhängt. Diesmal werden wir uns jedoch nichts kaufen, da ich schon meinen Drachen in eine Tasche verbannen musste, um Ruhe vor aufdringlichen Kindern zu haben.

Bunte Ballone.


Und wie schon erwähnt, werden in der Region von Oaxaca riesige Mengen von Mezcal, Agavenschnapps produziert.  Wobei der Schnapps seine Farbe und Geschmack gar nicht der Agave, sondern einem Wurm, der in den Wurzeln der Pflanze lebt, verdankt. Jede Flasche Mezcal enthält aus diesem Grund auch einen jenen Würmlis. Das Gebräu zu degustieren, ist hier überhaupt kein Problem, der reine Schnapps fand ich jedoch nicht sonderlich fein. Besser sind da all die verschiedenen Liköre, die daraus ebenfalls fabriziert werden. Der Inhalt meines kleinen Fläschchens Mezcal-Piña Colada, schmeckt jedenfalls eindeutig nach Ananas und Cocos und nicht nach vergorenen Würmern.

Piña Colada mit Mezcal.


Seit wir Tehuantepec verlassen haben, befinden wir uns jetzt - rein geographisch gesehen - in Nordamerika. Glücklicherweise merkt man davon kulturell noch rein gar nichts und unser heutige Besuch des Mercados hat eher an Peru als an das immer näher rückende Amireich erinnert. 

San Cristóbal - Oaxaca: Scheiss Topes!!!

Eines gemütlichen Morgens sind wir bei Sonnenschein aus San Cristóbal losgefahren. Joaquin, der Eigentümer des Hostals El Hostalito, ein Spanier und selbst überzeugter Ciclista, hat uns geraten, nicht die Quota, sondern die Carretera Libre nach Tuxla zu nehmen. Das sei schöner. Ok, machen wir das. Immer noch bei Sonnenschein strampeln wir schwitzend die Steigung aus San Cristóbal hinaus und freuen uns auf die folgende, lange Abfahrt. Wir kommn durch einige Indígena-Dörfer, wo die Frauen wunderschöne Trachten tragen, meist in blau-violet-dunkelgrün-Tönen mit Blumen bestickt, etwas vom Schönsten, was wir bisher gesehen haben. Foto schiessen hat leider nicht geklappt, wäre zu offensichtlich gewesen und ist hier wie auch anderswo extrem unbeliebt.

Inzwischen war es bewölkt und die schöne Bajada nahm ein jähes Ende und wir durften nochmals mehrere Kilometer Zwischensteigungen bekämpfen. Aus Wolken wurden Nebel und aus Nebel wurde Regen und als es endlich wieder bergab ging, waren wir nass und die Abfahrt wurde kalt. Die Landschaft wäre vermutlich schön gewesen, viel davon mitbekommen haben wir nich. Wie schon in Guatemala sind auch Mexikos Strassen mit Schwellen gespickt, die hier Topes heissen. In Ortschaften sind sie am häufigsten und auch meistens markiert. Ausserhalb von Ortschaften kommen sie jedoch auch vor, meist sind uns die Gründe für ihre Anwesenheit nicht ersichtlich und graue Schwellen auf ebenso grauem Asphalt sind dazu noch perfekt getarnt. Bis ich jenen einen Tope wahrgenommen hab, war ich de facto schon darüber hinweggesprungen, vor seinem Kollegen, der nur wenige Meter entfernt lag, konnte ich noch bremsen und vorsichtig darüber hinwegschleichen. War aber zu spät, wie ich später feststellen konnte, war die hintere Felge etwas verbeult, was ich beim Bremsen merkte, die etwas auseinandergedrückte Felge blieb jeweils fast zweischen den Bremsklötzen stecken. Das war natürlich schlecht und würde spätestens in Oaxaca behoben werden müssen.

Ab Mittag schien wieder die Sonne und unsere Abfahrt ging fröhlich weiter bis weeeeiiit runter ins Tal, insgesamt waren das wohl um die 40 km bergab gewesen. Auf den letzten Kilometern in Richtung Tuxla Gutierrez stieg die Strasse jedoch wieder an und es regnete natürlich auch wieder. Je näher wir der Stadt kamen umso mehr Autos, Busse und Lastwagen brausten uns um den Kopf und spritzten uns dank zahlreichen tiefen Pfützen von Kopf bis Fuss nass. Das Strassenchaos und die Signalisierung á la mexicana machten die Navigation nicht einfacher. Die einzige richtige Sehenswürdigkeit des Tages befand sich kurz vor Tuxla, der Cañon del Sumidero, eine etwa 12 Millionen Jahre alte bis zu 1300 m tiefen Schlucht, in der der 300 m tiefe Río Grijalva fliesst. 

Cañon del Sumidero.


Wir schafften es doch noch, uns zu den Bomberos durchzufragen und kriegten dort die Erlaubnis, im Schulungs- und Geräteaufbewahrungsraum zu übernachten. Wir hätten auch Duschen und Küche benutzen dürfen, da wir aber ohnehin schon nass waren, verzichteten wir auf die Dusche und das kleine Restaurant ein paar Schritte vom Cuartel entfernt war sympathisch und günstig.

Unser "Quartier" bei den Bomberos.


Tags darauf kurvten wir noch gute 15 km durch die Stadt ehe wir ehe sich der Verkehr etwas lichtete und wir uns endlich auf der Ausfallstrasse nach Cintalapa, unserem Tagesziel befanden. Wieder ging's bergauf, wieder war der Himmel bewölkt, wir genossen nun aber einen breiten Seitenstreifen. Nach etwa 25 km Steigung flitzten wir nach Ocozocoautl runter und bogen dort in die Cuota ein, nachdem wir uns vergewissert hatten, dass diese Cuota nach Cintalapa führte. Von nun an war das Land flach mit ab und zu ein paar kurze Steigungen und einer fast 10 km langen Abfahrt. Wir kamen zweimal an Estaciones de Cobro vorbei, jenen Häuschen, wo einkassiert wird. Wir mussten nie bezahlen, dafür die Velos jeweils auf das (hohe) Trottoir raufhieven und auf die andere Seite schieben. Wir kamen auch an einer grösseren Abzweigung vorbei, da der Ort, an den wir hinwollten, aber nicht angeschrieben war, fuhren wir eben geradeaus. Die Landschaft war zwar immer noch grün, nun aber ganz anders als in den letzten Tagen. Grundsätzlich eine Ebene mit gelegentlichen Hügelzügen und ab und zu ein grosser Felsrücken, der quer in der Landschaft lag. So richtig bewaldet war es nicht, hatte aber meist Bäume und sah darum auch nicht so kahl aus, wie Weideland sonst oft.

Wir pedalten stundenlange durch die Weite und wunderten uns langsam, wann den nun eine Ausfahrt nach Cintalapa kommen würde. Dass es weiter sein würde als gemäss Profil anzunehmen war, war uns bewusst, da wir ja nicht immer von denselben Ausgangspunkt starteten, wir hatten aber mit 85 bis 90 km gerechnet und nicht mit über 100 und sieben Stunden im Sattel reicht eindeutig aus. Mit der Zeit wurde das Ganze immer suspekter und wir checkten die Karte nach jener Stadt, die immer wieder angeschrieben war: Arriaga. Nun war klar, dass wir bei jener Abzweigung hätten rechts abbiegen müssen, nun waren wir auf dem Weg an die pazifische Küste, wo wir momentan eigentlich gar nicht hinwollten. Das war wieder einmal Pech und wir wunderten uns über mexikanische Strassenbeschilderungen, die für schweizer Massstäbe jede Logik vermissen liessen. Da es bis Arriaga, der nächsten Küstenstadt, aber noch über 30 km waren und wir nicht wussten, wie viele Hügel da noch dazwischen lagen, begannen wir, nach einem Zeltplatz Ausschau zu halten. Ganz so einfach war das nicht, immerhin war die Strasse meistens eingezäunt und mit Velos über Leitplanken zu klettern, ist auch nicht wirklich praktisch.

Da war natürlich auch das Problem, dass wir Wasser brauchten, die Bäche hier aber meist sehr braun waren. Auf einer kleinen Anhöhe lief etwas Wasser aus dem Hang in den Strassengraben und sah relativ sauber aus. Da da aber doch recht viele kleinere und grössere Schwebeteilchen drin herumschwammen, beschränkten wir uns darauf, dort einen Liter Wasser zum Kochen zu fischen, jede von uns hatte noch knappe 2 l, was bis Arriaga reichen würde. Wir fanden auch bald darauf einen etwas erhöhten Platz, der von hohem Gras umringt war, in der Mitte jedoch schön sandig. Echten Blickschutz bot das Gras zwar nicht, sobald es dunkel würde, würden wir dort nicht mehr zu sehen sein.

Unser Camp mit sich bildendem Tornado im Hintergrund.

Leuchtende Gräslis im Sonnenuntergang.


Die Nacht war dann auch ruhig, niemand versuchte, uns auszurauben oder zu belästigen. Nach einer klaren Nacht pedalten wir im Nebel los in Richtung Arriaga. Nach ein paar zähen Kilometern kam eine knapp 20 km lange Bajada mit dem typisch mexikanischen Gefälle. Man fährt meist so zwischen 40 und 50 km/h, muss nicht allzsehr bremsen und kaum je in die Pedalen treten. Genial. In Arriaga wunderten wir erst über das verschlafene Kaff bis wir feststellten, dass Sonntag war und wir froh sein konnten, dass überhaupt ein Supermercado offen war. Dann ging's weiter, nun platt und warm. Bald kamen wir an die Grenze zum Bundesstaat Oaxaca, welcher nun nach Quintana Roo, Yucatán, Campeche, Tabasco und Chiapas unser sechste mexikanische Staat ist. Kurz darauf kamen wir sogar an einem Militärkontrollposten vorbei, so wie sich das bei einem richtigen Grenzübertritt gehört. Wir wurden jedoch nicht gestoppt, ja kaum beachtet. Schade, dass wir offensichtlich nicht während der Mangosaison hier sind, hier gibt es so riesige Mangoplantagen, wie ich sie noch nirgendwo gesehen habe.

Im Dorf San Pedro Tapanatepec suchten wir uns schon um 14 Uhr  nach 73 km un gerade mal guten vier Stunden ein Hotel und freuten uns nach drei Tagen ohne Dusche und Kleiderwaschen auf all diese Möglichkeiten. Für den nächsten Tag hatten wir uns wieder eine etwas längere Strecke vorgenommen, 105 km bis nach Juchitán, wo wir einen Tag Pause machen und uns mit meinem Benzin-Kocher, den ich nun seit Beginn der Reise mitschleppe, aber noch nie gebraucht habe, vertraut zu machen. Die Strecke war wieder flach und es gab nichts Aufregendes zu sehen ausser einer riesigen Menge Windräder, von denen sich aber eine ebenfalls sehr grosse Anzahl nicht mehr drehten. Vor dem Mittag hatten wir von einer Sekunde auf die andere Gegenwind, was für die Region am Isthmus typisch sein soll. Das Bikebuch warnt vor Wind in Orkanstärke, der einem locker vom Rad fegen könne, so übel traf es uns zum Glück nicht, es ist einfach lästig und natürlich hinderlich.

An jenem Tag wunderte ich mich, wie schon tags zuvor über riesige Felder, auf denen etwas angebaut wird, das wir bisher noch nicht gesehen hatten. Die Pflanzen haben gewisse Ähnlichkeit mit Quinoa und könnten Hirse sein. Kennt jemand dieses Gewächs?

Was ist das?


Wieder einmal standen wir an einer Strassengabelung und finden keinen richtigen Hinweis darauf, welche Richtung wo hinführt.  Schliesslich gelang es uns aber, eine nette Autofahrerin zu stoppen, die uns weiterhalf. Abzweigung sei Dank, von nun an hatten wir Rückenwind, was absolut cool war. Als wir von der Hauptstrasse ins Zentrum von Juchitán abbogen, zeigte Martinas Bordcompüterli tatsächlich etwa die erwarteten 105 km. Meins nicht, das hatte gerade eine Krise und streikte. Einmal mehr stellen wir aber fest, dass Mexiko ein schweineteures Reiseland ist und man dafür oft nicht einmal gute Qualität erhält. Die Stadt selbst wäre eigentlich sympatisch gewesen, die Hotels und auch teilweise deren Angetellte waren es nicht. Ah, wie sehr vermisse ich da Kolumbien, da waren alle immer "a la orden", hier kann man froh sein, wenn man gerade mal knapp bedient wird.

Mangels brauchbarer Alternativen hatten wir uns für ein Hotel entschieden und sind dahin zurückgefahren, nur um herauszufinden, dass das Zimmer inzwischen vergeben war und nur noch solche mit Klimaanlage frei waren, und die waren uns zu teuer. Mann, das wurde langsam mühsam, und auch spät. Dazu begann meine Kontaktlinse, mich so sehr zu nerven, dass ich kaum mehr etwas sehen konnte, was im Stadtverkehr nicht gerade eine Hilfe war. Martina fragte schliesslich beim Ayuntamiento (Stadtverwaltung) nach Bomberos und wir wurden vom Comandante de Policía wieder raus vor die Stadt geschickt, dort gäbe es ein Polizeigebäude, wo wir übernachten könnten. Als wir dort ankamen hatten wir sage und schreibe 10 km zusätzlich auf dem Zähler, nur von der Suche nach einem Pennplatz. Das erwähnte Gebäude war noch nicht ganz fertiggestellt und der Kommandierende vor Ort wusste natürlich auch von nichts. Da kreuzte aber in dem Moment unser Comandante selber auf und klärte die Sache. Wir durften uns ein leeres, staubiges Büro aussuchen, es gab aber immerhin schon funktionierende Klos und Dusche und auch Licht. Sonderlich geruhsam wurde die Nacht trotzdem nicht, es war zu heiss und Armadas von Mücken zeigten sich vom Repelente zum Teil sehr unbeeindruckt.

Darum flohen wir am nächsten Morgen nach Tehuantepec, die nur gut 25 km weit entfernte Stadt, die auch der Landesenge, dem Isthmus von Tehuantepec, seinen Namen verliehen hatte. Da fanden wir ein, wenn auch nicht günstiges, so doch aber nettes Hotel und konnten unsere nötigen Besorgungen machen. Auf dem Mercado fanden wir sogar eine Señora, die so richtig feine Empanadas verkaufte, gefüllt mit selbstgemachter Ananaskonfitüre. Die meisten Backsachen in Mexiko, so gut sie auch aussehen, hatten sich bisher meistens als trocken und eher geschmackslos herausgestellt. Wir fanden keine Benzina Blanca, dafür eben eine Tankstelle, wo wir die Brennstoffflasche füllen konnten. Wir kochten auf dem Benzinkocher unser Abendessen ohne irgendetwas oder jemanden in Flammen aufgehen zu lassen und schlossen daraus, dass das Ding funktionieren würde.

Wir hatten vier weitere Tage für die verbleibenden etwa 250 km bis Oaxaca veranschlagt. Davon waren rund 50 km relativ "flach", danach würde es wieder bergig werden und wir hofften, nun wieder öfter wild zelten zu können und freuten uns auch schon darauf. Als ich nach 46 km einige komische Knallgeräusche von meinem hinteren Rad hörte, aber auf den ersten Blick nichts sah, war ich auch noch nicht allzusehr beunruhigt. Beim Weiterfahren hörte ich nun aber ein regelmässiges Schaben und eine genauere Analyse zeigte doch tatsächlich eine gebrochene Felge! Ein fast 10 cm langer Riss liess schnell die Vermutung aufkommen, dass ich damit nicht mehr viel weiter kommen würde. Ok, .... das heisst ... wir würden nach Oaxaca hitchen müssen. Wie ... heute schon in der riesigen Stadt ankommen ... ??? Die Erkenntnis traf uns wie ein Schock und wir setzten uns erst mal an den Strassenrand und assen die letzten Empanadas.

Total zur Sau!

Das Gemisch von Büschen und Kakteen wäre so cool gewesen.


Ein Pick-up nahm uns bald darauf mit bis ins nächste Dorf, wo es angeblich leichter sein sollte, ein Auto, oder allenfalls einen Bus anzuhalten um nach Oaxaca weiterzukommen.. Der Fahrer arbeitete offensichtlich in einer lokalen Marmorfabrik und er bot uns einen Besuch an, was wir rein höflichkeitshalber nicht ablehnen konnten. Die Besichtigung wurde aber noch ganz interessant. Die Fabrik wird nämlich als Kooperative betrieben ohne Patrón, der seine Angestellten rumkommandiert. Die Leute dort waren über den Besuch der Gringas auch sehr erfreut und erklärten uns bereitwillig, was sie dort machten. U.a. wurden da Boden- und Bad- und Grabplatten aus Marmor hergestellt, kleine Figürchen aus Onyx, der aus den umliegenden Hügeln stammt. Der Marmor kommt von etwas weiter her, z.T. von Puebla und wird entweder gekauft oder gegen Onyx getauscht.

Marmorplatten in Produktion...
...und fertig geschiffen.


Die Erläuterungen über das Unternehmen waren spannend gewesen aber wir mussten uns schliesslich wieder mit ausgestrecktem Daumen an die Strasse stellen. Wie wir schon befürchtet hatten, schien es nun, da wir uns im Dorf befanden, niemand mehr für nötig zu halten, uns mitzunehmen. Ausser einem Busfahrer, der auch ohne Umstände unsere Velos in seinen Laderaum schmiss. Auf unsere Frage nach dem Fahrpreis wurden wir auf später vertröstet, was uns zwar nicht sonderlich gefiel, aber einmal mehr hatten wir keine grosse Wahl. Die P. 500, die dann verlangt wurden, waren vermutlich auch ein Gringapreis, mangels Erfahrung mit Bussen und deren Preisen, konnten wir aber nicht weiter argumentieren. "Baratero", sehr günstig, wie der Typ gesagt hatte, war das jedenfalls nicht.

Nun, 200 km Busfahrt durch eine Landschaft, die es verdient hätte mit dem Velo durchfahren zu werden, waren halt auch ok. Inklusive Pause brauchten wir etwa 4.5 Stunden bis nach Oaxaca, wo wir um 18 Uhr ankamen. Da es regnete und für eine längere Suche zu spät war, blieben wir in einem Hotel ganz in der Nähe des Busterminals und kundschafteten das Hotelangebot am nächsten Morgen aus. Unglaublich wie viele Hotels es in den umliegenden Strassen gab. Trotzdem waren die Preise alle recht hoch und fix, niemand zeigte sich verhandlungsbereit. Ausser einem älteren Herr in einem nicht sehr hübschen, älteren Hotel. Der Señor war auch sonst sehr sympatisch, bot einen guten Preis für mehrere Nächte und einen sicheren und trockenen Aufbewahrungsort für unsere Velos. Ok, perfekt, Preis und Freundlichkeit vor Konfort.

Im Land des Mezcals (Agaven- bzw. eigentlich Wurmschnaps).


Dass wir sogar gleich um die Ecke eine Velowerkstatt fanden, machte die Sache einfacher. Die neue Felge ist zwar nicht ganz gleich gut (und teuer) wie die alte, ist aber auch von Mavik und wird bestimmt einige tausend Kilometer aushalten.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Palenque - San Cristóbal: Wir kommen im Fernsehen!

So, das wird für einmal keinen Riesentext geben, denn in diesen vier Tagen ist nicht allzuviel seltsames oder sonst wie komisches passiert. Es ging hauptsächlich auf und ab, dabei viel mehr auf als ab. Absolut widerlich waren die Rekordmengen Schweiss, die wir produziert haben, ich kann mich nicht erinnern, dass es zuvor schon einmal soo schlimm gewesen war. Aber diese feuchte Hitze und dazu noch längere Steigungen sind wohl nicht die empfehlenswerte Kombination. Aber gut, dank dem Bus-Ausflügli kannten wir die Strecke des ersten Tages flüchtig, unser Ziel war es, ungefähr bis zur Abzweigung zu der Cascada de Agua Azul zu fahren, dort aber nicht hinunterzufahren, sondern entlang der Hauptstrasse eine Schlafmöglichkeit zu finden. Wir waren etwas unsicher, da wir gehört hatten, dass die Leute in der Region Fremden gegenüber manchmal etwas zurückhaltend und skeptisch waren. Das hänge anscheinend mit dem Zapatisten-Aufstand der 90er-Jahre zusammen, der sich gegen die (weisse) Regierung in Mexiko City gerichtet hatte, von der sich die indigenen Bauern unterdrückt gefühlt hatten.

Zapatisten-Territorium: Hier regiert das Volk,
die Regierung gehorcht.

Die meisten Leute waren jedoch nett und freundlich und als wir am Nachmittag gerade wieder einmal in einer steilen Steigung steckten und am Strassenrand ein kleines Lädeli mit kalten Getränken stand, nutzten wir die Gelegenheit zu einer kurzen Pause. Gatorade hat sich hier in Mexiko wegen des hohen Preises leider disqualifiziert, ist ja aber auch nicht konkurrenzlos. Wir hatten kaum unsere Flaschen geöffnet, als zwei Männer anspaziert kamen, einer davon mit einer Filmkamera und Stativ, worüber wir uns ziemlich wunderten. Sie sprachen uns aber gleich an und klärten die Sache. Sie waren nämlich Reporter und auf der Suche nach Material zum Thema "Deporte de Aventura en Chiapas", Abenteuersport in Chiapas. Wir fühlten uns zwar nicht gerade wie Abenteuersportler, aber warum sollten wir uns den Herren nicht interviewen lassen, wenn die solche Freude an uns und unserer Reise hatten. Ich hatte zwar etwas Zweifel an unserer Professionalität in Sachen Interviewgeben, sie schienen damit jedoch kein Problem zu haben und filmten auch unsere Abfahrt, als sie uns im Auto überholten und später nochmals aus dem "Hinterhalt" im Strassengraben. Nette Herren, schade, dass wir unseren Fernsehauftritt selber nicht sehen werden.

Das einzige eher negative Erlebnis an jenem Tag war, dass wir bei einem Früchtekauf ziemlich abgezockt wurden, aber dass kann überall passieren und hatte wohl wenig mit Zapatisten zu tun. Da wir nach den Megagewittern in Palenque keine grosse Lust zum campen hatten und abgesehen davon, dass es auch nicht leicht gewesen wäre, einen brauchbaren Ort zu finden, stoppen wir nach 66 km und 5:43 Stunden im  kleinen Dorf Xhalina um nach einer überdachten Unterkunft zu fragen. In dem Moment, in dem wir hielten, waren wir umringt von einer riesigen Kinderschar, die extrem neugierig waren und alles anfassten und haben wollten (Drachen, Schlangen, Schildkröten). Ich zücke versuchsweise meine Kamera und es dauerte keine zwei Sekunden und alle waren weg. Anscheinend haben mexikanisch Indígena ähnliche Ansichten betr. fotografieren, wie diejenigen in Bolivien, Perú und Ecuador. Die Kids waren aber auch schnell wieder da, sobald kein Fotoaparat mehr in Sicht war und ein herziger, recht verträumt und naiv wirkender Junge störte sich sowieso nicht daran und wurde von den Mädels jeweils richtiggehend weggezerrt.

Wir waren von einem netten Señor an den Comedor La Selva verwiesen worden, dort würden anscheinend Zimmer vermietet. Die Chica meinte aber, es sei alles belegt, ein junger Herr, der gerade auftauchte, war aber durchaus bereit, mir für P. 100 ein Zimmer abzutreten. Das war zwar klein, mit einem einzigen Bett drin, würde es aber für eine Nacht durchaus tun. Gleich hinter dem Haus floss ein kleiner Fluss durch, der  wunderschön hellblaues Wasser führte. Auf unsere überraschte Frage, wie das den komme, wenn alle anderen Wasserläufe braun seien, meinte der Señor, das Wasser entspringe einer Quelle nicht weit von seinem Haus entfernt. Bei Regen werde das Wasser zwar ganz leicht trüb, aber nie so richtig schmutzig. Das freute uns natürlich besonders, den ganzen heissen Tag lang hätten wir viel dafür gegeben, in so ein Flüssli jucken zu können, nun hatten wir eins vor der Haustür. Blöderweise begann es kurz nach unserer Ankunft zu regnen und es kühlte auch markant ab. Davon liessen wir uns aber nicht abhalten, das Bad wurde zwar recht frisch und entsprechend kurz, war aber trotzdem äusserst belebend.

Perfekte Badi.

Am Morgen darauf sprangen wir vor der Abfahrt nochmals kurz ins Wasser, wieder unter den verwunderten Blicken der einheimischen Kinder, die sich wohl fragten, warum die Gringas immer bei Regen und/oder morgendlicher Kühle badeten. Dann ging es auch schon weiter, immer schön den Berg hoch. Wie schon tags zuvor waren die Leute zwar nett, die Kinder, die die ganze Zeit entweder Geld oder unsere Mascotas wollten, begannen langsam auf die Nerven zu gehen. Und nicht nur die Kinder, auch die Schwellen, hier ebenso zahlreich wie in Guatemala und auch hier oft nicht markiert, weder farblich oder per Tafel, waren mit der Zeit nicht mehr so lustig. Aber klar, irgendwie muss man die Autofahrer zum bremsen zwingen und viele andere Möglichkeiten dazu gibt es wohl nicht. Auf dem höchsten Hügel des Tages, auf etwa 1'200 müM änderte sich zumindest die Vegetation von tropisch zu Nadelwäldern und wieder zurück als wir ins Tal von Ocosingo auf 900 m (53 km, 5:14 h) runterfetzten.

Grün mit einem gelegentlichen Farbtupfer.

Wer hatte den eigentlich je behauptet, Chiapas sei günstiger als z.B. Yucatán? Dem war überhaupt nicht so, auch unser Hotel in Ocosingo, das überhaupt keinen hohen Standart aufweisen konnte, kostete P. 220. Das eine Günstigere, das wir gefunden hatten, hatte so kleine Zimmer, dass da nicht einmal all unser Gepäck reingepasst hätte. Dann war auch die Restaurantsuche am Abend wie schon verschiedentlich in Mexiko gar nicht so einfach. Die Restaurants schliessen früh, als einzige Alternative bleiben oft Tacos (ähnlich wie Panuchos: kleine Tortillas mit Fleisch und anderem drauf) u.ä., die aber eigentlich eher als Snack gemeint sind und von denen man einen ganzen Haufen essen muss um satt zu werden.

Der nächste Morgen begann kühl und selbverständlich mit einer Steigung. Und mit der Begegnung des perversesten Typen der gesamten bisherigen Reise. Wir strampelten gerade aus der Stadt heraus als da dieser Schwüggel hinter einer Brettermauer hervortrat, nur mit T-Shirt bekleidet, das er hochhob und seinen Pimmel vor mir herumschwenkte. Was er dazu sagte, habe ich nicht mitgeschnitten und als einzige Antwort, die mir einfiel, zeigte ich ihm einen auch nicht nett gemeinten Finger. Keine Ahnung, was der halb nackt draussen vor dem Haus wollte, aber dass der mal auf gut Glück auf radelnde Gringas gewartet hatten, ist ja eher unwahrscheinlich.

Kein Foto vom Schwanzschlenkerer!

Nun, der Exhibitionist war bald verdrängt und vergessen, wir waren eher wegen den drohenden Wolken besorgt, die uns das Leben hier in den Bergen vermiesen könnten. Netterweise machten sie das aber den ganzen Tag lang nicht, im Gegenteil, sie spendeten Schatten und wir schwitzten weniger. Von der einen Version Strassensperren, die wir an jenem Tag sahen, hatten wir schon gehört. Da wird ein Seil über die Strasse gespannt, sei es, um sich die Weiterfahrt bezahlen zu lassen, oder um die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf die zu verkaufenden Waren zu lenken. Wir wurden aber ohne Geldabzocke durchgelassen. Die zweite Blockade war heftiger, zumindest für Autofahrer. Da lagen nämlich von unten vernagelte Bretter auf der Strasse, als Auto muss man da stoppen, ob man nun will oder nicht. Was die Männer dort wollten, wissen wir nicht, ich sah einige mit Clipboards und Papieren, möglicherweise war das eine politische Aktion, für uns wurden die Bretter aber anstandslos weggezogen.

Wir hatten bis Santo Tomás Oxchuc etwa mit 50 km gerechnet, waren aber schon nach 45 km dort, für die wir immerhin 5:31 Stunden gebraucht hatten. Das Dorf hatte sogar ein richtiges Hotel, das mit P. 120 bisher das günstigste war. Eigentlich. In Palenque hatten wir P. 150 bezahlt für ein schönes Zimmer mit zwei bequemen, breiten Betten und privatem Bad. Hier hatten wir für 30 Pesos weniger einen kleinen Bunker, ein durchhängendes Bett und draussen ein Klo. Ok, und eine durchaus warme Dusche. Aber in Relation gesetzt war das gar nicht günstig. Das gleiche Spiel wie abends zuvor auf der Suche nach Futter, Restaurants waren keine offen, blieben wieder Tacos.

Blieben noch  55 km bis San Cristóbal. Diesmal ging es rauf bis auf über 2'400 m, das meiste davon im Nebel, der uns gehörig einnässte. Wenn man etwas von der Landschaft sah, hätte das auf den ersten Blick in den Alpen sein können: Kiefernwälder und von Felsblöcken durchsetzte Wiesen dazwischen, alles schön von Nebelschwaden bedeckt. Bei näherem Hinschauen sah man schon, dass einige Details nicht stimmten, oft blickten wir aber auch nur knapp vor uns auf die Strasse um nicht allzuviel Regen ins Gesicht zu kriegen. Dass wir da keinen trockenen Platz zum Zmittag essen finden würden war klar, und leider gab es in der Region mehr politische Schilder als Comedores an der Strasse. Schliesslich fanden wir doch eine "Cocina economica", eine "Günstige Küche". Billiger als anderswo war das Futter dort zwar nicht, aber die beiden Indígena-Frauen gaben sich Mühe, uns mit ihren beschränkten Spanischkenntnissen zu erklären, was für Essen sie im Angebot hatten und sie brachten uns auch ein kleines Öfeli, da wir offensichtlich nass waren und frohren.

Eineinhalb Stunden später, nun satt nach einer Hühnersuppe und den besten Tortillas in ganz Mexiko, dazu auch schon fast trocken, wagten wir uns wieder hinaus. Die Strasse stieg nochmals kurz an, kann kam ein flaches Stück und schon sausten wir hinunter nach San Cristóbal. Um 14 kamen wir in den Aussenbezirken an, wo uns sogar ein schüchterner Sonnenschein empfing. Wir hatten eine Hostalempfehlung für San Cristóbal, El Hostalito, das einem spanischen Ciclista gehört. Es ist herzig eingerichtet, Joaquin ist ein super sympatischer Typ und als überzeugendstes Argument hat das Hostal auch eine Küche. Im Vergleich zum Standard ist es zwar nicht unbedingt günstig, als Ciclistas haben wir aber einen Spezialpreis erhalten. Und die vermeintlichen 55 km waren schlussendlich nur 52 km gewesen (4:47 h).

Avenida Miguel Hidalgo.
La Merced.

San Cristóbal ist eine hübsche, koloniale Stadt auf 2'120 müM und einem angenehmen Klima. Tagsüber wird es (wenn es nicht gerade regnet) schön warm, in der Nacht kühlt es jedoch auch wieder ab und man kann gut schlafen, zumindest wenn man genug warme Decken hat. Leider musste ich hier wegen Zahnschmerzen schon wieder einen Besuch beim Dentista einschalten und bin nun wieder etliches an Kohle los. Dafür hat Joaquin meine Gangschaltung behandelt, die seit längerem total desaströs ist. Muss das noch ausprobieren, hoffe aber, das das funktioniert hat, die Bicicleterías haben hier nämlich die Teile nicht, die ich früher oder später werde ersetzen müssen. Nach einer grösseren Putzaktion sind jetzt auch alle Bidons wieder blitzblank sauber, die Camping-Matte ist geduscht und Seidenschlafsack gewaschen. Somit ist jetzt alles bereit zum wieder verschmutzt werden.