Freitag, 20. Juli 2012

Whitehorse - Watson Lake: Change of Winds


Wir haben Whitehorse bei bewölktem Himmel, zu unserer Faszination aber mit leichtem Rückenwind verlassen. Bei der ersten Steigung aus der Stadt raus stellte ich fest, dass Philippe, unser Velo-Mech-WS-Host, es geschafft hatte, meinen ersten Gang ausser Gefecht zu setzen. Man sollte wohl nie den Mech den letzten Test Ride machen lassen. Meine neue alte Bremse funktionierte dafür wunderbar, am Abend würde ich mal schauen, was die kurze Lektion in Sachen Gangschaltungs-Ajustierung gebracht hatte und versuchen, diesen ersten Gang wieder zum Funktionieren zu bringen. Vorerst aber pedalten wir mit leichtem Schub von hinten, oder besser gesagt, ohne Luftwiderstand, in Richtung Süden. Das ging zügig und wir waren ganz überrascht, in welchem Ausmass Velo fahren Spass machen kann wenn man nicht die ganze Zeit fies angepustet wird. Das Land war zwar hügelig, die Strasse, die da zwischen den Berglis hindurchführte, war aber recht flach und wir waren ohne grosse Anstrengung ziemlich schnell. 

Die Znünipause am hübschen, blau-grünen Yukon war noch trocken, während der Mittagspause wurden wir ganz leicht angeregnet und flüchteten darum unter’s Dach vor einem Klo. Abgesehen davon war das Wetter ok, ein steter Mix aus Sonne und Wolken. Am späteren Nachmittag trafen wir eine 4-er-Gruppe Ciclistas aus den Staaten, die einen geschlossenen Zeltplatz einige Kilometer weiter erwähnten. Als wir dort ankamen, stellten wir aber fest, dass der CG vermutlich geschlossen war, weil da ein Bär patrouillierte. Darauf deutete zumindest ein Schild hin. So brachten wir noch eine gewisse Distanz zwischen uns und dem Lieblingsplatz des Bären und schlugen uns dann in die Büsche (117.05 km km in 6:46) Stunden). 

Alaska Highway.
Noch mehr Blumen.

Was geschah am zweiten Tag? Hmm, ehrlich gesagt, keine Ahnung, muss mal mein Tagebuch konsultieren... Aaach so, richtig. Naja, nicht gerade umwerfend. Wir haben bei Johnson Crossings einen Kaffee getrunken und Cinnamon Rolls gegessen und dann den Teslin River überquert. Später sind wir lange dem Teslin Lake entlang gefahren. Es war leicht welliger als der Tag zuvor, um uns herum wurde es felsiger und wir hatten Rückenwind. Wie schon seit Dawson waren auch hier Unmengen an Motorradfahrer unterwegs. Davon scheint es drei Unterarten zu geben. Die Langzeit-Reisenden, die eine Menge Gepäck auf ihre Maschine geschnallt haben, und die meistens auf off-road gehen können. Die zweiten, so quais die Wochenend-, oder vielleicht Einbiszweiwochen-Fahrer, reiten auf Strassentöffs mit mehr oder weniger schicken Anhänger (auch Wohnwägelis sind vertreten!). Dann sind da natürlich gerade an Wochenenden noch ganze Herden Motorräder ohne Gepäck, oft Harleys oder wass da auch immer herumdröhnt. Einige der Langzeit-Fahrer grüssen, die anderen kaum je. Mehr Krach als nötig machen alle, ansonsten sind sie weniger lästig als die riesigen, völlig oversize RV in bis zu Busgrösse, vor denen man immer am Besten auf den Seitenstreifen flieht, der aber meist rau und kiesig ist und darum nicht so konfortabel. Aber eigentlich sollte man sich ja nicht über diejenigen beklagen, die man ab und zu mal um Wasser anbettelt. Und die meistens sehr nett sind. 

Nach der Mittagspause am Teslin Lake kamen wir ins Dorf Teslin, tankten Wasser und kletterten die nächste Steigung hinauf. Dort standen bei einer Aussichtsplatzform Tafeln, u.a. mit Information über Lachse. Für die Einheimischen hier waren/sind Lachse naheliegenderweise seit jeher von Bedeutung und schwache „Salmon Runs“, d.h. wenn wenig Lachse kommen, ist das für sie alarmierend. Um die Bestände zu schonen kommt es vor, dass der ganze Stamm in einer Saison nicht fischt, wobei ich mich dann frage, wieviel das wohl ausmacht, wenn unten im Meer schon kommerzielle Netze ausgeworfen werden. Interessante Details: Die Lachse kommen im Juli/August oben in den Flüssen an.  Ein Weibchen legt bis zu 5‘000 Eier. Die Baby-Lachse schlüpfen im folgenden Frühling und verbringen ein Jahr im Fluss bevor sie ihre gefährliche Reise flussabwärts zum Meer starten. Diejenigen, die die das Meer erreichen, bleiben dort 2-6 Jahre und wer dann immer noch lebt, versucht, "seinen" Fluss wieder hochzuwandern, dahin wo er/sie geschlüpft ist. Ganz einfach ist natürlich auch das nicht, da warten kommerzielle Fangflotten noch vor der Mündung der Flüsse und dann ganze Heerscharen von zweibeinigen und Vierbeinigen Fischer, die ihren Teil des Kuchens abschneiden möchten. Von den 5‘000 gelegten Eiern kommen 5-6 geschlechtsreife Lachse zum laichen an ihren Geburtsort zurück. 

Teslin Lake mit Dawson Peaks.

Nach längerer Suche fanden wir auch an jenem Tag einen Kiesplatz, nicht wirklich sichtgeschützt von der Strasse, aber was soll’s (99.82 km in 7:10 Stunden). Trotzt der Warnung einer Einheimischen, wir sollten doch in offiziellen CGs übernachten, wo auch andere Leute sind, blieben wir bei unseren Wildcamps. Trotzt dem angeblich so unglaublich guten Geruchsinn der Bären hat uns bis jetzt noch nie einer überfallen und auch weder unsere Foodboxen noch –säcke zu plündern versucht. Ich meine, ich will damit nicht sagen, dass wir die Bären unterschätzen, unsere Meinung/Hoffnung ist aber, dass wir irgendwo da daraussen weniger schnell entdeckt werden als auf einem Zeltplatz, den die Bären kennen und wo sie wohl noch ab und zu mal auf Futtersuche gehen. Auf diesen läppischen Campgrounds hat es nämlich selten Boxen oder sonstige Vorrichtungen zur sicheren Essensverstauung, was den gesamten Zeltplatz etwas pointless macht. 

Tag Nr. 3 begann mit strahlendem Sonnenschein, der jedoch bald von dunklen Wolken verdeckt wurde. Wir fragten uns den ganzen Tag, ob und wann es wohl regnen würde, was jedoch ausblieb. Dafür pustete der Wind recht stark und freundlicherweise von Westen. Wunderbar. Ansonsten hob sich der Tag genauso wenig ab wie die anderen auch. Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, die Strecke sei todlangweilig gewesen. War sie nicht. Sie war aber auch nicht aufregend, die Landschaft sah immer ähnlich aus (Wald, Hügel, Berge, Seen und Flüsse). An jenem Tag überquerten wir aber die kontinentale Wasserscheide. Vor dem Hügel floss alles Wasser schlussendlich in den Yukon und damit ins Beringmeer, nach dem Hügel landete alles im McKenzie River und floss in die Beaufort Sea, das Arktische Meer. Das war so in etwa die Sensation des Tages. Als Pennplatz fanden wir eine riesige flache Kiesgrube, wo der Wind sein Bestes gab, die Mücken von uns fernzuhalten (93.85 km in 6:04 Stunden). 

So langsam wird's bergig.
 
Dies wurde nun der schon fast perfekte Tag. Nach nur 15 km erreichten wir das Restaurant/Hotel/CG Rancheria und weil der Food dort so gut aussah, bestellten wir uns gleich je ein Yukon Breakfast. Das war ziemlich gross, v.a. wenn man bedenkt, dass wir gerade mal eine gute Stunde zuvor schon zum ersten Mal Zmorge gegessen hatten. Martina fand es dann auch grenzwertig, ich hatte nicht wirklich Probleme, das alles wegzuputzen. Aber klar, voll war ich hinterher schon, das Preis-Leistungs-Verhältnis war aber sehr gut gewesen. Schon bald ging’s weiter, erst recht flach, dann wieder ein wenig hügelig. Meine Gangschaltung zickte mich jeden Tag  von Neuem an. Jeden Abend schraubte ich daran herum bis alles funktioniert, am nächsten Morgen oder spätestens am nächsten Abend war der erste Gang wieder tot. Nicht, dass ich den oft gebraucht hätte, komisch war das aber schon. Am späteren Nachmittag fanden wir wieder einen schicken Kiesplatz mit schön ebenem Boden (101.49 km in 5:52 Stunden). Der Himmel bedrohte uns wieder mit Regen, der dann auch wirklich kam. Und später, gerade als ich am Zähneputzen war, für ein absolut geniales Bild sorgte. Da war der grosse, offene Platz, zur Hälfte noch Sonne, zur Hälfte im Schatten, rundherum Wald und dunkelgraue Wolken. Das Zelt stand da klein und allein in der Lichtung in der Sonne unter dem Regenbogen. Wenn das nicht die perfekte Camping-Idylle ist. Foto gibt es leider keines, wer geht schon mit der Kamera zähneputzen. 

Ja, und wer mag es schon, zum Geklopfe von Regen auf dem Zelt zu erwachen? Wir nicht und obwohl wir den Wecker erst auf 7.30 Uhr gestellt hatten (es blieben gerade mal noch 35 km bis Watson Lake), blieben wir noch eine halbe Stunde länger liegen. Mit Erfolg, der Regen hatte fast aufgehört bis wir zusammenpackten. Viel passierte nicht auf den paar Kilometern, in Nugget City tranken wir einen überteuerten Kaffee und zogen das Regenzeug endgültig aus. Als wir in Watson Lake ankamen, schien die Sonne. Im Visitor Center fanden wir dann zu unserer Angepisstheit heraus, dass man in dem blöden Kaff nicht zelten kann. RV Parks gibt es schon, die akzeptieren aber keine Zelte. Nach zwei Stunden in der Bibliothek mussten wir also wieder 4 km zurück in Richtung Whitehorse und dann weitere 6 km auf einer Kiesstrasse zum Watson Lake Government CG. Da gab es Klos (sehr luxuriös) Tische, Bänke, eine Shelter und das war‘s. Unser Teil des CGs hatte keine Wasserpumpe mehr, da musste man erst einige Kilometerlis weiter düsen um das kalkige Wasser aus dem Boden zu kriegen (45.96 km in 3:00 Stunden). Die Shelter hatte kein Mosienetz, was doof ist weil die Population dort fast Dempster-Dichte erreicht. Und wie auf den meisten dieser Zeltplätze gab es auch keine Metallboxen oder sonstige Food-Aufbewahrungs-Vorrichtungen, die man eigentlich erwarten würde. Kurz gesagt, unsere gute Laune hatte bis zum Abend etwas gelitten. 

Heute sind wir logischerweise wieder nach Watson Lake pedalisiert, haben im Recreation Center für $ 3 geduscht, sogar Frottetücher gekriegt und unbeschränkte Zeit unter dem heissen Wasser stehen können. Laundromate hat das Nest natürlich auch und so sehen wir zumindest wieder etwas zivilisierter aus. Und fühlen uns auch so. Das Internet im Rec ist auch besser als in der Bibliothek und erst noch ohne Zeitbeschränkung. Die Ladies vom Visitor Center sind extrem nett und hilfsbreit und der Schilderwald dort ist in der Tat recht beeindruckend. Der Kurzfilm über den Bau des Alaska Highways war auch interessant. Die rund 2‘700 lange Strasse wurde im Jahr 1942 nach nicht mal einem Jahr Bauzeit fertiggestellt. Das ging so schnell, weil die Amis nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor die Aleuten unmittelbar bedroht sahen und dringend eine Versorgungsstrasse nach Alaska brauchten. Was wäre wohl passiert, wenn sich Kanada dem Bau der Strasse entgegengesetzt hätte??? 

Schilderwalt von Watson Lake.
 
Wir haben nur länger hin und her überlegt, welche Strasse wir nach Prince George nehmen sollen. Der Alaska Highway sei bis Fort Nelson extrem schön, danach aber eher langweilig Es gibt da viele Büffel und Bisons zu sehen und es hat Hot Springs. Der Steward/Cassiar HWY hat weder heisse Quellen noch Büffel etc., sei aber länger schön und ist insgesamt etwas kürzer. So wie’s im Moment aussieht, werden wir die etwas kürzere aber auf’s Ganze gesehen interessantere Route nehmen. Wir hoffen, Prince George zu erreichen bevor die Mücken uns aufgefressen haben.

Samstag, 14. Juli 2012

Dawson City – Whitehorse: Wind von Süd-Ost?!?!

Also, der letzte Text ist ja in Inuvik stecken geblieben, ebenso wie wir. Wir wollten nämlich den Dempster nicht nochmals abstrampeln und suchten deshalb nach jemandem, der uns nach Dawson mitnehmen konnte. Zu diesem Zweck hängten wir Zettel im Visitor Center, an der Reception des Zeltplatzes und in einer Art Kiosk auf. Sehr viel Erfolg hatten wir damit allerdings nicht. Soo lange waren wir ja aber auch noch nicht in Inuvik uns es gab noch einige kleinere Sachen zu tun bzw. zu sehen. Was nicht geplant gewesen war, war die riesige Rauchwolke von einem Buschbrand nördlich des Dorfes, die alles in einen grauen Schleier hüllte. Wie sich herausstellte, hatte das auch seine Vorteile. Mücken mögen keinen Rauch und verstecken sich in den Büschen. Wunderbar. Geplanterweise besuchten wir das Community Greenhouse, das Gemeinschafts-Gewächshaus des Dorfes. Dazu wurde die alte Eishockey-Halle umfunktioniert und dort kann man nun für $ 80 pro Jahr und 15 Arbeitsstunden im/am Haus ein Beet mieten und anpflanzen, was man möchte. Vielerlei Gemüse und Salat wächst da, Blumen und sogar Mais. Die Saison ist natürlich kurz, in dieser Zeit ist es aber so lange hell, dass das Grünzeug fast explosionsartig wächst. 

Community Greenhouse in Inuvik.
Bewohner des Greenhouses.

An unserem dritten Tag im hohen Norden begannen wir ernsthaft nach einem Ausweg zu suchen und wanderten auf dem Campground herum und quatschten Leute mit RVs an, ob uns jemand mitnehmen könnte. Erfolg hatten wir beim dritten Versuch bei Johnny und Petz aus dem Thurgau. Die beiden heissen eigentlich Werner und Arthur, die Pfadinamen sind aber bis nach der Pensionierung hängengeblieben. Sie wollten am nächsten Tag, dem 2. Juli, zurückfahren und waren bereit, uns mitzunehmen. Ihr Camper war zwar recht klein, einer jener Pick-ups mit Aufsatz, die Velos passten mit schräggestellten Lenkern aber in den Gang und wenn der ausfahrbare Seitenteil nicht ganz eingefahren wurde, waren sie dort perfekt sicher. Und die beiden „Jungs“ schienen ganz happy über die Gesellschaft zu sein. Und wir natürlich über den Ride. Und über den super Znacht, zu dem wir kurzerhand eingeladen wurden. 

Am folgenden Tag ging es los. Da per Auto, musste das nicht unbedingt am Morgen früh sein, da wir sowieso nur bis Eagle Plains fahren würden. Abfahrt am frühen Nachmittag reichte aus. Naheliegenderweise waren wir beide sehr fasziniert ab dem Konfort und Gemütlichkeit in der Kabine des Pick-ups und stellten fest, das auch die Landschaft, die wir auf dem Hinweg als herzlich langweilig empfunden hatten, aus Autofahrer-Sicht gar nicht so öde war. Das ging eben alles viel schneller und schon bald hatten wir über beide Flüsse gesetzt und hatten die Richardson Mountains und den Polarkreis überquert. Der Hausdrachen der Eagle Lodge kannte uns offensichtlich noch und war so unfreundlich wie eh und je. Dafür fanden Johnny und Petz, dass es nicht ginge, wenn sie im Restaurant ässen und wir draussen am Campingkocher herumbastelten und so kriegten wir gleich nochmals genialen Food gesponsert. Ebenso am Morgen darauf, was uns langsam etwas platt liess. Das war eigentlich nicht so gemeint gewesen, war aber natürlich mega nett. Nun kam der interessantere Teil der Strecke und beim Two Moose Lake sahen wir sogar einen Elch im Wasser und kurz darauf eine Mutter mit Jungem weiter weg im Gebüsch. 

Elch im Two Moose Lake.

Dank Petz‘ zügigem Fahrstil hatten wir Dawson bald erreicht und dort wieder im Gold Rush RV Park unser Zelt aufgestellt. Am folgenden Morgen verabschiedeten wir uns von unseren grosszügigen Sugar Daddies, Johnny und Petz, allerbesten Dank für alles, ihr wart unglaublich!. Wäre cool, wenn wir uns in der Schweiz mal treffen könnten. Die beiden fuhren weiter, wir blieben noch einen Tag, dann verliessen auch wir die Goldgräber-Stadt am Yukon. Die ersten 40 km kannten wir ja, der Gegenwind war etwas stärker als das letzte Mal, sonst hatte sich nicht viel verändert. Stopp, stimmt nicht. Nun, rund zwei Wochen später, blühten da jede Menge Blumen am Strassenrand. Nicht nur die vielgerühmten pinken Fireweeds, da blühte auch gelb, violet und weiss und einige der Blumen verströmten auch einen guten Duft. Juhu, nun ist‘s richtig Sommer geworden. 

Duftendes Gewucher...
leuchtendes Gelb...
und felderweise Fireweed.

Nach der Klondike River Lodge ging es nochmals etwa 10 km flach weiter, dann begann eine gut 10 km lange Steigung. Nicht sehr steil aber einen grossen Teil ohne Asphalt, dafür mit stark gewässertem Gravel. So schnell kann’s gehen und unsere peinlich sauber geputzten Velos waren wieder verdreckt. Gegen Ende der Steigung, genau 60 km nach Dawson, machten wir bei einem Vista Point Zmittagpause. Von dort oben hatte man Aussicht auf den Tintina Trench, einem grünen Tal, das sich bis nach Alaska hinein erstreckt und in dem sich auch Dawson befindet. Angeblich soll vor 8 Millionen Jahren die Kontinentalplatte gebrochen sein und die beiden Teile haben sich bis heute um 450 km gegeneinander verschoben. Die Öffnung dieses Tals habe sogar die Flussrichtungen geändert, da sie eine Entleerung in Richtung Süden ermöglichte. Spätere Vergletscherungen während Eiszeiten haben diesen Weg verbaut und das Wasser musste sich wieder einen neuen Weg suchen. Der Yukon, der nun ins Beringmeer fliesst, habe früher (sehr viel früher natürlich) mal zum Golf von Alaska geführt. 

Sehr interessant. Für uns ging die Sache nun auf einer Art Hochebene weiter, so wirkte das zumindest, nachdem wir aus dem Tintina Trench herausgeklettert waren. Wobei Hoch“ebene“ natürlich wie immer nicht korrekt war, es ging non-stopp auf und ab. Nie lange, nicht immer steil, hörte aber nie auf. Und es gab keine Flüsse mehr, wir mussten uns also etwas einfallen lassen. Was, war auch klar. Nachdem wir nach 96.36 km und 6:53 Stunden genun hatten und einen geeigneten Campspot ausgemacht hatten, stellte Martina das Zelt auf und ich mich mit Flaschen bewaffnet an die Strasse. Das nächste RV, ein Pick-up mit Anhänger, hielt auf meine Flaschenwinkerei an und ich bekam alles randvoll gefüllt. Von der netten dänischen Familie erhielten wir auch noch einige megafeine Getreideriegel, was wir natürlich dankend annahmen. Der Wind, der uns lange genervt hatte, war nun willkommen, denn er hielt die Mosies fern. Gegen 22 Uhr liess das Gebläse nach und wir konnten uns wieder mit unsren Lieblings-Plaggeistern herumschlagen. 

Der zweite Tag war nicht viel aufregender. Auf und ab durch grüne Wälder. Wobei das natürlich nicht einfach uniformes, immergleiches Grün ist. Da gab es alle möglichen Schattierungen von hell  (Birkenwälder) bis dunkel (Tannen und Spruce Trees) und am Strassenrand leuchteten, so richtig Patchwork-mässig, bunte Blumen. Der Wind nervte und weil man Wind schnell mal als Gegenwind empfindet, verliess ich mich da nicht auf mein subjektives Gefühl, sondern ich beobachtete Gras und Büsche zur Beurteilung des Windes. Eindeutig: starker Gegenwind. Aha, als ob wir das nicht geahnt hätten. Eine Frage drängte sich sowieso auf: Während zweieinhalb Jahren sind wir nordwärts gefahren und hatten, wenn wir Wind hatten, zu etwa 95 % Nord- Nord-Westwind, sprich Gegenwind. Nun drehten wir um und pedalten in Richtung Süd-Osten und der Wind kommt aus haargenau dieser Richtung! Wo liegt da die Logik oder die Fairness oder was auch immer?!?

Objektive Windmessanlage.

Beim Moose Creek CG gab es dann zumindest etwas Abwechslung: die Moose Creek Lodge, von einer Bernerin geführt und mit feinen aber teuren Backwaren. Am Nachmittag kamen wir an den Steward River, an dessen Nebenarmen vor rund hundert Jahren auch nach Gold geschürft wurde. Der Wind hatte interessanterweise etwas nachgelassen, was die Stimmung natürlich sofort hob. Einen hübschen und schön flachen Übernachtungsplatz fanden wir wenige Kilometer vor Steward Crossings bei einem Kraftwerk (82.69 km in 6:35 Stunden). 

Am Morgen darauf erreichten wir Steward Crossing noch bevor das kleine Lädeli bei der Tankstelle öffnete. Es ging aber nur um wenige Minuten, um Punkt 9 Uhr wurde das „Closed“-Schild zu „Open“ gedreht und wir gingen den Kaffee abchecken. Der war schon bereit und obwohl die Dame nicht besonders freundlich war, uns den Rücken zudrehte und unser „Good Morning“ ignorierte, setzten wir uns mit den Tassen an den Mini-Tresen damit wir unsererseits die Mücken vor der Tür ignorieren konnten. Ich sponserte unserem Znüni noch zwei Säckli Jalapeño-Cheddar-Doritos, Geburtstage wollen schliesslich gebührend gefeiert sein. Geburi hin oder her, besonders actionreich wurde auch dieser Tag nicht. Mal Gegenwind, mal kein Wind, ergo mal Mücken, mal keine Mücken, Blumen am Strassenrand und dunkler Wald im Hintergrund. Ja, und jede Mengen kleine Walderdbeeren, die aber leider eben noch nicht ganz reif ware. Wir probierten einige, sie schmeckten aber noch nicht nach viel. 

Um 17 Uhr kamen wir in Pelly Crossing an. Zu meiner Überraschung tatsächlich ein richtiges Dorf und das wurde mehrheitlich von Leuten des Selkirk-Volkes bewohnt. Der Laden dort war auch unerwartet gross und wir fanden sogar unsere geliebten Refried BeansJ. Der strahlend blaue Himmel wurde schon seit Mittag immer grauer und beim Zmittag hatten uns ein paar Tropfen geneckt. Auf unsere Frage meinte der Herr des Ladens, dass es „more than likely“ sei, dass es regnen würde. Auf der anderen Strassenseite lag ein Campingplatz, von dem wir aber gehört hatten, dass er eigentlich nicht mehr funtionell sei. Die Locals meinten aber, es gäbe dort eine Shelter, wo man auch ein Feuer machen könne. Hmm, schwierige Entscheidung... Wir hatten erst 72.73 km (in 5:03 Stunden) hinter uns gebracht und eigentlich wollten wir einen Durchschnitt von etwa 90 km schaffen. Aber warum weiterfahren und verpisst werden, wenn es hier eine Hütte gab? Wir gingen uns den Zeltplatz mal anschauen und da standen auch ein paar wenige RVs, die aussahen, als hätten sie Stromanschluss. Hingegen fanden wir kein Wasser, die Sites waren klar ungepflegt und in der Shelter lag ein zertrümmerter Tisch neben einem Ofen, der als einziges noch intakt war. Die Abfalleimer, ursprünglich mal bärensicher, quollen über und schlossen für uns ein zelten daneben aus. Nach langem Werweissen und Hin und Her versuchten wir schliesslich das Zelt in der Hütte aufzustellen, was sogar klappte. Das war ziemlich bemekenswert, da wir das Zelt auf einen Holzboden stellen mussten, wo die Latten längs verliefen. Wie also Heringe einschlagen? Nun, diejenigen auf der einen Seite ersetzten wir mit Schnüren um die am Boden liegende Tischplatte, auf der anderen Seite schlugen wir erst winzige Keile (die da so rumlagen) zwischen die Latten und dahinter die Nägel. Hat funktioniert. 

Zelt in der Shelter.
Man muss sich zu helfen wissen.

Natürlich regnete es an jenem Abend nie, im Gegenteil, die Wolken verzogen sich und die Sonne schien wieder. Nachdem wir uns eingerichtet hatten selbstverständlich. Der Wind war aber trotzdem saukalt und wir waren nicht soo unglücklich über die Shelter, wo interessanterweise nur ganz wenige Mücken reinkamen. Zum Abendessen gab es zur Feier des Tages etwas Spezielles: Gefriergetrocknetes Nepalesisches Linsencurry und Schoggimousse zum Dessert. Der Verdacht, dass wir uns an meinem Geburtstag irgendwo im Nirwana befinden würden, war schon in Anchorage aufgekommen und so hatte ich vorgesorgt und gefriergetrocknetes Backpacking-Futter gekauft. Wir hatten keine Ahnung, wie gut das Zeugs sein würde oder wieviel es wirklich braucht, um jemanden satt zu kriegen. Auf der Packung steht, dass zwei Portionen drin sind und angeblich enthält eine Portion 340 kcal. Da das für uns fast eher nach einem Witz aussah, hatten wir je einen Sack gekauft. Nur so, um sicher zu gehen. Da wir nun aber beide schon jenes Guetslis und anderes gegessen hatten, plus ja noch ein Dessert à je 200 kcal dazukam, bereiteten wir erst mal eine Packung zu. Abgesehen von etwas wenig Salz war das gar nicht so schlecht und der Dessert war sogar so richtig fein. Wer hätte das gedacht. 

Geburi-Menu mit Geburi-Rabe (Geschenk von Martina).

Ein weiterer Tag begann, den man von allen anderen kaum unterscheiden könnte, hätten wir nicht einen Freund getroffen. Lorenzo einen baskischer Ciclista, der seit 15 Jahren unterwegs ist und den wir in Santiagos Casa de Ciclistas in Tumbaco, Ecuador kennengelernt hatten. Wir waren in E-Mail-Kontakt gewesen und hatten angenommen und gehofft, uns hier auf der Strecke zu begegnen, aber wissen kann man das ja nie. Hat aber geklappt und war echt cool, hier in der kanadischen Wildnis jemanden zu sehen, den man kennt. Lorenzo hatte sich vor einigen Tagen mit Julian, einem jungen Lausanner zusammengetan, der ebenfalls in Südamerika und dann eine Weile in den Staaten herumgekurvt war. Die beiden waren nun auf dem Weg nach Dawson und dann Inuvik, viel Gück ihr zwei, lasst euch von den Moskitos nicht fertigmachen. Obwohl noch etwas früh, entschieden wir uns, zusammen Zmittag zu essen um unsere Plauderzeit noch etwas zu verlängern. Trotzdem hiess es schon bald weiterfahren, für dei beiden Männer mit coolem Rückenwind, für uns beide mit dem üblichen, nervenzerrenden Gegenwind. 

Martina, Lorenzo, ich und Julian.

Viel mehr passierte nicht, wir wurden aber mit einigen sehr guten Aussichten auf den Yukon entschädigt, wie er sich da um unzählige kleine Inselchen schlängelte und nach einer Steigung kamen wir zur „Five Finger Rapids Rest Area“, von wo aus man gute Aussicht auf den Yukon und seine berüchtigten Stromschnellen hatte. So krass wie im Lucky Luke Comics sah das Ganze nicht aus, hatte aber anscheinend früher für Schiffe wegen Unterwasser-Felsen durchaus ein grösseres Problem dargestellt. Der Ort wäre zum campen geeignet gewesen, wir konnten uns aber nicht schon wieder einen kurzen Tag erlauben und so strampelten wir nach einer Paus weiter. 

Yukon River.

Von der Rest Area bis Carmacks waren es noch etwa 20 km, wobei wir aber eigentlich nicht bis ins Dorf wollten um nicht einen CG bezahlen zu müssen. Wir fanden aber keinen Ort, der uns zum campen so richtig gut erschien und so standen wir um etwa 20.30 Uhr doch plötzlich vor dem Zeltplatz. Der hiess irgendwss mit Hot Coal Mine CG und für ein Zelt mussten wir $ 15.75 bezahlen. Ok wass soll’s, so machten wir das eben (103.98 km in 7.29 Stunden). 

Am Tag darauf war die Landschaft immer noch genau gleich mit Ausnahme zweier wunderschöner Seen mit kristallklarem Wasser und teilweise hellen Böden, so dass das Ganze fast wie karibisches Meer aussah. Paradisisch hübsch. Da wir aber noch absolut keinen Hunger hatten, war Pause machen witzlos und so ging es eben weiter. Da, wo wir schliesslich Zmittag assen, nach ca. 60 km, war wieder alles voller Erdbeeren, aber immer noch nicht reif. So blöd. Und nach weiteren 17 km hatten wir schon die Braeburn Lodge erreicht. Von diesem Ort hatten wir gehört, das Restaurant ist berühmt für seine riesigen Cinnamon Rolls und für die grossen Portionen guten Essens, das es da gibt. Obwohl noch immer völlig satt, gingen wir rein, redeten mit dem sympatischen Besitzer, kauften eine Cinnamon Roll und nachdem Martina fand, wir könnten ja mal in die Speisekarte gucken, kam es wie es kommen musste und wir bestellten einen Burger, zum teilen natürlich. Auch ohne Hunger war der mega gut und eine Hälfte war locker genug um festzustellen, dass man, wenn man so richtig hungrig wäre, problemlos einen ganzen verputzen könnte. Die Braeburn Lodge, die auch ein Stopp des Yukon Quests ist und ungefähr in der Mitte zwischen Whitehorse und Carmacks liegt, ist also unbedingt einen Zwischenhalt wert, nicht nur für Ciclistas. 

Extrem lärmende Flatterviecher.

Mit sehr vollen Mägen setzten wir uns wieder auf die Velos und strampelten einen Hügel hoch und hofften, dass die drohenden Wolken nicht ernst machen würden. Diesmal hatten wir Pech und es begann zu regnen. Nicht fest zuerst und wir ignorierten das erst mal. Wir checkten einen von einem Autofahrer epfohlenen Kiesplatz ab, fuhren dann aber nochmals weiter. Bei der Fox Lake Fire Rest Area suchten und fanden wir dann einen halbwegs geeigneten Ort. Leider ging Martinas Strategie des Abwartens nicht auf und anstatt in leichtem Regen stellten wir das Zelt schlussendlich im ausgewachsenen Schiffwetter auf (87.77 km in 6:15 Stunden). 

Netterweise war der Regen bis zum Morgen vorbeigezogen, zu verdanken hatten wir das vermutlich aber dem fiesesten Wind seit sehr langer Zeit. Böhig, stark, meist von vorne, oft auch heimtückisch von der Seite, gab er sich alle Mühe, uns fertig zu machen. Stundenlang, immer und immer wieder. Der Himmel war meist bewölkt und es war kalt, zusammen mit der Pusterei sogar sehr ungemütlich kalt. Wieso zur Hölle wird es immer kälter, je weiter wir in den Süden kommen? Das ist falsch, dort müsste es doch wärmer sein. Dabei wäre die Landschaft recht hübsch gewesen, speziell die Fox Lakes entsprachen typischen kanadischen Klischeebildern. Ganz risikolos war es allerdings nicht das Velo abzustellen um Fotos zu machen. Da musste man sich schon vergewissern, von wo der Wind nun genau blies, sonst wäre so ein Velo nicht lang stehen geblieben. 

Little Fox Lake.
Fox Lake.
Blumen bunt gemischt.

Wenn man gerade 40 km lang gegen den Wind gekämpft hat, ist der Anblick des Schildes mit der Information, dass es bis Whitehorse noch weitere 50 km sind (uns es ja vermutlich so weitergehen wird), nicht gerade übermässig motivierend. Allerdings muss man zugeben, dass der Wind auf ein paar Kilometerlis etwas schwächer gewesen war, was natürlich schon Hoffnungen geweckt hatte. Nach der Mittagspause ging es dann aber über ein kleines Hügeli und wir hatten eine rund 10 km lange Gerade vor uns. Keine Kurve, kaum Wellen, einfach schnurgeradeaus ging es da. Und natürlich gab es da auch nichts, dass die agressive Luft aufhalten oder sonst irgendwie beschwichtigen könnte, sprich es war schlicht beschissen. 

Etwa 12 km vor Whitehorse bogen wir schliesslich auf den Alaska Highway ein. Positiv: andere Richtung und damit etwas weniger Wind, negativ: viel mehr Verkehr. Aber auch diese letzte Strecke hatten wir irgendwann gebodigt und es ging den 2 Mile Hill hinab ins Zentrum von Whitehorse. Dieser Hügel war recht steil, was ich normalerweise unterhaltsam finden würde, da ich aber immer noch mit nur einer Bremse unterwegs war, war das diesmal nicht so witzig. Ist einfach ein doofes Gefühl zu wissen, dass man unmöglich schnell bremsen könnte, wenn man denn müsste. Glücklicherweise muss man aber sehr selten sehr aprupt anhalten und so war das schliesslich überhaupt kein Problem. Auch die Orientierung in der Stadt stellte uns vor keine Rätsel, abgesehen davon, dass der McDonald’s uns erst mal von der geplanten Route weglockte. Dort gab es Papas Fritas und Internet. Also machten wir einen kurzen Abstecher, assen je eine grosse Portion Pommes Frites und checkten Mails. Gerade als wir gehen wollten, kam Jasmin vorbei, die wir schon auf dem Dempster zweimal getroffen hatten. So blieben wir eben nochmals sitzen und tauschten Neuigkeiten aus. 

Todmüde wie wir waren, brachen wir aber doch bald auf. Weit konnte es nicht mehr sein und als wir den Yukon, hier noch kein Riese dafür aber schön blaugrün war, überquert hatten, waren wir schon fast da. Ein grosses Gebilde aus Velorädern zeigte uns an, dass wir Philippes Haus gefunden hatten. Er, ehemaliger Besitzer eines Bike Shops und nun Bastler und Künstler, hat immer noch Unmengen von Velos und Veloteilen in seiner Werkstatt und Hinterhof. Ein kleines Flecklein Wiese war frei und irgendwie gelang es uns sogar, dort das Zelt draufzustellen. Und Philippe als professioneller Velomech konnte mir am nächsten Morgen denn auch helfen, mein Bici zu flicken, sprich er hat in seinem unerschöpflichen Vorrat an Ersatzteilen eine passende Bremse gefunden und auch meine Gänge neu kalibriert. Er hat auch den Grund für die andauernden Schaltprobleme entdeckt. Anscheinend hat die Distanz zwischen Derailer und Ritzel nicht genau gestimmt, und zwar seit Beginn weg. Mit einem kleinen Scheiblein zwischen Drop-out und Derailer soll das Problem nun gelöst sein. Werden wir ja sehen. Martinas Veloständer hat eine Verstärkung angeschweisst gekriegt und nun sind unsere Velos schon wieder startbereit. Ich habe auch einen neuen Rückspiegel und einen billigen Bidon gefunden, da ich einen auf dem Zeltplatz in Carmacks stehen gelassen habe. 

Radgebilde vor dem Haus...
...und unzählige Velos und -teile hinter dem Haus.

Weitre interessante Feststellung. Hier in Whitehorse ist es nicht nur viel kälter als z.B. in Inuvik, es wird inzwischen auch schon wieder fast dunkel, was natürlich zur Schlafqualität beiträgt. Auch dass es kälter ist, ist gar nicht unangenehm sobald wir in den Schlafsäcken sind, kühlere Temperaturen führen zu weniger Schweissausbrüchen. Inzwischen habe ich auch meine Distanz-Buchhaltung wieder nachgeführt und bin zum Schluss gekommen, dass ich in den ersten paar Tagen auf dem Dempster meinen 25‘000. Kilometer abgestrampelt habe. 

@ Flo: Wie usfahre hät sich die Strecki im Fall nöd agfühlt. Womer z'Whitehorse acho sind, simmer platter gsii we bi de Akunft z'Inuvik. De Wind laat grüesse. 

Sonntag, 1. Juli 2012

Dawson - Inuvik: Blutzoll auf dem Dempster HWY

Um dies für andere potentielle Dempster-Ciclistas einfacher zu machen, habe ich diesen Bericht schön brav und systematisch in die einzelnen Tage aufgeteilt. 

1. Tag, Dawson City – Wolf Creek, Km-Marker 50, 92.89 km in 6:44 Stunden 

Die ersten gut 40 km auf dem Klondike HWY von Dawson zur Klondike River Lodge waren flach und verliefen ereignislos. Bei der Lodge liessen wir unsere Dempster Pässe stempeln. Die hatten wir in Dawson im Visitor Center erhalten und wenn man alle Stempel im Büchlein hat, kann man an einer Verlosung teilnehmen und einen Diamanten gewinnen. Nicht, dass wir an solches Glück glauben, aber Stempelchen sammeln macht Spass und der Pass wird gut als Souvenir dienen. 

Beginn des Dempster Highways.

Nach der Abzweigung (unmittelbar nach der Lodge) waren noch rund 6 km asphaltiert, dann begann Schotter. Wobei der gar nicht so schlecht war, z.T. etwas loses Kies aber insgesamt ok. Links und rechts war alles grün, dichter Wald und Berge dahinter. Die Strasse führte mehr oder weniger dem West Klondike River entlang, wobei sich der aber unten im Tal seinen Weg suchte und von der Strasse kaum je sichtbar war. Der Verkehr war nicht allzu mühsam, Staub flog aber selbstverständlich jedes Mal wenn jemand vorbei fuhr obwohl die meisten eigentlich anständig waren und abbremsten. Trotzdem suchten wir für unsere Mittagspause einen Ort, wo wir von der Strasse weg konnten und fanden eine schlammige Liechtung, wo eine Art Bagger rumstand, der Ketten montiert hatte. Schlamm- an Stelle von Schneeketten? 

Ansonsten passierte nicht allzuviel im Laufe des Tages. Martina fand, es sähe aus wie zu Hause und fand die Sache darum nicht allzu speziell. Mir gefiel es gut, eben weil es aussah wie Martinas Zuhause und das Bünderland gefällt mir schliesslich auch. Am Nachmittag dachten wir dann irgendwann daran, Wasser zu tanken, damit wir campen konnten, wo wir wollten. Der Name Glacier Creek war vielversprechend, das Wasser dann aber eher nicht so hübsch. Da wir aber nicht riskieren wollten, kein Wasser zu haben, kletterten wir eben die steile Böschung hinunter und füllten unsere Flaschen. Nicht allzulange später kamen wir am Bensen Creek vorbei, der so schön hellblau war, wie man sich das eigentlich gewünscht hätte. Tja, Pech. Um 18 Uhr trafen wir einen Motorradfahrer, der in Dawson auf dem Zeltplatz neben uns gewohnt hatte. Er hatte es nicht bis nach Inuvik geschafft weil der MacKennzie River Hochwasser führte und die Fähre nicht fuhr (Dock weggeschwemmt). Was wohl auch der Grund für den mässigen Verkehr gewesen war. Er erwähnte den Wolf Creek, der sich etwa 2-3 km weiter vorne befinden sollte und einen guten Campspot abgeben würde. 

Dempster HWY am ersten Tag.

In Realität waren es dann eher 8 km bis wir den Bach fanden, kurz nachdem wir die Grenze des Tombstone Territorial Parks passiert hatten. Dort standen auch ein paar Hütten, die unbewohnt aber abgeschlossen waren. Wir stellten unser Zelt quasi in den Vorgarten nach dem wir einen kurzen und bei uns schwachen Regenschauer abgewartet und die Regenbögen im Tal bewundert hatten. Natürlich flatterten da einige Moskitoes herum, allzu schlimm war es aber noch nicht. 

2. Tag, Km-M 50 – Km M 124 (Government Airport), 76.96 km in 5:48 Stunden 

Uns blieben noch etwas mehr als 20 km bis zum Interpretive Center des Parks, von dem wir gehört hatten, dass es sehr schön und informativ sein sollte. Gemäss Höhenprofil (im Western Arctic Visitor Center in Dawson erhalten), ging es bis dahin noch einiges bergauf. Aber es war angeblich schon tags zuvor bergauf gegangen, durch das konstante Auf und Ab war das aber gar nicht so sehr aufgefallen. Das Tal wurde schmaler und wir sahen nun auch den West Klondike River ab und zu. Bewaldete Bergtäler mit blauen Flüsslis sind schon besonders hübsch. Auch spiegelnde Seen trugen zur schönen Landschaft bei und mit solcher Ablenkung merkten wir kaum, dass es eigentlich bergauf ging. 

Spiegelnder See im Tombstone Territorial Park.

Inklusive Besichtigung des Interpretive Center machten wir fast eineinhalb Stunden Pause. Die Information dort war auch tatsächlich interessant, von Flora und Fauna über verschiedene Arten von Gebirgen, den Einheimischen der Region (die die Errichtung des Parks initiiert hatten) über die Geschichte des Highways gab es da vieles zu lesen. Schon verschiedentlich hatte ich die Story der Lost Patrol gelesen. Ab 1904 führte die Northwest Canadian Mounted Police zwischen Dawson City und Fort McPherson Patrouillen durch, u.a. zwecks Auslieferung von Post. Das sind rund 765 km durch Berge, Tundra, Flüsse und Bäche ohne irgendwelchen Kontakt mit der Zivilisation. Im Dezember 1910 führte Inspector Fitzgerald eine Patrouille von Fort McPherson in den Süden, allerdings ohne einen der Natives, die die Weissen normalerweise als Führer begleiteten. Dazu kamen ungenügende Vorräte und schlechtes Wetter und die Männer kamen nie ans Ziel. Im März 1911 leitete Corporal William Dempster eine Suchaktion und fand die Leichen der Vermissten. Zu Ehren des Herrn Dempsters wurde die im Jahre 1979 fertiggestellte Strasse nach ihm benannt. Die Moral von der Geschichte? Wenn Weisse glauben, sie brauchen die Hilfe der Einheimischen nicht, kann das tödlich enden. Der heutige Highway ist 736 km lang, folgt mehrheitlich der alten Schlittenhunde-Route und liegt auf einem 1 – 3 Meter dicken Stein- und Kiesbett, das als Isolation für den Permafrost dient. Ohne diese Steinschicht würde der Permafrost schmelzen und die Strasse würde im Boden versinken. 

Nun, für uns war die Navigation nicht so kompliziert wie für die Polizisten vor 100 Jahren, da ja eine Strasse vorhanden war. Die letzten 8 km auf den North Fork Pass waren z.T. zwar steil, sonst aber nicht problematisch. Oben war dann wieder eine Futter-Pause angesagt und nun testeten wir zum ersten Mal unsere neuen kanadischen Tortillas. Nett, dass es sowas in Dawson überhaupt gegeben hatte, leider war unsere Füllung nicht ganz so luxuriös wie auf der Verpackung vorgeschlagen. Bemerkenswert war aber der Markenname. 

Nomen est Omen.

Nach dem Pass ging es wie es sich gehört erst mal schön fetzig und auf guter Strasse abwärts. Und danach endlos lange mehr oder weniger flach duch grüne Tundra. Büsche gab es nur noch entlang dem North Fork River, der an einigen Stellen noch von grossflächigen Schneefeldern bedeckt war. Wir befanden uns in einer weiten Ebene, auf beiden Seiten waren zwar Hügel oder Berge zu sehen, die jedoch weit entfernt waren. Beim Two Moose Lake stoppten wir kurz, sahen aber keine Elche und konten den See sowieso nicht lange würdigen, da wir sonst von Mücken ausgesaugt worden wären. Also ging’s weiter. Und natürlich kam bald mal die selbe Frage auf wie immer. Je nachdem, wo wir campen wollten/konnten, würden wir Wasser brauchen. Und da wir nicht wussten, wie lange der Fluss uns begleiten würde, unternahmen wir die mühselige Aktion, zu einem Seeli hinunter zu steigen und Wasser zu holen. Mühselig darum, weil der Tundaboden so weich war, dass darauf herumspazieren erhöht anstrengend war. Dazu kratzten all die winzigen Büschlis an den Beinen und erinnerten einen daran, dass dort Mückenstiche juckten. In der Tundra blühten aber auch diverse Blumen, einige die sehr ähnlich aussehen wie gewisse Alpenblumen zu Hause, andere, die ich noch nie gesehen hatte. Bald darauf lagen natürlich mehrere Tümpel direkt an der Strasse, aber wie hätten wir das denn wieder wissen sollen? 

Tundra-Blume.

Die Suche nach einem becampbaren Ort führte uns schliesslich auf einen Flugplatz. Oder besser gesagt, eine Piste. Schotterpiste, wohlbemerkt. Sich da mitten draufzusetzen wäre wohl etwas riskant gewesen, am hinteren Ende am Rand zu den Büschen fühlten wir uns aber sicher und in niemandes Weg. Ob der Elch, den wir dort sahen, sich je solche Gedanken gemacht hatte, darf ja bezweifelt werden. Der Platz war aber nicht schlecht geeignet, da wir auch einen Zugang zum Fluss hinunter fanden. Von wo wir uns aber schnell und fluchtartig wieder davon machten als sich eine Armada blutrünstiger Insekten auf uns stürzte. Später kam ich zurück um sauberes Flusswasser zu tanken, nun aber bewehrt mit ganzkörper Moskito Suit. Wie sich später herausstellte, stechen sie Sausiechen aber auch da hindurch obwohl der Suit angeblich mit Insektizid behandelt sein soll um genau das zu verhindern. 

Ganzkörper Bug Suit.

3. Tag, Km-M 126 – Airfield km 137, 117.12 km in 6:53 Stunden 

Nach nicht allzuvielen Kilometern hatte sich das Tal wieder verengt und wir fuhren nun meist direkt am Ufer des Flusses entlang. Da blühte schon wieder eine Menge Blumen, die den Strassenrand bunt färbten und uns Ciclistas mit diversen Fotostops aufhielten. Jene Strecke empfand ich als den schönsten Teil des Dempsters. Nicht spektakulär, aber ganz einfach paradiesisch schön. Etwas später öffnete sich das Tal, wir bogen nach Westen ab und die Hügel ringsum waren alle vegetationslos und grau. An den Südflanken wuchsen noch einige Bäume, ansonsten war der Weg zum Windy Pass hinauf von grauen Kieshaufen gesäumt. Merkwürdige Landschaft und krasser Wechsel zum Flusstal zuvor. 

Sumpfgras?
Noch mehr Blumen.
Zum Windy Pass hinauf.

Auf dem Pass gab’s Znüni (obowhl es schon fast 11 Uhr war), danach ging es rasant hinunter, zwischen mehr grauen Hügeln hindurch und wieder in den Wald. Wir überquerten den Engineer Creek und ich beschloss, beim nächsten Bach meine Flaschen zu füllen. Nicht weil das dringend nötig war, sondern weil das Wasser so hübsch aussah. Blöd nur, das war der letzte saubere Bach gewesen für etwa ein halber Tag. Was danach kam, war rot. Das gab eine supercoolen Kontrast zu der grünen Umgebung, wenn man aber auf der Suche nach trinkbarem Wasser ist, dann ist das nicht optial. Noch weniger erfreulich war das weissliche, nach Schwefel stinkende Rinnsal, das da auch irgendwo aus dem Hang tropfte. Ok, ich blieb also bei dem, was ich noch in den Flaschen hatte. 

Es war nun flach, die Strasse war in einem super Zustand (meist harte Oberfläche, kaum loses Kies) und wir kamen schnell vorwärts. Das Tal war mal eng, mal weit, mal grüne, mal graue Hügel und wir sahen eine Menge Haufen Bärenkot auf der Strasse. Einen Bären selber haben wir zwar seit dem Glen HWY in Alaska nicht mehr gesehen. Es sah aber durchaus so aus, als gäbe es hier eine dichte Population. Wir wurden auch einmal von einem RV-Fahrer gewarnt, er habe vor etwa 3 km ein Grizzly gesehen die Strasse überqueren, der zeigte sich aber nicht wieder. So pedalten wir also stundenlane dahin bis wir zum Engineer Creek CG kamen. Der hatte eine Shelter, die sich perfekt zum Zmittagessen eignete. Wie entspannend, einmal essen zu können, ohne dass man einem konstanten Luftangriff ausgesetzt ist. Wasser gab es da auch nur aus dem Bach und der war da unten nicht mehr so schön wie weiter oben. Aber gut, es hätte schlimmer sein können. 

Einen Übernachtungsplatz zu finden, war auf jener Strecke nicht ganz einfach. Ringsherum Taiga, also moosiger, weicher, ja sumpfiger Boden und lichter Wald. Ab und zu führte ein Weg vom Highway weg, der nun parallel zu Ogilvie River verlief, dort war aber entweder der Bodenzu hart (auf einem Kiesplatz) oder es hatte so viele Mücken, dass wir Hals über Kopf flohen. Zu unserer Freude fanden wir aber bei Km 137 wieder ein Flugfeld, diesmal sogar mit zwei grossen Kiesplätzen daneben, wo wir uns hinpflanzen konnten. Der Boden war auch da hart, Zelt aufstellen ging aber gerade so. Es gab da sogar einen Tümbel mit recht sauberem Wasser, so dass ich wieder meinen Mosie-Anzug anzog und eine Weile lang Wasser filterte. Jene offenen, schattenlosen Plätze stellten uns nun vor das Problem, dass es in der Nacht nicht nur hell ist, sondern auch noch sehr warm. So schlafen wir zu Beginn also jeweils nur mit den Seidenschlafsäcken und allenfals Sarong, nur um dann irgendwann frierend zu erwachen und nach dem (bereitliegenden) Daunenschlafsack zu suchen. Unter dem wir dann aber wiederum fast verschmachten. 

4. Tag, Airfield Km 137 – Eagle Plains Km-M 302; 66.58 km in 5:52 Stunden 

Wir wussten, dass wir an diesem Tag zu den Eagle Plains hinaufsteigen mussten und dass es dort oben kein Wasser gab. D.h. wir mussten für 130 km Wasser schleppen, aufzufüllen am Ogilvie River gleich vor Beginn der Steigung. Nach gut 6 km kamen wir an eine Stelle, wo der Fluss gut erreichbar war, das muss um den Km-M 144 gewesen sein. 

Ogilvie River.

Kurz darauf ging es dann auch ernst zur Sache. Es war Schluss mit der guten Strasse und es ging bergauf. Steil und kiesig bergauf. Dazu war es heiss und um den Spass noch etwas zu verzieren und garnieren, wurden wir von agressiven Kampfjet-Mücken angegriffen, die uns den letzten Nerv raubten. Diese Steigung, mit mal mehr, mal weniger steilen Abschnitten, war insgesamt um die 12 km lang und endete bei einem Aussichtspunkt mit wirklich cooler Sicht. Wobei, wenn man da mit dem Velo raufgekrochen war, hat man schon die ganze Zeit immer mal wieder eine Pause gemacht, einerseits um ein paar Mücken zu erschlagen, andererseits um die Sicht ins Tal zu geniessen und festzuhalten. Das sah schon bemerkenswert gut aus. Was sich später am Tag noch negativ auswirken sollte. 

Aussicht während Aufstieg zu den Eagle Plains.

Einmal oben auf den Eagle Plains haben wir weder Adler gesehen noch eine richtige Ebene gefunden. Es ging ununterbrochen auf und ab, meistens aber nicht steil und meistens auf nicht schlechter Strasse und so konnte man problemlos auch mal wieder ins Tal runter gucken. Hätte „man“ aber nicht so oft machen sollen, denn zwischendrin waren die Abfahrten durchaus steil und dazu noch mit losem Kies bedeckt. Schlechte Kombi, wenn man nicht top konzentriert ist oder zumindest langsam genug fährt. Was passiert, wenn dem nicht so ist? Nun, unter Umständen ist es, bis man das lose Kies entdeckt, zu spät zum bremsen und der panische Versuch, das Versäumte nachzuholen führt zu unkontrolliertem Schliggern und ... krach, wumm, päng, autsch ... zu einem äusserst schmerzhaften Aufschlag auf dem trotzt Kies hartem Boden. Und so ein aufgeschlitzter Unterarm kann ganz schön bluten! Folgt ein kurzes Abchecken der wichtigsten Köperteile und die Erkenntis, dass nichts lebensbedrohliches passiert ist, die doofe Blutung aber gestop(f)t werden muss, bevor alles versabbert ist. Also Velo vom Boden aufhieven, Nastuch raussuche und auf Wunde kleben, dann abgebrochene Teilchen zusammenlesen. Da lag folgendes rum: Rückspiegel (nicht gut), linker Bremshebel (Scheisse!!!), Lenker-Anschlag-Teil und Gallionsschlumpf (sniff!). Die Finger, die an den Bremshebel geklammert gewesen waren, waren, wenn auch gestaucht, noch dran. Soweit so gut. Der rechten Hand und dem linken Zeigefinger fehlten ein paar Stückchen Haut, auch dort trat etwas roter Saft aus. 

Bald darauf kam Martina an und half mir, das Velo von der Strasse zu fugen und den Arm zu verarzten. Sie machte das ja nicht zum ersten Mal, auf der Carretera Austral sei Fazl umgeflogen und das sei noch um einiges übler gewesen. Nicht gut ist aber, wenn man an einer staubigen Strasse sitzt und versucht, eine Wunde zu verpflastern und Verkehr kommen hört. Da war schliesslich schon genügend Dreck drin, mehr wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Haben dann das Velo inspitziert und festgestellt, dass ausser dem abgebrochenen Bremshebel kein nennenswerter Schaden entstanden ist (ok, Löcher in den Taschen). Aber immerhin, eine Bremse weniger ist natürlich nicht gut. D.h. ein Stück des Hebels war noch dran, ich hatte also noch etwa eineinhalb Bremsen. Es gibt weder in Dawson noch Inuvik einen Bike Shop, das wird also frühstens in Whitehorse behoben werden können. Werde ich es damit (und mit meinen eigenen beschädigten Körperteilen) nach Inuvik schaffen? Ein „Nein“ als Antwort hätte geheissen, aufzugeben und zu versuchen, nach Whitehorse zu hitchen, was für mich überhaupt nicht in Frage kam. Also blieb ein „Ja, aber mit gebührender Vorsicht“. 

So ging es dann weiter, langsam und vorsichtig, und da eh bald Futterzeit war, stoppten wir beim nächst besten Ort und machten eine Pause. Während wir so dasassen, passierte etwas eigenartiges. Vor meinem linken Auge flatterte plötzlich ein kleiner, bunter Schmetterling. Das sah etwa so aus, wie wenn man lange auf eine bestimmte Form starrt und die hinterher noch eine Weile sieht, obwohl man woanders hinschaut. Ich hatte aber keinen Schmetterling angestarrt und dieses komische, kunterbunte Ding wurde auch noch grösser und erinnerte bald eher an eine Sonnenbrille. Nein, ich hatte keine Drogen genommen und weiss nicht, woher diese „Erscheinung“ kam. Wir sind dann halt etwas länger als geplant sitzen geblieben, da man auf einer Kiesstrasse keine tanzenden Formen vor den Augen haben möchte. Die ist nach ein paar Minuten auch wieder verschwunden und wurde seither nicht mehr gesichtet. 

So ähnlich hätte die Sturzstelle aussehen können.

Zum Glück waren die Wellen an jenem Nachmittag dann meistens eher sanft und mein einbremsiges Vorwärtkommen war soweit nicht sehr problematisch. Mühsam war aber, dass ich keinen Rückspiegel mehr hatte und mich halb blind fühlte. Als Campsite wählten wir einen recht kleinen freien Platz neben der Strasse, ungefähr bei Km-M 302, da wir seit längerem keine guten Stellen mehr gesehen hatten und nicht sicher waren, ob wir später noch einen annehmbaren Ort finden würden. Velo fahren war ja noch ok gewesesen, mit den beiden beschädigten Fingern an der einen und dem beschädigten Arm auf der anderen Seite wurde meine Mithilfe beim Camp aufbauen etc. nun aber auf ein klägliches Minimum reduziert. Mann, fühlte ich mich invalid. Und nach einer Pause tat der Arm bei der kleinsten Bewegung so sauweh, dass ich das schliesslich mit einem Ponstan behob. Ironischerweise hatten wir ja in Ensenada unsere Apotheke massiv reduziert und nun nur noch ein Minimum dabei, sehr weit würde unser Verbandsmaterial also nicht reichen. Irgendwo würde sich das aber schon aufstocken lassen. Problematisch waren aber nicht nur Arbeiten, die es zu verrichten galt, sondern auch Dinge wir Haare kämmen. Speziell, wenn man das zwei Tage aus Faulheit unterlassen hat und sich klebriger Staub angesammelt hat und man eher das Gefühl hat, einen Haufen Stroh kämmen zu wollen. Stroh auf dem Kopf, Stroh im Kopf?!? Ist manchmal schwer zu sagen. 

5. Tag, Eagle Plains Km-M 302 – Eagle Lodge, Km-M 369, 67.68 km in 5:42 Stunden 

Wie (fast) erwartet, stellten wir fest, dass es auf den nächsten 4-5 km ein paar grosse mögliche Campplätze gegeben hätte. Ja, hinterher ist man immer schlauer. Aber egal, auch klein war ja fein. Dieser Tag wurde öde. Es war alles wellig und grün, die Strasse steinig, kiesig und staubig und es hatte einiges an Verkehr, wobei RVs und die meisten Lastwagen recht rücksichtsvoll waren, etliche PW-Fahrer aber in der Mitte der Strasse vorbeiblochten und uns (absichtlich?) von oben bis unten einstaubten. Wir kamen an einem Baucamp vorbei, das ich erst für ein Strassenreparatur-Camp hielt, weil da eben gerade die Strassenoberfläche erneuert wurde, das sich dann aber als Ölbohr-Camp entpuppte. Später passierten wir sogar noch einen vollständig geschlüpften Bohrturm, der da wie ein hässlicher Schandfleck in der Landschaft stand. Aber sind wir ehrlich, wir verdanken diese Strasse hier dem Ölvorkommen da oben im Norden. 

Bohrturm.

Abens um 17 Uhr erreichten wir die Eagle Lodge und fragten uns, ob die grauen Wolken hinter uns wohl noch Regen bringen würden. Taten sie. Und zwar keine zehn Minuten nach unserer Ankunft und begleitet von heftigem Sturm und Gewitter. Wir checkten in der Lodge für den Campingplatz ein und setzten uns dann in die Lounge um den Regen abzuwarten. Für den CG hatten wir $ 15.75 bezahlt, was die Duschen zu unserer Überraschung mit einschloss. Wow, anderswo kostet der Platz mehr und man bezahlt für die Duschen separat. Das Problem war nur, dass wir bei dem Regen nicht rausgehen wollten und schon gar nicht in den Taschen wühlen, also musste die Dusche warten. Und warten, und warten. Der Besitzer des Hotels hatte offenbar Mitleid mit uns und bot uns schliesslich an, im Sanitätszimmer der Lodge zu schlafen. Wir dürften es aber niemandem sagen, das ist hier also keine Werbung oder Aufforderung an andere Ciclistas, danach zu fragen. Wir waren aber natürlich froh über den trockenen Platz und nahmen das Angebot gerne an. Die für das Zimmer verantwortliche Lady hatte zwar, als sie das später rausfand, gar keine Freude, konnte aber nichts dagegen unternehmen. Unter der Dusche weichte ich dann den natürlich total verklebten Verband auf und konnte ihn schliesslich von der Wunde ablösen. Dass da noch eine Menge Dreck drin war, war klar gewesen, ebenso klar war, dass der in der Dusche nicht rausgeschwemmt werden würde. Den muss der Körper schon selber (r)ausschaffen. 

Dicker anschwellen geht wohl nicht.
Autsch!

Um meiner Wunde am Arm und den armen Fingern zumindest eine kurze Pause zu gönnen, blieben wir einen Tag bei der Eagle Lodge. Aber natürlich nicht im Sanitätszimmer, das hätte der uns nicht so freundlich gestimmte Hausdrachen niemals erlaubt, war bei dem nun guten Wetter aber auch kein Thema. Wir stellten das Zelt auf, verbrachten den Tag dann aber mehrheitlich entweder in dem Laundry Room, wo es Strom gab und wir die Tür zumachen konnten (Mücken!), später setzten wir uns für eine beschränkte Zeit ins Restaurant und die Lobby. Nicht zu lange, um niemanden sauer zu machen. Wir mussten auch die Menge Food, die wir dahin schicken liessen, nun in unser Gepäck verstauen, was nicht ganz einfach war. Es zeigte sich auch ab, dass wir vermutlich nicht viel mehr als zehn Tage brauchen würden (+ 1 Tag Pause) und darum zuviel Essen schleppen mussten. Aber es war wie so häufig schon, irgendwie passt es schon rein. 

6. Tag, Eagle Lodge – Rock River CG, Km-M 445, 78.39 km in 6:28 Stunden 

Am Morgen drohte Regen, der zog aber schliesslich an uns vorbei. So starteten wir bei trockenem Wetter und erst mal ging es um die 9 km abwärts zum Eagle River. Und danach etwa 10 km wieder bergauf auf die nächste „Hochebene“. Dort oben sah es ähnlich aus wie die Eagle Plains, es ging auf und ab durch ein Mix aus Taiga und Tundra, meist mit Aussicht auf tieferliegende Täler. Da wir das schon während eineinhalb Tagen gesehen hatten, war es nicht mehr übermässig faszinierend. Der böige Wind, wie immer meistens von vorne, machte die Sache nicht witziger. Eine Attraktion wartete an jenem Tag aber durchaus auf uns. Wobei das eher eine imaginäre Attraktion war, der Polarkreis nämlich. Wie würde man den wohl erkennen? An einer Mauer aus Schnee und Eis??? Oder doch eher nur an einem menschengemachten Info-Schild? Wir würden es ja sehen, falls wir je dort ankommen sollten. Dazu mussten wir über eine Menge Wellen und Hügel kurven. Noch einen und noch einen. Bis endlich, nach rund 37 km, die ersehnte Mauer, äh, die Info-Tafel, endlich in Sicht kam. 

The Long and Windy Road...
... führt zum Polarkreis.

Tatsächlich wäre der Arctic Circle ohne diese Tafel nicht erkennbar gewesen. Was ja aber auch nicht wirklich überrascht hat, beim Äquator war das ja genau gleich gewesen. Da der Ort aber für jeden Touri ein Grund zum stoppen war, trafen wir dort ein Deutsches Päärchen, Jasmin und Bernhard, die mit einem Landrover unterwegs und ebenfalls vor etwa zweieinhalb Jahren in Argentinien gestartet waren. Interessante Leute. Wir nutzten den Luxus von vorhandenen Tischen und Bänken für’s Mittagessen, wobei wir immer wieder verhindern mussten, dass unsere Tortillas nicht davongeblasen wurden. Es war schon nach 16 Uhr bis wir uns wieder auf die Velos schwangen. Nun ging es wieder ein Stück bergab, dann relativ flach den Richardson Mountains entlang. Dort unten windete es immer noch, nun meist von der Seite, ab und zu auch mal für ein paar Minuten von hinten. 

Wir fuhren nun lange durch fast baumlose Tundra und begannen uns irgendwann mal zu fragen, wo wir da wohl je ein Zelt aufstellen konnten. Wenn möglich an einem Ort mit Wasser in der Nähe. In einem engeren Tal wuchs wieder so richtig dichter Wald, was die Sache aber auch nicht erleichterte, da der Boden überal überwuchert und dazu sehr weich war. Was blieb, war ein offizieller Zeltplatz, einer der Yukon Territorial Campgrounds. Vorteil: Shelter, Nachteil: kostete $ 12. Wir kamen gerade vor einem losbrechende Gewitter an und schafften es, all unser Zeug in die Shelter zu verfrachten, bevor die ersten Regentropfen fielen. Der erwartete heftige Regen und auch das Gewitter blieb jedoch aus, bzw. verfehlte uns wieder einmal. Wir liessen aber das meiste unserer Sachen in der Shelter, das war für uns viel einfacher so. Diese Territorial CG sind in unseren Augen etwas komisch. Bei jenem in Dawson gab es zwei Foodboxen für den gesamten Zeltplatz, hier gab es zwei Food-Aufhänge-Vorrichtungen, von denen eine defekt war. Was ist die Idee, wenn viele Leute ohne Auto da sind??? Hat das schlicht nicht vorzukommen? Dazu war diese Shelter irgendwie nicht mückendicht, d.h. wir mussten auch dort drinnen Anti-Mosie einschmieren um nicht aufgefressen zu werden. 

Sieht aus wie, ist aber kein Schnee.

7. Tag, Rock River CG – „Gewittercamp“, NWT-K-M 21, 42.88 km in 4:53 Stunden 

Den nächsten Tag hätten wir uns sparen können. Er begann mit einer supersteilen Subida, was die tausenden von Mücken gnadenlos ausnutzten. Und schon nach etwa 10 km kam der erste Regenschauer vorbei, kaum hatten wir begonnen, Regenzeug zu montieren war aber wieder fertig. Dafür begann die Steigung auf den Wright Pass und die zog sich lange dahin. Ich glaube, da oben hatten wir etwa 20 km abgestrampelt, das müsste also etwa Km-M 465 gewesen sein, wobei meine Kilometerzählung nicht genau mit jener der Strasse überein stimmte. Da der Wright Pass auch gleich die Grenze zwischen dem Yukon und den Northwest Territories darstellte, begann dort oben die Km-Markierung wieder bei 0. Was etwas hohl war, da sämtliche Km-Angaben, die wir hatten, vom Klondike HWY aus zählten. Sehr spektakulär war die Landschaft bis dahin nicht gewesen, die gleichen von weissen (von irgendwelchen „Strubbelkopf“-Pflanzen bedeckten) Hügel wie tags zuvor, dafür am Strassenrand einige Blumen, die etwas Farbe in das unendliche grün-weiss-grau der Tundra und Berge brachten. 

Fire Weed...
...und noch mehr Blüemli.

Nun ging es wieder abwärts in ein weites Tal, das glaub Richardson Valley hiess. Wir assen noch bei Sonnenschein Zmittag, bald begann sich aber über unseren Köpfen ein Unwetter zusammenzubrauen und wir hörten drohendes Donnergrollen immer näher kommen. Regen alleine wäre ja, wenn auch wegen aufgeweichter Strasse mühsam, aber soweit noch ok. Mitten in einem Gewitter in einer Ebene auf einem Stahlesel zu sitzen, fanden wir dann aber nicht ratsam und so verkrümelten wir uns irgendwann schnell in den Strassengraben unter unseren Tarp. Strassengraben hiess da nicht einfach ein paar Centimeter neben der Strasse sondern fast im Gebüsch, was etwa 1.5 - 2 Meter niedriger war als die Fahrbahn. Wir hoben uns also nicht mehr ab und hofften, so keinem Blitz mehr ein lohnendes Ziel zu bieten. So sassen wir da, lauschten dem Regen, der auf unsere Plache prasselte und der uns nach nicht allzu langer Zeit zu unterspühlen begann. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund turnte mir die ganze Zeit ein Kinderlied durch den Kopf, das mit der Situation aber auch gar nichts gemeinsam hatte: „Wär kännt scho d‘Not vom chliine Hippie-Gschpängschtli..., wär kännt scho siini Sörgeli u Ängschtli...“ Ok, etwas Gemeinsames gab es vielleicht doch. Ich fühlte mich dort auch wie ein kleines Bici-Gschpängschtli mit seinen Sörgelis, um die sich jedoch niemand scherte, jedenfalls nicht, wer immer dort für das Wetter zuständig war. Glücklicherweise war es gar nicht so kalt, abgesehen davon, dass mein Rücken langsam kühl wurde, war mir eigentlich nicht kalt. Und als der Regen dann wieder nachliess, packter wir uns wieder aus und begutachteten die Strasse. Hätte schlimmer sein können. So setzten wir uns wieder auf die Sättel und pedalten weiter. Mühsamer als auf einer trockenen Strasse war es schon, das muss man zugeben. Und es ging aufwärts aber keine Ewigkeit mehr, dann ging’s wieder bergab und das Tal wurde wieder enger. Für mich eine Überraschung war eine Kurve, die den Ausgang aus dem Talkessel andeutete. Ich hatte mich nämlich schon gewundert, wo und wie wir da wieder rauskommen sollten. 

Marmot oder Ground Squirrel??

So begann die Steigung zum nächsten Pass, zum Glück war es aber nicht steil. „Wär kännt scho d’Not vom chliine Bici-Gschpängschtli... ... ...“. Wir fuhren einem Bach entlang, wo wir am späteren Nachmittag noch Wasser tankten. Nicht lange darauf begann es wieder zu regnen, ja so richtig zu pissen und auch diesmal war natürlich ein lautstarkes Gewitter mit von der Partie. Also wieder Velos abstellen, Tarp rausziehen und uns darunter vergraben. Diesmal stellten wir die Velos aber etwas weiter weg ab. Hallo, ihr da draussen, falls ein Blitz in ein Fahrrad einschlägt, wie weit weg will man da sein, damit man nicht gefährdet ist? Und zweite Frage: Zieht Aluminium auch Blitze an? Ist man in einem Zelt mit Alustangen also sicher, ja oder nein? Würde eine Antwort drauf echt schätzen. Jedenfalls sassen wir jetzt wieder eher da und mit der Zeit wurde es wieder recht unbequem, und draussen prasselte der Regen nieder. „Wär kännt scho d’Not ... ... ...“ 

Ich weiss nicht, wie lange wir da gesessen hatten, aber als der Regen etwas an Intensität verlor, juckten wir raus, falteten in aller Eile den Tarp wieder zusammen und zogen den Rest des Regenzeug, sprich Hosen und Schuhüberzüge an und fuhren wieder dahin zurück, wo wir hergekommen waren. Martina hatte einen Kiesplatz in Erinnerung, den wir nach nicht mal einem Kilometer erreichten. Wir begutachteten den Boden und speziell allfällige Wasserrinnen und fanden schliesslich einen Platz, der uns halbwegs brauchbar erschien. Der Boder war aber sehr weich, weshalb wir grosse Steine anschleppten um die Nägel zu beschweren oder die Schnüre gleich darum zu ziehen. Inzwischen hatte der Regen ganz aufgehört und wir fühlten uns schon bald wieder wohl. 

8. Tag, NWT-K-M 21 – Sendeturm-Camp, NWT-Km-M 108 (?), 88.63 km in 7:44 Stunden 

So bewältigten wir das kurze Pässli eben am nächsten Morgen. Die Strasse war zwar noch feucht und etwas klebrig, aber trotzt allem in viel besserem Zustand als am Abend zuvor. Nach dieser ersten Steigung ging es wie immer grün und leicht wellig weiter. Am Morgen noch bewölkt, brach später die Sonne durch und trocknete die Strasse. Einerseits schön, andererseits katastrophal da es weiter vorne eine Baustelle gab und dutzende Lastwagen hin und her fuhren und Steine schleppten und uns jedes Mal von Kopf bis Fuss einstaubten. Einige der Fahrer waren zwar ganz nett und bremsten ab, oberübel war das Ganze trotzdem. Die Strasse war nun auch sehr kiesig, was die Staubmassen noch zusätzlich unterstützte und uns das Vorwärtskommen erschwerte. Es windete zwar, aber immer von links her, so wurde sichergestellt, dass die Staubwolke uns auch tatsächlich jedes Mal traf. 

Nach einem halben Tag sieht das dann so aus.

Bei einem View Point führte ein Weglein von der Strasse weg zu einer Aussichts-Plattform, von wo aus man ins MacKenzie-Delta hinunter sah. Und wo es auch schön windete und uns so die Mosies wenigstens ein wenig fern hielt. Wir sahen auch zum Peel River hinunter und stellten Vermutungen an, wo sich wohl das nächste Dorf, Fort McPherson, verstecken könnte. Vorher mussten wir aber noch den Peel River überqueren. Dafür war eine gratis Fähre zuständig, die uns zwar erst etwas warten liess, uns dann aber ohne Probleme am anderen Ufer absetzte. Nur kurze Zeit später hatten wir den Nitainlaii Territorial Park erreicht, wo wir einen weiteren Stempel besorgen mussten. Evtl. hätten wir da auch übernachtet, $ 22.50 (der Standard-Preis für NW Territorial CG) war uns aber zu teuer. Der ältere Herr, der dort arbeitete, meinte, einige Kilometer nach Fort McPherson stehe eine Art Turm, dort habe es viel Platz. Klang nicht schlecht. So fuhren wir erst mal weiter und trafen unsere Deutschen Freunde mit Auto, nun auf dem Rückweg von Inuvik, nochmals an. In 100 km Entfernung läge der schönste Campspot bis Inuvik. Ok, ok, das könnte vielleicht für den nächsten Tag klappen. Erst mussten wir ins Dorf, da es dort schon wieder einen Stempel-Stop gab und wo wir unsere Wasser-Flaschen auffüllen konnten. 

Schneemobil-Verbot in Fort McPherson.

Inzwischen war es schon 18 Uhr und netterweise hatte der Wind nachgelassen. Da es nun ziemlich flach war, kamen wir auch zügig vorwärts. Hier unten im Fluss-Delta hatte es überall kleinere Seelis und Weiher verstreut, die etwas Abwechslung in die Taiga-Landschaft brachte. Wir hatten keine Ahnung, was für einen Turm der ältere Herr gemeint hatte und wie viele Kilometer „einige“ hier waren. Fast 20 km nach dem Dorf erkannten wir aber eine Art Sendeturm in der Entfernung, wir mussten aber nochmals etwa 5 km strampeln bis wir dort ankamen. Ich weiss nicht mehr, welcher KM-M da am nächsten gewesen war, könnte so 106-108 geewesen sein. Der Turm selber ist jedoch das bessere Merkmal und der steht über 20 km von Fort McPherson entfernt. Dort gab es linker Hand grössere offene Kiesplätze, rechter Hand führte eine Service Road zum Mast. Da wir lieber etwas weiter weg von der Strasse zelteten, fuhren wir dort hinauf und kriegten von gerade anwesenden Arbeitern die Erlaubnis dazubleiben. Einmal mehr drohte ein Gewitter, einmal mehr entlud es sich aber in einiger Distanz. 

9. Tag, Sendeturm-Camp – Rengleng River Camp, NWT-Km-M 178, 72.34 km in 6:11 Stunden 

Zur Abwechslung hatten wir am Morgen für etwa eine Stunde oder so Wind schräg von hinten. Das Land war platt, zu sehen gab es nicht viel. Willkommene Unterbrechung bot da der MacKenzie River, wo wir wieder eine Fähre nehmen mussten. Dort, bei der Einmündung des Arctic Red Rivers in den MacKenzie, liegt auch Tsiigehtchic, ein kleines Dorf, das vor allem von Einheimischen des Gwich’in Volkes bewohnt wird. Die Fähre fährt also ein Dreieck zwischen den beiden Enden des Highways und dem Dorf. So muss man manchmal schon einen Moment warten, je nachdem, welche Ecke gerade dran ist. In Tsiigehtchic hätte es noch einen Stempel gegeben, Lust auf einen solchen Umweg hatten wir aber keine. Das Schiff selber dient einer Menge Vögel als mobiler Nistplatz, die ihre Nester, oder besser gesagt, selbst gebaute Höhlen dort unter dem Dach hinhängen und in waghalsigen Manövern die ganze Zeit ein- und ausfliegen. Wegen Fahrtwind zusätzlich zu sonstigem Wind mussten einige schon mehr als eimal ansetzen um an ihre Häuser ran zu kommen. 

Taiga-Seelis.
Tsiigehtchic und MacKenzie River.
Vogel-Höhlen auf Fähre.

Bevor wir von Bord gingen, erfuhren wir noch, dass die Unterschrift des Kapitäns anstelle des Stempels gilt. Wunderbar, so mussten wir nichts auslassen. Der Wind hatte sich inzwischen selbstverständlich in böigen Gegenwind gemausert und nervte wieder einmal gewaltig. Dazu war alles platt und langweilig. Bei Km-M 157 fanden wir eine Seitenstrasse, wo man perfekt hätte campen können. Oder Zmittag essen. Zu unserem totalen Unglauben wurden wir dort von keiner einzigen Mücke belästigt. Ob das mit dem Wind zusammen hing? Keine Ahnung, war auf jeden Fall genial. Ebenfalls bei Km-M 166 (mit Seezugang) und Km-M 174 hätte man zelten können. Nun war das Land etwas welliger geworden, als wir unvermittelt über dem Tal/der Schlucht des Rengleng Rivers standen, war aber die Überraschung gross. Das musste der Ort sein, den die Deutschen erwähnt hatten. Fast wie eine Oase in der Wüste. Auf dem grossen Kiesplatz waren wir von der Strasse aus zwar noch sichtbar, aber weit genug weg um nicht jedem ins Auge zu stechen. Und mückenfrei, zumindest für den Moment. Wind sei Dank! 

Spruce Tree-Zäpfchen.
Rengleng River-Camp.

Wir hatten mit einem kleinen Bächli, das durch den Kiesplatz floss, sogar unsere eigene Wasserversorgung und einen Campspot gleich am Steilhang oberhalb des Flusses mit supercooler Aussicht. Wenn das nicht mal ein 1A Platz war, der jeden offiziellen CG um Längen schlug. Und der Wind wehte noch lange, so dass wir entspannt den noch relativ frühen (ca. 17.30 Uhr) Nachmittag geniessen konnten. Auch die grauen Wolken zogen vorbei und bewässerten das Land anderswo. Sehr rücksichtsvoll, was will man mehr?. Auch die Futterverstauerei weg von der unmittelbaren Campsite war inzwischen zur Routine geworden und wenn, wie hier, irgendeine komische Vorrichtung das noch erleichtert bzw. sich die Säcke vom Regen geschützt verstauen liessen, umso besser. 

NWT-Km-M 178 – Inuvik, Happy Valley CG, 95.00 km in 6:48 Stunden 

Kein Wind – Katastrophe! Wir hatten schon vor Tagen festgestellt, dass es einen besonderen Kick verursachte, sich an einem moskitoverseuchten Bach auszuziehen um sich zu waschen, aber die Attacke, der ich an jenem Morgen ausgesetzt wurde, als ich mal „in die Büsche“ musste, schlug alles. Bekanntlich sucht man sich für solche Gelegenheiten einen etwas geschützten Ort, was aber diesbezüglich fatal war. Diese Mistviecher respektieren nichts und niemanden und auch keine Privatsphäre beim Scheissen... Mann, zum Glück war das der letzte Morgen auf dem Dempster, viel länger hätten wir das echt nicht ausgehalten! Das ist traumatisch, fast noch schlimmer als der Wind in Patagonien! 

Nun gut, es ging weiter, nun mit leichtem Gegenwind, der, zumindest auf der Strasse, die Mosies fern hielt, nicht jedoch die riesigen Bremen, die einem den ganzen Tag lang non-stop um den Kopf kreisten und sausten und ab und zu mal irgendwo reinblochten oder sich unter die Sonnenbrille verirrten. Und zwischendurch mal heimtückisch irgendwo reinstachen, bissen oder was immer die eigentlich tun. Ebenfalls Sauviecher. Es ging vorläufig flach weiter und auf den nächsten rund 40 km hätte es nochmals einige mögliche Wild Camp-Plätze gegeben, allerdings ohne Wasser. D.h. dann und wann hatte es schon mal einen Bach oder einen Tümpel, aber meist nicht mit sehr appetitlicher Farbe. Wir kamen auch an zwei weiteren Territorial CGs vorbei und näher bei Inuvik gab es zwei Day Use Areas. Die Ebene wurde zwei mal durch kurze steile Hügel unterbrochen, die Strassenoberfläche bot alles von sehr gut bis sehr kiesig. Da wurde nämlich an einer Stelle, so sie schön kiesfrei und hart war, neuer „Belag“ aufgebracht und dazu erst tüchtig unter Wasser gesetzt – ächtz! – und mit neuem Kies-Erde-Mix überdeckt. Das wird dann nicht mal hartgewaltzt, sondern nur verteilt und irgendwie mal kurz platt gedrückt, der Rest wird dann den Autos überlassen. Oder den Velofahrern – haha! Wir blieben fast stecken und fanden’s nicht sooo witzig. 

Zur Abwechslung mal Rennstrecke.

Nach dem „Mittag“essen, wie immer so von 14-15 Uhr, blieben noch rund 30 km und es ging wieder mal auf harter Strasse leicht bergab. Megageil, wenn’s so weitergeht, sind wir... .... Jaja, klar. Wann immer ich mir „wenn’s so weiter geht...“ gesagt habe, war recht bald fertig lustig. So auch hier. Es wurde nicht nur wieder sehr kiesig, da war auch wieder einer dieser Tanklaster unterwegs, der die Strasse unter Wasser setzte. Wozu war mir diesmal nicht klar. Dazu kam eine Kurve und wir hatten wieder frontalen Gegenwind und durften dazu noch über ein Hügeli kriechen. Mensch, hier wird einem aber auch rein gar nichts geschenkt. So kämpften wir uns also nochmals etwa 10 km voran bis wir dann – endlich – den Asphalt erreichten. Noch 10 km bis Inuvik hiess das. Nicht, dass deswegen der Wind weg oder es weniger hügelig gewesen wäre, aber auf glattem Belag rollt es sich eben schon viel leichter. Langsam aber sicher war die Gegend auch eindeutig bewohnt, es gab Industrie und diverse Häuser in Sichtweite der Strasse. Und dann das ersehnte, aus anderen Blogs bekannte Schild, das uns in Inuvik willkommen hiess: wir hatten es geschafft!!! 

YES, GESCHAFFT! 

Fast zumindest. Es blieben noch ein paar hundert Meter, inklusive eine steile Steigung ins Dorf hinein. Nein, geschenkt wird einem wirklich keinen Meter. Wir parkierten um 18.40 Uhr unsere Räder vor dem Visitor Center, das um 19 Uhr schloss. Wir wurden aber trotzdem aufs Freundlichste begrüsst, bekamen unsere letzten Stempel und durften das Formular zur Diamanten-Verlosung ausfüllen. Wir bekamen auch ein Zertifikat ausgedruckt, das unsere Überquerung des Polarkreises bestätigte und einige Infoblätter über das Dorf und ich war einfach nur happy, angekommen zu sein. 

Wir schlugen unser Zelt im Happy Valley CG auf, der im Dorf liegt. Für eine Site in der Group Area bezahlen wir $ 15, eine eigene Site hätte die üblichen $ 22.50 gekostet. Das sparten wir uns lieber um es für ein $ 5.99 Frühstück auszugeben. 2 km vor dem Dorf hätte es noch einen Zeltplatz gegeben, der angeblich schöner sein soll. Das mag sein, wenn man dafür aber weiter weg ist, nützt das nicht so viel. Fanden wir zumindest. Bis wir an jenem Abend ins Bett kamen, dauerte es etwas. Besonders lange dauerte es bis sich der Verband von der Wunde an meinem Arm löste, der sechs Tage lang nicht weggekommen war. Scheint aber insgesamt nicht schlecht zu verheilen, speziell wenn man bedenkt, dass die Bedingungen dazu in den letzten Tagen bestimmt nicht optimal gewesen waren. 

Midnight Sun.

Jetzt stecken wir also erst mal in Inuvik fest. Zumindest bis wir jemanden finden, der uns nach Dawson zurück mitnehmen kann. Im schlimmsten Fall werden wir fliegen müssen, die ganze Strecke zurück pedalen, kommt nicht in Frage. Wir haben da zu viel Blut „liegen gelassen“, nochmals während zehn Tagen die Moskitos füttern ist keine Option. Inuvik ist eigentlich noch ganz interessant. Z.B. sind die meisten Häuser hier auf Stelzen gebaut. Grund dafür ist der, dass man den Permafrost darunter nicht auftauen möchte, da die Gebäude sonst versinken würden. Ebenfalls überirdisch sind sämtliche Wasser- und Abwasserleitungen, aus dem gleichen Grund. Die Preise für sämtliches Futter hier sind hoch, was aber niemanden überraschen kann. Dass so viele ältere Leute besoffen und rauchend auf den Strassen rumhängen, ist schade, und dass der Zeltplatz nicht wirklich sicher ist, da die einheimischen „Kids“ klauen, spricht auch nicht gerade für den Ort. 

Igloo Church in Inuvik.
MacKenzie Street, Inuviks Hauptstrasse.

Wir haben den Dempster Highway hinter uns. War es hart gewesen? Ja, eindeutig. Aber nicht so schlimm wie erwartet oder wie anderweitig gelesen. Wobei wir mit dem Wetter insgesamt Glück gehabt hatten, ich möchte ja gar nicht wissen, wie die Strasse nach tagelangen Regenfällen aussieht. Andererseits war dies auch bei weitem nicht die übelste Strasse, auf der wir je gefahren sind. Im Vergleich zur Ruta 40 in Argentinien, der Carretera Austral in Chile und einigen kürzeren Abschnitten in Peru oder Ecuador. Aber  hier sind wir durchschnittlich klar längere Tage gefahren als bisher, das merkt man mit der Zeit schon. Die erste Hälfte hat mir landschaftlich auch sehr gut gefallen, ab Eagle Plains fragten wir uns ab und zu, ob sich der Aufwand eigentlich noch lohnte. Es war schon schön, aber man hatte es dann auch bald gesehen, die Variationen blieben eher aus. Empfehlen kann man die Strecke trotzdem, es ist schlicht cool, da hinaufzupedalen!