Wir standen
also am Freitag Morgen wieder am Bahnhof von Montpellier und warteten darauf,
dass das Gleis unseres TGVs angezeigt würde. Bei der Information erfuhr ich,
dass wir die Velos selber verladen mussten. Soweit so gut. Das ist besser, als
sie jemandem anderen anvertrauen zu müssen. Da die Gleisanzeige auf sich warten
liess, wurde Martina von Minute zu Minute nervöser. Wir mussten ja schliesslich
mit den Velos da rüber... Etwa eine Viertelstunde vor Abfahrt kam die
sehnlichst erwartete Information schliesslich. Wir stürzten uns also ins Gewühl
mit der Absicht, es nochmals mit dem Lift zu versuchen. Irgendwann hatten wir
den auch gefunden und Martina war schon fast drinnen, als zwei SNCF-Mitarbeiter
mit zwei Leuten in Rollstühlen kamen und sich kurzerhand vordrängten, so im
Stil von „entschuldigung, wir gehen da vor euch rein“. Ich war ziemlich platt
ab so viel Frechheit, Martina hatte aber schon erkannt, dass dieser Lift noch
kleiner war als jener, den sie das letzte Mal probiert hatte. Also wieder
Rolltreppe. Hinauf jede für sich, kein Problem und keine Absturzgefahr. Zum
Gleis runter war dann nichts mit Roll- sondern nur konventionelle Treppe. Also
wieder zu zweit. Ich hatte meinen Rucksack am Rücken und so mussten wir mit
meinem Velo viel weniger Gewicht manövrieren. Unten gab es dann die Composition
de Train-Info, die uns sagte, dass unser Wagen 18 im Sektor R halten würde. So
drängten wir uns durch die Menge um uns strategisch zu positionieren, Martina
immer noch im oberen Stress-Bereich. Ob der Zug wohl lange genug haltet, und
wir es schaffen, alles Gepäck und die Velos einzuladen? Was er natürlich
machte, wir waren sogar schon komplet verstaut, als da draussen vor anderen Türen
noch zwei Meter lange Schlangen warteten.
Die Fahrt
verlief dann erwartungsgemäss ruhig und ereignislos. Die Landschaft flitzte für
unsere Verhältnisse fast in Überschallgeschwindigkeit vorbei. Es war mehrheitlich
flach mit Landwirtschaft und schon bald hatten wir Montpelliers graue Wolkendecke
verlassen und es wurde sonnig. Dijon war der vierte Stopp, wir hievten alles
wieder raus und suchten den Ausgang. Dass wir uns wieder über eine Treppe
„abseilen“ mussten, wunderte uns nicht mehr. Dass da vier SNCF-Typen rumstanden
und nicht auf die Idee kamen, einer älteren Dame und zwei weiteren Frauen mit
Kind und viel Gepäck zu helfen, schien auch niemanden zu überraschen. Ich weiss
ja nicht, ob Schweizer Zugbegleiter sich da anders verhalten würden, oder ob
das effektiv normal ist, nach zwei Jahren Lateinamerika ist man sich aber ganz
einfach anderes gewohnt.
Edlerweise
kamen wir unten dann ebenerdig raus, keine weiteren Treppen und sonstige Hindernisse
mussten überwunden werden. Das Rätsel, das es zu lösen galt, war nun, den Weg
zu unserem Hotel zu finden. Das lag etwas ausserhalb und wie sich
herausstellte, sind in Dijon Strassen grundsätzlich nicht angeschrieben. Nach
knappen 6 km, teilweise durch Industrie, entlang Einkaufszentren und anderen
riesigen Läden erreichten wir Marsannay-la-Cote, orientierten uns an einem
gigantischen Le Clerc-Supermarché und fanden das Hotel. Die Öffnungszeiten
waren als 07.00 – 21.00 Uhr angegeben, es war jedoch keine Seele da. Auch auf
unser Läuten kam keine Antwort, irgendwann entdeckten wir ein unscheinbares
Zettelchen, wo draufstand, dass die Reception erst um 16.00 Uhr öffnete. Da es
aber Wifi gab, war das nicht so tragisch, wir warteten schliesslich - auf was auch immer - nicht das
erste Mal.
Wir konnten
dann sogar noch vor 16 Uhr einchecken und kriegten auch noch die Erlaubnis, die
Velos sicher und trocken im Treppenhaus zu verstauen. Somit begann ein der
Vorabend eines Ruhetages par exellance, nämlich mit rumhängen und nichts tun.
Ok, stimmt nicht ganz, wir wanderten noch zum Le Clerc, ein gigantischer
Supermarché ganz in der Nähe. Wir waren ziemlich platt ab der Grösse des Ladens
und wollten ja nur Instant-Suppen und Brot zum Znacht kaufen. Das schafften wir
sogar fast und waren dann schnell wieder im warmen Hotelzimmer. Es war in der
Zwischenzeit nämlich schweinekalt geworden.
Wegen dem
schlechten Wetterbericht hatten wir beschlossen, zwei Nächte in Dijon zu
bleiben und wegen der Lage unseres Hotels ausserhalb der Stadt konnten wir de
facto nichts anderes tun als rumhängen, gamen und nichts tun. Zuerst kamen aber
natürlich auschlafen und Zmorge essen. Dann gamen und nichts tun. Und das
ziemlich lange. Am frühen Nachmittag marschierten wir in den strömenden Regen
hinaus zu einer Mall, die zwar gleich gegenüber dem Hotel auf der anderen
Strassenseit lag, wir mussten erst aber mehrere hundert Meter zu einem Kreisel
latschen, um da rüber zu kommen. Nicht nur der Verkehr wäre ein Problem
gewesen, aber da in der Mitte stand ein hoher Zaun. So waren wir einigermassen
nass bis wir ankamen. Einkaufen in einem Riesenladen dauert aber immer lange
genug um wieder zu trocknen. Den Nachmittag verbrachten wir wieder mit
rumhängen, zwischendurch mal duschen, rumhängen, mit Familie skypen und
nochmals nichts tun. Das war wohl das letzte Mal auf dieser Reise und darum
haben wir es auch bis zum letzten ausgekostet.
Am Sonntg
Morgen begann aber wieder der Ernst des Lebens. D.h. um 7 Uhr aufstehen und um
8.30 Uhr startklar zu sein. Da es genau dann zu regnen begann, verschoben wir
eben diesen Start um ein paar Minuten. Dann war der Spuk auch schon wieder
vorüber und wir konnten losdüsen. Via Le Clerc ging es zurück zum Kreisel, wo
wir uns in den Verkehr einschlichen. Wir hatten für die ersten Kilometer die
Wahl zwischen kleineren, verwinkelten Strassen durch Dörfer oder einer grossen
Hauptstrasse, die gemäss Google ab da, wo wir raufwollten, keine Autobahn mehr
war. Wir entschieden uns für letztere, da direkte Strassen i.d.R. einfacher und
schneller sind als kleine Wirrwar-Weglein. Als wir aber auf dem doofen Teil
ankamen, stellte sich heraus, dass wir auf einer Autostrasse oder
Expressstrasse gelandet waren. Jedenfalls gab es da ein Schild mit einem Auto
drauf. Martina meinte zwar, es sei ihr egal, da stehe nirgendwo, dass Velos da
nicht existieren dürfen, mir war die Sache aber nicht so wohl. Ich hatte keine
Lust auf eine Busse.
Nicht für Velos gedacht. |
So nahmen
wir die nächste Ausfahrt, die uns jedoch auf eine ausgewachsene Autobahn
brachte. Für etwa 300 m, dann kam wieder eine Ausfahrt und schon waren wir
wieder legal. Nun ging es im Zick-Zack durch kleinere und grössere Ortschaften
mit immer mal wieder Zweifel, welches wohl die richtige Abzweigung war.
Irgendwann hatten wir aber die gesuchte D 70 gefunden und nun war es nicht mehr
kompliziert. Bei zwei Dörfern wurde die Strasse aber auch zur Autostrasse,
Velos hätten wohl nicht die Umfahrung nehmen dürfen. Theoretisch. Hier war uns
das aber herzlich egal und sonst schien es auch niemanden zu kümmern. In
Magny-St-Médard machten wir Pause und froren dabei ganz schön. Zum pedalen
waren die Temperaturen ziemlich ok, zum rumsitzen war es eindeutig zu kalt.
Grundsätzlich bewölkt, unternahm die Sonne dann und wann einen
Durchbruchs-Versuch, was aber erst am Nachmittag erfolggekrönt sein sollte.
Eine weitere Ortschaft, durch die wir hindurchfuhren, hiess Mirebeau-sur-Beze,
danach kam nichts bis zur Stadt Gray, wo wir hofften, eine Karte für die
Strecke bis zu Mahlberg (D), wo Martinas Freundin wohnt, zu finden. Aber
erfolglos. Der Fluss, der durch Gray hindurchfliesst, die Saone, führte
Hochwasser wie alle anderen Wasserläufe in der Gegend bisher auch. Da muss es
kürzlich ziemlich stark geregnet haben. Oder irgendwo immer noch regnen. In
Arc-les-Gray stoppten wir zum Zmittag essen, diesmal der Sonne zugewandt, es
war aber trotzdem arschkalt.
Unsere D70
war nun ein kleines Strässchen geworden und umging kaum mehr ein Kaff. Wir sahen Ortsnamen wir Montureux et
Prantigny, Vereux und Dampierre-sur-Salon. Dieser letzte Ort war ein richtiges kleines
Städtchen mit vielen schönen alten Steinhäusern. Und mittendrin ein gläsernes
Einkaufszentrum, was ein krasser Stilbruch darstellte. Danach wurde es merklich
hügeliger. In Vaite suchten wir Wasser und fanden das auf dem Friedhof. Brunnen
scheinen nicht so verbreitet zu sein, bzw. sind alle eher Museumsstücke denn
funktionell. Wenige Kilometer später folgten wir einem Waldweg, drehten
nochmals ab und dann ein drittes Mal. Schon das zweite Wegli waren in
Wirklichkeit nur ein paar Reifenspuren in der nassen Erde, danach blieben
Schneisen zwischen den Bäumen. Was perfekt war, da würde niemand kommen. Nun
ist es aber im Wald gar nicht so leicht, eine flache Stelle zu finden, auch
wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Da die Tage aber nicht mehr
unendlich lange sind, mussten wir da etwas finden bzw. uns eben zufrieden geben.
So war das Zelt bald aufgestellt, in der durchtränkten Erde nicht sturmsicher
verankert aber es hatte den ganzen Tag über kaum ein Lüftchen geweht, also
mussten wir uns diesbezüglich wohl keine Sorgen machen.
Dampierre-sur-Salon. |
Da war's mal platt. |
Im Wald hät's Pilzli dra, überal hät's Pilzli dra. |
Die Nacht
wurde sternenklar, und die sah man auch zwischen den Bäumen glitzern. Aber es
wurde entsprechend kalt und zum ersten Mal seit langem hatte ich mit langer
Unterwäsche geschlafen. Warum genau, ist mir nicht ganz klar, es war nicht
kälter als einige Nächte in Kanada. Aber feuchter, vielleicht machte das den
Unterschied. Jedenfalls dauerte es am Morgen etwas länger als bisher, bis wir
aus den Federn krochen und es vergingen geschlagene zwei Stunden bis wir die
Velos aus dem Wald rausschleppten. Da das aber ein bekanntes Phänomen war,
waren wir davon nicht sonderlich überrascht. Der Morgen war hübsch, stahlblauer
Himmel und kein Wölklein. Dafür war es eiskalt, gerade knapp über 0°C. Wir
beide waren dick eingepackt in Jacken, zwei Paar Socken, doppelte Schicht
Handschuhen, ich hatte sogar die Regen-Schuhschütze montiert.
Kalter Herbstmorgen. |
In
Fortsetzung vom letzten Nachmittag ging es nun konstant auf und ab. Bei auf
wurde uns warm, bei ab froren wir. Trotzdem zog ich die warme Jacke schon bald
wieder aus, und, klar, fror danach in dem, was übrig blieb. Etwa bis zum
nächsten oder übernächsten Hügel, dann war ich definitiv genug aufgewärmt. D.h.
die Finger blieben länger kühl, die Zehen waren noch nach Stunden kalt. Die Dörfer
hiessen nun Lavoncourt und Vauconcout-Nervezain. Combeaufontaine war eine
kleine Stadt, ok, oder ein grosses Dorf, aber die ersehnte Strassenkarte fanden wir
aber auch da nicht. Diesmal fanden wir für die Pause einen sonnigen Spot und
froren halt zusammen mit der Sonne. Weiter ging es auf einer schmalen
Strasse, die nicht aussah, als eigne sie sich als Rennstrecke. Was die
Franzosen aber ganz gewiss nicht vom schnellen Fahren abhielt. Wäre ja noch
schöner. Ein paar Mal tauchten da auch zwei Militär-Jets auf, die man jeweils
erst sah, der Krach folgte später. Flogen die nun Überschallgeschwindigkeit (wie
unser TGV)? Die Landschaft erinnerte mich an die Schweiz. Felder, Hügel,
Wälder, Kühe, das sah alles ruhig und gemütlich aus. Wir kamen durch Arbecay und
Purgerot, dann überquerten wir die Saone, geflutet, wie alle anderen Flüsse
auch.
Nach der
Einmündung in eine grössere Strasse hatte es auch wieder mehr Verkehr. Wir
navigierten durch Faverney und machten in Mersuay Mittagspause. Da gab es
nämlich an der Lanterne ein hübsches Plätzchen mit Tisch, Bänken und Bäumen.
Alles ganz idyllisch mit gelben Blättern bedeckt. Nun waren diese Blätter aber
nass und der Tisch stand ausserdem im Schatten der Bäume. Das passte uns beides
nicht und so setzten wir uns auf dem Parkplatz daneben auf den Boden. Die Sonne
liess uns nun ziemlich im Stich und so froren wir wieder, wohl nicht zum
letzten Mal. Die Mission Strassenkarte, war immer noch unerfüllt. In Conflans-sur-Lanterne taugte der
Tankstellen-Shop diesbezüglich nicht und auch nicht im grösseren Ort
St-Loup-sur-Semousse. Nicht einmal der gigantische HyperCasino konnte uns
weiterhelfen.
Herbstlicher Rastplatz. |
Jede Menge Misteln... |
... und schöne Herbstwälder. |
Es war nun
schon recht spät geworden und wir hielten Ausschau nach einem nach Möglichkeit
etwas geschützen Nistplatz. In den Wäldern waren wie schon den ganzen Tag über
immer wieder grosse Pfützen zu sehen, was nichts positives ahnen liess. Wir
sind schliesslich keine Enten. Das Wegli, dem wir schliesslich folgten, war wie
erwartet erdig und feucht, der Platz, den wir schlussendlich wählten, ebenso
(65.8 KM in 4:27 Stunden), taugte aber einigermassen. Schon bald waren zwischen den Bäumen wieder Sterne
zu sehen und mein kleines Thermometerli zeigte gerade mal 5°C an. Das ist keine
Temperatur, bei der man gemütlich draussen rumzusitzt. Da kam mir ein Lied von Manu Chao
in den Sinn, in dem er singt „il fait tres froid dehors...“. Ich glaube zwar,
dass es da nicht um Velo fahren oder zelten ging, die Aussage, dass man da
friert, traf jedoch auch auf uns zu.
Sich aus
einem warmen Schlafsack rauszukramen wenn es draussen -2°C hat, braucht
Überwindung. Wenn man aber mal angezogen und mit Bett aufräumen beschäftigt
ist, dann ist das härteste vorbei. Klar, die Tür zu öffnen und festzustellen,
dass es draussen nochmals kälter ist als im Zelt, ist auch nicht witzig aber
nicht so tragisch. Den Kocher anzuheizen, ist i.d.R. Amtshandlung Nr. 1, dann
kommen alle kleineren Packvorgänge. Während dem Frühstück heizt das Wasser, das
in die Thermosflasche kommt und als letztes packen wir das Zelt zusammen. An
jenem Morgen schafften wir das alles sogar unter zwei Stunden, für so kalte
Verhältnisse ein gutes Resultat.
In der Sonne taut's. |
Dass die
Zehen bis zur Mittagspause nicht aufwärmen würden, war eigentlich klar, da musste man sich keine Hoffnungen machen. Aber unsere Hoffnungen bezogen sich ja
nicht auf kalte Zehen sondern auf eine Strassenkarte. Wir wurden von Fougerolle
enttäuscht, d.h. wir fanden da Brot und Pains au Chocolat, aber keine Karte.
Auch im etwas grösseren Ort Le Val-d’Ajol werden keine Strassenkarten verkauft.
Nun wartete eine längere Steigung auf uns, die uns sogar ins Schwitzen brachte
und auf dem 640 m hohen Col du Peutet endete. Da brauchten wir nun eine Pause
und Zelt und v.a. Schlafsäcke mussten dringend an die Sonne. Nasse
Daunenschlafsäcke sind nämlich ecklig und taugen nicht viel.
Die Abfahrt
nach Remiremont liess mich und insbesondere meine Finger fast einfrieren. Unten
angekommen wollte ich pragmatisch sein und fragte einen Herrn nach einer
Tankstelle. Was aber total pointless war. Er wollte mit uns Englisch reden,
brachte dann aber doch kaum einen zusammenhängenden Satz raus und gestikulierte
wie wild in der Welt herum. Fazit: keine Tankstelle in der Stadt. Und
diejenige, die wir in der Ausfahrt fanden, hatte keinen dazugehörenden Laden.
Zum Glück hatten wir noch eine gratis Avia-Karte, die zwar keine Details
zeigte, uns aber wissen liess, in welche Richtung zu fahren. Darum ging es nun
auf einer grösseren Strasse eine Zeit lang flach dahin und so konnten wir
endlich einige Kilometer gutmachen. Es hatte Verkehr, aber öfters auch den
altbekannten Holperstreifen neben der Fahrbahn. Als wir in die Nähe von
Gérardmer kamen, wurde es aber wieder hügelig. Wir machten bei einer
Bushaltestelle Mittagspause und hatten zum ersten Mal seit langem so richtig
schön warm.
Gérardmer
stellte sich als echte Stadt heraus und führte sogar die Karte, an die wir
schon fast nicht mehr geglaubt hatten. Nun genossen wir eine Detailansicht und
sahen auch, dass uns ein über 1‘000 m hoher Pass bevorstand. Und die Steigung
liess nicht mehr lange auf sich warten. So strampelten wir also am Nachmittag
langsam den Hügel hinauf und fragten uns, wo man da wohl je campen sollte.
Mitten auf der Strasse etwa? Zu unserem Glück fanden wir aber ein winziges
Strässlein, das da versteckt den Hang hinaufkroch. Wir klauten noch rasch
Wasser von einem der zahlreichen Bäche und pedalten dann den Weg hoch. Was nochmals
fast Hitzewallungen auslöste. Sage und schreibe einen Kilometer lang ging’s da
steil den Berg hoch bis wir zu einem kleinen Hüttchen kamen (65.54 km in 5:27
Stunden). Drin gab es eine Feuerstelle und etwas Holz, das war’s. Wir
überlegten, ob wir das alles rausräumen sollten um das Zelt darin aufzustellen,
kamen aber zum Schluss, dass das viel Aufwand für einen unebenen Untergrund
wäre. So pflanzten wir uns daneben, genossen die Aussicht ins Tal und auf den See
und fanden, dass es ganz schön kalt sei. Als wir ankamen, waren das 5°C. Als
wir uns wuschen, waren das noch 2°C und kurz darauf blieb das Thermometer bei
0°C an. Wrrrrr, brrrrrr, das sind Zustände, die einen ins Frieren bringen. Ein
Schild nannte den Ort La Roche Boulard und behauptet, wir seien auf 932 müM.
Kein Wunder also war es so kalt.
Höhencamp mit Aussicht. |
Jetzt wird's Nacht. |
In der
Nacht hörten wir ganz komische Geräusche, von denen wir nicht wussten, welchem
Viech das wohl zuzuordnen war. Aber gut, gross was Gefährliches spaziert ja kaum
durch Europas Wälder, insofern war das nicht weiter besorgniserregend. Das
waren auch die Temperaturen am Morgen nicht. -1°C, das war weniger bzw. mehr
als erwartet. Und da die Luft viel trockener als im blöden nassen Wald der
Nacht zuvor war, war das ziemlich unproblematisch. Nach dem ersten Kilometer
abwärts bis zur Strasse folgten dann ja auch nochmals 7 km bergauf, zu Beginn
sogar eher steil und somit war die Wärmeproduktion sichergestellt und die auch Sonne
trug ihren Teil dazu bei. Für die insgesamt knappen 8 km bis zum Col de la
Schlucht, 1‘1239 müM, brauchten wir eine knappe Stunde. Da oben standen
Skilifte, Restaurants, Hotels und ein Souvenir-Shop, also ganz offensichtlich
ein Skigebiet. Kaffee war aber keiner aufzutreiben. Da vermisst man manchmal
schon die Kaffee-„Kultur“ der Amis. Bei denen bietet fast jedes einzelne Lädeli
Kaffee an, in Frankreich braucht man dazu schon ein Café oder ein Resteraunt,
die waren aber alle geschlossen. Also gut, dann eben nicht.
Die Abfahrt
ins Elsass wurde neblig, eiskalt und feucht. Aber erst genossen wir eine
geniale Aussicht auf die Nebeldecke im Tal. Dann mussten wir da rein, pfuiii!
Erst sah es ja noch hübsch aus mit Sonnenstrahlen, die zwischen den Bäumen
hindurch in den Nebel schienen, dann waren die weg, die Sicht wurde auf wenige
Meter reduziert und wir konnten nur hoffen, dass die Autofahrer ihre
Geschwindigkeit den Bedingungen anpassten. Bald fühlte ich meine Zehen nicht
mehr, selbst meine Finger, die in meinen fettesten Handschuhen steckten, wurden
klamm und Arme und Beine unterkühlten auch ganz schön. Als wir aus dem Wald
rauskamen, brach auch langsam die Sonne durch und die Abwärtsfahrerei wurde
etwas angenehmer. Die Landschaft sah aus wie zu Hause und auch die Ortsnahmen
klangen häufig eher nach Deutscher denn nach Französischer Sprache. Soultzeren,
Hohrad, Stosswihr und Munster lagen da, letzteres ein ganz hübsches Städtchen.
Dort war auch die fetzige Abfahrt vorbei, ab dann ging es mal flach, mal leicht
abwärts oder wellig weiter in Richtung Colmar. Nach Gunsbach, Wihr-au-Val,
Walbach und Zimmerbach folgten Turckheim, Bennwihr und Beblenheim. Um Colmar
machten wir einen Bogen und kurvten auf schmalen Strasse durch die Felder,
inzwischen wieder mit einer dichten grauen Nebendecke über dem Kopf.
Nebel von oben... |
... Nebel von innen. |
In Artzheim
fanden wir ein schickes Bushäuschen für eine kurze Mittagspause, ab dann ging
es dem Rhein entlang in den Norden. Den Fluss selber sahen wir selten, da der
hinter hohen Deichen gefangen war. Und da wir immer noch eine ganz schöne
Strecke vor uns hatten, gaben wir nun ziemlich Gas. In Rhinau nahmen wir die
Fähre über den Rhein, bewunderten den Sonnenuntergang, und schon waren wir in
Deutschland, dem 21. Land meiner Reise, angekommen. Nun blieb noch die Ortschaft Kappel-Grafenhausen, dann irrten wir etwas durch
die Wiesen und hatten schon bald Mahlberg und das Haus von Katrin, Martinas Freundin
gefunden. Amelie, Martinas 7-jähriges Gotti-Mädchen, war noch scheu, Katrin und
Jörg hiessen uns aber sehr herzlich willkommen. Nach vier Tagen campen in der
Kälte waren wir glücklich über ein warmes Haus und eine heisse Dusche. Das gute
Essen war natürlich auch sehr willkommen. Kurz gesagt, wir waren im Paradies.
Pfütze und Deich. Der Rhein liegt dahinter. |
Fähre, Rhein und Sonnenuntergang. |
So, das war nun definitiv der letzte Nicht-viel-tun-Tag. Morgen geht es wieder raus in den Nebel und die Kälte für die letzten paar Tage der Reise. Drückt uns die Daumen für ein paar Sonnenstrahlen auf den letzten Kilometer.
Hallo ihr beiden!
AntwortenLöschenSchön von euch aus der Heimat zu lesen. Ich bin gerade mit neuen Mitradlern an der Bahia Conception auf der Baja California.
Alles Gute,
Klaus
www.rad-fernweh.de