Sonntag, 15. Januar 2012

Santa Rosalía - San Felipe: You wanna stay-go or you wanna stay?

Als wir von Loreto losfuhren, wehte kein Lüftchen, unglaublich! Nach ein paar flachen Kilometern ging es schon bald wieder ernsthaft zur Sache. Von der Strecke hier haben wir ein Profil und wussten darum, dass uns da eine relativ kurze, aber steile Steigung erwartete. Und ja, es war schon steil, aber bei weitem nicht so brutal wie jene Hügel vor Loreto, wo wir Zick-Zack fahren mussten um hochzukommen. Auf dieser Strecke trafen wir den zweiten mexikanischen Exhibitionisten. Diesmal war der Schwanzentblösser ein Lastwagen fahrer, da es aber gerade flach war, war ich schneller vorbei als beim letzten solchen Deppen. Die zweite, etwas flachere und auch kürzere Steigung des Tages brachte uns auf eine Art Pässli, von wo aus es bis San Ignacio fast nur noch bergab ging. Landschaftlich war die Strecke schön, mit guter Aussicht auf den Vulkan "Las Tres Virgenes". Auf dem Pass machten wir Mittagspause und - wie so üblich - als wir wieder am Zusammenpacken waren, kam uns ein Ciclista entgehen. Das war ein richtiger "Hardcore Solo Adventure Cyclist", wie seiner Karte zu entnehmen war. Er war auf dem Weg nach Ushuaia und plante, bis Ende Jahr (in zwei Tagen!) in Loreto zu sein. Wir hatten da etwas länger gebraucht, aber gut, wir sind erstens softcore und zweitens pedalen wir gegen den Wind.

Vulkan Las Tres Virgenes.

Da wir bei der Streckenplanung mit ebendiesem Gegenwind gerechnet hatten, hatten wir eineinhalb bis zwei Tage bis San Ignacio veranschlagt. Nun ging es aber ohne luftiger Gegenwehr so schön den Berg hinunter, dass wir nicht mal allzu spät in San Ignacio auf der Plaza standen. Wir waren nicht sicher, was in Mexiko an Silvester so ablaufen würde und entschieden darum sicherheitshalber, nicht zu campen sondern ein Hotel zu suchen (keine Lust auf Raketenlöcher im Dach). Den Preis im Hotel Posada konnten wir auf P. 250 runterhandeln, was für die Baja nicht schlecht war. Als wir den richtigen Wasserhahn aufgedreht hatten, fanden wir sogar das versprochene heisse Wasser.

Wir hatten vor, San Ignacio als Basecamp für ein wenig Sightseeing zu nutzen, fanden aber heraus, dass noch kaum Wale in der örtlichen Lagune angekommen waren. Blieben die Felsmalereien, die man "in der Nähe" an zwei Orten bestaunen konnte. Auf Empfehlung der Señora der Agentur wählten wir San Francisco de la Sierra aus, das sei schöner und günstiger, da man für die Malereien in Santa Marta hätte Maultiere mieten müssen. Kostenpunkt war P. 1'800 für uns beide, nicht gerade billig, aber lange Transportwege sind meistens teuer. Wir sollten am folgenden Morgen um 8.20 Uhr abgeholt werden und vergewisserten uns nochmal, ob da Hora Mexicana gemeint war. Nein, wir sollten pünktlich abgeholt werden.

Was dann auch stimmte, pünktlicher wäre es nicht gegangen. Im bequemen Büssli fetzten wir mit ungewohnter Geschwindigkeit über die Strasse und wurden nur von einem Militär-Checkpoint kurz aufgehalten. Überrascht waren wir, als wir nach ein paar Hügelis plötzlich in ein dichtes Nebelmeer runterfuhren. Nach wochenlanger Trockenheit nun Nebel?? Ja, das sei normal, der komme nachts vom Meer hinauf. Wrrr, da mit dem Velo durchfahren würde ungemütlich werden. Im Bus war es uns aber egal und nach einiger Zeit bogen wir ab, immer noch auf hübscher, zweispuriger Asphaltstrasse. Nun ging es in die Bergen hinauf und schon nach knappen 10 km war schluss mit Luxusbelag. Aber es ging weiter, immer weiter, steil und holprig. Wir waren ganz schön froh, waren wir nicht auf die blöde Idee gekommen, da per pedales hinaufzuklettern.

Die Felsmalereien in der Cueva del Ratón, der Rattenhöhle, die gemäss Guía um die 9'000 Jahre, gemäss Infor-Tafeln über 10'000 Jahre alt waren, waren dann aber schon interessant. Gemalt mit rotbraun, schwarz und weiss, turnten da jede Menge Hirsche, ein Puma und Menschen an den Felswänden herum, die meisten wild durcheinander und übereinander und nicht immer einfach erkennbar. Die ersten Europäer, die die Höhle gesehen hatten, hatten offensichtlich den schwarzen Puma für eine Maus gehalten, daher der Name.

Felsmalereien...
...in der Cueva del Raton.

Auf dem Rückweg stoppten wir nochmals und gingen einige Petroglyphen, Fels"kratzereien" anschauen. Im Gegensatz zu den Malereien, die hinter Rasierklingen-Draht eingekerkert und nur mit Guía/Guardia besucht werden können, sind die Petroglyphen frei zugänglich, so dass jeder drüberlatschen kann. Allerdings muss man schon wissen, dass die da sind, es gibt nämlich keinen Hinweis und von der Strasse führt nur ein schmales, unscheinbares Weglein zu diesem Sitio Archeológico. Hier war bei den meisten Bildern nicht wirklich klar, was sie darstellen sollten, mit Ausnahme der zahlreichen Sonnen. Erkennbar waren auch Tiere, einige hübsche Kratzer könnten Kakteen sein und ein Ding sah für mich sehr nach einem Fuss aus. Hier war auch die Landschaft sehr interessant, da wuchsen jede Menge Cirius-Kakteen, die extrem originell aussahen.

Kakteen und ???
Sonne?

Zurück in San Ignacio mussten wir erst einmal Siesta halten, so erschöpft waren wir von dem Tripli. Bus fahren, speziell auf schlechter Strasse scheint ebenso anstrengend zu sein wie Velo fahren. Insgesamt hatte der Ausflug fast sechs Stunden gedauert, davon hatten wir etwa eine halbe Stunde lang die Felsmalereien besichtigt, wohl etwas weniger lang die Petroglyphen, einmal hatten wir auf dem Hinweg gestoppt um die Landschaft und einige Kakteen zu bewundern, und ein paar Minuten hatten wir im Visitor Center der Felsmalereien verbracht. Den Rest der Zeit waren wir im Bus gehockt. War das der Aufwand wert gewesen? Schwer zu sagen. Was wir gesehen hatten, war interessant und hübsch gewesen und zwar sowohl die Kunst der Indígena sowie die Landschaft, aber wir waren durchaus froh, sonst per Velo und nicht im Bus unterwegs zu sein.

Da 31. Dezember war, dauerte die Restaurant-Suche ein klein wenig länger als am Vorabend und der Señor wunderte sich sehr ab den beiden Grigas, die an Silvester anstatt des speziellen Menus (für immerhin P. 120) nur Eier und Bohnen essen wollten. Und dazu eine heisse Schokolade, inzwischen war es nämlich wieder recht kühl geworden. Wir bekamen aber, was wir wollten, Schwein gehabt, Gästen, die später kamen wurde gesagt, es gäbe nur das Festtagsmenu. Als wir das Restaurant verliessen, trafen wir zwei weitere Ciclistas, die wir zuvor auf der Strasse gesehen hatten. Das war ein interessantes Paar, er Franzose, sie Chinesin, unterwegs mit einem Tandem.

Von San Ignacio bis Guerrero Negro, wo wir hofften, Wale sehen zu können, waren es dann etwas mehr als 140 km und wir hofften, das in etwa eineinhalb Tagen abspulen zu können. Ernsthafte Berge würden sich uns nicht in den Weg stellen, die paar Hügelis nach San Ignacio hatten wir schon vom Bus aus gesehen. Sonderlich aufregend wurde die Strecke dann auch tatsächlich nicht. Beim Militärposten musste ich den Rucksack öffnen und ein Soldat lugte mal so proformamässig kurz hinein, die übliche Fragerei war mehr Neugier und Zeitvertrieb denn ernsthafte Kontrolle, und schon waren wir wieder unterwegs. Für die Mittagspause fanden wir ein wenig Schatten unter einem dürren Bäumli und als wir wieder zusammengepackt hatten, tauchten zwei Ciclistas auf. Zwei junge Amis mit nacktem Oberkörper auf dem Weg nach Patagonien. Natürlich immer schön mit Rückenwind. Im Kaff Vizcaíno gönnten wir uns kurz darauf ein kühles Getränk und eine Wind-Pause. Am späteren Nachmittag trafen wir noch zwei Südwärts-Fahrer, ein Paar aus Deutschland, die aber nur die Baja abradeln.

Da diese beiden uns sagten, dass die Vegetation bald noch spärlicher werden würde, bogen wir kurz nach der Begegnung von der Hauptstrasse auf einen Sandweg, der, wie sich herausstellte zu einer (unoffiziellen?) Müllkippe führte. Wir schoben noch etwas weiter und schafften es sogar, einen Platz zwischen den Kakteen zu finden, wo es zwar viele jener Kugeldornen hatte, der aber immerhin nicht total davon bedeckt war. Mit Kaktus-Ästen wischten wir einen Platz frei und gaben uns alle Mühe, das dann nochmals genau zu kontrollieren. Dabei nahmen wir uns vor, in Guerrero Negro ein Bäseli zu suchen. Erstaunlicherweise gelang es sogar, im Sand das Zelt aufzustellen. Nicht, dass das so einem stärkeren Wind standgehalten hätte, der hatte aber den ganzen Tag über nur relativ mässig geweht und mehr als hoffen konnten wir ohnehin nicht.

Am Vortag hatten wir Glück gehabt und waren nicht in Nebel geraten, der nächste Morgen zeigte sich nun aber ganz anders. Zelt und Velos waren trieffend nass und die Nebeldecke lichtete sich erst gegen halb elf so richtig. Zu sehen gab es allerdings nichts, ich meine, wirklich nichts. Die Dornbüsche und Kakteen, zwischen denen wir gecampt hatten, waren mit der Zeit immer rarer geworden und schliesslich ganz verschwunden. Was blieb, waren graue Grasbüschel, sonst nada. Das war so ziemlich das Langweiligste, das wir je geshen hatten, der nervig-frontale Gegenwind machte die Sache nicht unterhaltsamer und der rege Verkehr tat sein Übriges.

In der Biosfera Vizcaino.

Eigentlich wäre jetzt ich wieder dran mit Hotelabchecken, da sich jedoch ein winziges Risslein in meiner Hose zu einem Megaschranz über dem gesamten linken Oberschenkel entwickelt hatte, was in einer Stadt etwas peinlicher ist als mitten in der Wüste, übernahm Martina dies nochmals. Wir mussten etwas suchen, fanden schlussendlich mit dem Motel Dunas eine ganz gemütliche Bleibe, für die wir, da wir drei Nächte bleiben wollten, nur noch P. 225/Nacht bezahlten. Schlauch zum Velo entsanden inbegriffen.

Noch am selben Nachmittag gingen wir uns betr. Whale Watching informieren und buchten gleich eine Tour für den folgenden Morgen um 11 Uhr. Beim Versuch, mit der Kreditkarte zu bezahlen, verweigerte diese, nun zum zweiten Mal, den Dienst. Was, verd........t noch mal, ist eigentlich mit diesen verfl..........en Bankkarten los??? Diese Kreditkarte habe ich bisher selten benutzt, weiss nicht mehr, wo zuletzt, aber schon in Matzatlán hat sie nicht funktioniert und nun hier auch nicht. Was läuft da eigentlich?? Da Martina das selbe Problem hatten, bezahlten wir eben mit Cash, nicht so tragisch, aber langsam aber sicher nervig.

Ok, die Tour selber klappte dann aber durchaus. Nach einem holprigen Anfahrt stiegen wir in zwei Boote um und brausten in die Lagune hinaus. Auch hier lag teilweise noch eine dichte Nebeldecke, zum Glück war das nicht der Ort, den sich die Wale zum rumkurven ausgesucht hatten. Bei den ersten Sichtungen in der Ferne wurden wir alle ganz aufgeregt. Einmal streckte dort sogar ein Wal den Kopf aus dem Wasser. Wir fuhren dann näher ran und sahen einmal kurz eine Schwanzflosse, danach waren da nur noch Wasserfontänen und Rücken zu bewundern. Davon aber doch eine rechte Menge. Wie viele Wale sich da in dieser Lagune befanden, wussten wir natürlich nicht genau, es schienen aber einige zu sein. Einmal vermuteten wir, dass das eher kleine Tier, das wir gerade gesehen hatten, ein Baby war. Die Laguna Ojo de Liebre ist so quasi ein Geburtshaus und eine Kinderaufzucht-Station für Grauwale, auch wenn die Saison gerade erst begonnen hatte. In ein bis zwei Monaten werden da bis zu 2'000 Wale pro Tag in der Lagune sein.

Schwanzflosse... 
...Ruecken...
...und alien species.

Auf der Rückfahrt stoppten wir noch kurz bei einer Pelikanenkolonie und einer riesigen Boje, wo eine Familie Seeloewen wohnte. Die waren auch herzig, warum wir da aber so lange rumhängten und so nahe ran gingen bis die Tiere ins Wasser flüchteten, war uns nicht ganz klar. Wir sind ganz offensichtlich immer noch in Mexiko, die Wale sind geschützt, Seeloewen darf man aber nerven bis sie abhauen. Nicht nett.

Pelikane im Nebel.
Seeloewen bei Siesta.

Nach diesem beeindruckenden Ausflug zu den Walen hängten wir noch einen Tag in Guerrero Negro herum und nutzten das Vorhandensein einer brauchbaren Internetverbindung. Dann ging es auch schon wieder weiter, durch dieselbe platte Wüste mit nichts als grauem Gras. Zu unserer Faszination hatten wir an jenem Morgen aber etwas Rückenwind. Nicht sehr stark, aber wir sausten ohne grosse Anstrengung mit 20-24 km/h dahin. Zum Vergleich, auf der Strecke vor Guerrero Negro hatten wir mit Gegenwind noch so um die 12 km/h geschafft. Trotzt immer noch gleich langweiliger Landschaft machte die Sache nun ungleich mehr Spass. Nach fast 40 km kamen wir durch ein winziges Kaff, wo es aber eine Tankstelle und darum kleine Restaurants gab. Wir genehmigten uns wieder einmal einen Kaffee zum Znüni und studierten all die Aufkleber, die da die Fenstern des Häuschens verzierten. U.a. waren da viele Logos u.ä. von Off-road-Rennen (für Vier- und Zweiräder), was auf der Baja anscheinend ziemlich Mode ist. Was uns aber am besten gefiel, war ein eher unscheinbares YOLO-Bildli. YOLO steht für "You Only Live Once", was sich eigenglich super als Lebens- und speziell als Reisemotto eignet.

Ja, naemlich, darum sind wir hier!

Bis zur Mittagspause hatten wir fast 70 km abpedalisiert, und wie es zu erwarten war, kam am Nachmittag Gegenwind auf, natürlich nicht so gemütlicher wie am Vormittag. Genau gesagt, begann der Wind genau dann, als es wieder hügelig wurde. Immerhin lohnte es sich nun wieder, ab und zu nach links oder rechts zu schauen. Im Dorf Rosarito stoppten wir gegen 15 Uhr kurz um etwas kühles zu trinken. Es wäre auch möglich gewesen, dort bei einem Restaurant zu campen, wir hatten aber keine Lust, für eine Übernachtung zu bezahlen, also fuhren wir weiter. Nach nur wenigen Kilometern kamen uns zwei Velofahrer entgegen, ein Holländer und ein Schweizer. Die beiden meinten dann, sie hätten gerne eine Dusche, weshalb sie weiterstrampelten anstatt sich mit uns in die Büsche zu schlagen.

Wir hatten schon fast einen akzeptablen Zeltplatz gefunden, als wir zu den Velos, die wir etwas näher bei der Strasse stehen gelassen hatten, zurückkamen und dort ein Auto stehen sahen. Mist, wer könnte das denn sein? Da wir hier die Fremdlinge sind, ist es an uns, um Erlaubnis zum campen zu fragen und wir gingen auf das Auto zu. Der junge Mann, der da ausstieg, hatte dazu aber auch nicht mehr zu sagen, als "ja, klar, zeltet, wo ihr wollt, das gehört hier niemandem". Ist ja nett, aber wir hätten uns eigentlich einen Ort vorgestellt, den ausser uns niemand kannte. Da dort ein Haufen Bierflaschen rumlagen und der Typ gesagt hatte, er warte dort auf einige Amigos, entschieden wir uns nach einer weiteren Erkundungstour, von da wegzugehen. Praktisch, dass das Auto nun nicht mehr da war, so sah wenigstens niemand, dass wir auf der anderen Strassenseite einem Weg folgten und nicht mehr auftauchten (87.57 km in 6:05 Stunden). Meine Hosen gingen an jenem Abend wieder futsch, weiss nicht, ob sich das nochmals reparieren lässt.

Da die Sonne in letzter Zeit immer später aufging, haben wir den Wecker nun um eine Viertelstunde zurückgestellt. Allerdings lebten wir immer noch nach Baja California Sur-Zeit, obwohl wir nach Guerrero Negro eine Zeitgrenze überfahren hatten. Da wir nun über so einige Hügel mussten, wurde uns trotzt der kühlen Morgenluft bald warm. Interessanterweise war es in dieser Gegen auch relativ "grün", v.a. auch dem Boden entlang. In Punta Prieta kauften wir nochmals Teigwaren, eine Zwiebel und Wasser und rund 15 km später in dem fast-Geisterdorf Parador Punta Prieta setzten wir uns zu einem verlassenen Haus und assen unsere Tortillas mit Bohnen und Tomaten. Es hat sich herausgestellt, dass Tortillas aus Weizenmehl zu diesem Zweck viel besser geeignet sind als Maistortollas, das sie nicht so schnell brechen. Hat auch gedauert, bis wir das gecheckt hatten.

Am Abend wurde die Schlafplatz-Suche nicht so leicht, da der Boden während Kilometern nur aus weichem Sand bestand, und wenn es auch nicht stark windete, wollten wir das Zelt doch einigermassen sicher verspannen können. Hinter dem Zaun eines Ranchos fanden wir dann den gesuchten, festeren Boden, leider war beim Haus niemand, den wir hätten um Erlaubnis fragen können. So entschieden wir uns schliesslich, auf der anderen Seite der Strasse zwischen den Kakteen zu schlafen, was noch ganz hübsch war und eine richtige Dornen- und Stachelsafari auslöste. Die sind also schon sehr wehrhaft, diese mexikanischen Wüstenbewohner. Wir waren in etwas über 5:30 Stunden knappe 83 km weit gekommen.

Es ist stachelig hier...
...sehr stachelig sogar.
Ob gelb, weiss, schwarz...
...oder pink.
Einige sehen blumig aus...
...andere flauschig.

Am folgenden Morgen blieben noch etwa 28 km auf der MEX 1 bis Chapala, wo wir auf eine Sand- und Steinpiste abbiegen wollten. Da uns das Restaurant dort empfohlen worden war, genehmigten wir uns ein zweites Frühstück in Form unserer gewohnten Eier. War wirklich fein. Die ersten paar Kilometer auf der Holperstrasse waren dann gar nicht so übel und schon bald kamen uns wieder Ciclistas entgegen, ein Israeli und ein Kanadisches Paar, Two Wheeled Wanderers. Als es danach durch/über die Sierra La Asamblea ging, wurde das Vorwärtskommen trotzt Rückenwind anstrengender, die Landschaft war dafür absolut phänomenal. Nicht, dass das irgendwie hohe Berge gewesen wären, aber auf mich wirkten sie irgendwie magisch. Nach etwa 22 km kamen wir bei Coco's Corner an (50.76 km in 4:12 Stunden). Von Coco hatten wir schon verschiedentlich gehört. Dass er auf den Knien rumspaziert, da er keine Beine mehr habe, dass er per Rollstuhl hier in die Wüste gekommen sei um zu sterben und von den Militärs Essen und Wasser erhalten habe und so ähnliche Stories.

In der Sierra La Asamblea.

Die Begrüssung war dann auch etwas enigmatisch: "you wanna stay-go or you wanna stay?". Nicht ganz sicher, wie das gemeint war, erwiderten wir, wir würden gerne bleiben, wenn das gehe. Ok, wir sollten die Velos vor jenem Camper abstellen, war die kurzangebundene Antwort und als ich fragte, wieviel eine Übernachtung koste, war die Antwort "WHAT?!?!" Ich weiss nicht, ob er die Frage nicht verstanden hatte, oder ob er sie fast als Beleidigung aufgefasst hatte, jedenfalls erklärte er uns dann, dass, wer ein Bier kaufe, das Recht zum dort übernachten habe. Martina kaufte das Bier und das Camperli war für die Nacht unser. Vermutlich hätten wir es auch ohne Bierkonsum gekrieg. Coco heizte uns auch Wasser zum waschen auf, was wir natürlich sehr zu schätzen wussten. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass er aus Ensenada stammte (einer Stadt im Norden der Baja), in seiner Jugend viel gereist war. Er hatte eine seltsame Krankheit, die seine Füsse langsam schwarz werden und absterben liess. Im Jahr 1984 wurde ihm nach einem Unfall, bei dem ihm ein Fass das Bein verletzte der linke Unterschenkel auf seine Forderung hin amputiert. Er arbeitete inzwischen bei einem Auto- und Motorradrennen, dem Mexico 1000 mit, und fand so sein heutiges Zuhause in der Wüste, wo er 1990 hinzog, Büsche rodete und sich ein Stück Land bewohnbar machte. Wasser gibt es dort keines, er fährt alle vier Monate nach Guerrero Negro und holt dort per Pick-up drei Barrell Wasser. Im Jahr 2008 wurde sein zweites Bein amputiert, was ihn jedoch nicht daran hinderte, in die Wüste zurückzukehren und auch weiterhin beim jährlichen Rennen mitzuarbeiten. Er ist jetzt 74 Jahre alt uns sprüht nur so vor Energie und Lebensfreude. Velofahrer sind bei ihm immer willkommen, kriegen Wasser und einen Platz zum schlafen. Er ist sehr kauzig, wir verstanden oft nicht gut, was er sagte (ob auf Englisch oder Spanisch), er ist aber einer der warmherzigsten und coolsten Typen, die wir auf der gesamten Reise getroffen hatten.

In unserem Camperli bei Coco.
Klo- und Fernseher-Stilleben.

Coco produziert zwar etwas Solarstrom, geht jedoch, wie es an so einem Ort Sinn macht, ins Bett sobald es dunkel wird. Aus seinen etwas wirren Kommentaren hatten wir angenommen, dass er dafür recht früh aufsteht und so sind auch wir etwa zu unser üblichen Zeit aus den Federn gekrochen. Coco war aber noch lange nicht in Sicht und wir waren längst fertig mit Packen als er den Kopf aus seinem Camper streckte. Was soll's, wir tranken noch einen Kaffee, Martina designte einen Eintrag ins Gästebuch und ein Foto-Shooting war natürlich auch Pflicht. So war es dann 9 Uhr bis wir in die Sättel stiegen und weiterholperten. Der Rückenwind hatte sich selbstversträndlich zu Gegenwind gewandelt, was zusammen mit der recht schlechten Strasse ein ziemlich mühsames Resultat ergab. In Patagonien hatten wir diese Kombination selten gehabt, da war entweder die Strasse Scheisse oder der Wind monströs gewesen, aber nun beides zusammen war nicht so witzig.

Ich, Coco und Martina.

Als wir am frühen Nachmittag in San Luis Gonzaga/Rancho Grande ankamen (40.5 km in 4:22 Stunden), trafen wir ein Ami-Radlerpaar auf dem Weg nach Kolumbien, die auch gerade am überlegen waren, wie sie nun weiter vorgehen sollten. Wir gingen im einzigen Laden einkaufen, was es denn so einzukaufen gab. Die Gemüse"abteilung" war etwas vom Widerlichsten, das wir je gesehen hatten. Verschrumpelt Peperoni u.a. gehen ja noch, aber einen Centimeter dicken Schimmel an Tomaten regte nicht gerade zum kaufen an. Wir rätselten mit den Amis, wo man am besten campen könnte. Sie favorisierten den Strand, wir die verlassene Pemex, die eine schöne, windbrechende Mauer hatte. Da kamen vier Motorrad-Fahrer zurück, die uns einige Zeit zuvor entgegengekommen waren, und die von unserer Reise recht fasziniert waren und uns kurzerhand ein überzähliges Bett in ihrem Hotelzimmer anboten. Da uns die Aussicht auf eine kalte, windige Nacht im Zelt nicht so verlockend vorkam, nahmen wir natürlich an.

Die heisse Dusche, auf die wir uns schon gefreut hatten, hielt ihr Versprechen dann leider nicht, trotzt der USD 70, die die Amis für das Zimmer bezahlten. Konkret, das war eine der untauglichsten Duschen in ganz Lateinamerika gewesen und das im vermutlich teuersten Hotel, das wir je betreten hatten. Die Töff-Fahrer waren aber nett und einer von ihnen überliess uns sogar sein King Size-Bett und nahm mit einem kleinen, kurzen Einzelbett vorlieb. Wenn das ein Vorgeschmack auf's Amiland ist, dann wir das nicht so schlecht kommen.

Am nächsten Morgen blieben uns noch knappe 25 km Schotter, von dem man annehmen muss, dass er schlechter war als zuvor, wir waren nämlich noch langsamer unterwegs als an den beiden vorherigen Tagen.  Das allerdings auch wieder mit starkem Gegenwind, der auch weiterhin nervte, als wir den Asphalt erreicht hatten. Interessanterweise liess die Blaserei am Nachmittag dann etwas nach, was vermutlich eine Premiere war. Trotzdem, Schotter und Gegenwind waren ermüdend gewesen und als wir kurz nach 14.30 Uhr eine längere Bruecke über ein ausgetrocknetes Flussbett überquerten, entschieden wir uns, da unten nach einem hübschen Camp Ausschau zu halten. Entgegen unseren Erwartungen war das dann aber gar nicht so einfach. Wirklich flache Plätzchen gab es nicht so viele und jenes in einem Steinbruch, das gut geeignet gewesen waere, hatte viel zu harten Boden. Wie immer fanden wir aber schlussendlich einen Ort, nicht sehr windgeschützt zwar, da der aber auch schon fast schlafen gegangen war, war das kein Problem (43 km in 4:50 Stunden).

Der folgende Morgen begann wie immer kühl, diesmal aber und mit grossem, untergehenden Mond und aufgehender Sonner gleichzeitig. Es ging durch rotbraune, äusserst trockene Huegellandschaft, nur in Arroyos gab es ab und zu etwas grün. Ausgerechnet da sahen wir seit langer Zeit wieder einmal Wildtiere. Eine kleine Gruppe wilder Ziegen war da unterwegs, gut getarnt und recht cool trotzt knipsenden Gringas.

Borregos, wilde Ziegen.

Da wir die Information erhalten hatten, dass es in der Ortschaft Puertecitos "alles" gäbe, planten wir dort nochmals einen kleineren Einkauf. Ausser einem winzigen Lädeli mit fast nur leeren Gestellen, fanden wir dort aber fast gar nichts, das war ein ziemliches Geister-Kaff. D.h. es hätte heisse Quellen gegeben, die auch offen gewesen wären, USD 5 war uns aber zu teuer. So deckten wir uns mit Guetslis und anderem Junk ein (stimmt nicht, wir kauften auch Gemüse für das Abendessen), stopften uns damit voll und fuhren dann weiter. Bis Puertecitos war die Landschaft noch hügelig und obwohl absolut obertrocken, einigermassen interessant gewesen. Nun wurde es immer platter und grauer, das einzige, was noch für "Unterhaltung" sorgte, waren die Einfahrten und Namen dutzender Campos am Strand, wo wir uns jeweils wunderten, wer denn Lust habe, in dieser Oednis zu wohnen oder auch nur einen Feriencamper stationiert zu haben.

Wir waren am Nachmittag gerade am Auskundschaften von möglichen Uebernachtungsplätzen, als ein schwarzer Pick-up neben unseren Velos hielt und wir uns schon genervt fragten, wer uns nun schon wieder belästigte (während der Mittagspause waren wir von Zeugen Jehovas bequatscht worden, mitten in der Wüste!). Der Texaner, der uns diesmal ansprach, war aber nett und lud uns zu sich in San Felipe ein. Wir meinten jedoch, die verbleibenden 30 km wuerden wir nicht mehr schaffen und nein, aufsitzen gehe nicht, das wäre cheating. Ok, er werde am Morgen nach uns Ausschau halten, wir könnten gerne ein paar Tage bei ihm wohnen. Damit fuhr er davon und wir schleppten die Velos durch tiefen Sand von der Strasse weg zu einem Oertli mit etwas festerem Untergrund und stellten dort unsere Huette auf. War nicht sehr stabil, hielt aber.

Da es bis San Felipe nicht mehr weit war, standen wir etwas später auf, was recht angenehm war. Nach etwa einer Stunde auf der Strasse kam uns der schwarze Pick-up entgegen. Mark, unser Freund vom Vorabend, brachte uns Burritos und vergewisserte sich von unserem Wohlergehen. Wir nahmen an, dass es noch rund 12 km bis San Felipe war (wegen den Km-Pflöcken) und meinten, wir würden etwa in einer Stunde dort ankommen. Dann nahmen wir den Anlass zur Pause wahr und genossen die wirklich mega feinen Burritos. Das war mal ein cooler Znüni. Wie es sich dann aber herausstellte, war Km 0 die Abzweigung zum Flughafen, bis in die Stadt waren es noch knapp 10 km mehr. Landschaftlich gab das nicht mehr viel her, die Wüste war recht platt, grau mit nur ein paar Büschen. Auf der "Zielgerade" vor der Stadt standen am Strand viele grössere und kleinere Gebäude und Hotelkomplexe in unterschiedlichen Stadien der Vollendung und des Zerfalls. Die Unmenge Schilder mit der Aufschrift "For Sale" liess auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Region schliessen und passte in das Bild der Baja, das sich uns schon fast seit Beginn zeigte: Tote Hose, wenige Touris, kein Geld, Zerfall.

Endlich in San Felipe angekommen, stoppten wir bei der Pemex und fanden dort einen Kaffee und warteten nur ganz kurz auf Mark. Er hatte inzwischen schon einen weiteren Ciclista aufgegabelt, Zack, einen jungen Ami, der auf Guam aufgewachsen ist und schon eine ganze Menge herumgereist ist. Der Rest des Tages wurde recht unterhaltsam. Mark hatte ein Treffen mit dem Mayor, dem Bürgermeister, von San Felipe veranlasst und es wurden wie wild Fotos gemacht und wir wurden sogar zum Mittagessen eingeladen. Am Abend bastelte Mark genialfeine Brownies und wir kamen bald zum Schluss, dass wir nicht wie geplant zwei bis drei, sondern vier Nächte bleiben würden. Das hing auch damit zusammen, dass uns die Vermieterin des Hauses gratis die untere Wohnung benutzen liess, was sehr konfortabel war. Dazu waren Mark und Zack äusserst interessante Gesellschaft und es wurde uns nie langweilig.

Martina, Mark, Zack und ich.

Wir vertrieben uns die Zeit mit reden, waschen, einem langen Spaziergang am Strand, kochen, essen und Hunde streicheln. Wir haben auch die Kreditkarten getestet und Geld abheben hat funktioniert. Keine Ahnung also, was bei diesen Terminals jeweils das Problem sein könnte. Zack ist heute Morgen weitergefahren (viel Glück auf dem Weg nach Süden!), unser Start ist auf morgen geplant, immer in der Hoffnung, dass es weniger windet als gestern. Mark, ganz vielen Dank für die Einladung zu Dir nach Hause, für die grosszügige Bewirtung und die interessanten Gespräche. Wir wünschen Dir viel Glück und Erfolg bei Deinem Projekt hier auf der Baja und für die 99%-Declaration in den Staaten!

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