Freitag, 10. Februar 2012

Tijuana - Aliso Viejo (USA): Sehr begrenzte Möglichkeiten

Tijuana zu verlassen wurde einigermassen abenteuerlich. Wir hatten im Hotel gefragt, ob wir besser via Fussgängerzone oder per Highway zur Grenze fahren sollten. Die Antwort hiess "Highway" und so waren wir zum ersten Mal geschockt, als wir die Autoschlange auf der San Diego-Spur sahen. Mit den Velos konnten wir da zwar so einiges auslassen, wir standen aber doch noch eine ganze Weile mit im Stau. Tatsächlich schafften wir es irgendwann ganz nahe zur Grenze, wo uns dann aber gesagt wurde, dass wir durch den Fussgänger-Durchgang müssten. Also machten wir das. Nun stellen wir aber fest, dass wir die mexikanisch Migracion verpasst hatten. Wir durften das Ami-Territorium nochmals ungehindert verlassen, brauchten dann aber eine ganze Weile, bis wir uns quer durch den Verkehr und über und unter Brücken zum richtigen Büro durchgeschlagen hatten. Dort verwirrten wir den zuständigen Beamten mit der Bitte um einen Ausreisestempel und der Tatsache, dass wir die Gebühr für die Touri-Karte bezahlen wollten. Wir überzeugten den Herrn schliesslich von der Notwendigkeit, kriegten den Stempel und wurden unsere letzten Pesos los. Den Rückweg zum Fussgänger-Durchgang fanden wir nun schneller, leider war die Schlage inzwischen von praktisch nicht-existent auf mehrere hundert Meter angewachsen. Wir hätten uns in den Hintern treten können für die hohle Aktion. Als ob es jemanden interessiert hätte, ob wir offiziell aus Mexiko auscheckten oder nicht.

Stau in Tijuana.

Nach anfänglicher Bewegungslosigkeit ging es dann aber plötzlich überraschend schnell vorwärts. Die von vielen in die USA Einreisenden gefürchtete mühsame Ausfragerei fand in meinem Fall nicht wirklich statt. Der Typ war in erster Linie an meiner Reise interessiert und schien mich nicht als potentielle Bedrohung seines Heimatlandes wahrzunehmen. Ich war also bald auf der anderen Seite. Bei Martina ging das nicht so schnell.  Ihr Beamter war der Meinung, dass das Formular, das wir online ausgefüllt hatten, nur für Flughäfen gälte und schickte sie zurück zu einem anderen Büro um sich irgend einen Stempel zu beschaffen. Dazu hatte sie natürlich nicht die geringste Lust und sie fragte darum bei "meinem Typen" nach, der sie dann auch schnell durchwinkte: keine weiteren Stempel notwendig. Phuu, nochmals Glück gehabt. Einen Einreisestempel hatten wir zwar beide nicht gekriegt, wir beschlossen nun aber, dies nicht weiter zu untersuchen und ganz einfach als richtig zu akzeptieren. So verliessen wir das Grenzgebäude, stoppten auf einem halb eingezäunten freien Platz um den ersten Eindruck des Amilandes auf uns wirken zu lassen, als wir auch schon weggeschickt wurden. Man dürfe dort nicht halten. Ok, soviel zum ersten Eindruck. Anzahl Velokilometer in Lateinamerika: 20'900 km.

Erster Blick ins Amiland.

Nach einer kurzen Mittagspause an einer Bushaltestelle rief Martina unseren ersten Warmshowers-Host an, der nahe bei der Grenze arbeite und den wir treffen sollten um zusammen zu seinem Haus zu fahren (er geht mit dem Velo zur Arbeit). Bis Chula Vista fanden wir den Weg, dann waren wir einigermassen verloren. Ein Ami-Velofahrer, den wir stoppen konnten, war dann mit dem hier üblichen Elektro-Schnickschnack ausgerüstet und brachte uns freundlicherweise gleich zum vereinbarten Treffpunkt. Nette Leute hier. Mit Jay, unserem sympatischen Host, ging es gleich weiter in etwas über einer Stunde bis zu ihm nach Hause. Dort kriegten wir unser eigenes Zimmer in seinem grossen, sehr schönen Haus.

Unsere ersten Tage in San Diego waren dann etwas kompliziert und frustrierend. Wir suchten erst lange bis wir einen Mech gefunden hatte, der sich unserer Velos annehmen konnte, die meisten waren über mehrere Tage hinweg ausgebucht. Da wir keine Computer hatten und es hier keine Internet-Cafés gibt, fühlten wir uns total abgeschnitten, hatten keine Möglichkeit, andere Veloläden und Telefonnummern herauszufinden. Komplizierter wurde die Sache zusätzlich, da wir ohne Auto auch nicht einfach mal so rasch irgendwohin fahren konnten. So viel zum Thema "Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Am Nachmittag öffnete dann die örtliche Bibliothek, es war aber nur die Express-Maschine frei, wo wir je nur 15 min dranbleiben konnten. Barbara, Jays Frau, konnte uns am Abend dann einen Laden vermitteln, der Zeit für uns freimachen konnte und wo wir auch gleich hinradelten. Am zweiten Tag gingen wir per Bus und Tram in ein grosses Einkaufsgebiet, wo wir das Problem der fehlenden Internet-Cafes lösen und uns eigene Maschinen kaufen wollten. Dort fand ich erst mal heraus, dass es die Netbooks, die ich ins Auge gefasst hatte, nicht mehr gibt, man könne sie auch per Internet nicht mehr bestellen. Ah Mann, wieso klappt hier eigentlich nichts?!? In einem Microsoft-Laden in der nächsten Mall kaufte ich dann halt einen schicken, dünnen Laptop, klar teurer als geplant, da ich aber ein äusserst grosszügiges Weihnachtsgeschenk erhalten hatte, leistete ich mir nun so ein elegantes Maschineli. DANKE MEGAVILL MAL, GROSI, DAS ISCH UUUUU LIEB GSII VO DIR! Das nächste Unternehmen, eine US-SIM-Karte zu kaufen, scheiterte auch, da die Karte mit meinem kolumbianischen Telefon nicht funktionierte. Wir mussten ein Ami-Telefon kaufen und da Minuten aufladen.

Da wir bei unseren Warmshowers-Hosts nur zwei Nächte bleiben konnten, zügelte Jay uns an jenem Abend zu einem Arbeitskollegen, der sich bereit erklärt hatte, uns aufzunehmen. Von einem grossen, schönen Haus mit anhänglichem Kater zogen wir also in ein noch grösseres, ebenfalls schönes Haus mit alter, tauber Katze, auch hier mit sehr herzlichen Leuten. Von da aus planten wir einen grösseren Shopping-Trip in eine "nahe" Mall. Bus, etc. gab es da nicht wirklich, also mussten wir die fast vier Meilen eben zu Fuss hinter uns bringen. Twila, unsere neue "Gastmutter" hatte uns eine super Karte gezeichnet, wir konnten uns so nicht verirren, obwohl alles gleich aussah. Wir kamen nach etwa einer Stunde in der riesigen Einkaufsstadt an, fanden bald den REI, eine der grossen Outdoor-Ketten hier, und verbrachten gute vier Stunden in dem Laden auf der Suche nach neuen Kleidern, Handschuhen, Schuhen, Velopumpen etc. etc. Meine Schuh-Mission war fehlgeschlagen, in einem zweiten Laden schliesslich aber erfolgreich. Um weniger Sachen zu schleppen, zog ich die neuen Latschen gleich an und liess die alten wegwerfen. Resultat nach einer weiteren Stunde urban hiking: zwei Blasen.

Den letzen Tag in San Diego/Chula Viste verbrachten wir an unseren neuen Maschinen. Martina bestellte noch ein paar Ergänzungen zum Shopping vom Vortag und ärgerte sich mit nicht funktionierenden Kreditkarten herum, ich versuchte, mit Hilfe der Website der Californischen State Parks unsere weitere Route zu planen. Nicht immer ganz einfach, v.a. auch die Durchfahrt von LA stellte uns immer noch vor Rätsel. Diese Ansammlung von Städten ist schlicht zu gross, um in einem Tag per pedales durchquert zu werden. Wir hatten auch die Genehmigung zur Jacuzzi-Benutzung erhalten, wo wir uns nach einigen Stunden in der kalten Küche wieder aufwärmten. Am Abend holten wir mit Bill die fertigen Velos ab. Mein Baby hat nun ein neues Ritzel, eine neue Kette, zwei neue Kettenblätter, eine neue Nabe und neue Griffe. Und mein Kopf hat dazu noch einen neuen Helm gekriegt. Damit waren wir dann bereit zur Weiterfahrt durch den ersten Grossstadt-Jungel: Chula Vista, San Diego und was da sonst noch alles dazu gehört. Ich freute mich sehr auf die nächsten Tage, da wir in einem Vorort von LA von Vreni, einer Cousine und ihrer Familie erwartet wurden.

To our hosts Barbara, Jay, Bill and Twila, thank you so much for your warm welcome to the US and your homes as well as your helping us finding stuff and getting around. You're awesome people!

Twila hatte uns nochmals ein Kärtli gezeichnet und so fanden wir ohne grössere Probleme unseren Weg bis zu einer Stelle, wo die erwähnte Strasse endete, der Highway 101, dem wir anschliessend folgen sollten, aber noch nicht begann. Nun stellte sich heraus, dass unsere Lieblingssrategie, Leute fragen, hier nicht mehr so gut funktionierte, ganz einfach, weil manchmal keine Leute auf den Strassen sind. Schlussendlich hatten wir aber doch herausgefunden, wo wir hinmussten und folgten nun dem ausgeschilderten Veloweg nach Mission Beach. Hier gab es oft Bike Lanes, entweder separat oder als Teil der Strasse, was uns die Fahrt durch Städte viel angenehmer gestaltete. Grundsätzlich wollten wir ja einfach der Küste nach in den Norden, was im Grossen und Ganzen nicht so schwierig war. Unser Weg führte uns mehrheitlich durch ein Dorf (oder eine Stadt) nach dem anderen und da Samstag war, war meist viel los. Hunderte von einheimischen Velofahrern waren unterwegs, die meisten in schneidigen, grell leuchtenden Veloklamotten. Etliche sprachen uns an und wolltenn wissen, wohin wir  unterwegs waren. Wenn wir dann "Kanada" sagten, waren sie i.d.R. platt und wenn sie erfuhren, dass wir in Patagonien gestartet waren, fielen einige fast aus dem Sattel. Entlang der Route lagen natürlich auch jede Menge Strände, wo offensichtlich viel gesurft wird. Auch die eher kühlen Temperaturen hielten die Leute nicht vom Wasser fern. Auch hier ist es nur eine Frage der richtigen Ausrüstung.

Downtown San Diego. 
Midway, zum Museum umfunktionierter Flugzeugträger.

Schon gegen 15 Uhr und nach 5 Stunden und 80 km erreichten wir den South Carlsbad State Park. Blöderweise gab es hier keine Hike or Bike Sites, wo die Camp Sites auf einer first come, first serve Basis vergeben werden und USD 5 kosten, und für reguläre Sites wurden USD 35-50 verlangt, was völlig ausgeschlossen war. Wir durften aber rein um bei Besitzern solcher Plätze um Asyl zu bitten, was schon beim ersten Anlauf funktionierte. Die Leute, die anfänglich etwas überrascht und zurückhaltend waren, waren dann ziemlich fasziniert als wir von unserer Reise erzählten. Und wir waren happy über eine weitere gratis Uebernachtung im Amiland. Am Morgen waren wir kurz nach 7.30 Uhr wieder auf der Strasse und folgten denselben grünen Bike Route-Schildern wie zuvor. Nun hatten wir keine richtig grossen Städte mehr, die Route führte durch Dörfer, eine riesige Militär-Basis, ein Stück alter Highway, weitere State Beaches und Wohnsiedlungen. Immer super markiert und auf einem Highway 101-Abschnitt sogar mit fetten Betonelementen vom Rest der Fahrbahn abgetrennt. Beim Dana Point rief ich Vreni an und eine halbe Stunde später holte sie uns ab. So sparten wir uns etwa einen halben Tag Suburb-pedalen in einer Umgebung, die genau gleich aussah wie in Chula Vista. Nach über zwei Jahren unterwegs war es ein geniales Gefühl, endlich wieder jemanden meiner Familie zu treffen.

...

Wir waren nun einige Tage bei Vreni und haben den Familienanschluss sehr genossen. Leider musste ich nochmals investieren. Meine Kamera hatte schon eine Weile Mühe mit Linse wieder einziehen, nun habe ich eine Neue gekauft. Martina hat diverse Pakete bekommen, u.a. ein neues Innenzelt, ihren warmen Schlafsack von zu Hause und eine neue Regenjacke. Wir haben unsere Matten und Kissen wieder einmal geschrubbt und staubige Taschen geputzt. Krass, wie anders man sich fühlt, wenn man nicht mehr mit zerfetzten Hosen rumläuft und auch sonst so hübsche, neue Sachen trägt. Unerwarteterweise haben wir beide schon unsere Compüterlis austauschen müssen, Martina, weil die Kamera gezickt hat, ich weil die W-Taste dauernd stecken gebliebn ist. Eine beeindruckende ganze Woche haben die durchgehalten. Hoffentlich steigert sich diese Performance nun, sonst wird das Ganze ein Bischen mühsam. Bei Weitem unterhaltsamer als Geräte austauschen waren da Matthews Experimente, bei denen er violett sprudelnde Vulkane bastelte und sonstige komische Säfte braute.

Matthew kreiert Vulkan, was auch Lauren
zu faszinieren scheint.
Luis, Martina, ich und Vreni.

Fazit nach etwa eineinhalb Wochen USA: Die Leute sind sehr nett, Velo fahren ist hier dank gut ausgeschilderten Velorouten  meist äusserst angenem, wenn man aber irgendwelche Besorgungen machen muss und kein Auto hat, ist man aufgeschmissen, wenn man keinen Internetzugang hat, klappt rein gar nichts mehr. Dafür war mein erster Skype-Gespräch eine extrem witzige Erfahrung. Nun haben wir insgesamt gute zwei Wochen Pause gemacht, bzw. sind nicht Velo gefahren. Nun ist es morgen wieder Zeit, auf die Bicis zu steigen und uns is Getümmel des Grossstadt-Verkehrs zu werfen. LA, ein Monster einer Stadt, oder besser gesagt, eine monströse Ansammlung mehrer Städte, will durchquert werden. Next Stop: San Francisco.

Vreni, Luis, Lauren und Matthew, vielen, vielen Dank für die lustige und angenehme Zeit, die wir bei Euch zu Hause verbringen durften. Ich habe es sehr genossen und hoffe, Euch in nicht allzu ferner Zukunft wiederzusehen!

1 Kommentar:

  1. Liebe Moni und Martina, ja, es war auch fuer uns eine Freude, Euch zu sehen! Wir wuenschen weiterhin eine gute Reise - mit der neuen Computerausruestung koennen wir Eure Route und news sicher gut verfolgen.
    Mached's guet!!! Liebi Gruess, Vreni und. Co.

    AntwortenLöschen