Puerto Limón zu verlassen fiel uns nicht weiter schwer. Die Stadt mit ihrem überdurchschnittlich hohen Anteil an unfreundlichen, ja offen unanständigen und schon fast beleidigenden Leuten, v.a. in den überteuerten und miesen Hotels hat die Stadt locker zum antipatischsten Ort der ganzen bisherigen Reise befördert. Das positivste an Limón war die Bäckrei Musmanni, die, wie sich noch herausstellen sollte, zu einer Kette gehörte, die in diversen Städten Läden hat, und die wirklich gutes Brot und andere Backsachen hat.
Umwerfend spannend wurde der erste Tag auf dem Velo nach mehreren Tagen Pause nicht. Die Strasse war immer noch schmal und ohne Seitenstreifen, was zusammen mit dem vielen schnellen Verkehr eine Dauerkonzentration erforderte. Wenn es neben dem weissen Strich noch etwa 20 - 25 cm Asphalt hat, wovon 10 cm von den reflektierenden Töggel blockiert wird, kann man nicht mehr viel anderes machen, als angestrengt auf die Strasse zu starren. Im Optimalfall schafft man es, alle paar Sekunden einen Blick in den Rückspiegel zu werfen, aber wirklich stereo zu schauen, hat bei mir meistens nicht geklappt. Immerhin war es flach, wenn auch heiss, aber es hielt uns nichts auf, die 96 km bis Guápiles bis etwa Mitte Nachmittag zu absolvieren. Da andere Ciclistas uns gesagt hatten, man könne in Costa Rica problemlos bei Bomberos schlafen, versuchten wir wieder unser Glück, leider auch hier wieder erfolglos. Die Chefetage habe verboten, Ciclistas im Cuartel schlafen zu lassen. ????? Aber ok, der Herr, der uns dies mitteilte, konnte da ja nichts dafür. Also quartierten wir uns in einem eigentlich noch ganz sympatischen Hostal ein. Die USD 10 pro Person wären noch fast in Ordnung gewesen, wenn die eine Matraze nicht totaler Schrott gewesen wäre. Zum Glück war das aber ein Doppelbett, also faltete ich die Matte einmal zusammen, was zwar eher ein Hängemattengefühl vermittelte, aber immerhin lag ich so nicht direkt auf den Latten darunter.
An jenem Abend machte ich eine eher unangenehme Entdeckung. Die neue Kette, die ich in Panama City montierte hatte, war schon rostig. Nach weniger als 1'000 km. Und das, obwohl das Velo seit der kurzen Dusche in Limón nie nass geworden war. Und damals hatten wir die Velos in der Sonne trocknen lassen und die Ketten geölt. Diese Shimano-Kette hatte ich in Ecuador einem Deutschen Paar abgekauft, eine Fälschung konnte es also kaum gewesen sein. Und Shimano sollte doch eigentlich gute Qualität sein. Was soll das also?
Tags darauf stand ein Reisli nach San José auf dem Programm. Ich musste bei der Botschaft meine neue EC-Karte abholen und Martina brauchte einige Ersatzteile. Wir sassen etwa eineinhalb Stunden im Bus und stellten fest, dass die Strecke durch den Regen- und Nebelwald äusserst schön gewesen wäre, wenn, wie immer, die schmale Strasse nicht so stark befahren wäre. So würde es schon fast einem deppischen Selbstmordversuch nahe kommen, via diese Strasse in die Hauptstadt der Ticos (so nennen sich die Costarricaner) zu pedalen. Im Bus war das aber kein Problem und schon bald stiegen wir im Gran Terminal del Caribe in ein Taxi um, das uns zur Schweizer Botschaft brachte. Dort dauerte es keine fünf Minuten, da hatte ich den Empfang quittiert und meine neue Karte erhalten. Nun sollte die Bargeldbeschaffung wieder günstiger werden. Die 500 Dollar, die ich in Panama per Kreditkarte erhalten hatte, hatten mich insgesamt sage und schreibe 25 Dollar gekostet. Rip-off im wahrsten Sinne! Am nächsten Cajero Automático stellte die Karte gleich ihre Einsatztauglichkeit unter Beweis. Jupiie und danke Papi!
In der ersten Bicicletería, die wir ganz in der Nähe der Botschaft fanden, dem "Ciclo Los Ases" (südöstliche Ecke des Sabana Parks, nahe McDonalds), schien es denn auch gute Ware zu geben. All die Specialized-Velos, die dort rumstanden, waren ganz bestimmt oberstes Preissegment, dazu wird es wohl auch entsprechende Ersatzteile geben. Ich selber brauchte eigentlich nicht viel. Ich wollte meinen grünen Bidon ersetzen, dessen zwei Flicken sich doch als nicht ganz dicht erwiesen hatten. Blöderweise scheint es hier gleich grosse Flaschen zu geben. Den Ersatz, den ich in Cartagena für den blauen Bidon beschafft hatte, den ich in Kolumbien idiotischerweise an der Strasse hatte stehen lassen, ist auch kleiner, das neue Teil von San José nun ebenalls. Zwei Deziliter weniger tönt zwar nicht nach viel, ist aber trotzdem nicht von Vorteil. Im Ciclo Los Ases gab es auch eine Auswahl an hübschen Velo-Oberteilen, und da mein Geburi nahe war, kaufte ich mir ein knallgelbes Leibchen. Das grüne Teil, in dem ich momentan fahre und das inzwischen ärmellos ist, könnte in Guatemala und im mexikanischen Hochland unangemessen sein. Und man will ja schliesslich gerade in konservativen Regionen kein negatives Aufsehen erregen und in gelb werde ich auf der Strasse zumindest nicht übersehen. Anschliessend checkten wir noch eine weitere Bicicletería (Puro MTB, 200 Este y 25 Sur del Gimnasio FIT SIMONS, Sabana Sur, San José) und den Outdoor Gear (gegenüber Pops Curridabat, Carretera Principal) ab, aber Platypus-Flaschen scheint es in Costa Rica leider nicht zu geben.
Am nächsten Tag galt unsere Landflucht nun ernst. Wir wollten so schnell als möglich aus Costa Rica raus, auch wenn die Leute, je weiter von Limón entfernt, tendenziell freundlicher wurden. Nachdem wir von der Hauptstrasse abgebogen waren, wurde auch die Verkehrssituation je länger je besser. Landschaftlich interessant war es aber nicht. Wir fuhren durch Kulturlandschaft, es wurden Bananen, Papayas und diverse andere Dinge angepflanzt und es war vornehmlich platt. Zumindest am früheren Vormittag. Gegen Mittag wurde es immer hügeliger (und natürlich heisser) bis wir in San Miguel wieder eine Abzweigung nahmen und erst mal wieder den Berg runterfetzen konnen.
Da es im eher kleinen Ort Venecia keine Bomberos gab, angeblich im 10 km entfernten Aguas Zarcas schon, ging's eben nochmals weiter. Erst schön bergab, dann, wie es sich gehört, nochmals so einige Püggel aufwärts. Das waren wieder über 100 km gewesen mit Hügel und Hitze und wir waren relativ fertig. Entgegen der Information, die ich erhalten hatte, gab es auch in Aguas Zarcas keine Feuerwehr. Was es gab, war eine Rot Kreuz-Station, die zwar ein Feuerwehrauto besass, aber keine Bomberos waren und auch keine Ciclistas aufnahmen. Was war los mit diesem verd....... Land??? Wir fanden schliesslich Cabinas, wo das Zimmer USD 15 kostet, wie mir gesagt wurde. Das war ein echt guter Preis, zwei schöne Betten, sauberes Bad (auf den ersten Blick), ja sah gut aus. Wir luden also ab, richteten uns ein und wollten schliesslich bezahlen, als es plötzlich hiess, nein, sie habe sich geirrt und nicht 15 Dollar sondern 15'000 Colones gemeint. Wir waren einigermassen geschockt, dass sich der Preis innert 15 Minuten verdoppelt haben sollte und gaben dem auch Ausdruck. Die Señoras diskutierten die Sache kurz und verlangten schliesslich 10'000 Colones. Wir waren immer noch nicht happy, es sei doch nicht unser Fehler, wenn sie sich irre. Nein, nein, es sei ihr Fehler, meinte die Dame freundlich und schien nicht zu verstehen, warum wir verärgert waren. Schliesslich einigten wir uns auf 9'000 Colones, womit wir 2 Dollar sparten. Dabei war es uns gar nicht so sehr um die zwei Dollar gegangen, sondern ums Prinzip. Sie kann mir nicht einen Preis nennen und später die Hälfte mehr verlangen. Wenn sie die Währungen nicht im Griff hat, ist das auch nicht mein Problem. Kurz darauf stellte sich heraus, dass die Klimaanlage nicht funktionierte, was vor allem mückentechnisch praktisch gewesen wäre, und das Bad seit der letzten Besetzung des Zimmers offensichtlichnicht geputzt worden war. Langsam nervte das Land.
Fikusdach, fragt mich nicht, wo genau das war. |
Und Tarantel, weiss auch nicht mehr, wo genau. |
Der folgende Morgen begann dafür mit einer hammergeilen Abfahrt und danach mit einem langen, flachen Stück. Irgendwann bemerkte ich, dass es eigentlich eher langweilig sei, was wohl irgend jemand mitgekriegt hatte und kurz darauf für Hügel sorgte. Im Laufe des Morgens wurden die Steigungen z.T. sogar ungewöhnlich steil. Wir hatten gerade so eine Kuppe erklommen und begannen das kurze Abfährtli, als uns eine Autofahrerin, die zuvor gewunken hatte, stoppte und uns je ein Sandwich anbot. Sie hätten zuviel und ob wir nicht Hunger hätten. Hatten wir zwar eigentlich nicht, waren aber total platt von dem Angebot und nahmen es natürlich an. Keine Ahnung, ob die Frauen auch Ausländerinnen waren oder eine spezielle Gattung von Ticos, aber meine vorhin irgendwie schlechte Laune hob sich gleich markant.
Das Sandwich war nicht so fotogen, aber schöne Blumen am Wegrand heben die Stimmung auch. |
Nach rund 75 km hatten wir San Rafael de Guatuso erreicht und gönnten uns zum ersten mal in Costa Rica Glacés. Zu unserer Überraschung war das nicht mal so teuer. Wow, unglaublich. Nach einem kurzen Schwatz mit den interessierten Männern der Tankstelle, wo wir unsere Wasserflaschen auffüllen durften, ging's weiter. Wir hatten noch rund 40 km bis Upala vor uns, was mich nicht mega motivierte, aber gemäss Karte gab es vorher keine grösseren Ortschaften mehr. Wir würden ja sehen. Das Land war immer noch wellig, steile Subidas kamen aber keine mehr. Dafür verdunkelte sich der Himmel drohend und nach etwa 15 weiteren Kilometern fielen die ersten Tropfen. Da wir uns gerade im kleinen Dörfli Katira befanden, fragten wir bei der Schule an, ob wir allenfalls dort übernachten könnten. Konnten wir aber nicht. Hätte mich ja auch gewundert. Da entdeckten wir ein Schild, das auf Cabinas hinwies, die aber recht elegant aussahen. Aber gut, fragen kann man ja immer. Stellte sich heraus, dass das Zimmer wie immer CRC 10'000 kostete, mit zwei guten Betten und einer funktionierenden Klimaanlage ausgerüstet war und diesmal auch das Bad sehr geputzt aussah. Dazu gab es sogar genug Platz um die Velos mit rein zu nehmen und die Leute schienen das nicht sonderbar zu finden und genehmigten die Bitte sofort. Um an günstiges Futter zu kommen, fragten wir abends jeweils bei einem Restaurant an, was den Reis, Bohnen und Spiegeleier kosten würden. Das war meistens verkraftbar und manchmal bekamen wir sogar noch gebratene Bananen dazu.
An unserem zweitletzten Tag in Costa Rica schien es, als könnte sich das Land rehabilitieren. Als da am Strassenrand Kokosnüsse rumlagen und ich mich anschickte, zwei aufzusammeln, stoppte mich ein Motorradfahrer. Die seien nicht mehr gut, meinte er. Kurzerhand fragte er beim nächsten Haus nach einer Machete und hackte uns von der Palme, die vor ebendiesem Haus stand, je zwei Nüsse ab. Normalerweise kostet eine Kokosnuss CRC 250 - 300, was etwa 50 Cent oder eben ein Bischen mehr ist. Als er hörte, dass wir Schweizerinnen sind, lud er uns kurzerhand zu sich nach Hause zu einem Schwatz mit seiner Frau ein. Sie sei im Januar in der Schweiz gewesen und würde uns sicher gerne kennenlernen. So kamen wir noch in den Genuss einer Tasse Kaffee und seltsamen Käsegebäcks, das in Nicaragua typisch sei.
Wir hatten aber noch einiges an Weg vor uns und stiegen darum bald wieder auf die Velos. Bis anhin war es sehr eben gewesen, nun kam der obligatorische Bergteil. Schwitz. Coolerweise sahen wir an jenem Morgen aber auch unsere Ersten Affen. Die sassen bzw. hingen da oben hoch in einem Baum und assen Blätter. Nachdem wir eine Weile hinaufgestarrt hatten, begann einer, komische Laute von sich zu geben, als wolle er uns sagen, dass das sein Revier sei. Und als ein Lastwagen mit dem üblichen Getöse vorbeifuhr, wurde auch auf dem Baum lauter gebrüllt. Vielleicht täuscht das, aber die ganze Szene sah recht friedlich aus. Da hängt man mit dem Schwanz oder an einem Bein oder einer Hand am Ast, pflückt Blätter und hat keinen Stress. Wenn kein feines Blatt in Reichweite ist, hüpft man eben auf den nächsten Ast oder klettert etwas höher hinauf. Ja, Affe müsste man sein.
Wir kletterten auch wieder höher hinauf, aber auf der Strasse und zünftig schwitzend. In der winzigen Ortschaft Birmania war dann Schluss mit Asphalt für die nächsten 20 km. Das zeigt die Karte so an und war uns gesagt worden, also keine Überraschung. Dass die Carretera muy mal sei, wussten wir auch, nur wie schlecht muy mal dann wirklich ist, ist oft nicht so klar. In diesem Fall hiess es aber viele lose Steine und Sand, nicht lustig also. Zeitweise hatte die Strasse eine Art Belag, der dann wieder zerbrösmelte. An einer Stelle war eine Planierraupe damit beschäftigt, das alles noch schlimmer zu machen und wir soffen fast ab in dem Acker, den sie hinterliess. Möglicherweise wird da eine Asphaltierung vorbereitet. Diese letzten Kilometer des Tages zogen sich lange hin, durch steinigen Staub zu spulen dauert nun mal seine Zeit.
Santa Cecilia war ein kleines Kaff und wir hofften auf eine letzte günstige Unterkunft. Jaja, klar, wir waren noch in Costa Rica. Die ersten Zimmer, die ich anschaute, befanden sich etwa auf dem Niveau von Limón, nur teurer. Und über einem Restaurant, wo schon am Nachmittag laut Karaoke gesungen wurde. Und es war Samstag, also würde das noch weit in die Nacht so weitergehen. Es gab aber noch einen Ort, der Zimmer vermietete, die kosteten ebenfalls die üblichen CRC 10'000, ebenfalls nur mit baño compartido. Und das Zimmer war so klein, dass wir unser Gepäck kaum reinbrachten. Gleich daneben gab es einen Partysaal, wo aber nur am Samstag Fiestas gefeiert würden, wie mir wiederholt versichert wurde. Ja, sehr schön, interessiert mich das, wenn gerade Samstag ist??? Einmal mehr hatten wir aber keine Wahl, also was soll's?
Schon in der Nacht schepperte der Regen laut auf das Wellblechdach. Am Morgen war es kurz trocken, wir waren aber noch nicht lange unterwegs, als es wieder zu regnen begann. Und da wir uns nun wieder an der pazifischen Seite Mittelamerikas befanden, wurde der Weltuntergang so richtig gut simuliert. Es schüttete stundenlange so stark, dass die Strasse innert kürzester Zeit unter Wasser stand, und wir Velofahrer von der Strömung fast mitgerissen wurden. Wir kamen auf eine Art Hochebene, wo ganze Lagunen auf der Strasse rumspazierten und die Strassengräben links und rechts sich längst in tiefe, reissende Flüsse verwandelt hatten. Von den etwas erhöht liegenden Feldern donnerten Wasserfälle hinab und, wie es sich auf Ebenen gehört, war es ganz schön windig. In der Höhe, wo wir uns befanden, wurde es immer kälter, der Wind wurde langsam zum Blizzard upgegraded und wir befanden uns mitten in einem Schneesturm. Bis dahin in kurzen Hosen und T-Shirts gefahren, waren wir nun bis aufs Knochenmark durchnässt und zogen mit fast erfrorenen Fingern unser Regenzeug an. Gefährlich unterkühlt kämpften wir in den folgenden Stunden im wilden Hochland Costa Ricas gegen Kälte, Wind und Schnee ums Überleben. Schutz war nicht in Sicht, kein Dach, kein Baum, nichts...
:-)) Ok, im Ernst, ganz so dramatisch war es nicht. Unsere "Hoch"ebene muss sich irgendwo zwischen 250 und 300 müM. befunden haben und die eisige Kälte war in Tat und Wahrheit eine willkommene Erfrischung. Tatsache ist, dass es längere Zeit so gepisst hat, dass ich nicht mehr wusste, ob ich genervt oder amüsiert sein sollte. Die Strassengräben waren tatsächlich in Flüsse umfunktioniert worden und die Strassenarbeiter, die in ihren Autos im Trockenen sassen, bewiesen ihre Englischkenntnisse und riefen uns nach "not a good day" und "welcome to Costa Rica". Nun, wir hatten uns ja auch nicht beklagt und befanden uns auch auf dem Weg aus eben diesem Costa Rica. Ob das Wetter in Nicaragua anders sein wird?
Nach etwa 30 km bogen wir in die Panam ein, es regnete noch, aber wieder normaler. Der Verkehr nahm hier zu, Seitenstreifen waren in der Zwischenzeit aber immer noch nicht erfunden worden. Nochmals 20 km bis zur Grenze. Schon weit davor standen dutzende, ja hunderte Lastwagen auf der rechten Fahrbahn aufgereiht und warteten. Auf die Grenzabfertigung? Sah aus, als würden sie da noch lange warten. Wir fuhren an ihnen vorbei, mal links, mal rechts. Vor dem Grenzgebäude auf costarricanischer Seite befand sich eine lange Schlage und wir machten uns ebenfalls auf langes Warten gefasst. Die Sache ging dann aber unerwartet zügig, da alle Schalter offen und auch bedient waren. Wir wechselten noch unsere Colones ein und bekamen dafür Córdobas, ebenfalls bunte Plastiknoten, ausgehändigt.
In einem Chaos aus vielen Lastern, Fussgängern, Velos und Pferdekutschen fanden wir den Weg nach Nicaragua und zur Migración. Ein netter Helfer stellte uns in die falsche Schlange, worauf uns später ein noch netterer Helfer aufmerksam machte. Obwohl die Schlange hier nicht so lange war wie in Costa Rica, warteten wir beträchtlich länger. Und erfuhren dann, dass wir USD 12 Eintritt ins Land bezahlen mussten. Klar, sowas verzögert das Prozedere natürlich, da ich erst das Geld aus einer Tasche am Velo klauben musste. Immerhin bekamen wir eine offiziell ausschauende Touristenkarte, wo der Betrag von USD 10 aufgedruckt war. Wofür die anderen 2 Dólares waren, weiss ich nicht. In Nicaragua wird die landeseigene Währung Córdoba sowie der US-Dollar akzeptiert, bei den Dollars sind sie aber so zickig wie die Peruaner. Bitte keine zerkritzelten, angemalten, zerknüllten oder generell alte Noten geben.
Nach insgesamt etwa einer Stunde und mit unsren neuen Stempeln im Pass und Freude über die gelungene Einreise ging's weiter. Gleich darauf wurden wir schon wieder gestoppt. Erst wurde der Pass kontrolliert, dann verlangte ein anderer Typ nochmals je einen Dollar. Für die Municipalidad. Wieder kriegten wir eine schöne, geruckte Quittung, wozu einem dieses Geld abgeknöpft wurde, wurde jedoch nicht klar. Nun waren wir also in Nicaragua, offiziell und legal. Was war anders? Nun, erstmal schien die Sonne und zweitens erschienen die Häuser links und rechts der Strasse eher wie Bretter- und Wellblechbuden, aber sonst konnten wir keine Unterschiede erkennen. Im ersten Dorf war dann auch der Baustil wieder sehr ähnlich wie auf der anderen Seite der Grenze. Interessanterweise gab es hier dafür Bäume, die mit Kakteen behängt waren, als hätten sie Bärte. Und die platte Schlange, die auf der Strasse lag, war bedeutend grösser als all die kleinen toten Schlänglis in Costa Rica. Es hatte erstaunlich wenig Verkehr auf der Hauptverbindungsachse aber die Beschilderung der Strasse war ebensogut wie in Costa Rica und besser als oft in Panama.
Aber hier, im angeblich bedeutend ärmeren Nicaragua gab es einen Seitenstreifen! Mit 50 - 60 cm nicht sehr breit, aber immerhin. Gemäss Wikipedia ist Nicaragua das zweitärmste Land Lateinamerikas. Was wir hier aber zu sehen bekamen, stimmt nicht recht mit dieser Information überein, die Geschichte des Landes war aber offensichtlich sehr bewegt. Da hat wieder einmal ein Volk lange unter Diktatoren gelitten, und als es diese endlich zum Teufel gejagt hat, zu spüren bekommen, was es heisst, eine den Amis nicht genehme Regierung zu haben. Diesen Wiki-Eintrag zu lesen, hat ehrlicherweise nicht gerade Vorfreude auf's Amiland geweckt. Nun, die Gegenwart vor unseren Augen sah eigentlich nicht so schlecht aus, die Strasse war generell in gutem Zustand, in Dörfern lag nicht mehr Abfall herum als wir es uns von den beiden letzten Ländern gewohnt waren und am Ufer des Lagos Nicaragua (oder Lago Cocibolca) standen eine Menge Windmühlen.
Das Restaurant, wo wir zu Mittag assen, war klar günstiger als bis anhin. In Rivas gab es teilweise abgetrennte, breite Trottoirs für Fussgänger und Velos und die Stadt wirkte generell ordentlich und sauber. Was auffiel, waren die vielen Pferde, die hier eingesetzt werden. Im Norden von Costa Rica hatte es das auch schon wieder vermehrt gegeben, hier aber bedeutend öfter. Fahrräder waren auch in Costa Rica schon verbreitete Verkehrsmittel gewesen, in Nicaragua aber noch viel beliebter. Dank guten Wegweisern fanden wir San Jorge und die Anlegestelle der Fähre, die uns auf die Insel Ometepe bringen sollte, problemlos. Komischerweise mussten wir für die Velos erst Impuestos, also Steuern bezahlen, die Tickets kauften wir dann erst an Bord. Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde und war gemütlich, ohne dass viel passierte.
Um vier Uhr nachmittags legten wir bei Moyogalpa an und machten uns auf die Suche nach einer Unterkunft. Die Insel ist schon recht touristisch und der Preisunterschied zu Costa Rica mussten wir erst noch finden. Tatsächlich gab es aber auch günstige Optionen, für USD 5 pro Person bekamen wir bei der Doña Chilo schliesslich ein Zimmer mit eigenem Bad, das gross genug war, um die Velos drin zu parkieren. Dass das erlaubt war, stand nie in Frage. Wie anders war doch der Empfang durch die Nicas, wie viel freundlicher die Gesichter und angenehmer der Umgangston.
Am folgenden Morgen standen wir um 7 Uhr auf und machten eine Inselrundfahrt. Bis Altagracia, wo wir ein kleines Museum besuchten, waren es um die 24 km auf guter Strasse. Wir kamen durch diverse kleine Siedlungen und überall wurde Landwirtschaft betrieben. Es scheint dort nicht üblich zu sein, Vieh tagsüber auf eine Weide zu treiben. Auch das in Südamerika weitverbreitete an der Strasse anbinden kam hier weniger vor. Die (cool behörnten) Rinder weideten zwar auch entlang der Strasse, wurden dabei aber fast immer von einem Hirten begleitet. Pferde sahen wir öfter angebunden. Was mir dabei sehr negativ auffiel, war, dass es auf der gesamten Insel kaum Pferde gab, die auch nur halbwegs gut genährt aussahen. Die waren alle knochig bis fast wandelnde Skelette. Und trotzdem wird ihnen bei der Arbeit als Last- oder Zugpferde täglich viel abverlangt.
Dass die Carretera auf der anderen Seite der Insel muy mala sei, war uns gesagt worden, und dem war denn auch wirklich so. Sandig, loses Kies, grosse Steine und felsiger Untergrund machten dir Route richtig technisch und ein gefedertes Mountainbike wäre ganz klar von Vorteil gewesen. Was aber nicht heisst, dass unsere treuen Mulis das nicht auch konnten, wir wurden einfach etwas mehr durchgeschüttelt. Der Name der Insel Ometepe hat übrigens keine mystische Bedeutung, sondern heisst auf Nahuatl schlicht und einfach zwei Berge. Ome: zwei, tepetl: Berge. Allerdings wird Nahuatl dort heute nicht mehr gesprochen, es sind nur noch alte Namen übrig geblieben.
Da wir mit einer Wanderung auf einen der Vulkane liebäugelten, gingen wir am Nachmittag in Moyogalpa diesbezügliche Information suchen. Wir stiessen auf das Büro der Ometepe Expeditions und liessen uns unverbindlich informieren. Für die Besteigung des höheren Vulkanes, des Conceptión, wurden 10-12 Stunden veranschlagt, für den Maderas 7-9 Stunden, wobei der Conceptión auf der trockenen Seite der Insel liegt und darum nicht so schlammig sei, der Maderas erhält bedeutend mehr Niederschläge und die Wege seien darum sehr verschlammt. Grundsätzlich regne es in Nicaragua aber bedeutend weniger als in Costa Rica, wurde uns gesagt. Ok, ok, das würden wir später noch verifizieren können. Unser Aufenthalt auf der Insel sollte aber eher ein wenig der Erholung dienen und beide hatten wir eigentlich wenig Lust auf eine harte Tageswanderung und einigten uns darum auf eine Inseltour, die den Besuch von zwei Museen, einer grünen Lagune, Petroglyphen und das Ojo de Agua, eine natürliche Badi, beinhaltete. Kostenpunkt: USD 50 für uns beide, damit sind Führer und Transport bezahlt, jedoch nicht die einzelnen Eintritte.
Am Morgen darauf um 8 Uhr waren wir bereit, zwei Minuten später kam auch Harinton, unser Guía angefahren. Ganz schön pünktlich. Die beiden Museen auf der Finca Tel Aviv stellten sich als interessant heraus. Eines war eine Ausstellung von Noten und Münzen Nicaraguas. Bemerkenswert daran ist, dass fast jeder neue Präsident des Landes seinen eigenen Satz an Noten designen lässt, oder zumindest die des Vorgängers etwas neu gestaltet, und das Volk natürlich diese Egotrips zu bezahlen hat. So werden diverse Noten von Ehegatten, Vätern oder Kinder der jeweiligen Präsis geziert und so sind jenes Mitglieder des Samoza-Clans, der Nicaragua während Jahrzehnten ausgeplündert hat, auf den Banknoten verewigt. Gemäss unserer Führerin im Museum war Nicaragua das erste Land Mittelamerikas, das die Unabhängigkeit von Spanien errang, aber das letzte, das sein eigenes Geld herausgab. Und Nicaragua hatte die allererste Latina-Präsidentin überhaupt.
Im zweiten Museum wurden unzählige archäologische Fundestücke gezeigt, darunter ein vollständiges Grab, das ins Museum verlegt worden war, viele Graburnen in verschiedenen Formen, andere Keramikgefässe in allen Grössen, die zu verschiedensten Zwecken genutzt worden waren und zum Teil auch schön dekoriert wurden. Die Señora sagte, dass bei den Funden aus 800 v.Chr. bis 300 n.Chr. ein Inka-Einfluss feststellbar sei. Bin nicht sicher, ob das stimmen kann, da die Inka um diese Zeit noch gar kein grosses Reich aufgebaut hatten und ich noch nie etwas davon gehört oder gelesen habe, dass sie bis nach Mittelamerika vorgedrungen seien. Aber egal, Inka-Einfluss macht sich immer gut. Dann gab es dort noch eine Menge an Speer- und Pfeilspitzen zu sehen, zugehauene Mahlsteine und verschiedenen Schmuck.
Gerade als eine weitere grosse Gruppe ankam, war unsere Führung beendet und wir zogen weiter. Der Charco Verde, die grüne Lagune war das nächste Ziel. Dort spazierten wir durch den Wald, sahen Affen und diverse Vögel und bekamen alle möglichen Medizinal- und sonstige Nutzpflanzen gezeigt, die heutzutage aber kaum mehr verwendet werden. Weiter ging's zu den Petroglyphen auf der anderen Seite der Insel beim Vulkan Maderas. Dort, mitten im Wald, hat man viele grosse Lavafelsen mit hübschen und vor allem rätselhaften eingeritzten Bildern gefunden. Und natürlich gibt es diverse Theorien darüber, wie die Leute sowas fabriziert hatten. Die Naheliegendste ist wohl mit Steinwerkzeugen. Da alle Rillen jedoch genau und gleichmässig fingerbreit sind, wird das von einigen Forschern in Zweifel gezogen. Fancy klingt die Idee, sie hätten mit speziellem Pflanzensaft den Stein so weit aufweichen können, um mit den Fingern, allenfalls noch mit Sand, die Rillen ziehen können. Noch viel fancier finde ich die Vermutung, sie hätten das, notabene auch einfach mit den Fingern, kurz nach einer Eruption gemacht, als die Steine zwar genug abgekühlt aber noch weich genug gewesen seien. Meiner Meinung nach mehr Fiction als Science, aber ich weiss schliesslich auch nicht alles.
Nach dem Mittagessen in einem Restaurant fuhren wir zum Ojo de Agua. Dort gibt es einen natürlichen Pool mit glasklarem Wasser, das dort aus dem Boden an die Oberfläche dringt und sich damit wunderbar zum baden eignet. An einem heissen Tag perfekt, an einem eher kühlen, regnerischen Tag war uns das Wasser schon fast zu kalt. Als letztes besuchten wir die Punta Jesus Maria, eine kleine Landzunge, die in den See hinaus zeigt und früher ein Indígena-Friedhof gewesen sein soll. Anlass zu dieser Vermutung geben die vielen Keramik-Scherben, die dort fröhlich herumliegen.
Am Morgen darauf regnete es natürlich wieder, weshalb wir uns auf der Fähre zurück auf's Festland schnell ins Schiffsinnere verzogen. Hätte ich besser nicht gemacht. Offenbar wollen um 6 Uhr morgens nicht nur viele Leute, sondern auch Autos und kleinere Laster mitfahren, da bleibt wenig Platz für Velos. Darum haben die Idioten meins kurzerhand unter den Lastwagen geschmissen, was ich natürlich erst auf der anderen Seite festgestellt habe. Bei einem solchen Umgang muss sich ja keiner mehr wundern, wenn die Haken der Taschen vor die Hunde gehen. Fazit: Lass Dein geliebtes Velo nie aus den Augen und vertraue den Einheimischen nicht, was den Umgang damit betrifft (eigentlich ja nicht wirklich eine neue Erkenntnis).
Die Strecke bis Granada war dann nicht weiter ereignisreich. Es regnete zuerst noch, später trocknete es, aber wirklich sonnig wurde es zum Glück nicht. Erst war es lange flach, dann hatten wir ein gemütliches Hügeli zu überwinden und konnten so eine hübsche Bajada runter nach Granada geniessen. In einem Aussenbezirk assen wir für 30 Córdobas (ca. CHF 1.50) Zmittag und suchten dann ein Hostal. Auch hier waren die Unterkünfte gar nicht so billig, dafür die Leute anständig und die Qualität gut. Fanden mit dem La Mexicana ein neues Hostal in einem kolonialen Haus, das gerade einen Precio de Promoción anzubieten hatte. Für USD 6 erhielten wir ein Zimmer mit bequemen Betten und Gemeinschaftsbad. Wohl kein schlechter Deal.
Granada ist typisch lateinamerikanisch chaotisch und es gibt interessante Gegensätze zu beobachten. An der Plaza steht eine elegante, renovierte Kathedale, während diverse andere Kirchen wo aussehen, wie man annehmen muss, dass ein Gebäude aussieht, das seit Zeiten der Spanier nicht mehr unterhalten und gestrichen worden ist. Auch stehen häufig schöne, gut unterhaltene Häuser neben welchen, die dringend neu verputzt werden müssten.
Heute Morgen haben wir nachträglich meinen Geburtstag gefeiert und uns im ChocoCafé an der Calle Atravesada ein All-you-can-eat-Breakfast für USD 7.50 geleistet. Das war eine echt geniale Sache, wir waren von 9-12 Uhr mit Essen (und Routenplanung durch Mittelamerika) beschäftigt. Dort hat es auch ein Schokolade-Museum, es gibt Workshops, wo man lernt, Schokolade herzustellen und sie bieten Tours durch ihre Plantagen an. Wer sich also für Schokolade interessiert, ist dort an der richtigen Adresse.
Hier nochmals einige Bemerkungen dazu, was dieses Klima für Auswirkungen auf uns und unserer Ausrüstung hat und wie wir versuchen, damit umzugehen. Also, einerseits haben wir uns auf dem Weg nach Granada fast (d.h. ich fast, Martina ganz) einen Sonnenbrand zugezogen, und das obwohl die Sonne kaum je prall geschienen hat. Das Bischen Regen scheint die Sonnencreme gerade genug abgewaschen zu haben, um so eine leichte Hautrötung zu verursachen. Die Aussage unseres Guías auf Ometepe, dass es hier weniger regnen soll als in Costa Rica, scheint sich nicht zu bestätigen, bis jetzt hat es viel öfter geregnet. Vielleicht hat sich das ja auf die Pazifikseite Costa Ricas bezogen. Dass Veloketten hier auch ohne Regen rosten, wurde uns in den Bike Shops in San José bestätigt, hängt mit der Luftfeuchtigkeit zusammen. Wirkliche Abhilfe gibt es nicht, man muss aber öfters ölen.
Wir hegen auch den Verdacht, dass bald auch unsere Kleider und wir selber vielleicht nicht zu rosten, aber eben bald zu schimmeln beginnen werden. Entweder ist alles schweissnass oder regennass. Die Kleider sind nicht mehr sauber zu kriegen, weder für die Augen noch für die Nase. Mein Leibchen riecht fein nach Waschmittel, solange es vom Waschen nass ist, sobald es trocken ist, stinkt es wieder nach Schweiss. Die frühere Taktik, Top und Hose alle paar Tage zu waschen, taugt hier nicht mehr, solchen Gestank "frisch gewaschener" Kleider ist schlicht nicht mehr zumutbar. Seit ich jeden Abend wasche, ist die Situation etwas besser geworden. Leider favorisieren die Hände diese Lösung nicht, müssen aber vorerst damit leben.
Meine Uhr, die normalerweise am Lenker baumelt und der schon länger zwei Knöpfe fehlen, scheint den Abschiedsregen von Costa Rica nicht überlebt zu haben. Anfänglich war nur das Display unter Wasser aber die Anzeige noch vorhanden, jetzt ist alles tot. Auch die "wasserdichten" Ortlieb-Taschen sind solchen Regenattacken nicht gewachsen. In beide Vordertaschen sind mehr als nur einige wenige Tropfen eingedrungen und sogar eine Hintertasche, auf denen ja der Rucksack liegt, war innen feucht. Der dauerne Kampf gegen blutsaugende Insekten ist auch längst noch nicht gewonnen, hier müssen wir uns noch was einfallen lassen...
Am folgenden Morgen standen wir um 7 Uhr auf und machten eine Inselrundfahrt. Bis Altagracia, wo wir ein kleines Museum besuchten, waren es um die 24 km auf guter Strasse. Wir kamen durch diverse kleine Siedlungen und überall wurde Landwirtschaft betrieben. Es scheint dort nicht üblich zu sein, Vieh tagsüber auf eine Weide zu treiben. Auch das in Südamerika weitverbreitete an der Strasse anbinden kam hier weniger vor. Die (cool behörnten) Rinder weideten zwar auch entlang der Strasse, wurden dabei aber fast immer von einem Hirten begleitet. Pferde sahen wir öfter angebunden. Was mir dabei sehr negativ auffiel, war, dass es auf der gesamten Insel kaum Pferde gab, die auch nur halbwegs gut genährt aussahen. Die waren alle knochig bis fast wandelnde Skelette. Und trotzdem wird ihnen bei der Arbeit als Last- oder Zugpferde täglich viel abverlangt.
Skelett mit Fell dran. |
Affen und Palmen im "Restaurant". |
Dass die Carretera auf der anderen Seite der Insel muy mala sei, war uns gesagt worden, und dem war denn auch wirklich so. Sandig, loses Kies, grosse Steine und felsiger Untergrund machten dir Route richtig technisch und ein gefedertes Mountainbike wäre ganz klar von Vorteil gewesen. Was aber nicht heisst, dass unsere treuen Mulis das nicht auch konnten, wir wurden einfach etwas mehr durchgeschüttelt. Der Name der Insel Ometepe hat übrigens keine mystische Bedeutung, sondern heisst auf Nahuatl schlicht und einfach zwei Berge. Ome: zwei, tepetl: Berge. Allerdings wird Nahuatl dort heute nicht mehr gesprochen, es sind nur noch alte Namen übrig geblieben.
"Hinterland" auf Ometepe. |
Vulkan Conceptión. |
Da wir mit einer Wanderung auf einen der Vulkane liebäugelten, gingen wir am Nachmittag in Moyogalpa diesbezügliche Information suchen. Wir stiessen auf das Büro der Ometepe Expeditions und liessen uns unverbindlich informieren. Für die Besteigung des höheren Vulkanes, des Conceptión, wurden 10-12 Stunden veranschlagt, für den Maderas 7-9 Stunden, wobei der Conceptión auf der trockenen Seite der Insel liegt und darum nicht so schlammig sei, der Maderas erhält bedeutend mehr Niederschläge und die Wege seien darum sehr verschlammt. Grundsätzlich regne es in Nicaragua aber bedeutend weniger als in Costa Rica, wurde uns gesagt. Ok, ok, das würden wir später noch verifizieren können. Unser Aufenthalt auf der Insel sollte aber eher ein wenig der Erholung dienen und beide hatten wir eigentlich wenig Lust auf eine harte Tageswanderung und einigten uns darum auf eine Inseltour, die den Besuch von zwei Museen, einer grünen Lagune, Petroglyphen und das Ojo de Agua, eine natürliche Badi, beinhaltete. Kostenpunkt: USD 50 für uns beide, damit sind Führer und Transport bezahlt, jedoch nicht die einzelnen Eintritte.
Am Morgen darauf um 8 Uhr waren wir bereit, zwei Minuten später kam auch Harinton, unser Guía angefahren. Ganz schön pünktlich. Die beiden Museen auf der Finca Tel Aviv stellten sich als interessant heraus. Eines war eine Ausstellung von Noten und Münzen Nicaraguas. Bemerkenswert daran ist, dass fast jeder neue Präsident des Landes seinen eigenen Satz an Noten designen lässt, oder zumindest die des Vorgängers etwas neu gestaltet, und das Volk natürlich diese Egotrips zu bezahlen hat. So werden diverse Noten von Ehegatten, Vätern oder Kinder der jeweiligen Präsis geziert und so sind jenes Mitglieder des Samoza-Clans, der Nicaragua während Jahrzehnten ausgeplündert hat, auf den Banknoten verewigt. Gemäss unserer Führerin im Museum war Nicaragua das erste Land Mittelamerikas, das die Unabhängigkeit von Spanien errang, aber das letzte, das sein eigenes Geld herausgab. Und Nicaragua hatte die allererste Latina-Präsidentin überhaupt.
Im zweiten Museum wurden unzählige archäologische Fundestücke gezeigt, darunter ein vollständiges Grab, das ins Museum verlegt worden war, viele Graburnen in verschiedenen Formen, andere Keramikgefässe in allen Grössen, die zu verschiedensten Zwecken genutzt worden waren und zum Teil auch schön dekoriert wurden. Die Señora sagte, dass bei den Funden aus 800 v.Chr. bis 300 n.Chr. ein Inka-Einfluss feststellbar sei. Bin nicht sicher, ob das stimmen kann, da die Inka um diese Zeit noch gar kein grosses Reich aufgebaut hatten und ich noch nie etwas davon gehört oder gelesen habe, dass sie bis nach Mittelamerika vorgedrungen seien. Aber egal, Inka-Einfluss macht sich immer gut. Dann gab es dort noch eine Menge an Speer- und Pfeilspitzen zu sehen, zugehauene Mahlsteine und verschiedenen Schmuck.
Gerade als eine weitere grosse Gruppe ankam, war unsere Führung beendet und wir zogen weiter. Der Charco Verde, die grüne Lagune war das nächste Ziel. Dort spazierten wir durch den Wald, sahen Affen und diverse Vögel und bekamen alle möglichen Medizinal- und sonstige Nutzpflanzen gezeigt, die heutzutage aber kaum mehr verwendet werden. Weiter ging's zu den Petroglyphen auf der anderen Seite der Insel beim Vulkan Maderas. Dort, mitten im Wald, hat man viele grosse Lavafelsen mit hübschen und vor allem rätselhaften eingeritzten Bildern gefunden. Und natürlich gibt es diverse Theorien darüber, wie die Leute sowas fabriziert hatten. Die Naheliegendste ist wohl mit Steinwerkzeugen. Da alle Rillen jedoch genau und gleichmässig fingerbreit sind, wird das von einigen Forschern in Zweifel gezogen. Fancy klingt die Idee, sie hätten mit speziellem Pflanzensaft den Stein so weit aufweichen können, um mit den Fingern, allenfalls noch mit Sand, die Rillen ziehen können. Noch viel fancier finde ich die Vermutung, sie hätten das, notabene auch einfach mit den Fingern, kurz nach einer Eruption gemacht, als die Steine zwar genug abgekühlt aber noch weich genug gewesen seien. Meiner Meinung nach mehr Fiction als Science, aber ich weiss schliesslich auch nicht alles.
Was immer das darstellen mag. |
Hier werden Banänlis geboren. |
Nach dem Mittagessen in einem Restaurant fuhren wir zum Ojo de Agua. Dort gibt es einen natürlichen Pool mit glasklarem Wasser, das dort aus dem Boden an die Oberfläche dringt und sich damit wunderbar zum baden eignet. An einem heissen Tag perfekt, an einem eher kühlen, regnerischen Tag war uns das Wasser schon fast zu kalt. Als letztes besuchten wir die Punta Jesus Maria, eine kleine Landzunge, die in den See hinaus zeigt und früher ein Indígena-Friedhof gewesen sein soll. Anlass zu dieser Vermutung geben die vielen Keramik-Scherben, die dort fröhlich herumliegen.
Am Morgen darauf regnete es natürlich wieder, weshalb wir uns auf der Fähre zurück auf's Festland schnell ins Schiffsinnere verzogen. Hätte ich besser nicht gemacht. Offenbar wollen um 6 Uhr morgens nicht nur viele Leute, sondern auch Autos und kleinere Laster mitfahren, da bleibt wenig Platz für Velos. Darum haben die Idioten meins kurzerhand unter den Lastwagen geschmissen, was ich natürlich erst auf der anderen Seite festgestellt habe. Bei einem solchen Umgang muss sich ja keiner mehr wundern, wenn die Haken der Taschen vor die Hunde gehen. Fazit: Lass Dein geliebtes Velo nie aus den Augen und vertraue den Einheimischen nicht, was den Umgang damit betrifft (eigentlich ja nicht wirklich eine neue Erkenntnis).
Die Strecke bis Granada war dann nicht weiter ereignisreich. Es regnete zuerst noch, später trocknete es, aber wirklich sonnig wurde es zum Glück nicht. Erst war es lange flach, dann hatten wir ein gemütliches Hügeli zu überwinden und konnten so eine hübsche Bajada runter nach Granada geniessen. In einem Aussenbezirk assen wir für 30 Córdobas (ca. CHF 1.50) Zmittag und suchten dann ein Hostal. Auch hier waren die Unterkünfte gar nicht so billig, dafür die Leute anständig und die Qualität gut. Fanden mit dem La Mexicana ein neues Hostal in einem kolonialen Haus, das gerade einen Precio de Promoción anzubieten hatte. Für USD 6 erhielten wir ein Zimmer mit bequemen Betten und Gemeinschaftsbad. Wohl kein schlechter Deal.
Wenn's heiss ist, muss man baden. |
Granada ist typisch lateinamerikanisch chaotisch und es gibt interessante Gegensätze zu beobachten. An der Plaza steht eine elegante, renovierte Kathedale, während diverse andere Kirchen wo aussehen, wie man annehmen muss, dass ein Gebäude aussieht, das seit Zeiten der Spanier nicht mehr unterhalten und gestrichen worden ist. Auch stehen häufig schöne, gut unterhaltene Häuser neben welchen, die dringend neu verputzt werden müssten.
Kein Geld für neue Farbe. |
Bunte Häuser, mehr oder weniger gut unterhalten. |
Heute Morgen haben wir nachträglich meinen Geburtstag gefeiert und uns im ChocoCafé an der Calle Atravesada ein All-you-can-eat-Breakfast für USD 7.50 geleistet. Das war eine echt geniale Sache, wir waren von 9-12 Uhr mit Essen (und Routenplanung durch Mittelamerika) beschäftigt. Dort hat es auch ein Schokolade-Museum, es gibt Workshops, wo man lernt, Schokolade herzustellen und sie bieten Tours durch ihre Plantagen an. Wer sich also für Schokolade interessiert, ist dort an der richtigen Adresse.
Hier nochmals einige Bemerkungen dazu, was dieses Klima für Auswirkungen auf uns und unserer Ausrüstung hat und wie wir versuchen, damit umzugehen. Also, einerseits haben wir uns auf dem Weg nach Granada fast (d.h. ich fast, Martina ganz) einen Sonnenbrand zugezogen, und das obwohl die Sonne kaum je prall geschienen hat. Das Bischen Regen scheint die Sonnencreme gerade genug abgewaschen zu haben, um so eine leichte Hautrötung zu verursachen. Die Aussage unseres Guías auf Ometepe, dass es hier weniger regnen soll als in Costa Rica, scheint sich nicht zu bestätigen, bis jetzt hat es viel öfter geregnet. Vielleicht hat sich das ja auf die Pazifikseite Costa Ricas bezogen. Dass Veloketten hier auch ohne Regen rosten, wurde uns in den Bike Shops in San José bestätigt, hängt mit der Luftfeuchtigkeit zusammen. Wirkliche Abhilfe gibt es nicht, man muss aber öfters ölen.
Wir hegen auch den Verdacht, dass bald auch unsere Kleider und wir selber vielleicht nicht zu rosten, aber eben bald zu schimmeln beginnen werden. Entweder ist alles schweissnass oder regennass. Die Kleider sind nicht mehr sauber zu kriegen, weder für die Augen noch für die Nase. Mein Leibchen riecht fein nach Waschmittel, solange es vom Waschen nass ist, sobald es trocken ist, stinkt es wieder nach Schweiss. Die frühere Taktik, Top und Hose alle paar Tage zu waschen, taugt hier nicht mehr, solchen Gestank "frisch gewaschener" Kleider ist schlicht nicht mehr zumutbar. Seit ich jeden Abend wasche, ist die Situation etwas besser geworden. Leider favorisieren die Hände diese Lösung nicht, müssen aber vorerst damit leben.
Wer in einem Autounfall stirbt, kriegt ein Herz mit Heiligenschein, was für eine Art Denkmal gibt es für jemanden, der bei lebendigem Leib verrostet/verschimmelt/verrottet? |
Meine Uhr, die normalerweise am Lenker baumelt und der schon länger zwei Knöpfe fehlen, scheint den Abschiedsregen von Costa Rica nicht überlebt zu haben. Anfänglich war nur das Display unter Wasser aber die Anzeige noch vorhanden, jetzt ist alles tot. Auch die "wasserdichten" Ortlieb-Taschen sind solchen Regenattacken nicht gewachsen. In beide Vordertaschen sind mehr als nur einige wenige Tropfen eingedrungen und sogar eine Hintertasche, auf denen ja der Rucksack liegt, war innen feucht. Der dauerne Kampf gegen blutsaugende Insekten ist auch längst noch nicht gewonnen, hier müssen wir uns noch was einfallen lassen...