Dienstag, 23. Oktober 2012

Madrid - Pamplona: Immer no Schoggisucht


Am 12. Oktober war es dann endlich so weit: wir waren bereit für den letzten Abschnitt unserer Reise, von Spanien über Frankreich in die Schweiz. Gemäss unseren Berechnungen/Schätzungen sind das um die 2‘000 km, die wir in plus/minus sechs Wochen abstrampeln wollen. Ushuaia – Vancouver waren rund 30‘140 km gewesen. Sehr weit erschien uns die Distanz in die Schweiz also nicht mehr. Alicia y Alvaro, muchisimas gracias por todo, ustedes son estupendos! Pasamos un muy buen tiempo en Boadillo del Monte y esperamos verlos un dia en Suiza. Tambien mucho suerte con todos sus proyectos! Ja, in der Tat waren Alicia und Alvaro unschlagbare Hosts, die uns mit viel Rat und Tat zur Seite gestanden sind.

Nun ging’s also los. Alicia hatte uns den Weg aus dem Dorf erklärt und so war es kein Problem die richtige Strasse zu finden. Im Vorbeiweg tankten wir noch Benzin und dann waren wir komplett. Die ersten Kilometer brachten nur leichtes Auf und Ab aber davon wir liessen uns nicht täuschen. Wir wussten, dass wir das Sistem Central durchqueren mussten und dass das mit vielen steilen Steigungen verbunden sein würde. In Brunete fanden wir den Wasserturm, der uns als Orientierung dienen sollte und an dem vorbei ein Feldweg ins nächste Dorf führte. Nach Quijorno begann bald eine lange Steigung und wir hofften, dass die grau drohenden Wolken nicht ernst machen würden. In Navalagamello machten wir auf dem Dorfplatz Pause und wurden schon bald von einer Gruppe Jungs in Beschlag genommen, die uns alle möglichen und unmöglichen Fragen stellten. Was auffiel, war, dass die Kinder hier viel mehr mitdenken als selbst die Erwachsenen anderso und sie schienen sogar eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, wo Argentinien liegt.

Neugierige Chicos in Navalagamello.

Weiter ging’s, immer bergauf. In Fresnedillas de la Oliva verpassten wir eine Abzweigung und da es bergab gegangen war, mussten wir das alles wieder zurück. Die richtige Strasse führte selbstverständlich weiter bergauf und immer weiter bergauf bis auf einen Pass. Mir taten die Knie und Oberschenkel weh vom vielen bergauf fahren dass sich meine Beine nach der längeren Pause nicht mehr gewohnt waren. Gleich nach dem Pass machten wir Mittagspause und freuten uns auf die Abfahrt nach Robledo de Chaleva. Dort fragten wir beim ersten Zweifel nach und fanden so die Abzweigung nach Valdemaqueda auf Anhieb. Zu unserer Überraschung ging es nochmals ein ganzes Stück bergab, dann aber, wie immer, auch wieder aufwärts. Da wir einigermassen kaputt waren, fragten wir bei einem Campingplatz nach den Preisen. E 5.25 / Person plus E 4.50 / Zelt war uns aber zuviel. So pedalten wir weiter den Hügel hinauf, tankten im Dorf Wasser und suchten uns einen unoffiziellen Campspot. Den wir auch fanden, versteckt am Rand eines wunderschönen Pinienwaldes und da es erst etwa 16.30 Uhr war, auch noch mit Abendsonne. Ein Plus war, dass wir weit genug von der Strasse weg waren, um vom Lärm kaum mehr gestört zu werden (55.57 km in 4:34 Stunden).

Tagebuchschreiben im Wald-Camp.
Thematisches Abendessen.

Wir hatten eigentlich um 7 Uhr aufstehen wollen, irgendwie klappte das aber nicht. So wurde es eben halb acht. Trotzdem waren wir um 9.15 startklar, in der morgendlichen Kälte noch mit einigen Schichten bewehrt. Da es aber erst mal kurz bergauf ging, wurde uns bald warm. Schon folgte aber eine Abfahrt ins Dorf El Hoyo de Pinares, wo wir, nach gerade mal einer Stunde, kurz Pause machten und etwas assen. Kornflakes taugen als Frühstück offensichtlich nicht sonderlich viel. Und dann, wer hätte das gedacht, ging es wieder bergauf. Schön steil und mit schönem Sonnenschein. Die Landschaft war eigentlich recht cool mit ganzen Feldern von runden Felsen und dazwischen grosse, schöne Bäume. Die unzähligen Motorrad-Fahrer, die uns rücksichtslos und laut dröhnend um die Ohren flitzten, begannen allerdings langsam zu nerven.
Foto Schild Motorradfahrer.

In Navalperal de Pinares assen wir um 12.20 Uhr ungewöhnlich früh Zmittag. Bei einer Tankstelle füllten wir anschliessend unsere Wasserflaschen, da uns eine 25 km lange Strecke mit zwei Pässen aber ohne Ortschaften bevorstand. Momol, scho no krass... Und schon ging es wieder bergauf, diesmal aber auf einer schmalen Strasse praktisch ohne Verkehr. Wunderbar. Schon lange hatten wir gesehen, dass da oben Windmühlen standen, die im Unterschied zu jenen in Lateinamerika auch funktionierten. Als wir auf dem Pass Porto de la Lancha, 1‘485 müM, ankamen, sahen wir, dass auch der nächste Hügel mit weissen Propellern verziert war. Aber erst mal flitzten wir ins Tal hinunter, wo ein Fluss sogar noch Wasser führte. Das hatten wir noch nicht oft gesehen, bis jetzt waren fast alle Flussbetten ausgetrocknet gewesen.

Achtung Töfffahrer oder Töfffahrer, passt auf???
Ungefähr so sah es tagelang aus.
Bergrücken sind kilometerlang mit Molinos verziert.

Nun folgte der letzte Anstieg des Tages, hinauf zum Pto. de la Curz de Hierro mit 1‘467 müM. Die Rinder und Pferde die neben der Strasse weideten, trauten uns nicht und zogen Leine, die Windräder schienen nicht weiter beeindruckt und drehten sich gemütlich weiter. Auf dem letzten Pass des Tages gab’s nochmals eine kurze Pause und schon fetzten wir hinunter in die Ebene. Wir wussten nicht genau, wie einfach oder kompliziert es da unten sein würde, einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Wir fuhren bis ins Dorf Villacastin, v.a. um Wasser zu tanken. Auf dem Weg aus dem Dorf heraus sahen wir jemandem auf einem Fussballplatz arbeiten und gingen fragen, ob man dort allenfalls zelten dürfte. Nein, war die Antwort, aber daneben auf dem unbenutzten Gelände des Viehmarktes sei das möglich. Dort stellten wir nach einigem Zögern unsere Hütte auf und niemand der zahlreichen Spaziergänger, Töfffahrer und Frisbee-Spieler sagte oder fragte auch nur irgend etwas (61.03 km in 5:21 Stunden).

Morgens um 6.15 Uhr begann es zu regnen und ich fragte mich schon, ob das schöne Wetter nun vorbei sei. Der Spuk dauerte aber nur ein paar Minuten und als wir aufstanden, war der Himmel wieder klar. Wir starteten auch noch bei Sonnenschein, bald wurde aber klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis wir nass werden würden. Wir zielten nämlich genau dorthin, wo die dunklen Wolken lauerten und die grauen Schleier waren unmissverständlich. Erst genossen wir aber nochmal ein paar Abfahrten und auch die Steigungen dazwischen waren gar nicht so schlecht, weil die uns wieder aufwärmten. Als wir von der Hauptstrasse abbogen, wurde die Landschaft bügelbrett-flach und um uns herum waren nur noch abgeerntete Felder. Durch das Dorf Abades fuhren wir hindurch, in Valverde del Majano entschieden wir uns, in einer Bar einen Kaffee zu trinken. Und weil es so fein klang, bestellten wir noch Sandwiches Mixtos con Huevo. Zum Kaffee, der hin standardmässig in kleinen Espresso-Tässlis serviert wird, erhielten wir noch zwei Stücklein Tortilla, im Preis inbegriffen. Auch die Sandwiches beeindruckten uns, dreistöckig, mit frischem Spiegelei und so richtig fein.

Mmmmm, jamm....

Als wir aus der Bar rauskamen, begann es zu regnen und gleich darauf zogen wir die gesamte Montur an. Wir unterquerten eine grössere Strasse, passierten die kleine Ortschaft Valseca und kreuzten eine Autobahn, dann befanden wir uns wieder im Land der kleinen Strässchen. Und der starke Regen liess langsam nach und ab und zu kam fast die Hoffnung auf Sonne auf. Vergeblich allerdings. Das coolste dieses Tages war der Rückenwind, der uns das Vorwärtskommen merklich erleichterte. Der uns allerdings auch die Mittagspause im Bushäuschen neben Otones de Benjumea vermieste. Die läppische Hütte hatte nämlich keine Tür und so pustete sich uns die kalte Luft pausenlos um die Ohren. Als wir weiter fuhren, hatte sich der Schub von hinten noch verstärkt und wir flogen nur so dahin. Mit Turégano erreichten wir eine etwas grössere Ortschaft, die auch eine Burg aufzuweisen hatte. Nicht so schön in Stand gesetzt wie anderswo und mit Ringmauern, die sich im fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls befinden, aber eine Burg nichts desto trotz.

Castillo de Turégano.

Blöderweise änderte die Strasse danach leicht die Richtung und wir hatten den Wind nun von der Seite. Aber was soll’s, immer noch besser als von vorne. Später wurde es wieder nass, so dass wir vom Kaff Cabezuela nicht sehr viel sahen und in Cantalejo, wo es regelrechte Sturzbäche regnete, standen wir kurz unter in einem verlassenen Gebäude, v.a. um es als möglichen Übernachtungsplatz abzuchecken. Aber eigentlich wollten wir noch etwas weiter und der Regen beruhigte sich auch schnell wieder. Also bei der Tankstelle Wasser auffüllen und wieder aus ins Gefecht. Fuenterrebollo war das letzte von so vielen Dörfern, durch die wir im Laufe des Tages durchrollten. Ziemlicher Unterschied zu Kanada, wo man bestenfalls auf ein paar wenige Ortschaften pro Tag trifft. Seit dem ersten Tag nerven uns aber Schilder mit der Aufschrift „Coto Privado de Caza“. Was wir in etwa mit „Privatem Jagdrevier“ übersetzen, die aber überall stehen, auch bei Stoppelfeldern z.B. oder neben Weiden.

Wir fanden aber tatsächlich ein kleines Wegli ohne fiesem Schild und setzten uns von der Strasse ab. Der Boden war sandig und für Velos nicht so geeignet, aber gross eine Wahl hatten wir ja nicht. Wir fuhren ein paar hundert Meter von der Strasse weg und wanderten dann eine Weile herum auf der Suche nach dem besten Campspot. Wir hatten die Wahl zwischen Baumgruppen und vertrockneter Wiesen. Aus Wind- und Sichtschutz-Gründen bevorzugen wir immer Bäume und auch hier fanden wir ein kleines, relativ dichtes Wäldli mit bequemen Nadelboden. Als wir allerdings die Velos dorthin schoben, entdeckten wir ein weisses Auto weiter vorne. Oh Shit, der hat uns bestimmt gesehen. Wir warteten mal ab, das Auto fuhr dann aber weg und weiter passierte nichts. Wir warteten nochmals kurz ab, ob allenfalls jemand zurückkommen würde, aber nein. Also Zelt aufstellen, Zeit bis zum Znacht mit Schokolade überbrücken und mit einiger Sorge den dunklen Himmel beobachten und dann mit Erleichterung feststellen, dass das Gewitter in einiger Entfernung vorbeizieht (90.02 km in 5:22 Stunden).

Am Morgen frohren wir ganz schön, logisch bei -1°C. Die gelben Gräser waren alle mit einer glitzernden Schicht Reifen bedeckt und wir warteten sehnlichst auf die Sonne, die sich aber lange Zeit liess, hinter dem Horizont hervorzukriechen. Auch auf der Strasse, nun mit Sonnenschein, frohren wir und v.a. unsere Finger und Zehen noch stundenlang. Zu allem „Elend“ war es immer noch platt, bzw. ging sogar leicht bergab, was natürlich keine Abhilfe schaffte. In Navalilla schon wieder (Aufwärm-)Pause zu machen, wäre noch etwas früh gewesen, in San Miguel de Bernúy wären wir dazu bereit gewesen. Wenn nur das blöde Restaurant offen gewesen wäre. Stattdessen wärmten wir uns an einer längeren Steigung, was den gleichen Zweck erfüllte. Aus der erwarteten, ebenfalls längeren Abfahrt wurde nichts. Nur kurz ging’s bergab, dann platt geradeaus mit kaum einer Kurve. Im winzigen Caserio de San Jose fragten wir einen älteren Herrn, ob es im Dorf eine Bar gäbe. Nun ja, meinte er, die gibt es schon, öffnet aber erst am Nachmittag. Das Systems sei so eine Art Selbstbedienung und wer zahlen will, tut‘s, wer nicht will, tut’s nicht. Klang sympatisch, nützte uns im Moment allerdings nichts. Wir fanden aber ein sonniges aber windgeschütztes Plätzchen für unsere Pause und waren damit auch glücklich. Ja, und mit der obligatorischen Schokolade, wahlweise in Form eines Twix oder meiner grossen „Valor“-Tafel.

Eiskalter Morgen.
Altiplano Español.
Vertrocknete Sonnenblumen.

Weiter ging’s, immer noch durch leere Felder und plötzlich kam so quasi der Rest der Abfahrt. Die Hochebene endede aprupt und wir sausten hinunter zur nächsten Ebene. Valdezate liessen wir links liegen und strebten weiter in Richtung Roa. Dort planten wir, unseren WS Host in Burgos anzurufen. Die Tankstelle verfügte aber über kein öffentliches Telefon und ins Dorf hinaufzufahren hatten wir wenig Lust. Martina gelang es aber, jemandem ein Handy auszuleihen und so war das Problem gelöst. Wir wählten wieder die schmalste aller möglichen Strassen, was sich wie üblich mit wenig Verkehr auszahlte. Wir befanden uns nun mitten in Weinanbaugebiet und hätten gerne ein paar Trauben geklaut, es waren aber immer Leute in der Nähe mit der Ernte beschäftigt. Also keine Trauben für uns. In Anguix setzten wir uns in die Sonne und assen Zmittag. Tortillas sind ja gut und recht, wenn aber eine Füllung im Stil von Bohnenpaste fehlt, wird das Ganze etwas witzlos.

Es folgte das Dorf Olmedillo de Roa, nun wieder in hügeliger Landschaft. Wir sahen keine Reben mehr, was blieben waren die üblichen braunen und braun-gelben Felder, hier immer mal wieder von Steinhaufen oder halb verfallenen Steinhütten unterbrochen. Die nächsten Dörfer waren Torresandino und Villafruela, in Espinasa de Cerrato fanden wir einen Brunnen und füllten unsere Wasser-Reserven. Wenige Kilometer darauf fanden wir einen halbwegs sichtgeschützten Platz neben einem überwucherten Fussbalfeld (84.01 km in 5:08 Stunden). Der Bauer, der später mit seinem Traktor an uns vorbei fuhr, hatte an unserer Anwesenheit nichts auszusetzen und sonst kam niemand in die Nähe. Der Abend war kalt wie der Morgen, umso mehr genossen wir die letzten Sonnenstrahlen bevor die Sonne definitiv verschwand.

Der letzte Tag vor Burgos wäre nicht weiter erwähnenswert gewesen, wenn sich nicht irgendwelche doofen Käfer Zutritt zu unseren Magen-Darm-Sytemen verschafft hätten. Wir beide fühlten uns nicht fit, uns war mehr oder weniger übel und gut geschlafen hatte auch keine. Das einzig Positive an jenem Morgen war, dass es, da leicht bewölkt, nicht so kalt war, wohl so um die 7 °C.. Der Wind, der bald aufkam, sorgte natürlich trotzdem für einiges an Abkühlung, blies aber netterweise wieder von hinten, und das, speziell wenn’s bergauf ging, mit spürbarer Kraft. Die Landschaft war immer noch in Pastellfarben gemalt, die selben kahlen Felder, ab und zu mit einem Traktor, der die Oberfläche bearbeitete. Es reihten sich wieder einige Dörflis an der Strasse auf, zuerst Torrepadre, dann Santa Maria del Campo. Sta. Maria hatte eine jener grossen Kirchen, die eher aussehen wie eine Festung denn ein Gotteshaus. Die nächsten Käfflis waren Ciadoncha und Presencio, das eine richtige Stadtmauer mit Tor und eine Altstadt hatte.

"Stadt"tor in Presencio.

Drei, vier weitere kleine Ortschaften lagen neben der Strasse, die letzte, die wir vor Burgos so richtig wahrnahmen war Villagonzalo Pedernales. Von dort aus waren es nur noch wenige Kilometer, dann hatten wir Burgos schon erreicht. Wir fanden eine der selten gewordenen Telefonkabinen und riefen Alvaro an, einen Freund des Biciclowns, bei dem wir wohnen durften. Er stand auch kurz darauf da, fuhr dann mit dem Auto voraus und wir hinterher. Er brachte uns in eine Wohnung im 7. Stock einer grösseren Überbauung (53.40 km in 3.30 Stunden). Er und seine Familie wohnten seit einiger Zeit bei seiner Mutter, die Wohnung war also nicht bewohnt. D.h. wir hatten die Luxusbleibe für uns alleine. Auch nicht schlecht, wenn man nicht so fit ist.

Das Einzige, was wir in Alvaros Wohnung nicht hatten, war Internet. So lieh Alvaro einer Kollegin kurzerhand so ein komisches Vodafon-Gerät aus, in der Hoffnung, damit irgendwoher ein ungesichertes Netz zu empfangen. Hat aber nicht funktioniert. Also hat er bei den Nachbarn angeklopft und nach dem Passwort ihres Netzes gefragt. Und es auch bekommen, eine Internetverbindung kriegten wir trotzdem keine zu Stande. So versuchten wir es am Morgen darauf in der Bibilothek. Deren Netz ist Wifibur, bei dem man sich registrieren muss. Mit obligatorischer Telefonnummer, denn dahin wird einem das Passwort geschickt. Ich habe nun kein Telefon, Martina hatte ihres nicht dabei. Im Büro von Wifibur könne man sich registrieren lassen, auch wenn man keine Tel.-Nr. habe, meinte der Herr der Bibilothek. Nach einigen Irrwanderungen durch die Stadt fanden wir gesagtes Büro, fanden dort aber heraus, dass der Nutzer-Typ, den sie einem dort erstellen können, nur für öffentliche Plätze funktioniert, nicht aber für die Bibliothek. Nun, in Burgos ist es wegen dem dauernden Wind relativ kalt und wir sind nicht übermässig motiviert, längere Zeit draussen rumzusitzen. Beim Turi-Büro könne man sich aber einen Wifibur-Nutzer erstellen lassen, auch mit einer ausländischen Telefonnummer und das Passwort direkt erhalten. Das würde also auch ohne physisches Telefon funktionieren. Das war zumindest die Meinung der beiden Wifibur-Damen.

Eingang zur Altstadt in Burgos.
Catedral de Burgos.
Nochmals Catedral.

Wieder auf der Plaza setzten wir uns erst mal auf eine kalte Steinbank bis sich unsere Mägen wieder etwas normalisiert hatten. Die würden lieber Siesat anstatt Urban Hiking betreiben. Also zurück zur Informacion Turistica, wo wir uns zuvor schon Stadtkarten beschafft hatten. Dort schilderten wir unser Problem nochmals, ganz so simpel, wie das zuvor getönt hatte, war die Sache aber nicht. Für uns das Einfachste sei, in die Cafeteria Garbo zu gehen, dort gäbe es gratis Wifi. Nach einem Mal Nachfragen hatten wir jene Beiz denn auch gefunden, für unser unruhiges Innenleben einen Tee bestellt und das Internet getestet. Hat aber auch hier nicht funktioniert. Scheint, als hätte Burgos etwas gegen uns oder unsere Compus. Für mich allerdings fast noch frustrierender ist, dass ich nun in einer Cafeteria sitze, wo es Chocolate con Churros gäbe, ich mich aber nicht getraue, so etwas zu essen. Man will ja keine ohnehin schon wachen Hunde weiter reizen. Überhaupt gibt es hier jede Menge feiner Sachen, die auch meine seit Kanada gezüchtete Schokoladensucht weiter pflegen würden, ich habe aber keine Lust auf nichts. Ziemlich bekloppt, sowas. Und mein Card Reader funktioniert auch nur noch jedes zweite oder dritte Mal und ist damit eines jener zahlreichen kleinen Dinge, die kaputt gehen und damit vermuchlich nur eins ausdrücken wollen: es ist Zeit, nach Hause zu gehen.

... ... ...

Wir sind also einen Tag länger als geplant in Burgos geblieben, haben je eine unseren famosen peruanischen Pillen geschluckt und uns tags darauf wieder relativ ok gefühlt. Hoch lebe das Antibiotikum... naja, oder zumindest so ähnlich. Am Freitag sind wir dann, trotzt obermiesem Wetterbericht weitergefahren. Alvaro, muchas gracias por tu ayuda, especialmente por dejarnos ese apartmento estupendo, estaba supercómodo allá. Nun gut, Regen hin oder her, wir fanden den Weg aus der ja nicht sehr grossen Stadt Burgos hinaus und steuerten unsere Drahtesel in Richtung Osten mit leichtem nordwärts Drall. Das nächste Ziel hiess Pamplona. Unsere Strecke verlief mehr oder weniger dem berühmten Camino de Santiago, dem Jakobsweg entlang, wobei wir allerdings nicht den Kiesweg sondern die asphaltierte Strasse wählten. Wir sahen den Weg aber häufig, da der öfters unmittelbar neben der Strasse verläuft. Für Wanderer wohl nicht übermässig interessant.

Der Tag begann flach und sogar mit einem kleinen Stückli blauem Himmel, das sich zwar nicht durchsetzen konnte, der angesagte Regen blieb aber aus. Wir kamen durch die Döfer Castañares, Zalduende und Villamorica und dann kam erst mal ein Pass, der Puerto de la Pedraja mit seinen immerhin 1‘230 müM. So krass war das aber nicht, Burgos liegt nämlich auf etwa 800 m. Die Abfahrt nach Villafranco hinunter war zwar recht kühl und von ganz feinem Regenstaub begleitet, aber fetzig und deswegen wie immer cool. Dann hatten wir Hunger, wegen dem kalten Wind aber überhaupt keine Lust, uns irgendwo hinzusetzen, wo es keine festen Mauern ringsum hatten. So wählten wir schiesslich eine Art Restaurant oder Bar und assen dort nicht allzu teure Huevos con Chamiñones. Was eigentlich doof war, da wir wieder einmal eine riesige Menge Food mitschleppten.

Flach ging es weiter, wieder durch eine Menge kleinerer Ortschaften mit Namen, die sich eh niemand merken kann: Espinosa del Camino, Tosantes, Belorado, Castildelgado und Redecillo del Camino. Um ein grösseres Dorf, Santo Domingo de la Calzada, machte die Strasse einen grossen Bogen und verwandelte sich plötzlich in eine Autovia. Autovias stellen für uns etwas unklare Tatbestände dar, da Velos dort eigentlich nicht erlaubt sind. Nun gibt es aber Ausnahmen überall dort, wo es keine anderen Strassen mehr gibt. D.h. wenn es an der Einfahrt ein Verbotsschild hat, dürfen wir nicht rauf, wenn es keins hat, schon. Wir nahmen jetzt mal an, dass wenn wir kein Verbot antreffen, dann wird das schon in Ordnung sein. Angehupt hat uns auf jedenfall niemand und kein Polizist kam um uns runterzupflücken.

Nope, wir dürfen nicht auf die Autovía.
Felshöhlen in der Nähe von Nájera.

Entgegen dem Wetterbericht war es den ganzen Tag über fast trocken geblieben und erst als wir in Richtung Nájera abbogen, begann es zu tröpfeln. Dort fanden wir eine Alberge del Peregrino, eine Pilger-Herberge, wo wir aber nach Credenciales gefragt wurden (90.41 km in 5:05 Stunden). Die wir nicht hatten. Das führte zu einer längeren Diskussion zwischen zwei der Betreuerinnen ob, oder ob nicht, wir beide dort übernachten durften. Die eine fand, es sei ein Verbrechen, uns wegzuschicken, die andere meinte, sie würde uns ohne Credenciales nicht registrieren. Schlussendlich durften wir bleiben, was offensichtlich ein Regelverstoss war, den wir aber sehr zu schätzen wussten. Wir fütterten denn auch pflichtgemäss die Spendebox, einen fixen Preis gab es in jener Alberge Municipal nämlich nicht. So verbrachten wir also einen unterhaltsamen Abend mit einem Haufen „Pilgern“ in der gemütlichen Albergue, die mit Küche, Aufenthalts- und Essraum, mit einem 60er-Schlafraum und prächtigen, heissen Duschen ausgerüstet war. An solchen Orten gelten recht strickte Regeln, z.B. ist um 22 Uhr Lichterlöschen, frühstens um 6.30 Uhr Licht anzünden und bis 8 Uhr muss man wieder weg sein. Interessant ist allerdings schon, wie gewisse Leute völlig unbeeindruck nach Mitternacht ins Dorm reinspazieren und sich dabei in voller Lautstärke unterhalten.

60er Schlag.

Um 8 Uhr auf der Strasse zu stehen, hat gewisse Nachteile. Z.B. jenen, dass es in Spanien um diese Zeit noch fast stockdunkel ist und wir über keine starken Scheinwerfer-Anlagen an unseren Bicis verfügen und uns darum unter solchen Umständen nicht in den Verkehr wagen möchten. Also setzten wir uns in eine Bar und tranken einen eher widerlichen Kaffee. Um etwa 8.45 Uhr stürzten wir uns dann ins Gewühl. Auf Asphalt kamen wir allerdings nicht sehr weit. Bald war nämlich Schluss mit kleinen Strassen, was blieb war die Autovia mit Prohibicion de Bici und der Camino de Santiago. So holperten wir halt wieder einmal auf klebriger Kiesstrasse durch die Felder. Das gibt warm und da es noch immer nicht regnete, zogen wir die uns überhitzende Montur nach nur wenigen Kilometern wieder aus. Ein so stark bewanderter Weg bracht ausser viel „Verkehr“ den Nachteil mit sich, dass man nicht mehr jeder Zeit mal kurz hinter den nächsten Busch kann, sondern sich seine Klo-Stopps etwas genauer aussuchen muss.

Zum Glück fanden wir bald wieder ein Stück Strasse, wo wir bedeutend zügiger vorwärts kamen. Später schlichen wir uns mangels rot-weissen Schildern wieder auf die Autovia, was uns ein paar Kilometer vor Logroño mit den Cajetas de Peaja, den Mautstellen wieder verdorben wurde. Wir nahmen die nächste Ausfahrt und dann wieder den Pilgerweg ins Zentrum der Stadt. Hügeli auf, Hügeli ab kurvten wir im Slalom um teilweise ganze Herden von Peregrinos und in einem Naherholungsgebiet verirrten wir uns, wurden von hilfsbereiten Spaniern aber immer wieder auf den richtigen Weg geschickt. In Logroño fanden wir auch eine Informacion de Peregrinos und besorgten uns dort Credenciales, nur so für den Fall, dass es uns wieder in eine Pilgerherberge verschlägt. Es regnete nun schon seit Stunden wieder und wir hatten es langsam satt.

Jakobsweg, hier auf der Strasse.

Nach Logroño wurde es hügeliger, was natürlich zu erhöhter Schweiss- und damit Dampfbildung führte. Selbst sogenannt atmungsaktive Kleidung mit sämtlichen Lüftungsschlitzen geöffnet kann dem nicht vorbeugen, insgesamt war ich mit meiner NorthFace ProShell GoreTex-Jacke aber immer noch sehr zufrieden. Martina hatte sich in den USA auch eine neue NorthFace-Jacke gekauft, eine ActiveShell. Die hatte mit den USD 350 zwar nur halb soviel gekostet wie meine, wir gingen aber in aller Überzeugung davon aus, dass eine GoreTex-Jacke locker einigen Stunden Regen trotzen kann. So kann man sich wieder einmal täuschen. Wie Martina schon in Kanada vermutet hatte, hatte der Preisunterschied noch ganz andere Gründe als nur die Tatsache, dass ich meine Jacke in der Schweiz (= Hochpreisland) und sie in den USA gekauft hatte. Ihre Jacke war nämlich nach nur wenigen Stunden im Regen bis innen ziemlich feucht, meine nicht einmal nach einem ganzen Tag. Und dieser Unterschied ist nicht nur mit mehr oder weniger schwitzen zu erklären.

Es pisste also unbeeindruckt den ganzen Tag weiter weiter. Kurz nach 17 Uhr sahen wir das Dorf Villamayor de Monjardin da oben am Hügel liegen. Also gut, dann steigen wir eben auch noch auf diesen letzten Hügel hinauf. Da oben fanden wir erwartungsgemäss eine Albergue del Peregrino, diesmal aber eine mit ganz konkreten Preisvorstellungen: Euro 7 / Person plus, optional natürlich, Euro 10 für’s Abendessen (71.58 km in 5:19 Stunden). Küche zum selberkochen gab es aber nicht und sich da mit Kocher und Pfanne in den Regen hinauszusetzen war auch nicht gerade die Topvorstellung. Einen Aufenthaltsraum gab es diesmal nicht wirklich, die Duschen verhielten sich eher wie zickige Latinas, dafür waren die Zimmer viel kleiner. Wir hatten einen 6er-Schlag und nur vier Betten waren besetzt. Ok, im 60er-Zimmer tags zuvor waren auch nicht mal die Hälfte der Betten besetzt gewesen. Das Essen war für unsere Verhältnisse zwar teuer gewesen, es war aber auch wirklich gut und seinen Preis durchaus wert.

Im Regen Velos zu bepacken, die die ganze Nacht im Regen verbracht hatten, ist deprimierend. Wir hatten zwar den Tarp darüber gespannt, trocken war aber natürlich nichts, dabei hatte meine Kette schon tags zuvor den Wunsch nach Öl geäussert. Nun, bis Pamplona würde es schon reichen. Die Landschaft war wieder hügelig und wir mussten immer mal wieder nach Seitenstrassen suchen. In Estella-Lizarra landeten wir fast auf der Autovia als ein Autofahrer uns abfing und in die richtige Richtung wies. Dort stellten wir auch fest, dass wir uns offensichtlich in einer baskisch-sprechenden Region befanden. Nicht, dass wir etwas verstanden hätten, aber was für eine zweite, so komische Sprache könnte da schon gesprochen werden. Weiter ging’s, auf und ab wie so üblich durch kleine Käfflis mit Namen wie Lorca, Cirauqui oder Mañeru. Als wir einmal gerade eine Steigung hinaufkrabbelten, lichtete sich der Himmel und wir hätten schon fast blauen Himmel durch die dünne Wolkenschicht erahnen können. Wow, ein Lichtblick. Wir setzten uns unter ein Bushaltestellen-Dach um Pause zu machen und kaum hatten wir ein paar Snacks ausgepackt, schiffte es schon wieder in Strömen.

Spanisch und baskisch.
Oliven-Anbaugebiet.

Da wir und die Velos aber eh schon so nass waren, wie wir je werden konnte, war’s eigentlich gar nicht so relevant. So fuhren wir eben weiter durch den Regen. Puente de Reina war eine kleine, hübsche Stadt mit vielen schönen, historischen Gebäuden. Aber was will man schon anschauen oder knipsen wenn der Himmel gerade daran ist, die Flüsse über die Ufer zu scheuchen und die Erde zu ersäufen. Wir zogen sogar eine kurze Pause unter einem Dach in Erwägung, fanden dann aber, dass es überhaupt keinen Unterschied machen würde, und pedalten weiter. Irgendwann war auch dieser Spuk vorbei. Es wurde wieder heller, der Regen feiner und, man glaubt es kaum, er hörte sogar ganz auf. Dazu bestätigte sich der Verdacht, dass die Sonne und der blaue Himmel bei Regen gar nicht wirklich Abhanden kommen, sondern nur zugedeckt werden. Und ergo irgendwann, früher oder später, auch wieder zum Vorschein kommen werden. Vielleicht nicht so bald, vielleicht eher zögerlich und nur vorübergehend, aber es ist schlussendlich nur eine Frage der Zeit. So auch diesmal. Die Sonne blieb zwar leicht verschleiert und der blaue Himmel scheu, aber sie waren da. Eventuel dank dem fiesen, niederträchtigen Wind, der uns nun ins Gesicht blies und uns den Aufstieg auf den Pass El Perdon noch zusätzlich erschwerte. Sauhund!

Correcto, Camiones fahren langsam, Ciclistas ebenfalls.

So krochen wir also langsam der Berg hoch, wo wir eine dichte Nebelschicht lauern sahen. So schnell kann es gehen und das hoffnungsvolle Wetter ist schon wieder zur Sau. Noch vor der Passhöhe regnete es auch wieder und eine Abfahrt mit vollem Regen im Gesicht ist immer ein mittelmässiger Spass. Immerhin war es bis Pamplona nicht mehr weit, und die Hügel nicht mehr hoch. Schlussendlich, nun schon wieder mit halbwegs trockener Luft, gingen uns die Nebenstrassen endgültig aus. Ein älterer Autofahrer meinte, wir müssten wohl die Autovia nehmen, er würde aber langsam hinter uns fahren. Und tatsächlich, es gab kein Verbot und so flitzten wir die letzten Kilometer nach Pamplona hinunter mit einem vierrädrigen, mobilen Schutzschild hinter uns. Im Zentrum gab es dann sogar Velowege, die sich jedoch schnell als untauglich erwiesen. So wichen wir wieder auf die Strasse aus und fanden nach einem Mal nachfragen die Adresse eines Freundes des Biciclowns, wo wir angemeldet waren.

Ah ja, unsere Schokoladensucht sind wir seit Burgos nicht losgeworden, wir haben aber wegen Kälte und/oder Regen wenig gemütliche Pausen gemacht, und wenn, dann war die Schoggi meistens in der falschen Tasche, d.h. in derjenigen, die ich gerade nicht mit mir unter's Dach genommen habe. Tatsache ist, wir haben beide noch mehr als zwei GROSSE Tafeln Schokolade dabei, was eigentlich ziemlich cool ist:-)

... ... ...

Haben gestern ganz seriös ausgeschlafen, gebloggt, Siesta gemacht und was man an einem Pausentag halt alles so tut. Habe heute Morgen festgestellt, dass sich ein Schaltkabel im fortgeschrittenem Stadium der Zerfransung befindet und habe es geschafft, das auszuwechseln und die Gangschaltung so einzustellen, dass sie zu funktionieren scheint. Der Test auf der Strasse steht aber noch bevor. Haben danach einen Spaziergang entlang der Stadtmauern gemacht und uns über blauen Himmel und Sonnenschein gefreut.

Stadtmauern vom Pamplona.
Yep, es wird Herbst.
Dabei haben wir, wie schon so manches Mal unterwegs, festgestellt, dass es eindeutig Herbst ist. Sieht hübsch aus, die Konsequenzen davon haben wir aber auch schon zu spüren bekommen. Auch hier und jetzt ist es nur in der Sonne warm. Trotzdem fanden wir, dass ein Glacé nach dem Sandwich eigentlich angebracht gewesen wäre, haben aber wieder einmal die Uhrzeit ausser Acht gelassen, dann aber bald gemerkt, dass nun Siesta-Zeit war. Kaum ein Geschäft ist hier nach 14 Uhr offen, alles total tote Hose. Dass das sogar für Heladerias gilt, ist eigentlich komisch. Als Glacégeschäft würde ich während der wärmsten Zeit des Tages ganz gewiss nicht meine Pforten schliessen. So amüsierten wir uns halt über Polizeismarts und die Mini-Demo vor der Stadtverwaltung.

Ist er nicht herzig?
Die Angestellten sind gegen Sparmassnahmen.

Insgesamt ist Pamplona, das auf baskisch den schönen Namen Iruña trägt, eine hübsche Stadt. Und obwohl sie im Staat Navarra und nicht im País Vasco liegt, sei sie die Cuna, sprich der Ursprung oder die Kernzone des Baskenlandes. Es ist hier auch fast alles zweisprachig angeschrieben, hie und da weht eine Ikurriña, eine Basken-Fahne. Die jährliche Stier-Hatz, für die Pamplona in erster Linie bekannt ist, ist natürlich auch allgegenwärtig, insbesondere in Form von Souvenirs für Touris und auf Postkarten. Da wir beide aber nicht wirklich Fans von Stierkämpfen  und ähnlicher "Unterhaltung" sind, haben wir uns dem enthalten.

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