Mittwoch, 26. September 2012

Kelowna - Vancouver: Kettle Valley Rail Trail


Ich blieb nur jene eine Nacht in Kelowna. Am nächsten Morgen, nicht allzu früh und mit zwei frischen Sandwiches und einigen kleinen Tomätlis aus dem eigenen Garten im Gepäck ging es los. David and Alayna, thanks a lot for shelter, food and advice! Schon die ersten rund 14 km enthielten eine Menge auf und ab, mehrheitlich auf schmalen Nebenstrassen mit meist wenig Verkehr. Dafür war’s da schon öfters verflixt steil. Und das Okanagan Valley ist ja bekanntlich berühmt für intensiven Anbau von Früchten. Ich sah zwar keinen einzigen Pfirsich-Baum, dafür fuhr ich durch riesige Apfel-Plantagen. Von grün über rötlich-grün, knallrot und dunkelrot war alles vertreten, von kleinen Sträuchern mit nur wenigen Äpfeln bis zu grossen Bäumen mit kiloweise Früchten dran. Und vielerorts standen schon riesige Mengen Kisten bereit und warteten darauf, gefüllt zu werden.

Apfelplantage bei Kelowna.

Irgendwann hatte ich aber alle Orchards hinter mir gelassen und auch die fetten Häuser reicher Typen wurden seltener. Schliesslich kam die Abzweigung in Richtung Myra Station, die für mich den Beginn des Kettle Valley Rail Trail war. Hier würde ich auf dem touristischsten Teil eines insgesamt um die 600 km langen Weges einsteigen, der dem Verlauf einer ehemaligen Eisenbahn folgt. Im Jahr 1915 eröffnet, seit den 60er-Jahren aber nicht mehr in Betrieb, ist der Weg zum Velo fahren sehr geeignet, da die Strecke keine steilen Steigungen enthält. Der 12 km lange Myra Canyon ist das bekannteste und spektakulärste Stück, das 18 Trestles, eine Art Holz- und Stahlbrücken, und zwei Tunnels enthält. Im Jahr 2003 waren die meisten der Trestles bei einem Waldbrand abgebrannt, im Juni 2008 wurde die Strecke neu eingeweiht mit sämtlichen Brücken restauriert, nur aber auch mit Geländer und angenehm zu befahrenen Brückenboden ausgerüstet.

Wie gesagt, musste ich aber erst gute 8 km zur 1‘270 müM hohen Myra Station hinauf pedalen. David hatte mich vorgewarnt, dass ich vermutlich den grössten Teil würde schieben müssen und doch am einfachsten versuchen sollte zu hitchen. Nun, der erste Kilometer war schon so steil, dass ich nach ein paar hundert Metern japsend abstehen und um Luft ringen musste. Meine Fresse, geht das wirklich so weiter!?! Noch ein ganzes Stück, ja. Und als ein Pick-up mit fast leerer Ladefläche vorbeifuhr, schaffte ich es nicht mal, eine Hand vom Lenker zu nehmen und von sich aus kam der Fahrer nicht auf die Idee, mich mitzunehmen. Nun ja, dann eben nicht. Irgendwann war es dann nicht mehr soooo steil, ich meine, immer noch krass steil, aber so, dass ich einen einigermassen normalen Rythmus finden konnte. Ich würde sagen, die Steigung war jener von San Pedro auf den Paso Jama hinauf ähnlich, nur ohne Asphalt. Die Oberfläche war aber meistens ok, ich blieb nur einmal in losem Kies stecken.

So ging es hinauf, immer weiter durch den Wald den Berg hoch. Es überholten mich einige Autos, von denen ausser einem weiteren Pick-up (mit Velos hinten dran) eh keiner Platz für mich, mein Velo und Gepäck gehabt hätte. Dass selbst jene Camionetta, die schon zwei Velos mittrug, jedoch problemlos Ladefläche gehabt hätte, unbeeindruckt weiterfuhr, fand ich ein bischen schwach.Allerdings fand ich inzwischen aber nicht mehr, dass ich unbedingt einen Ride brauchte. Solange ich im Sattel sass, wollte ich keinen Daumen raushalten. Mit jedem Kilometer war ich entschlossener, den Berg aus eigener Kraft zu erklimmen, auch wenn’s anstrengend und zeitintensiv war. Die einsame Mücke, die mich unterwegs angriff, konnte mich nicht davon abbringen und die Tatsache, dass der grösste Teil der Strasse durch Wald führte und dadurch im Schatten lag, machte das Unternehmen immerhin etwas weniger heiss. Inzwischen hoffte ich, dass mich niemand mitnehmen wollen würde. Nein zu sagen, wäre vermutlich doch etwas komisch gewesen. War aber nicht nötig, niemand belästigte mich und als die Strasse nach knappen 7 km aus dem Wald heraus in die Sonne kam und etwas flacher wurde, kam ich in Versuchung, anzunehmen, dass ich bald da sein müsste. Das letzte Stück zog sich dann aber nochmals hin und es wurde auch nochmals steiler, irgendwann hatte ich es aber geschafft. Mit drei ganz kurzen Pausen, ohne eine Schritt schieben und in drei Stunden ab Haus meiner Hosts. Gar nicht so schlecht, fand ich, und als ich da auf dem Parkplatz stand, völlig durchgeschwitzt und einigermassen kaputt, war ich nicht die einzige, die platt war. Viele Leute hatten mich ja da raufkriechen sehen mit meinem Übergepäck und ein Trio älterer Velofahrer lud mich kurzerhand ein, mit ihnen Zmittag zu essen. Ich hatte zwar mein eigenes Futter, aber nein sagen kann man in so einer Situation eh nicht. Wir fuhren ein kurzes Stück vom Parkplatz weg bis wir ein hübsches Plätzchen fanden. Mensch, was die alles für edlen Food mitschleppten, diverse Käse, Rohschinken, Salami, Oliven, Früchte, Brot, etc. etc. Das schlug mein eigenes Angebot natürlich locker, was auch der Chipmunk fand, der die Peanut, die ich fallengelassen hatte, zielsicher fand und verdrückte.

Chipmunk mit Peanut.

Meine neuen Freunde, die diesen Weg zuvor schon gekommen waren, fuhren zügig wieder in Richtung Ruth Station, während ich die Sache langsamer anging. Immerhin war das eine doch ziemlich eindrucksvolle Strecke, die nicht nur landschaftlich cool war, sondern ein kanadisches National Historic Monument war. Und das zweifellos zu Recht. All die Holz- und zwei Stahlkonstruktionen waren spektakulär, zusammen mit der Aussicht in Tal hinunter. Auf dem Parkplatz hatte jemand bemerkt, dass es von Kelowna zur Myra Station 3‘000 feet elevation sei, was in etwa 900 Metern entsprechen würde. Nun ja, es war schliesslich auch anstrengend gewesen, da raufzukommen und die Stadt wirkte nun schon recht klein.

Tunnel im Myra Canyon.
Trestles-Cycling.

Die nächsten 12 km nahmen einiges an Zeit in Anspruch. Einerseits weil ich alle paar Minuten stoppte um Fotos zu schiessen, andererseits, weil viele Leute, die an mir vorbei den Berg hochgefahren waren, mit ansprachen. Einer meinte, er sehe mich nun schon zum dritten Mal. Tags zuvor auf dem Highway, am Berg und nun schon wieder. Was es denn mit der Aktion auf sich habe. Als es später wurde, waren weniger andere Ciclistas unterwegs und nach der Ruth Station nur noch ganz wenige, solche, die auch irgendwo zu campen planten.

Ziemlich beeindruckend...
... diese Bauwerke.

Leider war nun auch Schluss mit schön gepflegtem Velo- und Fussgängerweg. Jetzt war der KVR eine Logging Road, uns als solches schon fast per se hundsmiserabel. Sandig, steinig und Wellblech, die ganze Palette in jeder möglichen Ausführung. Nun meist nicht mehr im Wald, war die Aussicht natürlich cool, ich war aber auch schon etwas müde und bald total genervt aber der Strasse. Viel Verkehr hatte es zum Glück nicht und die paar Jeeps und Quads, die vorbeifuhren, machten das alle gesittet. Trotzdem, ich war nun auf der Suche nach einem Pennplatz und war nicht sicher, ob ich Lust hatte, bis zum von anderen Velofahrern erwähnten Chute Lake zu pedalen. Als ich dann neben einem Seeli, von dem ich nicht wusste, ob Chute oder nicht, ein Staub-Steinsträsschen ins Gebüsch führen sah, ging ich dem nach und fand einen durchaus becampbaren Spot, der von der Strasse auf der anderen Seite des Wassers zwar einsehbar war, was mir aber herzlich egal war (54.33 km in 5:20 Stunden). Ob die Leute den Ort gemeint hatten? Keine Ahnung. Am späteren Abend erhielt ich noch kurzen Besuch eines Quad-Fahrers und auf der Strasse dröhnte ohnehin mehr Verkehr durch als mir lieb war, woran es aber nichts zu ändern gab.

Eigentlich wäre geplant gewesen, wie immer um 6 Uhr aufzustehen. Der Wecker hatte entsprechend gepiept, ich war auch aufgewacht, dann aber ganz einfach nochmals eingeschlafen. Eine halbe Stunde später unternahm ich nochmals einen Versuch, aufzustehen, diesmal mit Erfolg. Ich hatte Eis am Zelt erwartet, das Tuch war jedoch kaum feucht, obwohl es draussen um die 0°C hatte. Seltsam, aber ok. 5 km später hatte ich dann tatsächlich den Chute Lake erreicht, und dort gab es eine Lodge mit Restaurant und Camping. Gut, hatte ich früher gestoppt, wer hätte den schon für’s pennen bezahlen wollen? Nach dem See war die Strasse vorerst wieder gar nicht so schlecht, wenn auch zwischendrinn mal mit mit Rindviechern verstellt. Und nun wieder im Wald war es ungemütlich kalt. Und der Weg war bald wieder so versandet, dass ich schliggernd durch’s Land driftete und es nicht mehr soo witzig fand. Immerhin ging es nun spürbar bergab, angeblich 1.9 %. Da dies immer noch die historische Bahnstrecke war, gab es ab und zu auch noch etwas zu sehen, wie z.B. die steinernen Öfen, die von den mehrheitlich Italienischen, Skandinavischen und Mitteleuropäischen Arbeitern gebaut worden waren, um trotzt lausigen Arbeitsbedingungen zumindest täglich frisches Brot zu haben.

Steinofen der Eisenbahn-Arbeiter.

Weiter unten, nun wieder ohne Wald, sah man wieder bis zum Okanagan Lake und den umliegenden Hügeln, die aber ganz schön im Dunst lagen. Später wurde der Weg dann plötzlich wieder wunderbar zu fahren, offensichtlich gehörte er nun zum Naherholungsgebiet von Penticton und Motorfahrzeuge waren da nicht mehr erlaubt. So war schluss mit der Schleicherei und es ging zügig abwärts in die Stadt. Auch hier wieder durch Apfel- und v.a. Traubenanbaugebiet. In Penticton setzte ich mich ans Seeufer auf eine Bank und ass meine Sandwiches, die eigentlich für den Tag davor gedacht gewesen waren. Etwas mantschig, aber was soll’s. Für die rund 15 km bis Summerland ging’s wieder auf den HWY 97, viel Verkehr, dafür flach und Seitenstreifen. Da es warm und der See sehr verlockend war, sahen Campingplätze am Seeufer plötzlich sehr verführerisch aus. Bei einem ging ich fragen, was es denn kosten würde, da zu übernachten. $ 30 wenn man mit Karte bezahlt, sonst $ 25! Autsch! Ob es einen Rabatt für Langzeit-Radler gäbe. Langzeit? Ja, etwas über 2.5 Jahre. Ok, $ 20. Da das immer noch rund doppelt so viel war, wie ich zu bezahlen bereit gewesen wäre, zog ich weiter. Die Steigung nach Summerland hinuf war schweisstreibend und meine gute Laune irgendwie im Eimer. Ich kaufte Brot für die nächsten zwei Tage und verliess das Dorf in der Hoffnung, bald einen Campspot zu finden.

Konkret, ich wollte einfach nur kurz aus der Ortschaft raus, was sich dann aber in ungeahnte Längen zog und zu allem Übel ging es nochmals steil in die Hügel. Da oben gab es sogar eine Art Bahnhof mit richtigen Zügen, die glaub sogar noch funktionieren. So tourimässig zumindest. Nun wieder auf dem KVR Trail fuhr ich noch ein paar Minuten und pflanzte mich dann auf eine dürre Wiese zwischen ein paar Tannen und neben das Gleis (73.57 km in 5:38 Stunden). Später kamen zwei Reiter vorbei und meinten, ich solle vorsichtig sein, es lebe ein Schwarzbär in der Nähe. Ja, und bei jenem Zeltplatz hatte ich gelesen, dass es auch Racoons hat, was mich noch mehr besorgte als Bären. Eine Bärenstrategie habe ich ja, eine Racoonstrategie würde nun wirklich bedingen, den Sack in einen Baum raufzuhängen, und das fand ich etwas kompliziert. Dass die vorhandenen Bäume im Falle einer Bärenattacke taugen würde, bezweifelte ich eh, da Schwarzbären vermutlich besser klettern können als ich.

Überhitzte Schoko-Mandeln.
Yep, hier fahren noch Züge.

Die Nacht war warm gewesen aber mit vielen Sternen. Und den Wecker hatte ich auf 7 Uhr gestellt, da ich festgestellt hatte, dass wenn ich später aufstand, das zusammenpacken deutlich schneller ging. In genau zwei Stunden war ich startklar und genoss dann knappe 20 km einen guten Veloweg, auf dem Motoren verboten waren. Was Quad-Fahrer aber offensichtlich nicht daran hinderte, trotzdem dort durchzublochen. Schön flach war es immer noch, d.h. es ging einem Flüssli nach bergauf, steil war’s aber nie. Die Schlucht, durch die der Weg führte, war eng, die Seitenwände teilweise senkrecht und ich fragte mich, wo denn das Gleis hingekommen war. Ich hatte geglaubt, der Trail führe hier neben dem Gleisen her. Musste mich da aber wohl getäuscht haben, ich sah keine Spuren von Zügen mehr, dafür ab und zu eine Strasse, die nun wirklich mehr oder weniger parallel zum Veloweg führte.

Sehr schöne Gegend hier.

Um’s nicht allzulange schön zu lassen, wurde mein Wegli bald wieder ziemlich beschissen. Steinig und sandig und so war wieder Schliggern und Driften angesagt. Mal mehr, mal weniger. Am Nachmittag ging ich bei einem der seltenen Häusern nach Wasser fragen, da ich den Fluss schon lange nicht mehr gesehen hatte. Das Wasser bekam ich und gleich darauf fuhr ich auch wieder dem Fluss entlang. Der aber braun war wie eh und je und ich froh war, die Brühe nicht trinken zu müssen. Nun hatte ich wohl den schlimmsten Abschnitt des verda......ten Trails erreicht. So sandig, dass ich z.T. kaum mehr vorwärts kam und dafür von Quads, die mir um den Kopf brausten, eingestaubt wurde. Bald hasste ich mich dafür, dass ich nicht auf die Strasse gegangen war und, obwohl noch nicht 16 Uhr, blieb ich beim erstbesten, halbwegs versteckten becampbaren Ort und weigerte mich, den doofen Weg nochmals zu betreten. Zumindest für jenen Tag (42.03 km in 4:40 Stunden).

Der eine oder andere Abendspaziergänger oder Quad-Brauser hatte mich gesehen, mehr als „Hi“ hatte jedoch niemand gesagt. Die Nacht wurde deutlich kälter und der Himmel noch klarer mit noch mehr Sternen und Milchstrassen. Diesmal hatte ich keinen Wecker mehr gestellt, es war Sonntag, da steht man schliesslich auf, wann man will. Um 8 Uhr war ich trotzdem am zusammenpacken und keine zwei Stunden später plagte ich mich wieder mit der Kies- und Sandpiste ab. Ich befand mich nun in einer Art verstreutem Dorf und überall mal wieder standen Häuser. Die Kreuzung mit der einen Zufahrtsstrasse war recht originell, bzw. die Strassennamen waren es. Bin aber nicht sicher, ob ich einverstanden war mit der Annahme, dass mein Weg der Richtige und der andere der Falsche sei.

Wer richtig oder falsch ist, ist wohl Frage der Interpretation.


Ich kam bald zu einer weiteren Strasse und auf der anderen Seite, wo der Weg weiterging, stand ein Schild mit der Aufschrift „Closed, trail undermined. Danger!“ Wunderbar, das war die beste Ausrede, nicht mehr auf diesem Elendstrail zu bleiben. Zu meiner Überraschung war die Hauptstrasse dann sogar asphaltiert. Wenn immer ich sie am Tag zuvor gesehen habe, war es eine (breite und gute) Kiesstrasse gewesen. Nach nochmals einigen Kilometern kam ich zu einem Restaurant mit Cabins. Wieso auch nicht wieder einmal einen Kaffee trinken? Das würde mir eine Art das Recht verschaffen, meinen Abfall in deren Eimer zu schmeissen. Und weil das so fein aussah, bestellte ich mich noch einen French Toast. Und für $ 4.50 konnte man auch duschen, was ich mir auch gönnte. Warum habe ich auf ein Mal so zu trödeln begonnen? Nun, als ich mich mit Martina darauf geeinigt hatte, unseren Flug zu verschieben, hatte ich damit gerechnet, am 24. September abzufliegen. Das hätte mit ein wenig Gas geben bis Vancouver gereicht. Als ich schliesslich die Auswahl zwischen Abflug am 24. Oder 26. gehabt hatte, hatte ich den 26. September vorgezogen, da ich nicht genau abschätzen konnte, wie lange ich für diese ganze Trail-Geschichte brauchen würde. Nun, ich hatte genug Zeit und anstelle eines richtigen Pausentages plante ich nun halt so eine Art zwei halbe Pausentage. Mit Dusche, allerdings ohne Wäsche.

Meine weiteren Berechnungen/Schätzungen ergaben, dass ich von Princton aus noch vier Tage bis Vancouver brauchen würde. Und da ich meinen Blog von Banff bis Kelowna noch immer nicht online gestellt hatte, war nun der Plan, das, zusammen mit einiger weiteren E-mailerei in Princton zu machen. Dazu wollte ich aber lieber früh am Tag ankommen und deshalb wollte ich mir nun ein ganz frühes Camp suchen. Dass ich auf der Strasse blieb, hatte da natürlich den Zeitbedarf etwas verfälscht, aber diesen Weg wollte ich mir nicht nochmals antun. Als ich kurz nach 14 Uhr ein halbwegs verstrecktes Plätzchen neben der Strasse fand, gab’s dort eben nicht nur Zmittag, sondern auch Siesta (22.96 km in 1.24 Stunden).

Es wurde eindeutig kälter, in der Nacht bzw. am Morgen zumindest. 3°C um 7 Uhr war mir jedenfalls zu kalt und so wartete ich, bis es eine Stunde später zwei Grad wärmer geworden war. Ich hatte nochmals nichts extremes geplant und so war der späte Aufbruch kein Problem. Rund 23 km waren es noch bis Princeton, und das mehrheitlich bergab. Mehrheitlich heisst bekanntlich auch etwa soviel wie „nicht nur“ und jene eine steile Steigung brachte mich schon am Morgen ins Schwitzen. Danach ging es dann aber wirklich abwärts, und zwar ganz schön fetzig. Kurz nach 11 Uhr hatte ich das Dorf erreicht und auch schon bald das Visitor Center gefunden. Die hatten praktischerweise Wifi, was mir erlaubte den Blog bis Kelowna online zu stellen und was man eben alles so macht, wenn man Internet hat. Auch genial war, dass die mir ein Höhenprofil der Strecke nach Hope geben konnten, was die Planung dieser Passüberquerung erheblich erleichterte.

Herbst-Fireweed.

Nach einer Einkaufstour ging es dann weiter und zwar ab der Ausfahrt aus der Ortschaft raus steil bergauf. Nach rund 5 km folgte eine flächere Strecke, dann ging es wieder zur Sache. Und das in der Nachmittagssonne ohne den geringsten Windhauch. Und da wundert man sich, wenn man Salzkrusten über’s ganze Gesicht hat? Nun, eigentlich ja nicht. Jener Pass bestand aus zwei Hügeln und der erste davon war klar der steilere. Den grössten Teil davon hatte ich geschafft, bis ich am späteren Nachmittag eine lange, steile aber sehr regelmässige Strassenböschung erblickte, die flaches Gelände dahinter vermuten liess. Ich ging das erst mal abchecken und versuchte dann, das Velo raufzuschleppen. Vergeblich. Musste also bis auf die Hintertaschen abladen und einzeln rauffugen, so klappte das dann. Dort oben fand ich, geschützt gegen die Strasse, einen grossen, ebenen Kiesplatz, so wie wir das traditionellerweise mochten (45.62 km in 3:38 Stunden). Und da der so offen war, würde ich am Morgen schnell mal Sonne haben. Genial. Also Camp installieren, tagebüchlen und etwas lesen. Um 19 Uhr begann ich zu kochen und war happy mit dem geglückten Tag.

Mhm, bis ein Auto aufkreuzte und der Fahrer mich fragte, was ich da mache. „Campen“, was sollte ich schon anderes antworten. Das sei hier privates Gelände einer Mine und ich dürfe da nicht sein. Das Gelände sei nicht sicher, es habe „Crevasses“. Es gäbe ein Grund für das verschlossene Tor. Shit, meint der das im Ernst? Ich sei direkt von der Strasse raufgeklettert und habe das Tor nicht gesehen. Ob ich nun gehen müsse, um diese Zeit?!? Yep. Ok, aber ich muss nicht alles die Böschung runterschleppen, ich kann durch’s Tor raus? Yep. Was blieb mir anderes übrig als alles wieder zusammenzupacken. Nada. Und da das natürlich so seine Zeit dauerte, dämmerte es schon bis ich mich auf die Socken machte. Und ja, da war immer noch dieses Gate, d.h. ein mit einer Kette abgeschlossener Schlagbaum. Mit Mühe und Not gelang es mir, mich unter der Kette hindurchzuquetschen. Auf meine Frage hatte mir der Herr empfohlen, etwa 100 m weiter oben zum Kennedy Lake zu gehen, dort könne man bestimmt campen. Sehr hell war es nicht mehr bis ich dort ankam. Es gab ein paar Häuser und es standen ein paar Wohnwagen rum aber mir war nicht wirklich klar, ob es da eine Organisation dahinter gab. So ging ich zu einem Haus mit Licht und rief und klopfte, bekam aber keine Antwort. Ich sah, dass jemand drin war, aber offensichtlich öffnet man bei Dunkelheit Fremden die Tür nicht mehr.

Was nun? Mich irgendwo hinsetzen auf’s Risiko hin, wieder verjagt zu werden? Nun gut, es war so gut wie dunkel, wer würde mich also schon sehen. Ich fand ein Platz, der unbenutzt aussah, lud ab und war gerade beim Zelt aufbauen, als ein Auto kam und anhielt. Nicht schon wieder! Ob alles ok sei, wurde ich diesmal aber gefragt. Jaja, alles in Ordnung, ob ich hier zelten dürfe. Kein Problem, es sei aber sehr staubig, er habe da vorne ein Haus mit Wiese, wenn ich wolle, könne ich da campen. Nun, das war wieder typisch Kanada, trotzdem zögerte ich einen Moment, da ich schon alles abgeladen hatte. Das könne man ins Auto schmeissen, meinte der Herr. Ok, also gut. Nun in totaler Dunkelheit fuhr ich dem Auto hinterher und meine Stirnlampe erwies sich als herzlich nutzlos beim Erkennen von grossen Steinen. So war es ziemlich holprig aber immerhin nicht weit. Im Schein der Dunkelheit wirkte auch die Wiese hinter dem Häuschen relativ eben und so pflanzte ich mein Zelt wieder auf. Als ich dann im Bett lag, spürte ich einen spitzigen Gupf unter dem Rücken, da ich im Zelt aber genügend Platz hatte, konnte ich dem erfolgreich ausweichen.

Am Morgen bekam ich von Bob, meinem Gastgeber, etwas Benzin, so war meine Kocherei bis Vancouver auch gesichert. Und schon war er auf und davon. Trotzdem, vielen Dank für die Rettung in der Nacht. Der Mogen war genauso kalt wie der vorherige, ausser, dass ich diesmal nicht auf die Wärme gewartet hatte. Die wäre zwischen all den Bäumen wohl eh kaum je gekommen. Und da es wieder bergauf ging, frohr ich nicht lange. Das Wetter war auch wie seit tagen: strahlend blauer Himmel, kühl im Schatten, warm in der Sonne. Nach rund 15 km bergauf und wellig erreichte ich den Sunday Summit mit seinen 1‘282 müM. Das war aber nur der erste Hügel, nun sollte eine steile Abfahrt folgen und dann eine lange, verhältnismässig flache Steigung auf den zweiten Pass.

Truckdrivers, bitte Bremsen überpfüfen.
Runaway Lane, für den Fall, dass die Bremsen versagen.

Ja, diese Runaway Lanes habe ich nun schon ein paar Mal gesehen. Zum ersten Mal sahen wir etwas ähnliches in Chile, vom Paso Jama nach San Pedro hinunter. Was dort hübsch frisierte, flache Kiesstreifen waren, sind hier schlichte Kies- und Dreckstrassen, die wieder den Hang empor gehen. Das wäre ja ein rechtes Spektakel, einen Lastwagen dort hineindonnern zu sehen. Nur allzuschnell war ich unten am Similkameen River, dem die Strasse nun bis zum Pass hinauf folgen sollte. Erst steil, dann flacher ging es durch das Tal und schneller als erwartet hatte ich den Manning Park erreicht, der im Bike Buch als sehr schön beschrieben wird. Ich fand, es sähe ziemlich ähnlich aus wie überall, hier allerdings ohne die Ranches mit ihren allgegenwärtigen Zäunen. Insgesamt fast eher langweilig. Ehrlicherweise musste aber gesagt sein, dass das nicht so mein Tag war. Mir fehte die Motivation, ich war müde und hatte keinen Bock mehr. Es war auch bald klar, dass es nicht leicht werden würde, ein wildes Camp zu finden, abgesehen davon, dass ich keine Ahnung hatte, wie legal oder illegal das im Park war. Im Visitor Center fand ich jedoch keinen Hinweis auf ein Verbot und allzu direkt fragen schloss sich von selbst aus. Am Nachmittag checkte ich sogar die Preise der CGs ab, bei aller Lustlosigkeit war ich aber doch nicht bereit, die üblichen $ 21.- zu bezahlen.

Nur wenige Kilometer später entdeckte ich eine Strassenböschung ähnlich jener vom Vortag und ging mir die Sache mal anschauen. Dahinter fand ich eine recht ebene Fläche mit ein paar Bäumen. Perfek. Ich schaffte es diesmal sogar, das Velo hinaufzuwuchten, es war aber auch nicht wirklich hoch oder steil (53.06 km in 3:59 Stunden). Ein sehr gemütlicher Ort, obwohl ich die ganze Zeit nervös war und fürchtete, dass jeden Moment jemand kommen würde, der mich wegschickt. Bis jetzt (19.26 Uhr) ist das nicht passiert. Habe aber glaub‘ Gesellschaft von Eichhörnchen oder etwas ähnlichem, bis jetzt hört es sich aber weder nach Menschen noch Bären an (19.28 Uhr und immer noch da).

Und ich wurde auch für den Rest des Abends/der Nacht nicht verjagt. Ich fand auch die Nacht nicht kalt, hatte am Morgen 7°C im Zelt, obwohl es draussen wiederum 0°C hatte. Sollte einer die Logik dahinter verstehen. Mir lieben noch rund 7 km bis zum Allison Pass mit seinen 1‘342 müM, dann ging es erstmal ganz schön fetzig den Berg runter. Und das eine ganze Weile lang. Zwischendurch war es mal ein Stück flacher, dann flitzte das Velo wieder ohne mein Zutun davon. Bis ich dann gegen Mittag auf einem längeren flachen Abschnitt einen fiesen Westwind ins Gesicht geschmissen kriegte, was die ansonsten eigentlich gute Laune etwas trübte. Ich machte im Laufe des Vormittags aber einige Pausen und genoss den schönen Ort im Wissen, dass nun bald Schluss sein würde mit Wältern und Wilderness. Dazu gab es wieder einmal eine „Historic Site“ zu sehen, die Überreste eines um 1860 erstellten Wagenweges.

Überreste des Wagon-Trails.
Crowsnest HWY im windigenSunny Valley.

Der Verkehr auf dem HWY 3 war erträglich gewesen, nach der Einmündung des aus dem Norden kommenden Yellowhead HWYs nahmen v.a. Lastwagen stark zu. Einige Kilometer vor Hope beförderte sich der Highway dann zum Freeway, aber immer noch mit offizieller Velo-Erlaubnis. Und obwohl es nun einen Seitenstreifen gab, war ich froh, als endlich die Ausfahrt nach Hope kam. Auch hier war das Visitor Center äusserst hilfsbereit und mit Wifi ausgerüstet. Es war um die 15 Uhr, als ich via HWY 1 den Fraser River überquerte und dort auf den Lougheed HWY abbog. Das war nun wieder verhältnismässig konfortabel mit Seitenstreifen und weniger Verkehr. Der Plan war, noch 10-15 km weit zu fahren und dann ein letztes wildes Camp zu finden. Wie viel Optionen ich da haben würde, wusste ich nicht. Die Strasse war zwischen Fluss und steilen Bergen eingeklemmt, viel Platz für Ebene blieb nicht und wo es sie gab, war sie meistens verbaut. Ein Friedhof wäre äusserst gut geeignet gewesen, durch Bäume geschützt und mit Wiese zum campen. War mir aber noch etwas zu früh und so pedalte ich noch ein paar Kilometerlis weiter.

Faser-Überquerung.
Mein letztes Wild-Camp vor Abbotsford.

Das sandige Camp, das ich schliesslich wählte, war längst nicht so hübsch, was sich nun aber nicht mehr ändern liess (78.65 km in 4:14 Stunden). Ich hatte unterwegs ein totes Racoon gesenen und gab mir nun umso mehr Mühe, einen Baum zu finden um meinen Food zu erhängen. Was mir mit Perfektion gelang, dank jenem Baum wäre der Sack sogar Grizzly-sicher gewesen. Im Sand hatte ich Spuren von kleineren Viechern gesehen und wusste nicht, ob ich in der Nacht mit Besuch rechnen musste. Diese Sorge erwies sich als unnötig, mit jener Attacke anderer Art hätte ich hingegen nicht gerechnet. Um 2.30 Uhr begann es nämlich so zu stürmen, dass ich mich nach einer halben Stunde entschloss, rauszugehen und das Zelt besser zu verankern, da die Heringe im Sand vermutlich nicht sturmfest waren. D.h. ich spannte die beiden dem Wind entgegengesetzten Ecken mit schweren Steinen ab. Dabei stellte ich fest, dass der Wind aus dem Osten kam und in Richtung Westen lies. Das war ungewöhnlich und für mich grundsätzlich positiv. Das Zelt war nun zwar sicher, das Tosen des Windes war allerdings aber noch lange nicht abgestellt.

So wurde das eine eher unruhige Nacht mit wenig Schlaf. Am Morgen war das Gepuste immer noch in vollem Gange, und alles imVorzelt war von einer Sandschicht bedeckt. Wäh, pfui! Der Wind blies immer noch vom Osten her, ich konnte es kaum glauben. Das hiess Rückenwind für mich und widersprach damit jedem Prinzip. Während ich packte, musste ich das eine oder andere Ding, das davonfliegen wollte, wieder einfangen und als ich endlich auf der Strasse stand, blies der Wind immer noch Immer noch vom Osten in Richtung Westen. Was war da wohl der Haken? Wie würde ich dafür bezahlen müssen,? Rückenwind ist nie gratis. Kaum sass ich im Sattel, wurde ich vorwärts geschoben, dass es eine wahre Freude war. Wenn das so weitergeht, dann bin ich in .......... Stunden in Abbotsford. Theoretisch, aber wann war es je schon so weitergegangen wie man sich das gewünscht hätte? Grundsätlich nie, und auch an jenem Morgen war der Spuk bald vorbei als der Wind ein paar Kilometer ganz einfach verschwand. Schluss, aus, weg. Hatte den Eindruck, als sei das ein sehr lokales Phänomen gewesen. Tja, Pech, aber immerhin hatte ich den ganzen Tag lang nie allzu fiesen Gegenwind.

Morgenstimmung im Fraser Valley.

Die Strasse führte mehr oder weniger dem Fraser River entlang und war mehrheitlich flach. Mit Ausnahme eines ganz gemeinen, absolut obersteilen Hügels, wo es natürlich vorübergehend nicht mal mehr einen Seitenstreifen hatte. Das brachte mich ganz schön ausser Puste und bescherte mir eine kurze, ebenfalls steile Abfahrt zurück ins Tal hinunter. Dann war’s wieder flach, nun Landwirtschaft, v.a. Rindviecher und nochmals einen Fluss, den Harrison River zu überqueren. Die Strecke zog sich dann eher ereignislos durch’s Tal in die Länge, viel aufregendes passierte nicht. Als ich Mission erreichte, muss wohl so um die 14 Uhr gewesen sein, war ich auf einmal, so richtig zack-bum und ohne Vorwarnung in einer quirrligen Stadt. Etwas geschockt navigierte ich durch den Verkehr, kaufte im Safeway Brötchen und war zum ersten Mal etwas nervös da ich das Velo unbeaufsichtigt draussen lassen musste. Abschliessen ist ja gut und recht, aber das gesamte Gepäck kann jeder nehmen, der will. Ist nicht passiert, und der komische Typ, der sich ganz nahe daneben auf die Bank gesetzt hatte, verschwand auch bald wieder nachdem ich zurück war.

Eine autobahnartige Auffahrt brachte mich auf die Mission-Bridge über den Fraser nach Abbotsford. Auf der Brücke selber gab es sogar einen abgetrennten Velostreifen, was äusserst willkommen war. Der war zwar mit einer Menge Scherben bestreut, aber für etwas hat man schliesslich Schwalbe-Reifen. Ein paar Kilometer und ein, zwei Hügel weiter hatte ich Brians und Taraleighs Adresse und damit meine Bleibe für die Nacht gefunden. Wie eigentlich alle Warmshowers waren die beiden sehr sympatisch und die winzige, 4-monate alte aber fünf Wochen zu früh geborene Ella war absolut oberschnügge (81.98 km in 4:44 Stunden). Ich war schon lange nicht mehr sooo glücklich über eine Waschmaschine gewesen. Während ich zwischendrin ja mal geduscht hatte, waren meine Kleider nun von 8 Tagen Staub und Schweiss so widerlich, dass der Ekelfaktor das Anziehem am Morgen jeweils ziemlich erschwert hatte.

Am Morgen begleitete Brian mich ein kurzes Stück und schickte mich dann auf der richtigen Strasse in Richtung Vancouver. Vielen Dank für den angenehmen Abend/Nacht in Abbotsford. Entgegen dem Wetterbericht, den ich nur kurz zuvor angeschaut hatte, und der Sonne versprochen hatte, war alles grau und trist und es regnete ganz leicht. Nicht stark genug um irgendwelche Regenschütze zu montieren und nicht mal stark genug, um so richtig nass zu werden. Aber es hätte mich ja gewundert, wenn ich hätte nach Vancouver fahren können, ohne dabei wenigstens nur feucht zu werden. Es war platt, abgesehen mal von der einen oder andere leichten Welle im Gelände. Es gab da viele Gärtnereien, die Büsche und Bäumli und ähnliches verkauften, sonst gab es nicht sehr viel zu sehen. Der Fraser Highway hatte mit wenigen Unterbrüchen einen Velostreifen, was ich zu schätzen wusste und was mir das Leben deutlich erleichterte. Ein anderer Velofahrer verursachte mir fast einen Herzinfarkt als er mich überholte und gleich darauf fast von einem schnell aus einer Ausfahrt kommenden kleinen Lastwagen über den Haufen gefahren wurde. Genau, ist das nicht der Albtraum eines jeden Ciclistas, sei er Sonntagsausflügler, Pendler oder Tourero?!?

Als ich via Patullo Bridge über den Fraser River musste, wurde es dann aber auch für mich unangenehm. Vierspurig mit non-stop Verkehr und keinen Seitenstreifen mehr. Ein genervter Autofahrer schrie mich irgendwann an, es gäbe einen Sidewalk, was ich bis dahin auch gesehen hatte. Leider war der aber auf der anderen Seite, vor der Brücke nicht signalisiert gewesen und nun unerreichbar. So blieb ich halt auf meiner Seite kleben und hoffte, die über einen Kilometer lange Brücke unbeschadet überqueren zu können. Was auch klappte, nur wurde es danach erst mal nicht besser. Ein steiler Hügel wartete auf mich und von einem Seitenstreifen träumte ich immer noch vergeblich. Ich schlüpfte mal kurz von der Strasse weg in einen Park um Pause zu machen und hatte danach ja eigentlich keine Marathon-Strecke mehr vor mir. Auf dem Kingsway fragte ich zwei Polizisten nach einer Strasse, die sich erfolgreich meiner Entdeckung entzog, erhielt auch Wegbeschreibungen, suchte danach aber trotzdem noch einmal da die blöde Strasse nur ein ganz winziges Namensschild mit Pfeilchen hatte. Gegen halb vier Uhr hatte ich dann aber McGregor Street erreicht und kurz darauf Billies Haus gefunden. Damit ist der Amerika-Teil der Reise abgeschlossen. Aus, vorbei, fertig! Diese Tagsache wurde von der Ankuft im Haus von Freunden sehr gut vertuscht, Tatsache ist aber, dass die Amerikas hiermit echt abgeschlossen sind, was nichtgerade für Freudenschreie sorgt.
...

Spiral-Kartoffel am Night Market.

Habe nun einige Tage in Vancouver verbracht, ziemlich busy mit Velo waschen, Sachen flicken, im Gepäck Ordnung schaffen, packen etc. etc. Gemäss telefonischer Auskunft beim Flughafen kann man dort keine Bike Boxen kaufen, habe also bei einem Bike Shop eine besorgt. Die war aber überraschend klein, so dass ich nicht nur das Vorderrad rausnehmen konnte und fertig. Musste den Lenker rausnehmen, Lowrider und Schutzblech abmontieren und auch den Sattel rausnehmen damit alles passt. Der Vorteil davon ist, dass diese Box leichter in's Auto passen wird, was am Flughafen einiges erleichtern wird. Habe gerade den Wetterbericht für Madrid gecheckt, sieht für den Rest der Woche gar nicht toll aus, ab Montag besser. Wäre ja nicht ernst zu nehmen, dass wir in Kanada kaum je nass wurden und dann in Spanien non-stop verpisst werden. Aber gut, wir werden ja sehen. Jetzt heisst es erst mal Abschied nehmen nicht nur von meiner Gastfamilie hier in Vancouver sondern von den Amerikas überhaupt. Das ist schon ein komisches Gefühl, viel extremer als der Wechsel von Lateinamerika in die Staaten. Es fühlt sich an, als sei nun Schluss, die vielleicht etwa zwei Monate, die wir bestenfalls in Europa rumkurven werden, zählen irgendwie kaum. An den Alltag, an den man sich danach wieder wird gewöhnen müssen, möchte ich im Moment noch gar nicht denken...

Montag, 17. September 2012

Banff - Kelowna: Freut euch des Lebens!


Bevor ich Banff verlassen konnte, musste noch ein Problem gelöst werden. Da Martina in Prince George angekündigt hatte, sie werde von Banff aus nach Edmonton fahren, musste ich mir von zu Hause mein Zelt schicken lassen. Das hatte soweit geklappt und das Paket wartete in Banff auf der Post schon auf mich. Soweit so gut. Mami und Papi, danke für das schnelle schicken! Wie sich aber herausstellte, fehlten Stangen und Heringe. Hmmm, was nun? Die express nachschicken lassen? Es war Samstag Abend, vor Montag würde da gar nichts gehen und vier bis fünf Tage würde das vermutlich auch dauern. Stangen im Dorf kaufen? Aber verkauft den jemand einfach nur Stangen ohne Zelt dazu? Das galt es herauszufinden und schon der erste Laden hatte Zeltstangen im Sortiment. Nun aber natürlich nicht genau die gewünschte Länge und auch nicht schön leichte Alu- sondern ziemlich schwere Plastikstangen. Die sich aber immerhin gut absägen liessen, dass die eine Stange etwas zu kurz war, liess sich nicht ändern. Heringe zu finden, war auch kein Problem. Im Grossen und Ganzen war das Problem also überraschend schnell „gelöst“, bzw. für die Strecke bis nach Vancouver brauchbar improvisiert.

Nach einigen Tagen in Banff, inkl. Einem Besuch der heissen Quellen, hiess es dann Abschied nehmen. Von Martina vorübergehend, von Alvaro definitiv. Der Clown war schliesslich auf dem Weg nach Ushuaia, sehr schnell werden wir uns also nicht mehr über den Weg laufen. Es war unterhaltsam gewesen, mit ihm zu fahren, auch wenn mir seine Weigerung, irgendwelche Nationalpark-Regeln zu akzeptieren, mit der Zeit etwas auf die Nerven gegangen war. Ich war nun gespannt, wie es sich anfühlen würde, nun alleine unterwegs zu sein, sich auf niemanden mehr „eintunen“ zu müssen und tun und lassen, was mir gerade einfällt. Was natürlich auch heisst, jeden Entscheid selber zu treffen und alles, das erledigt sein will, selber zu machen. Ein kurzer Besuch im Safeway stellte die Versorgung mit Brot für die nächsten zwei Tage sicher und schon ging es los, zurück in Richtung Lake Louise. Den ersten Teil der Strecke kannte ich, auf dieser Strasse waren wir nach Banff gekommen.

Vermillion Lakes am Morgen.

Dass ich hier leichten Gegenwind haben würde, war anzunehmen gewesen, auf dem Hinweg hatten wir einen Rückenhauch gehabt. Bei Castle Rock bog ich auf den HWY 93 ab und nun ging es auf den etwas über 1‘600 m hohen Vermillion Pass hinauf. Um das etwas amüsanter zu machen, blies der Wind nun aus allen Rohren, selbstverständlich immer noch von vorne. Auf dem Weg nach oben entdeckte ich zwei Ciclistas vor mir, die auf der Passhöhe oben auf mich warteten. Sonia und Manfred aus Würzburg. Im Weiterfahren plauderten wir etwas und als sie bei einer Raststätte anhielten, flitzte ich weiter den Hügel hinunter. Da die Strasse nun langsam die Richtung änderte und sich gegen Süden drehte, hätte ich eigentlich angenommen, dass ich irgendwann Rückenwind haben würde. Dieser Luft war die Himmelsrichtung jedoch scheissegal, sie blies ganz einfach dem Tal nach, ergo war nichts mit Rückenwind.

In Banff hatte ich die Kilometerangaben der Karte zusammengerechnet und bin auf knapp 1‘400 km bis Vancouver gekommen. Bei einem Durchschnitt von 70 km pro Tag würde das 20 Tage dauern und ich hatte etwas mehr als einen Monat bis zu meinem Flug am 1. Oktober. So konnte ich es also gemütlich nehmen und als ich kurz nach 16 Uhr ein Strässchen entdeckte, das aussah als führe es zum Vermillion River hinunter, ging ich das auskundschaften. Ich befand mich nun im Kootenay National Park und Wildcampen war immer noch illegal, viele Optionen blieben mir allerdings nicht, wenn ich keine teure Lodge bezahlen wollte. Wollte ich nicht und so entschloss ich mich, mich an diesem wunderschönen, ruhigen Örtchen niederzulassen. Der Fluss war zwar nicht in Sichtweite, dafür hatte ich meinen privaten kleinen Bach. Freut euch des Lebens... (70.69 km in 4:29 Stunden). Eine unangenehme Überraschung erwartete mich, als ich das Zelt aufstellte und sah, dass viele der unzähligen Flicken, die Exped auf meinen durchlöcherten Zeltboden geklebt hatte, schon wieder weg oder sich am ablösen waren. Ist denn dieses Oberhabasch-Unternehmen zu überhaupt nichts in der Lage?!? Die Matten platzen am Laufmeter, Reissverschlüsse gehen kaputt und Zeltböden sind schon nach einem halben Jahr Gebrauch futsch und diese Waschlappen bringen es nicht mal fertig, das tauglich zu flicken!?! Muss zugeben, bin langsam aber sicher frustriert und werden den Damen und Herren ein entsprechendes Mail schicken. Nicht, dass ich eine konstruktive Antwort erwarte aber diese Leistung ist einfach zu schwach um das kommentarlos hinzunehmen.

Ranger bzw. Wardens tauchten in meinem hübschen aber illegalen Campspot keine auf, in der Nacht stolperte jedoch jemand oder etwas über die Zeltschnüre. Wer wohl da draussen rumschlich? Als ich am Morgen aufstehen sollte, dauerte es etwas länger bis ich es schaffte, aus den Federn zu kriechen. Ich hatte gerade mal 5 °C im Zelt. Ziemlich genau 0 °C waren es draussen und das Eis, das ich vom pflutschnassen Zelt abkratzte, sprach deutliche Sprache. So war ich dann erst mal eine Weile damit beschäftigt, mit meinem coolen Zeltschwamm ebendieses Zelt zu entnässen. Dieses wirklich äusserst saugfähige Teil war in dieser Situation Gold wert. Liess das Hüttchen dann stehen und hoffte, dass die Sonne das mit dem fertig trocknen übernehmen würde. Als ich meine wie immer in der Gegend verstreuten Sachen zusammensuchen ging, entdeckte ich weitere Hinweise auf den nächtlichen Zeltschnur-Stolperer. Wer bzw. was es war, werde ich nie wissen, ich wette aber, dass es derselbe Typ gewesen war, der meinen Kocher und Pfanne verstreut und eingesabbert und sich am Bear Vault die Zähne ausgebissen hatte. Ok, Zähne ausgebissen ist vielleicht nicht wörtlich zu nehmen, aber ganz offensichtlich hatte da ein Tier, ich unterstelle jetzt mal ein Bär, versucht, an mein Futter ranzukommen. Auch die Box war noch voller Speichel, was etwas widerlich war.

Kootenay NP-Camp.
Hat der Attacke standgehalten.

Dass diese Büchse einem Angriff standhalten würde, hatte ich ja angenommen, etwas besorgt fragte ich mich nun aber, was wohl mit dem Drybag passiert war. Der konnte keinen Zähnen standhalten, nicht mal denen einer Maus. Zu meiner Erleichterung und auch Belustigung hatte der nächtliche Besucher den Sack aber nicht gefunden. Haha, wer sagt denn, dass unsere Bärenstrategie nicht funktionierte. Da bemühte sich einer, etwas aufzukriegen, das er nie schaffen konnte und ahnte nicht, dass 50 m weiter noch viel mehr Food quasi auf dem Servierteller lag. Aber ok, auch gut. Das Wetter war schön, am Vormittag windete es kaum, was will man also mehr?

Nach knappen 10 km kam ich zur Kootenay Park Lodge, schlich mich ins Gästeklo und füllte eine Flasche auf und traf beim Rausgehen Sonia und Manfred. Wir schlossen uns für den Tag zusammen, sausten miteinander dem türkisblauen Kootenay River entlang ins Tal hinunter und strampelten gemeinsam den nächsten Pass hoch. Unterwegs sahen wir eine Elchkuh mit Kalb ziemlich nahe an der Strasse weiden mit Ranger als Bodyguard daneben. Wir hatten schon geglaubt, den Pass gebodigt zu haben, als es nochmals ein ganzes Stück hinauf ging. Auch der Wind hatte inzwischen eingesetzt, von vorne natürlich. Aber auch diese Steigung hatte irgendwann ein Ende und wenn die beiden Deutschen auch schneller bergaufpedalten, schob mich mein schweres Gepäck schneller den Berg hinunter. Einziger Grund anzuhalten, war eine Gruppe Bighorn Schafe neben der Strasse.

Elch-Kalb.
Bighorn Sheep.

In Radium Hot Springs, nun ausserhalb jeder Nationalpärke, fand Sonia, sie brauche einen Energieschub, den wir in Form von Kaffee und Glacé auch fanden. Vielen Dank ihr zwei, das Glacé war mega fein. Im örtlichen Visitor Center besorgten wir uns Karten und Info betr. Übernachtungsmöglichkeiten. Ich fand heraus, dass die Rec Site, auf die ich gehofft hatte, eine gute Velostunde entfernt war, was nicht in Frage kam. Ich würde mich also für eine Nacht auf einem Campground meinen neuen Freunden anhängen. So fuhren wir weiter hügeliauf, hügeliab bis Invermere, wo wir einkaufen gingen und rausfanden, dass der CG, auf den die beiden wollten, nur ein RV Park war. Die nächste Rec Site befand sich 5 km entfernt auf einem Hügel. Es war schon nach 19 Uhr und wir versuchten herauszufinden, was wohl das schlauste Vorgehen war, als uns ein junger Mann empfahl, entlang der West Site Road ein Wildcamp zu suchen. Das war die Strasse auf der anderen Seite des Invermere Lakes, die wir für den nächsten Tag im Auge gehabt hatten. Auch da mussten wir zwar noch einige Kilometer aus der Ortschaft fahren, aber immerhin in die Richtung, in die wir ohnehin wollten. Da uns angesichts der späten Stunde jedoch bald die Geduld bei der Suche ausging, fragten wir bei einem Haus, ob wir wohl auf deren Wiese campen dürften. „I don’t see why not“, kam die gut kanadische Antwort und wir durften sogar duschen, was wir natürlich nicht ablehnten (97.37 km in 6:03 Stunden).

Als ich am Morgen darauf den netten Herrn fragte, ob es im nächsten Dorf allenfalls eine Bibliothek mit Wifi gäbe, verneinte er, meinte aber, er habe Wifi und ich könne das gerne nutzen. Ich nahm das Angebot an und sagte tschüss zu Sonia und Mani, die weiterfahren wollten. Dass man zusammen mit einem Gesprächspartner nicht so effizient arbeitet als alleine, war soweit klar, war mir aber egal. Ich hatte es nicht eilig. David, mein Gastgeber, war sehr nett und als im Laufe des Vormittags das Angebot kam, eine weitere Nacht dazubleiben, war ich nicht wirklich überrascht. Und warum auch nicht, ich hatte genug Zeit um nach Vancouver zu kommen. Als noch sein Freund Kevin auftauchte, wurde die Sache noch unterhaltsamer. Die beiden sind Lastwagenfahrer bzw. Maschinisten und Freunde seit ihrer Jugend. David kann aus gesundheitlichen Gründen (zwei Herzinfarkte etc. etc.) nicht mehr arbeiten, Kevin war im Moment eine Art pensioniert, wird jedoch wieder arbeiten, wenn die lokale Holzfabrik im Herbst wieder öffnet. Nun, sich mit Lastwagenfahrern zu unterhalten, war mal was anderes, Kevin ist auch begeisterter Töff-Fahrer, über deren Krach man sich normalerweise eher nervt. Während die beiden an Davids Auto herumwerkelten, stellte ich mein Zelt nochmals auf,einerseits um es trocknen zu lassen, andererseits um die läppischen Flicken durch Duct Tape zu ersetzen. Über 40 runde Stücklein auszuschneiden dauerte eine ganze Weile, von den „selbstklebenden“ Typen hatte kaum einer überlebt bzw. befand sich im besten Falle im fortgeschrittenen Stadium der Ablösung. Nun rupfte ich die Deppen eben gleich alle weg.

Expeds Zeltflick-Kunst. It simply sucks!!!

Das Ziel wäre eigentlich gewesen, am folgenden Morgen aufzubrechen, ich hatte da aber so eine Ahnung und der Verdacht, dass die beiden Herren mich nicht so leicht ziehen lassen würden, bestätigte sich dann auch. Ich weiss nicht mehr genau, wie es dazu kam, aber als ich bemerkte, dass ich noch nie auf einem Motorrad gesessen habe, konnte Kevin das nicht auf sich sitzen lassen. Er fuhr kurzerhand zu sich nach Hause und holte eine zweiten Helm und lud mich dann auf seine riesige Honda. Im Gegensatz zu all den mühsamen Harleys machte das Ding aber gar nicht so viel Lärm. Wir fetzten einmal um den Lake Invermere, stoppten um etwas gegen den Hunger zu unternehmen und als wir zu Daves Haus zurückkamen, lohnte es sich längst nicht mehr, irgendwohin zu wollen. Aber was soll’s, eine weitere Nacht in dem superbequemen Bett würde ich auch noch aushalten.

Velo-Verrat: Ausflug mit Kevin.

Wie gesagt, ich hatte es nicht eilig, musste aber langsam aber sicher doch weiterfahren um nicht später in Stress zu geraten. Kathy, Daves Frau hatte mir eine Ladung Energy Bites gemacht, Kügelchen aus Peanut Butter, diversen Körnlis und getrockneten Cranberries. Das gab zwar gleich noch mehr zu schleppen, in diesem Fall war es das aber absolut auch wert. Kathy, Dave and Kevin, thank you so much for letting me stay with you I had a great time! Es wurde fast halb eins bis ich loskam, da sich mir keine grösseren Hindernisse in den Weg legten, schaffte ich doch noch so einige Kilometerlis. Ein Halt wert war der Columbia Lake, der Ursprung des riesigen Columbia Rivers, der bei Astoria an der Oregon-Washington-Grenze in den Pazifik fliesst und den wir auf einer der längsten Brücken, die ich je gesehen hatte überquert hatten. Sonst gab es Bauernhöfe und Heuballen zu sehen. Die Rec Site, die ich anvisiert hatte, fand ich jedoch nie und schlug mein Zelt eben auf einer Kuhweide auf (70.63 km in 4:33 Stunden). An jenem Abend war Vollmond, zum zweiten Mal in diesem Monat und der war so gross und goldgelb wie selten. Megaschön, so richtige Wildcamp-Idylle.

Feuchtgebiet in der Nähe von Invermere.

Am Morgen darauf erwachte ich mich den ab dann üblichen rund 7-8 °C im Zelt auf. Nicht warm, aber soweit ok. Draussen herrschten die ebenfalls üblichen 5 °C, in Begleitung von ein paar relaxten Rindviechern. Als ich auf die Strasse einbog, kamen da gerade zwei Ciclistas angestrampelt. Wir fuhren einige Kilometer zusammen bis sich die Strasse verzweigte und die in die andere Richtung gingen. Ab jener Verzweigung hatte ich zügigen Rückenwind, kam vorwärts wie der Blitz und war total vergnügt. Bei einer Farm mit Laden stoppte ich, kaufte ein paar Früchte, teuren Käse und Tomätlis und Brötlis. Schon ging’s weiter in Richtung Cranbrook. ...Freut euch des Lebens, oder ich hau’der en Chnoche an Grind... Kurz vor der Stadt bog die Strasse auf den Crowsnest Hwy ein und ab da wurde der Verkehr ungemütlich. Und dazu drohten graue Wolken. Beim Superstore stoppte ich nochmals. Und, wie schlau ist es wohl, so ein Velo unbeaufsichtigt vor einem grossen Laden stehen zu lassen? Ich wusste es nicht so genau, konnte aber ohnehin nichts anderes tun, als das Teil wohin schliessen und hoffen, dass niemand etwas von all dem Rundherum klaut.

Nun, geklaut hatte niemand etwas, der Wind hatte aber in der Zwischenzeit gedreht und blies mir nun ganz schön kräftig ins Gesicht. Sauhund! Allzuweit wollte ich darum nicht mehr pedalen, musste aber die Stadt mit all ihren letzten Häusern hinter mir lassen. Und das dauerte noch eine ganze Weile. Im Wald folgte ich dann aber in einem unbeobachteten Moment einer schmalen Seitenstrasse und fand dort, so hübsch zwischen Bahngleis und Strasse, einen brauchbaren Platz (74.67 km in 5:03 Stunden). Wie fast überall war auch hier die Vegetation, abgesehen von den Bäumen, nicht mehr wirklich grün, sondern braun. Nur noch ein paar wenige Blüemlis brachten einige wenige kleine Farbtupfer in die Landschaft und ich sorgte mich beim kochen jeweils etwas um trockene Gräser, die hoffentlich nicht in Flamme aufgehen würden.

Gegenwind ab der ersten Minute ist nicht lustig! Aber dagegen unternehmen kann man auch nichts. So strampelte ich weiter in Richtung Süd-Südwest immer schön dem Moyie Lake und Moyie River entlang. Einige Kilometer nach dem Käffli Yahk bog ich Richtung Norden ab. Erst war‘s windstill und später mit coolem Schub von hinten. So hatte ich mir das vorgestellt, Freut euch des Lebens...! Blöderweise dauerte das nur etwa bis 14 Uhr, als meine Mittagspause um war, hatte auch der Wind gekehrt. Was ich aber hätte erwarten müssen. Rein aus Prinzip. Fand am Nachmittag einen wunderhübschen Platz an einem Fluss, konnte mich wegen den Auto- und Pferdespuren aber länger nicht entscheiden, ob es schlau sei, dort zu übernachten. Es war zwar Sonntag, am Montag aber Labor Day, ein Feiertag. Ich blieb schlussendlich doch und es kam niemand um sich dort am Flussufer zu besaufen (80.15 km in 5;02 Stunden).

In Creston werden grosse Kürbisse verkauft.

Bis Creston hatten nur noch wenige Kilometer gefehlt. Dort stoppte ich nochmals zum Futter aufladen, ging im freundlichen Visitor Center kurz ins Internet, dann ging es nordwärts auf dem Hwy 3A. Während links unten ein topfebenes Tal voller Felder lag, wand sich die Strasse dem steilen Berghang entlang, selbstverständlich non-stop auf und ab. Ein überdachter View Point bot sich zum Pause machen an, wobei es nicht so klar war, ob es in der Sonne zu warm oder im Schatten zu kühl war. Es summten aber noch fleissig Bienen und Hummeln um die wenigen Blumen, die noch blühen, so dass man gar nicht meinen könnte, dass der Sommer langsam aber sicher zu Ende geht.

West Kootenay Valley.
Immer bei der Arbeit.

Weiter ging’s, imm auf und ab, öfters mal steil und ohne Seitenstreifen. Bald lagen unten im Tal keine Felder mehr sondern der langgezogene Kootenay Lake, dem ich noch zwei weitere Tage lang folgen sollte. Am Nachmittag tauchten vor mich jene beiden Ciclistas auf, die ich schon vor Cranbrooks getroffen hatte. Als sie bei einem Lädeli stoppten, holte ich sie ein und wir fuhren zusammen bis zum nächsten Zeltplatz. Ich hatten dann aber keine Lust, für einen CG ohne fliessend Wasser zu bezahlen, auch nicht, wenn wir die sage und schreibe $ 21 teilten. So fuhr ich alleine weiter auf der Suche nach einem unoffiziellen Zeltplätzli, dass ich 3 km später auch fand (70.13 km in 4:22 Stunden). Ist noch interessant, dass es für viele „Kurzzeit-Radler“ nicht wirklich in Frage kommt, irgendwoanders als auf einem richtigen Campground zu übernachten.

Bis zur Fähre von Kootenay Bay nach Balfour blieben noch hügelige 23 km. Inzwischen brauchte ich morgens kaum mehr mehr als zwei Stunden vom Aufstehen bis zum Losfahren, d.h. ich war um 8 Uhr auf der Strasse. Und im 9.40 Uhr beim Ferry Terminal und hatte so noch eine Stunde Zeit bis die Fähre fahren würde. Auch die beiden Amis tauchten bald auf und so war die Wartezeit bald um. Auf der Fähre gab es sogar zwei kurze Stricke, mit denen man die Velos festzurren konnte. Besser das sogleich selber machen, bevor irgend ein Idiot auf die Idee kommen könnte, mein Velo zwecks Platz sparen unter einen Lastwagen zu schmeissen (wie in Nicaragua vorgekommen).

Wenn ich geglaubt hatte, die Steigungen bis dahin seien steil gewesen, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Die gut 35 km bis Kaslo waren schweisstreibend und brachten meine Knie zum schmerzen. Ich kam um 14 Uhr im hübschen historischen Städtchen an und ging mich im Visitor Center über die Region informieren. Der starke Nordwind, der wie so oft um diese Zeit aufkam, raubte mir jede Motivation, weiterzufahren. Das Problem wurde aber schnell klar: der Municipal CG kostete $ 22 für eine Site ohne Strohm und Wasser! Ähm, ehrlich, ich weiss, dass wir hier nicht mehr in Lateinamerika sind, aber solche Preise zahle ich nicht, nur um mein Hüttchen aufstellen zu dürfen. Als ich so brütend an einem Tisch am Seeufer sass, quatschten mich einige ausgewanderte Deutsche an und ich erhielt einen warmen Kaffee. Die Sonne schien zwar immer noch, mit diesem Wind war es aber unangenehm kalt. Ich musste nun aber eine Lösung suchen und hoffte, dass ich mir in über 2.5 Jahren reisen immerhin ein minimales Improvisationstalent angeeignet hatte. So fuhr ich eben doch zum Muni CG und fragte die Caretaker Lady ob ich versuchen dürfe, eine Site zu hitchen. Die Dame war äusserst nett und bot mir kurzerhand ein Plätzchen neben ihrem Trailer an. Gratis. Ja, so schwierig ist das doch gar nicht, man muss nur mit den Leuten reden (60.87 km in 4:07 Stunden). Auf dem CG gab es natürlich auch eine heisse Dusche, vier Minuten kosteten einen Dollar, und um die Sache zu toppen, lud mich meine Gastgeberin gleich noch zum Abendessen ein. Soll niemand behaupten, die Leute hier seien weniger gastfreundlich als die Latinos. Man muss nur mit etwas mehr Eigeninitiative auf sie zugehen.

Fire Hall in Kaslo.
Stern Wheeler Moyie, Kaslo.

Als die nette Lady und ihr Nachbar, der auch mit dabei war, hörten, dass ich über jene Gravel Road nach Trout Lake wollte und die Absicht hatte, unterwegs wild zu campen, waren die Leutchen allerdings recht besorgt. Das sei Bear Country und zwar nicht nur Schwarzbären sondern auch Grizzlies. Nicht, dass mich das soweit beeindruckt hätte, aber wenn zwei Leute auf einen einreden, wie gefährlich etwas ist, nun, was soll man machen. Sie, Schulbus-Fahrerin, rief kurzerhand die Lehrerin eines kleinen Dorfes rund 40 km weiter nördlich an und fragte, ob ich dort auf dem Schulgelände campen könnte. Das sei kein Problem, ob ich Lust hätte, am Morgen den Kindern etwas von meiner Reise zu erzählen? Erstens kann man da schlecht nein sagen, zweitens könnte sowas auch echt Spass machen. Kontakt zu Kindern hatte ich schon lange keinen mehr gehabt. 40 km sind zwar etwas wenig, aber wenn es so hügelig sein würde wie bis anhin, würde mich das wohl nicht weiter stören. Bis Nakusp, dem nächsten grösseren Ort, waren es 190 km, 100 km davon Schotter und ich hatte knappe vier Tage dafür veranschlagt. Das sollte so also in etwa aufgehen.

Da Kaslo angeblich bärenfrei sei, hatte ich, zum ersten Mal seit langem, mein Zeug nicht ausgeräumt, sondern alles in Taschen und Rucksack gelassen. Als ich dann aber mitten in der Nacht etwas vor meinem Zelt schnaufen hörte, fand ich das doch sehr naiv. Wäre ja oberpeinlich, wenn hier irgend so ein doofes Vieh mein Zelt aufbrechen oder meine Taschen ausräubern würde. Nachdem ich beim Nachbarzelt einen Reissverschluss gehörte hatte, war jedoch Ruhe. Die hatten den Störenfried offensichtlich verjagt. Am Morgen wurde mir dann aber bewusst, dass sie den Störenfried wohl nicht verscheucht sondern wieder ins Zelt gelassen hatten. Der Schnaufer musste deren fetter Mops gewesen sein. Yep, Wildcamps haben ihre Vorteile, keine Hunde und auch keine menschlichen Schnarcher.

Für den Morgen hatte ich von Trish, der Caretakerin die Schlüssel zu ihrem Trailer erhalten. Sie ging kurz nach 6 Uhr zur Arbeit, ich durfte es mir in ihrem Wohnwagen gemütlich machen. Und gemütlich war es. Der Trailer ist einer jener riesen Dinger und mit allen ausfahrbaren Teilen draussen ist das eine regelrechte Zweizimmer-Wohnung. Und da ich keinen weiten Weg vor mir hatte, liess ich mir Zeit und startete erst kurz vor 9 Uhr. Wie erwartet ganz schön steil und obwohl es kühl war kam ich durchaus in Schwitzen. Mann, hoffentlich ist die blöde Gravel Road etwas menschlicher. Trotzdem, es war hübsch und die letzten zehn Kilomete waren sogar flach. So war ich dann schon um den Mittag herum dort und nicht so sicher, ob ich wirklich bleiben sollte oder weiterfahren. Die dunklen Wolken in Fahrtrichtung überzeugten mich schliesslich zu bleiben und nun steht mein Zelt vor der Schule unter ein Dach (41.33 km in 3:01 Stunden). Extrem gemütlich ist es hier zwar nicht, da es aber seit einiger Zeit reget, bin ich doch glücklich, dass es hier wenn auch kalt, dann zumindest trocken ist. Auf der Wiese nebenan grast eine Hirschkuh mit zwei Jungen. Vorhin sind sie plötzlich davorgerannt, weiss nicht, was sie erschreckt hat. Die Mutter faucht die ganze Zeit so sonderbar und jetzt sind alle drei ab in den Wald.

Schul-Camp in Meadwo Creek.

Die Nacht verlief ohne Besuche von weiteren Viechern und am Morgen verbrachte ich etwa eine halbe Stunde in der Schule und erzählte den Kindern von meiner Reise. Wieviel bei denen wirklich angekommen ist, weiss ich nicht, aber sie waren auf jeden Fall herzig. Etwa um 9 Uhr setzte ich mich wieder in den Sattel und startete meine kanpp 100 km Gravel Road and Wilderness. In Meadow Creek bin ich ja nur geblieben, weil die Lady von Kaslo so besorgt war, dass ich wild campen wollte, wo es in der Region doch so viele Bären habe.Über das Dach während des Regens war ich allerdings nicht unglücklich gewesen. Nun schien die Sonne wieder und ich genoss die guten 40 km flach dem Lardeau River entlang. Am Morgen war es noch ziemlich kühl, die Kiesstrasse war aber in einem super Zustand, rundherum ein wildes Pflanzen-Gewucher und zeitweise war ich etwas an den Dempster HWY erinnert. Was auffiel, war dass es in diesem Tal noch viel grüner war als als das trockene, braune Gras vor Creston. Es blühten auch noch viel mehr Blumen und fühlte sich insgesamt weniger nach Herbst an. Abgesehen mal von den Temperaturen. Und der dunkle, blau-grüne Fluss war so schön, dass ich immer mal wieder stoppte und knipste, einfach weil es zu hübsch war um durchzuflitzen ohne anzuhalten.

Leuchtend blauer Lardeau River...
...leuchtende Blumen...
... und tausende schöne Schmetterlinge.

Als ich den Trout Lake erreicht hatte, dem Beginn des Lardeau Rivers, wurde die Strasse wurde durchschnittlich schmaler und es wurde wieder ganz schön hügelig. Im Visitor Center in Kaslo war mir gesagt worden, es sei dort steiler als die Strecke vor Kaslo. Das hatte mich etwas geschockt und besorgt, das was ich nun vorfand, war halb so tragisch. Schon steil, könnte man sagen, aber völlig in Ordnung im Vergleich zur asphaltierten Strasse vor und nach Kaslo. Vorbei ging’s an zwei „Geister-Wasserfällen“, die im Wald aus der Distanz fast gespenstisch wirkten, erst einige Male auf und ab und dann stieg die Strasse an auf eine Art Pass, von wo es dann wieder bergab zum See ging. Dort, einige Kilometer vor dem Dorf Trout Lake fand ich einen genialen Spot am See, der sich, wie sich herausstellte, auch perfekt zu baden eignete. Kühl genug um kalt zu sein, aber doch warm genug um nicht gleich wieder rauszuspringen. Freut euch des Lebens, aber es Bitzeli gschwind...!

Ein weiterer Morgen begann, kühl aber sonnig, wie gehabt. Etwas mehr als 15 km Schotter, dann rollte ich schon wieder auf Asphalt. Und hinauf auf einen Pass. Nicht schlecht, so wurde mir wenigstens warm. Als ich oben das Schild sah, das ein 5 km langes Gefälle von 10 % versprach, zog ich mich wieder wärmer an und flitzte dann den Berg hinunter wie schon lange nicht mehr. Einige Kilometer nachdem ich auf den HWY 23 eingebogen war, traf ich ein Ciclista-Paar, die mir heisse Quellen empfohlen. Nicht welche mit Eintritt und allem Drum und Dran, sondern naturbelassene. Wie weit vom HWY entfernt die waren, konnten sie allerdings nicht sagen. Etwa eine halbe Stunde, inkl. etwas schieben. Er hatte einen Anhäger, sie kein Gepäck, ich würde also um einiges länger brauchen um die warmen Tümpel zu finden. Ich hatte schon vermutet, ich hätte das Strässli verpasst, als ich aber den erwähnten übermalten Schriftzug „St. Leon“ am Boden sah, entschloss ich mich, da hinaufzufahren. Dass auch ich schon bald abstieg und schob, überraschte mich nicht wirklich, ich war ja vorgewarnt. Trotzdem, ein vollbeladenes Tourenvelo über eine steinige Strasse den Berg hochzuschleppen hatte noch nie Spass gemacht. Als ich auf einem flachen Stück jemanden sah, der mir sagen konnte, dass es von dort aus etwa 20 Gehminuten waren, klang das erst nicht allzu schlecht.

Trout Lake.

Ausser, dass ich vermutlich langsamer war als ein normaler Spaziergänger, da ich bald wieder schob und zerrte. Und weiter schob und zerrte. Die Velofahrer hatten eine Art Pullout erwähnt, wo Kinderspielzeug herumliege, und danach hielt ich Ausschau. Vergebens. Zwischendrin konnte ich ein paar hundert Meter fahren, dann wurde die Strasse immer übler. Ich machte Pause und ass etwas und zog mein Velo dann weiter durch Kies und Steine. Und fand die Idee inzwischen ziemlich dämlich, aber ich war nun so weit oben, wer will da schon umkehren. Bis der ganze Müll irgendwann keinen Sinn mehr machte und ich trotzdem umdrehte. Und mein Velo wieder bergab schob, auf diesem Untergrund wäre ich fahrend nirgendwohin gekommen. Weiter unten konnte ich wieder aufsitzen und bergab ging es nun schneller vorwärts. Nach einer Weile stoppte ein entgegenkommendes Auto und der Fahrer fragte mich, ob ich bei den heissen Quellen gewesen sei. Ich verneinte, ic h hätte sie nicht gefunden. Ich solle ihm nachfahren, wir seien fast da. Haha, sehr witzig! Ich kehrte also wieder um und es waren tatsächlich nur ein paar hundert Meter zurück. Da lag als Markierung ein T-Shirt am Boden und ein schmaler, steiler Weg führte hinunter zu dem warmen Wasser. Da gab es drei Becken mit unterschiedlichen Temperaturen, die recht cool in den Wald und die Felsen integriert waren. Und es war niemand sonst da. Freut euch des Lebens....

Elende Schutthalde von einer "Strasse".

Ich war zwar ziemlich frustriert, dass ich das mit der Wegmarkierung nicht geschnallt hatte, aber ich hatte schliesslich schon so viel Gerümpel an Strassenrändern liegen sehen, dass das für mich icht offensichtlich gewesen war. Und nun war ich ja da, also was soll’s. Nach einigen Minuten im heissen Becken zog ich schliesslich um ins Mittlere um nicht völlig zu überhitzen. Allzulange konnte ich eh nicht mehr bleiben, ich musste schliesslich noch einen Pennplatz finden. Was sich schlussendlich als nicht weiter schwierig herausstellte und es hatte sogar einen kleinen Bach da. So kaputt war ich schon lange nicht mehr gewesen, einerseits vom Velo den Berg hinauf fugen, andererseits vom heissen Wasser (67.45 km in 5:32 Stunden). Der nächste Tag wurde dafür recht easy. Bis Nakusp waren es nur noch rund 25 km und ich hatte von Trish von Kaslo den Namen von Freunden erhalten, wo ich übernachten könne. Da die Leute nicht zuhause waren, ging ich erst zum Visitor Center, wo eich ein Ciclista Paar traf, mit denen ich dann einige Zeit lang rumhängte. Später waren auch meine Gastgeber wieder da und ich bekam nicht nur einen Zeltplatz im Garten sondern gleich ein gemütliches Zimmer (26.47 km in 1:52 Stunden). Duschen war wie immer cool, frische Kleider noch viel mehr, nach neun Tagen sahen und rochen meine Hosen und T-Shirt nicht mehr gerade salonfähig.

Netterweise durfte ich zwei Nächte bei Janice und Wilf bleiben, was ich sehr zu schätzen wusste, da dies sei Invermere mein erster Pausentag war. Rumhängen, compüterle aber nicht viel tun müssen, war gerade richtig, besonders da das Wetter im Moment nicht sonderlich gut gelaunt war. Auf eine Stellungnahme von Exped betr. Ihrer „Flickkunst“ wartete ich vergeblich, was nicht weiter überrascht. Bei deren „Kundendienst“ kennt man mich nachdem ich mich in zwei Jahren zweimal über kaputte Matten beklagt hatte. Wirklich interessiert hatte das nie jemanden und dass deren Einstellung zu ihren Kunden plötzlich ändert, ist ja nicht zu erwarten. Finde ich krass, von einem Schweizer Unternehmen würde man etwas anderes erwarten. Transa war auch diesmal äusserst zuvorkommend und hat mir die Matte, die ich in Whitehorse gekauft hatte, bezahlt. Und das ohne, dass ich das defekte Teil hätte zurückschicken müssen. Da ist auch klar, wessen Sympathie punkten kann und wessen Image immer mehr leidet. . Etwas verwirbelt wurde der Ruhetag von Martinas Wunsch, unseren Flug zu verschieben. Es sei ihr langweilig in Edmonton. Nachdem die Kontaktaufnahme erst nicht recht funktionierte, skypten wir am späteren Nachmittag und einigten uns darauf, dass sie unseren Flug maximal eine Woche vorverschieben und ich meine Route nach Vancouver entsprechend anpassen würde da die Zeit für das ursprünglich geplante Zick-Zack nun nicht mehr reichte.

Als ich am Montag Morgen aufbrechen wollte, stellte der Himmel die erste Verzögerung sicher. Es pisste nicht nur sintflutmässig, da zogen Windböhen durch’s Land, die mich locker vom Velo hätten fegen können. Etwa um halb zehn konnte man dann glauben, dass das Unwetter vorüber war. Sogar etwas blauer Himmel schien zwischen den Wolken hervor. Prächtig. Janice und Wilf, thanks for the cozy two nights in your house and the awesome food. And Trish, thank you for making that contact. Nach einem kurzen Stopp im Laden, wo es gute Vollkornbrötli im Angebot gab, ging es los. Ursprünglich wäre Castlegar der nächste Zielort gewesen, da ich nun abkürzen musste, steuerte ich Vernon und Kelowna an. Immer schön auf und ab dem blau-grünen Arrow Lake entlang, ab Burten flacher, dafür mit viel Wind.

Na toll!
Leuchtend blauer Arrow Lake.
Fähre bereit zum borden.

Bis zur Fähre waren es 59 km, die ich in etwa vier Stunden schaffte. Als ich dort ankam, warteten schon einige Autos und gleich darauf konnten wir für die nur kurze Überfahrt borden. In der Rest Area auf der anderen Seite gab es Zmittag und dann strampelte ich für den Rest des Tages bergauf. Fast jedenfalls. Es begann ganz schön steil, zwischendrin war’s länger flach und dann wieder rauf. Bis Kelowna, wo ich mir eine WS-Unterkunft organisiert hatte, waren es von Nakusp aus 246 km, was in drei Tagen etwas mehr als 80 km pro Tag ergab. Als ich nach 77 km aber in einer Seitenstrasse zwei Gebäude sah, ging ich mir das anschauen (77.08 km in 5:20 Stunden). Sah aus, wie Lagerschuppen für den Strassenunterhalt. Oder so. Bei einem war die Front offen, beim anderen nur eine Tür. Dort drin lag zwar einigen Grümpel, den ich aber zur Seite räumen konnte. Danach putzte ich mit ein paar zusammengefalteten Blättern Papier etwa eine halbe Stunde lang den Boden, dann war mein Haus für die Nacht bezugsbereit. Angesichts der dunkelgrauen Wolken am Himmel könnte so ein Dach noch praktisch sein. Diese Vermutung bestätigte sich im Laufe des Abends. Die Garage nebenan diente als Kochhaus, wo ich auch meinen Food-Sack im Dachgerüst aufhängen und den Bear Vault lagern konnte. Ziemlich luxuriös. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ohne Zelt nur auf Tarp und Matte zu schlafen. Als es aber schon am Nachmittag bei einem rechten Regenguss da und dort auf den Boden tropfte, war die zusätzliche Hütte bald bereit.

Am Morgen schien die Sonne, der kalte Wind machte aber bald klar, dass ich mir den grössten Teil der aufgeschmierten Sonnencreme wohl hätte sparen können. Ich montierte sogar meine Armwärmer, und das für bergauf. Und bergauf ging es für die nächsten 30 km. Erst nicht so steil, später schon. Die letzten rund 8 km waren relativ flach, dann hatte ich den Monashee Pass mit seinen 1‘241 müM erreicht. Dort, 48 km ab der Fähre, befand sich auch die Lost Lake Rest Area, ein hübsches bewaldetes Plätzchen mit Sites wie auf einem Zeltplatz. Und ohne Camping-Verbotsschild. Nach einer kurzen Pause fuhr ich aber weiter in der Hoffnung und Annahme, dass es nun bald bergab gehen würde. Damit hatte ich mich geirrt. Es blieb noch einige Zeit flach, dann kam tatsächlich eine kurze und steile Bajada, dann war es wieder flach und ging sogar wieder bergauf. Und auf und ab. Vorbei an einem dampfenden See. Das kam mir komisch vor. Ich meine, es war schon kalt, aber dass das Wasser gleich dampft?

Irgendwann kam dann die ersehnte Abfahrt. In kurzen, steilen Abschnitten, dazwischen flach und Gegensteigungen. Und viele Rehe auf den Wiesen neben der Strasse. Vor Lumby galt es nochmals, eine längere steile Steigung zu bewältigen. Als ich dann aber fand, nun sei langsam genug, befand ich mich wieder mitten in Landwirtschafts-Gebiet ohne Möglichkeit, irgendwo unentdeckt zu zelten. Klar, ich hätte auf einem Bauernhof fragen können, aber bekanntlich birgt das gewisse Risiken. Ich wollte am folgenden Morgen ja zeitig losfahren können und nicht mehr steckenbleiben. Unmittelbar vor dem Dorf sah ich einen schmalen Spazierweg, dem ich nach erstem Zögern folgte. Er führte in eine Art Naherholungsgebiet, wo ich auf einer Wiese tatsächlich einen brauchbaren Nistplatz fand (93.43 km in 6:41 Stunden).

Auf dem Pass oben hatte ich Überreste von kürzlichem Schneefall gesehen, aber dass es auch in so viel tieferen Lagen unter Null Grad werden würde, hätte ich nicht gedacht. Es dauerte am Morgen aber wieder einmal etwas länger bis ich aus den Federn gekrochen war. Interessanterweise ist es aber jeweils, sobald ich mal angezogen und in Bewegung war, kein Problem und ich frohr nicht wirklich. Abgesehen von kalten Händen, die Eis auch von der Innenseite des Aussenzeltes abkratzen mussten. Da das alles seine Zeit brauchte, war ich recht spät dran, musste dann noch einkaufen gehen und ich Visitor Center nach der Umfahrung der Stadt Vernon fragen. Kurz vor 10 Uhr kam ich dann aber los und erst mal stellten sich keine grösseren Hindernisse in den Weg. Relativ flach ging’s wieder durch Landwirtschaftsgebiet, was bewässert wird, ist grün, alles andere braun.  Die vertrockneten Hügel erinnerten etwas an Mexiko oder auch Kalifornien im Winter.

In Kalifornien sah es ähnlich aus.

In Coldstream bog ich dann vom HWY 3 ab und fuhr durch’s Dorf. Erst etwas bergab und danach, wie Janice in Nakusp mich gewarnt hatte, ging es wieder bergauf zum HWY 97 in Richtung Kelowna. Aber mit Velostreifen, sehr fortschrittlich. Der HWY 97 zwischen Vernon und Kelowna war stark befahren und für Ciclistas darum nicht sonderlich angenehm. Der Seitenstreifen war zwar tauglich, wirklich spassig war’s aber nicht. Auch die Aussicht auf den blauen Okanagan Lake konnte daran nichts ändern. Nach einer ersten Steigung ging es mehrheitlich flach oder bergab weiter bis die Strasse auf Höhe des Sees war. Dort gab es einige Dörfer und die 4-spurige Autobahn verengte sich auf 2-spurig und auch mein schöner Seitenstreifen löste sich fast in Luft auf. Gar nicht gut. In Lake Country stoppte ich um zu essen und bald darauf war die Strasse wieder breiter. Ab dem Flughafen gab es sogar wieder einen separat ausgeschilderten Veloweg. Das hilft im Stadtverkehr natürlich immer. Ich hatte ein kleines Touri-Büechli über Kelowna inkl. tauglichem Stadtplan und so fand ich die Adresse meiner WS-Hosts ohne weitere Probleme (72.59 km in4:21 Stunden).

Veloweg, sehr vortschrittlich!
Hier fürchtet man sich nicht vor anderen Religionen.

David und Alayna, ein ganz junges Paar, waren herzliche Gastgeber mit witzigem Hund und Katze. Von David kriegte ich auch ein paar Tipps zum Kettle Vallay Rail Trail und die Warnung, dass mich da eine 8 km lange, krasse Steigung erwartete. Schöne Aussichten.