Sonntag, 19. September 2010

Cordillera Huayhuash

Am 6. September morgens um 4.30 Uhr holte Victor uns (Melanie, eine 24-jährige Schweizerin auf 1-jähriger Südamerikareise, Martina und mich) im Hostal ab. Unser Bus sollte um 5 Uhr losfahren. Ausser unseren persönlichen Rucksäcken hatte Victor all unser Gepäck am Vorabend zum Busterminal gebracht. Das war auch so einiges: Futter für fünf Personen (drei Teilnehmerinnen, Führer und Arriero), Koch- und Aufenthaltszelt, Kochutensilien und grosse Gasflasche sowie Melanies Schlafzelt. Führer und Arriero (Eseltreiber) würden im Kochzelt schlafen.

Am Busterminal war schon reges Treiben im Gange, wir waren schliesslich nicht die einzigen, die so früh los wollten. Also alles einladen, einsteigen und fertig. Auch wenn man's kaum glaubt, aber unser Bus fuhr pünktlich los. Vom ersten Teil der 6-stündigen Reise nach Pocpa  (Ausgangsort des Trekkings) kriegten wir nicht viel mit, logisch, um diese Zeit schläft man einfach. Irgendwann befanden wir uns auf einer Hochebene, die Landschaft im bekannten gelb-braun der Puna. Nach diesem Pass ging es steil runter in die Ortschaft Chiquian (ich weiss, klingt nach China, ist aber in Peru). Nach einer gut halbstündigen Pause ging's weiter und jetzt wurde es abenteuerlich. Die Schotterstrasse vor Chiquian war in gutem Zustand gewesen und einigermassen breit. Der Kiesweg, der jetzt über Pässe und durch Täler führte und sich entlang Berghängen schlängelte, war schmal, steinig, staubig und nur langsam und holprig zu befahren. Wie üblich stellten wir uns vor, dort mit dem Velo durchzustrampeln und waren doch eher froh, im Bus zu sitzen. Das hätte eine üble Fluchpartie gegeben.

Strasse zwischen Chiquian und Pocpa.

Im Döflein Pocpa warteten schon diverse Arrieros mit vielen Eseln und Pferden auf ihre Kunden. Ausser uns waren da noch eine oder zwei weitere Gruppen, wer wo dazugehörte, war nicht ganz so klar. Für uns Gringas nicht. Victor und Percy, unser Arriero, kannten sich natürlich und so dauerte es nicht allzu lange, bis unser Gepäck auf Percys vier Esel gepackt war und unsere Wanderung losging. Wobei Esel und Treiber vorausgingen um das Camp aufzubauen und wir ganz gemütlich hinterherspatzierten.

Percy, unser Arriero, in Pocpa beim Bepacken der Esel.

Der erste Tag war nicht weiter anstrengend. Wir waren um ca. 11 Uhr in Pocpa angekommen und eine halbe Stunde später marschierten wir los. Der Weg war die Fortsetzung der Strasse zuvor, zum Autofahren eher mühsam, zu Fuss jedoch einfach und auch ohne extreme Steigungen. Das Gebiet war noch bewohnt, es gab dort auch eine Mine und damit hatte es auch ein Bischen Verkehr auf der Strasse. Da all unser Essen mit den Eseln vorausgeeilt war, hatte Victor uns, wie danach jeden Tag auf dem Trek, ein Lunchpaket zubereitet mit zwei Sandwiches, einer Frucht, Schokolade und Guetslis. Ich hab's ja schon mal gesagt, mit einem Koch unterwegs zu sein, ist echt cool.

Nach ca. vier Stunden kamen wir beim ersten Campingplatz mit dem Namen Quartel Wain an. Melanies organges Zelt und das grau-orange leuchtende Kochzelt standen schon, Martina und ich zeigten Percy, wie Martinas Zelt aufgestellt werden muss. Dann war schon bald unser für die nächsten Tage üblicher Zvieri, heisse Schokolade und Popcorn, bereit. Das Wetter war, wie schon in der Cordillera Blanca, nicht extrem kooperativ. Auf dem Weg zum Campingplatz hatten sich Sonne und Regen abgewechselt, auch jetzt gegen Abend war der Himmel noch grau und von hohen Bergen nicht viel zu sehen. Was aber nur teilweise die Schuld der Wolken war, da die meisten weissen Gipfel ganz einfach noch hinter braunen Hügeln versteckt lagen.

Am 2. Morgen des Trekkings standen wir um ca. 6 Uhr auf und genossen Victors feine Panqueques zum Zmorge und die Aussicht auf einen sonnigen Tag. Abmarsch war jeweils so um die 8 Uhr, an jenem Tag erwartete uns gleich unser erster Pass, der 4'750 m hohe Paso Qaqanan. Der Aufstieg war steil und steinig und eine Gruppe Esel, die uns entgegen kam, erregte negativ unsere Aufmerksamkeit, D.h. eher der Eseltreiber, der seine Tiere rücksichtslos den Hang hinunterhetzte, obwohl der Boden vom Regen am Vortag matschig und rutschig war und z. T. relativ hohe "Felstreppen" überwunden werden mussten. Hätte mich nicht gewundert, wenn dort ein Esel gestolpert und gestürzt wäre.

Vom Pass oben hatten wir gute Aussicht auf die Quebrada Caliente und eine rote Lagune. Auf dem Weg hinunter zur Laguna Mitucocha, wo sich unser Campingplatz befand, sahen wir zum ersten Mal so richtig klar eine der Schönheiten der Cordillera Huayhuash, den Nevado Rondoy.

Nevado Rondoy, 5870 m hoch.

Zum Glück waren wir zeititig im Camp angekommen, das gute Wetter hatte sich nämlich verabschiedet und Hagel und Regen Platz gemacht. Für mich auch unerfreulich: ich hatte mir tags zuvor im dauernden Wechsel von Sonne und Regen, begleitet von kühlem Wind, erkältet. Konkret hiess das Dauerhusten, Hals-, Rachen- und Kopfschmerzen sowie, für mich unerklärlich, heftige Magenschmerzen. Ich verbrachte also den grössten Teil des Nachmittags und den Abend im Schlafsack und bewegte mich so wenig wie möglich.

2. Camping an der Laguna Mitucocha, 4200 müM,
im Hintergrund Nev. Rondoy

Am Morgen war das alles vergessen (ausser Halsschmerzen und Husten), die Sonne schien und wir freuten uns auf einen weiteren Tag mit steilen Pässen und magischen Bergen. Weiter oben hatte es geschneit, d.h. die Wiesen waren weiss, nass und rutschig. Wir bahnten uns unseren Weg langsam und vorsichtig den Hang hinauf, grüssten die Kühe, die dort oben wohnten und stiegen immer höher. Irgendwann waren wir über die Wiesen hinaus und kletterten durch Felsen den letzten Teil zum Pass hoch. Anscheinend hatte der Meeresspiegel früher einmal beträchtlich höher gelegen, jedenfalls fanden wir in diesen Felsen jede Menge versteinerten Meeresschnecken:-) Einige kleine sammelten wir, die grösseren bewunderten wir angemessen, liessen sie aber hinterher wieder frei. 

Oben auf dem Pass des Tages, dem 4'800 m hohen Paso Alcay, wuchsen diverse Büschlis, die aussahen, als stünden sie in Flammen. Diese Pflanze heisst Huamanpinta und anscheinend wird daraus einen Tee zubereitet, der für problemlose Geburten sorgen soll (naja, besser Tee aus Pflanzen als aus Vogelfedern).

Blühender Huamanpinta-Busch.

Vorbei an der Laguna Aguashcocha ging's hinunter zum Camp Nr. 3 an der Laguna Carhuacocha, die auf 4'138 m Höhe liegt. Diese Lagune ist gross, leuchtend blau und zusammen mit den Bergen dahinter eine Sehenswürdigkeit der absoluten Extraklasse. Leider zogen am Nachmittag die obligaten Wolken auf und wir verbrachten wieder viel Zeit in den Zelten auf der Flucht vor Hagel, Regen, Blitz und Donner. 

Das war zwar unangenehm, dafür wurden wir am nächsten Morgen mit einem unübertreffbaren Anblick entschädigt. Verlangt bitte nicht von mir, zu beschreiben, was man fühlt, wenn man dieses Bild vor Augen hat, dazu ist Sprache nun mal schlicht und einfach ungeeignet (oder ich unfähig). 

Die edlen Geschöpfe hinter der Lagune heissen Nevados Siulá Grande, 6'344 m, Yerupajá Grande, 6'634 m und Chico, 6'121 m und Jirishanca, 6'094 m. Yerupajá Grande ist nach dem Nev. Huascarán, 6'768 m, der zweithöchste Berg Perus und der dritthöchste Südamerikas (der höchste ist Aconcagua, 6'962 m, in Argentinien).

Sprachlos.

Etwas später sah das dann so aus...

Der superblaue Himmel hielt natürlich nicht ewig an. Als wir das Camp verliessen, war noch keine Wolke zu sehen, während wir zu den drei Lagunen aufstiegen, wurde der Himmel je länger je fleckiger. Die Lagunen liessen sich davon nicht stören und leuchteten fröhlich in die Landschaft. D.h. die Laguna Gargajanta (auf dem Bild unten nur als weisses Streiflein zu sehen) leuchtete überhaupt nicht, sie ist weiss-braun, die Farbe der schmutzigen Eisklötze, die in ihr schwimmen, das Wasser selber sieht man nicht. 

Lagunen Suilá Cocha, Azul Cocha und Gargajanta Cocha.

Wie üblich mussten wir einen etwa 4'800 m hohen Pass, den Paso Siulá überwinden und dann zum nächsten "Campingplatz" hinuntersteigen. Pech für die Knie, wenn so eine Bajada steil ist, Glück wenn sie wie heute eher flach ausfällt.Das Panorama war auch hier wieder sehenswert, ganz egal, ob man nach oben zu den Bergen oder nach unten zu den Tümpeln schaute. Da das Wasser dort spiegelglatt war, war der Anblick fast derselbe.

Nev. Carnicero, 5'960 m.

Unser 4. Camping befand sich im "Dorf" Huayhuash auf 4'350 m, das sogar auf gewissen Karten verzeichnet ist. Die Bezeichnung Dorf ist jedoch eine meilenweite Übertreibung. Dort stehen nämlich zwei Häuser und die Zelte der jeweiligen Trekking-Gruppen, sonst gibt es dort rein gar nichts. Machte aber nichts, wir hatten ja alles dabei, was wir brauchten. Da wir wieder am frühen Nachmittag ankamen, nutzte ich die Zeit, meinen Seidenschlafsack für eine Weile im Bach unter Wasser zu platzieren. Irgendwo (vermutlich in unserem günstigen Hostal) hat sich da irgendein Vieh oder Viecher eingenistet, das/die mich nun jede Nacht mehrmals gebissen hatten. Aber in jenem Gebirgsbach sind die alle abgesoffen. Seither bin ich wieder alleine im Schlafsack. Dazu war jener Tag auch der erste, an dem es nicht einen einzigen Tropfen geregnet hatte. Was will man mehr, und wen stört's, dass es am Abend wieder bewölkt war?

Der nächste Tag beinhaltete wieder ein kurzes Wanderpensum, schliesslich befand sich der Campingplatz neben den Termas, heissen Quellen. Das war natürlich vielversprechend. Es gab dort sogar zwei Becken, ein kleineres "Waschbecken", wo sogar Seife und Shampoo erlaubt waren. Das fliesst zwar alles ungefiltert in den nächsten Bach, aber was soll's, wir sind hier schliesslich in Peru und die Einheimischen waschen sich und ihre Kleider auch so. Dass ich mich trotzdem weigerte, an so einem Ort Seife zu gebrauchen,  fand unser Führer recht unterhaltsam. Das grössere Becken war gerade geputzt worden und einladend sauber. Einziger Nachteil, das Wasser war so heiss, dass "normale Menschen", sprich Gringo/as dort unmöglich eintauchen konnten. Das galt auch für die Israelis und Spanier, die wir schon seit ein paar Tagen auf den Campingplätzen trafen. Victor und Percy waren glaub' die Einzigen, die ich in diesem schön sauberen, aber ungemütlich heissen Wasser gesehen habe.

Am späteren Nachmittag, nach unserer üblichen Siesta im Zelt, bekamen wir Hunger und wunderten uns über die Abwesenheit unseres Sherpas (so nennt sich Victor im Fall selber!). So langsam wäre es Zeit geworden für Canchitas und heisse Schokolade. Bisher war er noch nie über längere Zeit weggewesen, erst recht nicht, ohne seine wertvollen Princesas zu informieren. Was war nur los?

Wir sollten es bald erfahren. Eine Gruppe Männer kamen durchs Camp marschiert mit einem in Plastik eingewickelten, länglichen Paket. Mit ihnen kamen Victor und Percy zurück und teilten uns mit, dass ein vor über einer Woche abgestürzter spanischer Bergsteiger geborgen worden sei. Wir hatten schon am Vortag vom Verschwinden des Mannes gehört, jedoch nicht damit gerechnet, je einer peruanischen forensischen Untersuchung beizuwohnen. Das war schon eher makaber. Die Leiche wurde genau zwischen Campingplatz und Termas platziert und in aller Öffentlichkeit ausgepackt, fotografiert, ausgezogen und weiter fotografiert. Wer wollte, schaute zu, sogar ein vielleicht 4-jähriger Junge. Unser Hunger war vergessen, auch wir beobachteten die Ärztin und die beiden Polizisten, die Sache lief immerhin keine 15 Meter von unserem Zelt  entfernt ab. Auf meine Frage, warum diese Untersuchung hier durchgeführt würde, meinte Victor, es sei Gestzt, dass die Totesursache vor Ort festgestellt werde. Ok, schön, aber dafür hätte es bestimmt etwas weniger publike Plätze als den Campingplatz gegeben.

Irgendwann hatten wir genug gesehen und verzogen uns zu Arriero und Koch in unser Aufenthaltszelt. Percy wirkte nicht besonders glücklich und auch Victor war nicht begeistert von seiner Teilnahme an der Bergungsaktion. Die vier Polizisten in roter Uniform, die die Aktion geleitet hatten, waren anscheinend auch dieselben, die letztes Jahr zwei Österreicher aufsammeln mussten, die, wie der Spanier, ohne Führer klettern gegangen waren und das mit dem Leben bezahlt hatten. Offensichtlich unterschätzen viele ausländische Kletterer diese Berge hier, Unfälle scheinen keine Seltenheit zu sein. Wer den Film "Touching the Void" gesehen hat, weiss, dass auch professionelle Alpinisten manchmal nicht glauben, dass die Anden nicht die Alpen sind. Zu dem Berg aus jenem Film später mehr.

Der 6. Tag des Trekkings begann bewölkt und windig kalt. Die Leiche des Spaniers wurde an jenem Tag weggebracht. Vermutlich per Pferd nach Cajatambo, wir bekamen diesbezüglich nichts weiter mit und waren auch nicht scharf darauf.

Unser heutiger Pass hies Paso Cuyoc und war 5'000 m hoch. Da wir uns bei den Termas schon auf 4'400 m Höhe befanden, war das nicht weiter wild. Das Ungemütliche daran war, dass der kalte Wind kein Bischen nachlassen wollte und wir, wann immer wir kurz stoppten, fast erfrohren. Oben auf dem Pass, wo alle  Gruppen Pause machen und die Aussicht würdigen, trafen wir auch die anderen Trekking-Gruppen wieder. Die Spanier waren ein paar Leute mehr als wir und hatten zwei Arrieros und eine wahre Eselherde dabei. Und lebende Hühner, in Käfigen auf die Lasttiere gepackt. Für uns wäre sowas undenkbar, hier scheinbar normal. Wie gesagt, wir sind eben in Peru, hier laufen die Dinge etwas anders.

Melanie, Martina und ich vor dem Nev. Cuyoc, 5'550 m.

500 steile Höhenmeter später hatten wir unsere Zelte erreicht, die auf einem riesigen topfebenen Feld mit Kühen und Eseln standen. Die Sonne schien immer noch!, es windete dort unten nur wenig und wir konnten zum ersten mal einfach in die Sonne liegen und die Aussicht auf die Berge (hier Nev. Cuyoc und Trapezio) geniessen.

 Der 7. Tag begann heiss und anstrengend. Der Weg zum Paso San Antonio, 5'050 m war steil und steinig. Ich war extrem schlecht drauf, nicht launenmässig aber energiemässig. In den letzten Nächten hatte ich (auch Martina!) schlecht geschlafen, da ich nonstop am husten war. Was soll's, da musste man jetzt einfach rauf. Natürlich windete es dort oben wieder mal wie blöd, was, nassgeschwitzt wie wir waren, nicht gerade praktisch war. Aber die Aussicht von oben war die Anstrengung und die Konfrontation mit dem Wind allemal wert.

Hinten links Siulá Grande, rechts
Yerupajá Grande, im Vordergrund Sarapo
und Laguna Jurau.


Hier nochmals etwas zum Film "Touching the Void". In Huaraz konnte ich das entsprechende Buch ausleihen, was extrem spannend war, da wir hier jenen Berg, der die beiden englischen Bergsteiger beinahe umgebracht hätte, den Siulá Grande, life sahen. Er ist megaschön, dieser Nevado, aber dort raufklettern, sorry, aber dazu muss man schon lebensmüde sein. Oder aber, wie die beiden Engländer, den Berg massiv unterschätzen. 

Siulá Grande, Westflanke.

Unsere Abstiegsroute vom Paso San Antonio führte oberhalb der in der Sonne leuchtenden Lagune Jurau vorbei durch die Quebradas Calinca und Huayllapa  hinab bis ins Dorf Huayllapa, welches auf 3'450 m liegt und wo es entsprechend warm war. Wir campten dort zusammen mit den spanischen Trekkern auf dem dorfeigenen Fussballplatz.

Der nächste Morgen war auch wieder sonnig und sogar erst mal windstill. Zusammen mit dem steilen Aufstieg zum 4'800 m hohen Paso Tapush heizte uns das ganz schön ein. Die Route führte an einem Berg namens Diablo Mudo, dem Stummen Teufel vorbei, wobei mir nicht ganz klar war, wieso der Berg so heisst. Speziell teuflisch hat er auf micht nicht gewirkt. Auf dem Weg hinunter ins Camp sahen wir einen weiteren See, die Laguna Sucucocha, bei unserem Camp auf 4'500 m. gab es dann aber nur noch einen Bach. Schlimm, schlimm, alle diese lagunenlosen Camps, in einem Bach konnte sich noch nie ein Berg spiegeln:-)

Gegen Abend wurde der Himmel wieder bedrohlich grau, es begann es zu regnen und wir flüchteten in die Zelte. Zwar ist Regen immer unangenehm, die Wolken haben aber den Vorteil, dass es während der Nacht nicht allzu kalt wird. Allzu kalt ist aber auch relativ. Egal, ob es am Abend geregnet hatte oder nicht, i.d.R. war es am Morgen wieder klar und die Zelte und das Gras frostweiss. Anscheinend finden auch die Bewohner der Region das ungemütlich und manche riskieren ihr Leben, indem sie unter dem Footprint unseres Zeltes übernachten. Wenn wir das am Morgen dann abbrechen, kommen die verfrohren aussehenden Gäste zu Vorschein.

Diese Maus wohnt in Cashpapampa auf ca. 4'500 m.

Wir haben die Maus dann aus der weiten, weissen und kalten Ebene evakuviert und bei einigen Felsblöcken wieder ausgesetzt, die soll sich besser ein Loch graben als unter Zelten schlafen, wo sie eines Tages noch zerquetscht wird.

Der 9. Tag des Trekkings wurde wieder recht easy. Klar, da war wieder ein Pass, der 4'800 m hohe Paso Yaucha, von dem wir eine Superaussicht auf die verschneiten Hügel und Berge hatten. Ob die schwarzen Hügel Namen haben, weiss ich nicht, im Hintergrund v.l.n. die Nevados Rondoy, Toro, Yerupajá Chicho und Grande.

Frisch verschneite Cordillera Huayhuash.

Was folgte, war ca. 1.5 Stunden Marsch entlang extrem staubigen Weglein hinunter zum Camp an der Laguna Jahuacocha, die auf gerade mal 4'068 m Höhe lag. Wir kamen kurz nach Mittag dort an und hatten Zeit zum lesen und fotografieren. Hier im Vordergrund Melanies Zelt, das Koch- und Aufenthaltszelt und Martinas grünes Tunnelzelt. Dahinter die Zelte der Spanischen "Expedition", im Hintergrund die Nevados Rondoy und Toro.

Camp an der Laguna Jahuacocha, Tag 9.

Die professionelleren Fotografen unter uns hatten nun den Anspruch, nur Martinas Zelt und die Berge dahinter auf den Fotos zu haben (wer will den schon ein fremdes Camp auf seinem Bild?). Da das eher kompliziert war und nur aus einer ganz bestimmten Perspektive klappte, krochen die beiden auf dem Boden rum nach der Suche nach dem genau richtigen Fotospot.

Victor und Martina beim Fotografieren des Camps.

Der letzte Trekkingtag brach an und wir hatten einen letzten Pass, den "nur" 4'750 m hohe Paso Rondoy zu erklettern. Der Weg dort hinauf war steil und heiss und wir schwitzten wieder mal ganz gehörig. Das war auch zum wiederholten Mal nicht der offizielle Trekkingweg, aber unser Führer scheint in diesen Bergen jeden Schleichweg zu kennen und so kamen wir des öfteren in den Genuss von einsameren Wegen und teilweise besseren Aussichten. Ganz so einsam war dieser eine Weg jedoch nicht. Wir trafen dort oben eine Einheimische, die ihre Schafe jeden Tag zu den Hochweiden dort hinauf treibt. Ganz jung wirkte sie zwar nicht mehr, offensichtlich war sie aber ziemlich fit. Ziemlich fit war auch die Aussicht von  noch weiter oben. Weil er so schön ist, nochmals der höchste Berg der Cordillera Huayhuash.

Nevado Yerupajá.

Ausser schönen Bergen gibt es in diesen Gebirgen auch interessante Pflanzen mit schönen Blüten. Diese flauschigen Kakteen wachsen überall in der Cordillera Huayhuash. Sie haben leuchtend orange oder rote Blüten, die sich zu kleinen, rundlichen Früchten entwickeln. Eine Legende besagt, dass wer diese Früchte isst, dessen Haare werden so weiss wie der Kaktus selber. Wir haben zwar die eine oder andere dieser  Früchte gesehen, getested haben wir die Legende allerdings nicht.

Kaktus Huacuro.

Hier noch einer der witzigeren Bewohner der Anden. Dieses Viech, das aussieht wie eine  flauschige Mischung zwischen Hase und Chinchilla, heisst Vizcacha und bewohnt felsige Hänge in grossen Höhen. Sie sind nicht extrem scheu, mit etwas Vorsicht und Abstand kann man sie problemlos beobachten und Fotos schiessen. Dank ihrer grauen Farbe sind sie jedoch gut getarnt, aber unser Sherpa hat so gute Augen, dem scheint nichts zu entgehen, was sich in diesen Bergen bewegt (oder, wie ein Vizcacha, sich auch nicht bewegt).

Vizcacha.

Kurz nach 13 Uhr hatten wir die Strasse erreicht, auf der wir 10 Tage zuvor angekommen sind und nach gut zwei Stunden Marsch waren wir schon wieder in Pocpa, dem Ausgangspunkt des Trekkings. Wie immer wartete Percy mit fertig aufgestellten Zelten auf uns. Auch hier wurde der Fussballplatz zum Campingplatz umfunktioniert. Und wie immer in Dörfern schlichen neugierige Kinder und Hunde um unsere Zelte und inspizierten alles genaustens. Am Abend profitierten wir noch ein letztes Mal von Victors Kochkünsten, am nächsten Morgen schliefen wir etwas länger als sonst und brachen schliesslich etwas wehmütig das Camp ab und brachten unser Gepäck zur Bushaltestelle.

Da nie ganz genau klar ist, um welche Zeit der Bus fährt, waren wir lieber etwas früh dran und mussten dann halt eine Weile warten. Das war eine gute Gelegenheit, das lokale Dorfleben etwas zu studieren. Da war eine Frau, die am Fluss frisch geschorene Schafwolle wusch. Das ging so: Die graubraun-schmutzige Wolle wurde kurz ins Wasser gehalten und dann minutenlang mit einem grossen Holzhammer bearbeitet. Zwischendurch wusch sie die Wolle im Wasser kurz aus, dann hämmerte sie wieder drauflos. Diese Methode war aber erstaunlich effizient, die Wolle, die sie als sauber zur Seite legte, war schön weiss und sah auch sonst schon ganz geordnet aus.

Ausser zum Wollewaschen werden die Flüsse hier auch zum Wäschewaschen genutzt. Ob Waschmittel im Fluss empfehlenswert ist oder nicht, interessiert hier natürlich niemanden. So wurde die Wäsche schon immer gewaschen, also wird es auch heute noch so gemacht, Seife hin oder her. Allerdings werden  auch die Abwässer einer Mine weiter oben in diesen Flüss geleitet, vermutlich ist das Waschmittel, das darin entsorgt wird (oder die öffentlichen Klos, die direkt über dem Fluss stehen), das kleinste Problem.

Dorfleben in Pocpa.
 
Ausser den waschenden Frauen sorgte noch ein verirrtes Schaft für "Unterhaltung". Es kam blökend die Strasse heraufgelaufen und schaute die ganze Zeit verwirrt um sich. Als es über die Brücke des Flusses kam, tauchte eine Frau auf, die es wieder durchs ganze Dorf zurücktrieb. Kurz nachdem sie zurückkam, kam auch das Schaft wieder, immer noch blökend und seine Herde suchend. Eine andere, alte Frau machte sich nun daran, das Schaft zurückzutreiben, was dieses aber nicht so toll zu finden schien. Das das mit dem Treiben nicht so recht klappte, packte sie das arme Tier an einem Vorderbei und zerrte es rücksichtslos hinter sich her. Das fand das Schaf aber noch weniger witzig, sträubte sich umso mehr und landete dabei mehrmals auf dem Rücken. Irgendwann tauchte Hilfe auf, eine dritte Dame mit einer Rute, die dem Vieh einige Male über den Hintern gehauen wurde. Schliesslich waren alle drei ausser Sicht. Bei solchen Szenen wundern wir uns manchmal schon. Diese Leute, die mit Tieren aufwachsen, sollten doch wissen, wie man damit umgeht. Würde man meinen. Einem Schaft fast das Bein auszureissen, kann ja aber nicht die Methode der Wahl sein, um es dorthin zu kriegen, wo man es haben will. Naja, wie gesagt, wir sind hier eben in Peru.

Schliesslich kam unser Bus, wir luden das Gepäck auf und quetschten uns auf die Sitze. Nach unendlich vielen Kurven, noch mehr Geholpere und noch viel mehr Staub kamen wir wieder in Chiquian an. Wir luden alles in einen grossen, modernen Reisecar um und fuhren weiter nach Huaraz. Wegen diverser Baustellen verzögerte diese Fahrt sich um einiges, was uns drei Gringas nicht weiter belastete, die Einheimischen jedoch extrem zu nerven schien.

Ok, das war nun Trekking Nr. 2 erfolgreich abgeschlossen. Die Aussicht, diese wundervollen Berge schon zu verlassen, wirkt auf Martina und mich jedoch nicht sehr überzeugend. Die dritte Tour, diesemal wieder in der Cordillera Blanca, ist darum auch schon in Planung...

Mittwoch, 1. September 2010

Trekking in der Cordillera Blanca mit Sherpa Victorinox

Letzten Samstag Morgen trafen wir Victor wie verabredet um halb acht auf der Plaza. Da sein Rucksack riesengross und megaschwer war, nahmen wir ein Taxi zur Bushaltestelle. Dort warteten schon zwei Indígena-Frauen auf den selben Bus, der aber leider nicht aufkreuzte. Dafür hielt ein Taxi, das zwar uns drei, aber nicht die beiden Frauen mitnehmen wollte. He, was denn, wieso nicht? Nach einer kurzen Gringa-Intervention durften auch die beiden mit. Da aber nur insgesamt vier Passagiere auf die Sitze passen, klemmte eine sich in den Kofferraum, zusammen mit unseren Rucksäcken und anderem Gepäck. Aber Platz haben hier immer alle, die mitwollen. Irgendwie.

Um ca. halb neun starteten wir unsere erste Tagesetappe. Das Wetter spielte mit, wie in der Trockenzeit ja zu erwarten war. Bald hatten wir alle Häuser hinter uns gelassen, der Weg stieg nur leicht an. An einem Kontrollposten mussten wir ein Eintrittsticket für 65 Soles (CHF 23)kaufen. Dann ging's weiter durch die Quebrada (Tal) Quillcayhuanca. Wir marschierten etwa fünf Stunden ohne Stress in Richtung erstes Camp. Unterwegs sahen wir noch keine extreme Bergen dafür diverse Pflanzen und Vögel, zu denen wir interssante Erläuterungen erhielten. Z.B. war da jener braune Vogel mit gelbem Bauch, aus dessen Federn die Einheimischen anscheinend eine Art Tee machen, der für problemlose Geburten sorgen soll.



In jenem Tal war die Vegetation mehrheitlich im üblichen gelb-braun-grün gehalten. Einige Büsche hatten jedoch leuchtend rot-orange Blüten, von denen wir erfuhren, dass sie gar nicht zum Busch gehören, sondern dass das eine Art Parasitenpflanze ist, die am Busch wächst. Sieht aber super aus.

Parasitenblüten


Wir kamen um ca. 16 Uhr bei einer grossen, flachen, mit Felsblöcken übersähten Wiese an. Unser erstes Camp auf etwa 4'000 m. Wir stellten das Zelt auf und profitierten schon bald von der Aufmerksamkeit unseres Guías als wir eine Tasse heisse Schokolade und Popcorn ("Canchitas") zum Zvieri erhielten.

Hier noch etwas zu unserem Arragement mit Victor. Da wir ohne Lasttier unterwegs waren, mussten wir unser Futter für fünf Tage selber schleppen. Dazu gab es folgende Optionen: Das wird alles schön fair durch drei geteilt, oder wir nehmen einen Träger mit, was USD 25 pro Tag kostet. Da sowohl Martinas sowie mein Nacken recht anfällig ist und wir uns nicht gewohnt sind, schwere Rucksäcke zu tragen, tendierten wir dazu, jemanden fürs Tragen zu bezahlen. Wenn aber noch eine Person mitkam, mussten wir auch mehr Essen und noch ein Zelt mitnehmen, was das Gesamtgewicht nochmals erhöhen würde. Dazu der Vorschlag unseres Führers: Er spielt Lastesel und kriegt die 25 Dollars selber. Ok, für uns in Ordnung. Leider haben kein Foto von ihm und seinem Riesenrucksack gemacht, aber wir konnten das Teil kaum anheben. Er ist damit fröhlich tagelang rumspatziert, ob flach, auf- oder abwärts schien ihn nicht weiter zu beeindrucken. Krass. Dass er als Gía auch unser Koch war, war für ihn selbstverständlich, für uns ein ungewohnter Luxus.

Unser Frührer, Koch, Sherpa und Clown in Aktion


Martina und ich hatten so nur unsere persönlichen Sachen und etwas weniges wie Bananen, Eier und Avocados zu tragen, was erheblich zum Genuss des Trekkings beitrug. Die ganze Sache war für uns eh wie Ferien. Victor war nicht nur ein guter Führer mit spannender Information zu Land und Leuten, er war auch ein guter Koch, der sehr um das Wohlergehen seiner "Princesas Suizas" besorgt war und uns total verwöhnte. Gibt es z.B. was Schöneres als zum Frühstück heissen Tee und warme "Panqueques" serviert zu erhalten? Unser Spass und das gute Gelingen der Tour lag ihm sehr am Herzen. Beispielsweise meinten wir bei der Planung, es sei kein Problem, wenn er noch mehr Teilnehmer für die Tour finden würde. Obwohl das für ihn mehr Geld bedeutet hätte, wollte er der Harmonie der Gruppe wegen nicht mehr Leute suchen. Offenbar hat er in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht mit zusammengewürfelten Gruppen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus. So konnten wir das Tempo, die Pausen und teilweise auch das Tagespensum spontan selber bestimmen, ohne dass es irgendwelche Diskussionen gab. "Ustedes son las Jefas", "ihr seid die Chefinnen" sagte Victor jeweils, wenn es darum ging, an einem Ort zu campen oder noch eine Stunde weiterzugehen.

Tag zwei war ziemlich easy. Wir wanderten etwas über eine Stunde in ein Seitental bis auf 4'400 m, "montierten" das Camp und stiegen dann ohne Gepäck eine Moräne hinauf, von wo aus wir eine Superaussicht auf die umliegenden Gipfel und Geltscher hatten. Einzig die Wolken machten uns etwas einen Strich durch die Rechnung und vernebelten einige Berge und Eisfelder. Natürlich war es wieder sonnig, als wir wieder unten waren.



Obwohl wir auf der Moräne oben zu Mittag gegessen hatten, war ich schon wieder hungrig, als wir das Camp erreichten. Da dies ein unhaltbarer Zustand war, heizte Victor seinen Kocher ein und machte Suppe. Den Rest des Nachmittags lagen wir rum und genossen die Schönheit des Orts. Gegen Abend machten die schon lange drohenden Wolken ernst und es begann zu regnen. Nicht stark, aber zusammen mit der einsetzenden Kälte sehr unfreundlich. Also schickte unser selbstlose Koch uns in die Schlafsäcke und setzte sich selbst in den Zelteingang um das Abendessen zuzubereiten. Sowas ist einfach nicht zu übertreffen.

Auch am dritten Morgen gab's Panqueques zum Frühsück. Mmmm, unschlagbar. Das Terrain stieg dann zum ersten Mal (mit Gepäck) so richtig an und da die Sonne wieder schien wurde uns bald recht warm. Gegen 11 Uhr erreichten wir einige Hausruinen, wo wir unsere Rucksäcke deponierten und einen kleinen Abstecher zur Laguna Tulpa Cocha machten. Früher fielen dort offenbar regelmässig grosse Eisklötze ins Wasser, weshalb einige nette europäische Länder beim Ausfluss des Sees einen massiven Wall gebaut hatten, um die weiter unten liegenden Dörfer vor Flutwellen zu schützen.

Laguna Tulpa Cocha


Bevor die Region zum Nationalpark ernannt wurde, wurden an den Berghängen, auch um die Lagunen heraum, verschiedene Pflanzen gesammelt. Ab und zu kam es dabei vor, dass jemand ins Wasser stürzte und, da viele Leute hier nicht schwimmen können, ertrank. Gemäss einer Legende regnete es danach oft stunden- oder sogar tagelang heftig, was sonst nicht einmal während der Regenzeit vorkam. Mit dieser Legende sollten wir in den folgenden Tagen nochmals Bekanntschaft machen.

Gletscher oberhalb der Laguna Tulpa Cocha


Die Umgebung der Lagune war jedoch nicht völlig verlassen. Offenbar wohnten dort einige Esel, die dem Eindringen der Gringas mit Neugierde begegneten und uns bis zu unseren Rucksäcken zurück folgten. Schliesslich ist das ein Nationalpark, da müssen Besucher genaustens überwacht werden.

Neugierige Besucher oder Kontrolle?


Jetzt kam der härteste Teil des Treks, der Aufstieg zum über 5'000 m hohen Pass Huapi. Es war heiss, der Pfad steil und die Aussicht schlicht umwerfend. Zum Glück waren wir so langsam unterwegs, so hatten wir jede Menge Zeit, die vergletscherten Schönheiten ringsherum zu bewundern. Es war fast surreal und mit Worten unmöglich zu beschreiben, was wir fühlten während wir diese Berge bestaunten. So imposante, elegante und von Menschenhand unbeschmutzte Gipfel. Einziger Wermutstropfen war die Frage, wie lange uns diese Schnee- und Eisfelder dort oben noch erhalten bleiben. Sie werden jedes Jahr kleiner und dünner, wie lange werden sie noch überleben?

Wie ein Stückchen weisse Toblerone, Nev. Andavite, 5'446 m


Ein zweites Mal liessen wir das Gepäck zurück und gingen eine Lagune, die Laguna Cuchilla Cocha besuchen. Danach die Frage, bleiben wir hier oder steigen wir noch höher? Wir fühlten uns fit und entschieden uns, weiterzugehen. Das Gefühl muss eine Täuschung gewesen sein, meine Beine machten bald deutlich, dass sie ein frühes Camp bevorzugt hätten. Pech, zu spät, diese Stunden mussten sie noch durchhalten. Was sie natürlich auch taten, wenn auch widerwillig.

Wir fanden eine einigermassen flache Stelle auf über 4'900 m, für ein Camp doch eher hoch, aber mit unübertroffener Aussicht. Martina und ich stellten das Zelt auf, Victor machte heisse Schokolade, gute Arbeitsteilung. Die Wolken beraubten uns schon bald der letzten Sonnenstrahlen, die weissen Riesen hinter einem kleinen Hügeli leuchteten weiter. Was will man mehr?

Nev. Chinchey, 6'222 m


Panorama vom Camp Nr. 3, 2. von links Nev. Chinchey,
rechts dahinter in den Wolken Nev. Andavite


Eigentlich hatte ich erwartet, auf dieser Höhe nicht so gut zu schlafen, zu meiner Überraschung schlief ich aber in der 3. Nacht am besten. Die Nacht war auch bei weitem nicht so kalt wie erwartet. Nach Mitternacht begann es zu regnen oder zu schneien und es klang nach so viel Niederschlag, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn am Morgen alles weiss gewesen wäre. Was wir vor dem Zelt vorfanden, waren nur wenige Überreste von nassem Schnee, die fast verschwunden waren bis wir aufbrachen. Trotzdem, dieses Wetter motivierte uns nicht wirklich, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen.

Am frühen Morgen auf fast 5'000 m


Nach zwei Tassen heissen Tee und zwei feinen Pancakes packten wir einmal mehr ein nasses Zelt ein und stiegen auf den Paso Huapi hoch. Dort oben warteten wir eine ganze Weile auf die Sonne, die sich auch tatsächlich zwischenzeitlich kurz zeigte, die beiden dominanten Gipfel des Tages, Ranrapalca und Palcaraju, beide über 6'000 m hoch, wollten sich nicht zeigen. Schade, von hier aus hätten wir bei gutem Wetter eine kaum zu übertreffende Aussicht gehabt. Als sich die Wolken über uns wieder verdichteten und teilweise sehr bedrohlich grau aussahen, machten wir uns auf den Abstieg in die Quebrada Cojup. Der obere Teil des Weges war sehr steinig, hier wollten wir nicht von Regen oder gar Schnee eingeholt werden.

Auf dem Pass Huapi, über 5'200 m, eingenebelt
im Hintergrund Nev. Ranrapalca, 6'162 m


Unten im Tal angekommen, began es tatsächlich zu regnen und wir hatten Glück, einen halbwegs geschützten Platz fürs Mittagessen zu finden. Nach diesen steilen 1'000 m Abstieg war der Rest des Tages easy. Es ging flach durchs Tal, mal mit Regen, mal trocken. Schon um 14 Uhr hatten wir eine mögliche Campsite erreicht und da es uns dort gefiel, blieben wir. Wir schafften es gerade knapp, das Zelt aufzustellen, bevor es ernsthaft zu regnen begann. Auch hier wurden wir von den aufmerksamen Augen einer Eselfamilie beobachtet und auf Schritt und Tritt begleitet. Was mögen diese drei Humanos wohl im Sinn haben? Irgendwann war die Neugierde der Esel befriedigt und sie wurden von einer schwarzen Kuh abgelöst. Anscheinend hatten aber Kühe hier schon einmal ein Zelt aufgeschlitzt, weshalb wir unser Bestes gaben, das Vieh zu vertreiben. Mit Schreien, Stock und Steinen. Wirklich beeindrucken liess sich das Horntier aber nicht, flüchtete jeweils ein paar Schritte und kam dann zurück. Unser Zelt überlebte die Nacht aber unbeschadet, irgendwer hatte aber einen Nagel aus der Erde gerupft. Immer diese Rindviecher...

Am fünften Tag blieben noch ca. 3 Stunden durch flaches Terrain bis zum Dorf Llupa, wo der Trek begonnen hatte. Es war zwar einigermassen sonnig, die Berge blieben jedoch von Wolken verdeckt, da konnten wir noch so oft zurückschauen. Soviel zum Thema Trockenzeit. Eigentlich hätte es keinen Tropfen regnen dürfen. Victor fragte sich, ob wohl irgendjemand irgendwo in einer Lagune umgekommen war. Kurz vor Mittag waren wir schon zurück in Huaraz, von einem Todesfall haben wir bisher aber nichts gehört.

Und die Moral von der Geschichte:
  • Trekking in den Bergen der peruanischen Region Ancash ist etwas vom Schönsten, dass man sich vorstellen kann.
  • Einen guten Koch zu haben, ist der coolste Luxus, den man sich vorstellen kann.
  • Nach einem schönen Trek wieder in eine überfüllte, chaotische Stadt zu kommen, ist etwas vom Unerfreulichsten, dass man sich vorstellen kann.
Deshalb kam die Idee, ein weiteres Trekking zu machen, schon kurz nach unserer Ankunft in Huaraz. Eigentlich hatten wir nach dieser Wanderung ja bald weiter gewollt und deshalb brauchten wir eine Weile (ein paar Stunden) um auszuloten, wie ernst die Sache uns beiden angesichts der nicht zu vernachlässigenden Kosten war. Ja, todernst:-) Heute haben wir bei Victor eine 10-tägige Tour um die Cordillera Huayhuash bestätigt. Diesmal mit Eseln, die unser Gepäck schleppen, um unseren Spass dabei etwas zu erhöhen. Food für 10 Tage hätte ja auch unser Supersherpa nicht mittragen können.