Samstag, 29. Mai 2010

Potosí

Wie ich im letzten Text schon geschrieben habe, ist der kulturelle Mix hier in Potosí sehr interessant. Da verkaufen die Quechua Frauen an der Plaza frischgepressten Orangensaft, tragen traditionelle Trachten und ihre Babies und kleinen Kinder in farbigen Tuechern auf den Ruecken gebunden. Auf der Bank daneben sitzt die "westlich" angezogene Familie und die Kinder amuesieren sich beim Taubenfuettern.



Auch eher ungewohnt fuer Europaer ist das Gewusel auf den Maerkten hier. Einkaufszentren gibt es nicht, man kauft alles auf dem Markt. Die Palette reicht von Schuhen ueber Kleider und allen moeglichen Haushaltartikel zu diversen Nahrungsmitteln und natuerlich Fruechten und Gemuese. Fuer mich witzig: normalerweise sehe ich in solchen Menschenmassen rein gar nichts, hier sind die Leute aber so klein, dass sogar ich einen super Ueberblick habe.

Mercado Central


Als wir gestern Abend in einer Pizzeria beim Abendessen sassen, kamen ploetzlich Lot und Koene reingeschneit. Wir haben die beiden seit der Isla Incahuasi nicht mehr gesehen. Kaum zu glauben, dass wir es geschafft hatten, uns im kleinen Uyuni nicht zu treffen, im grossen Potosí jedoch schon.

Calle Ayacucho und La Basilica Catedral


Heute Morgen haben wir jedoch die dunklen Seiten von Potosí gesehen. Hier muss erst mal betont werden, dass es ein extrem zwiespaeltiges Gefuehl ist, als Tourist eine Mine zu besuchen, wo heute noch Maenner unter brutalen Bedingungen ihre Arbeit verrichten. Andererseits verdienen ehemalige Mineros heute ihr Geld mit diesen Fuehrungen, was wohl ein bedeutend besserer, und vor allem gesuenderer" Beruf ist. Die Mineros schienen sich an uns auch nicht zu stoeren, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass wir als Geschenk anlaesslich der heutigen Feier Alkohol mitbrachten. Der wurde allerdings nur den Arbeitern ausgehaendigt, die auf dem Weg nach oben waren, in den Minen wird kein Alkohol konsumiert.

Die Minen im Cerro Rico existieren seit ueber 500 Jahren, urspruenglich wurde tonnenweise Silber abgebaut, heute vor allem Zink, Zinn und Blei. Silber gibt es auch noch, aber in kleineren Mengen und sehr weit unten im Berg. Die oberen Lagen sind ausgebeutet, leer. Es hat hier 500 Minen, wovon 200 heute noch in Betrieb sind. Pro Tag werden 2'700 Tonnen Gestein aus dem Berg gefoerdert, 50 Tonnen davon sind brauchbare Mineralien. Insgesamt fuehren 2'000 km Stollen durch den Berg, wo 12'000 Mineros rund um die Uhr arbeiten. Die juengsten unter ihnen sind gerade mal 12-13 Jahre alt und beginnen die Arbeit unter Tag in der Regel nach dem Tod des Vaters um die Familie zu ernaehren. Unfaelle mit Knochenbruechen kommen taeglich vor, jaehrlich gibt es rund 40 Tote, vor allem wegen einstuerzenden Stollen nach Sprengungen.

Dass Mineros frueh sterben, kommt oft vor, da es dort unten im Berg nicht nur wertvolle Mineralien sondern auch viel Arsen gibt. Bei Bohrungen oder Sprengungen wird das Arsen in Form von Staub freigesetzt. Wenn man nun jahrelang diesen Staub einatmet, verstopft mit der Zeit die Lunge, die Maenner erkranken an Silicosis. Symptome dieser Krankheit sind Husten, Kurzatmigkeit, gelbliches Gesicht, Husten von Blut und sogar von abgestorbenen Lungenteilchen etc. (siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Silicosis). Klingt extrem haesslich und doch ist die Arbeit in den Mienen das Schicksal von ca. 90 % aller Jungs aus den Familien der Mineros.

Mineros bei der Arbeit in der "Powerful Mine"


Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind auch nicht gerade wie von einer starken Gewerkschaft ausgehandelt. Die Mineros arbeiten 16-18 Stunden pro Tag, wenn sie sonst ihr Soll (10 Tonnen pro Woche pro Dreiergruppe) nicht erreichen koennen. Alle 2-3 Stunden gibt es eine kurze Pause, vor allem um neue Cocablaetter zu "tanken", etwas zu trinken und vielleicht eine Zigarette zu rauchen. Ausser Coca und Wasser nehen die Maenner keine Nahrungsmittel mit in die Mine, es waere sowieso viel zu staubig um dort zu essen.

El Tio, der Onkel der Mineros


El Tio ist quasi der Gott der Mineros. Jeden Freitag ueberreichen die Arbeiter ihm Cocablaetter, Alkohol und Zigaretten. Er ist hier der Herr, der Reichtuemer austeilt oder eben nicht.

Gemaess unserem Fuehrer haben sich die Arbeitsbedingungen in den Minen in den letzten Jahren eher verschlechtert. Mit der Einfuehrung moderner Bohrer hat sich der giftige Staub vervielfacht, die Schutzausruestung ist jedoch nicht besser geworden. Und anscheinend wird an den meisten Orten der Welt, wo mit solchen Bohrern gearbeitet wird, Wasser verwendet um den Staub zu binden, hier jedoch nicht, aus Kostengruenden.

Wenn der Preis fuer Mineralien hoch ist (wie im Moment), und man in einer guten Mine arbeitet, kann man hier angeblich durchaus wohlhabend werden. Es sind jedoch wenige, die das schaffen, und der (gesundheitliche) Preis, den man dafuer bezahlt, ist in der Regel hoch. Silicosis ist nicht heilbar.

Natuerlich haben auch ein paar Frauen ihren Platz bei den Minen. Einige wenige wohnen be den Minen mit ihren Kindern und sind verantwortlich fuer die Umgebuch der Minen. Sie kochen auch fuer die Arbeiter, wenn diese Ueberstunden machen muessen. Dann arbeiten noch weitere 80 Frauen. Deren Job ist es, die Abfallsteine der Minen zu sortieren um moeglicherweise doch noch ein paar verwertbare Brocken zu finden. Diese Arbeit ist vermutlich die am schlechtesten bezahlte der gesamten Minen.

Heute war fuer die Mineros einer von drei speziellen Feiertagen (letzter Samstag, heute, naechster Samstag), wo Llamas geopfert wurden. Jede Gruppe von Mineros muss an jedem dieser Feiertage zwei Llamas opfern. Deshalb wurde nur am Vormittag gearbeitet, denn es bringt Unglueck, zu arbeiten, wenn die Llamas getoetet werden. Auf dem Mercado de los Mineros konnte man darum heute jede Menge Llamas kaufen. Die weissen Llamas bringen am meisten Glueck, sind jedoch extrem viel teuer als die braunen und gefleckten. Die meisten dieser Opferllamas wurden gefesselt auf den Ladeflaechen von Lastern transportiert, zwei der armen Viecher mussten sogar Bus fahren.

Opferllama im Bus, sieht nicht gerade happy aus.


Nach unserer Minenfuehrung sahen wir der Opferung eines Llamas zu. Das arme Tier wird mit zusamengebundenen Beinen auf den Boden gedrueckt und es wird ihm die Kehle durchgesaebelt (mit einem Messer, das nicht gerade superscharf aussah). Echt krass, das hat bestimmt eine Minute gedauert, bis das Llama tot war. Das Blut wurde mit Tellern aufgefangen und an den Mineneingang gespritzt. Hoffen wir, dass das archaische Ritual den Mineros auch tatsaechlich Glueck bringt.

Der naechste Text kommt voraussichtlich aus La Paz (ca. 10 Tage), vielleicht auch schon aus Oruro (ca. 6 Tage).

Freitag, 28. Mai 2010

Noch mehr technische Probleme

Ja, wir sind gestern in Richtung Potosí aufgebrochen. Leider haben wir keine 4 km geschafft, dann ist Martinas Pedale abgefallen. Sie hat schon seit laengerem Probleme mit dieser Pedale, da ist eine Schraube verlorengegangen, die nicht haette verloren gehen sollen. Darum ist irgendwann ein Teil abgebrochen, das nicht haette abbrechen duerfen. Vermutlich hat die Pedale auf der Lagunenroute nur gehalten, weil alles versandet war. Nach putzen und fetten in Uyuni wollte das Teil definitiv nicht mehr.

Wir sind also nach Uyuni zurueckgekehrt und direkt zum Terminal de Autobuses gegangen. Dieses "Terminal" ist eine Strasse mit vielen kleinen Bueros von vielen kleinen Busunternehmen. Vor diesen Bueros steht i.d.R. eine junge Frau, die die naechste Destination und Abfahr ausruft. Immer und immer wieder. Auf diese Weise haben auch wir unseren Bus gefunden. Erst hiess es, die Velos koennten gratis mit, dann mussten wir ploetzlich 20 Bolivianos zusaetzlich bezahlen. Der Fahrpreis kostete allerdings nur Bs. 30 pro Person. Beim aktuellen Kurs ca. CHF 4.80 fuer eine fast 6-stuendige Fahrt!

Unsere Velos werden auf den Bus gepackt.


Ist schon krass, wieviel weniger kompliziert als beispielsweise die Argentinier die Bolivianer sind. Da musste nichts eingepackt oder abmontiert werden, die Velos wurden einfach mit dem restlichen Gepaeck aufs Dach gepackt. Beim Zuschauen tat das fast ein Bischen weh, es scheint aber nichts kaputt gegangen zu sein.

In diesem Bus befanden sich ausser uns keine weiteren Touris. Aber auch bei den Einheimischen gibt es Unterschiede. Die Mehrheit war wohl aus Uyuni und Region und entsprachen recht gut dem Bild der typischen Bolivianer. Dann waren da noch zwei junge Frauen mit kleinem Huendchen, die eher dem Grossstadt-Chick-Typ entsprachen. Ziemlich ueberrascht waren wir, als eine dieser aelteren "Postkarten-Bolivianerinnen" in einem kleinen Kaff ausstieg und als erstes ihr Handy zueckte. Keine Ahnung, ob sie dort Kontakt hatte, aber nur schon die Tatsache, dass sie ein Natel besass, liess uns staunen

Im Bus reiste noch eine kleine Familie, Eltern und ein drei- bis vierjaehriges Maedchen. Die Kleine langweilte sich offenbar und spatzierte ab und zu durch den Bus oder kletterte auf den Sitzen rum. Fuer den skeptischen Gesichtsausdruck ist glaub' Flo respektive sein Bart verantwortlich, der scheint ihr hoechst suspekt erschienen zu sein.



Durch das Busfenster hat es leider keine guten Landschaftsbilder gegeben, wobei die Landschaft auch nicht spektakulaer war. Ein paar Schluchten mit markanten Felsformationen waren das Highlight eines ueber 200 km waehrenden Auf und Ab. Die Strasse ist im Begriff, asphaltiert zu werden, d.h. im Moment ist sie eine grosse Baustelle mit vielen "Desvios", Umleitungen, sehr guten und sehr schlechten Strecken. Einerseits ist es schade, dass wir sie nicht mit dem Velo gefahren sind, andererseits waere es teilweise wohl sehr anstrengend geworden. So hat sich die Anstrengung darauf beschraenkt, die Velos vom Terminal de Autobuses zu einem Hostal zu stossen, allerdings ging das etwa 10 min steil bergauf, und das immerhin wieder auf etwa 4'000 m Hoehe.

Bemerkenswert an Potosí: Hier ist es trotzt der Hoehe relativ warm, was wir uns nicht recht erklaeren koennen. Auch sonst gefaellt uns die Stadt, es herrscht zwar ein totales Chaos und Gewimmel in den Strassen, umso interessanter ist es, hier die Leute zu beobachten. Das Gemisch von Moderne einerseits, traditionell gekleideten Indigena-Frauen andererseits ist sehr speziell

Morgen machen wir eine Touri-Tour in die Minen des Cerro Rico, der naechste Blog sollte also morgen Nachmittag (Bolivien-Zeit) online gehen.

Dienstag, 25. Mai 2010

Technische Probleme, Schnee- und Sandstuerme

An alle, die schon etwas besorgt waren ueber unser unerwartet langes Schweigen, es ist hier alles in Ordnung. Die vier Tage Verspaetung haben wir uns wegen technischen Problemen und schlechtem Wetter eingehandelt. Hier die Details:

Am 9. Mai, Tag Nr. 1, verliessen wir San Pedro und "freuten" uns auf die ersten rund 40 km mit guten 2'200m Steigung. Immerhin alles noch auf Asphalt. Der Tag war eher ereignislos, wir keuchten mit durchschnittlich etwa 4 km/h den Berg hoch. Die Steigung betraegt auch ja "nur" rund 7-8%. An jenem Abend campten wir am selben Ort, wo wir zuvor mit Marlis und Matthias gezeltet hatten, als die beiden auf dem Weg zu den Lagunen waren. Der Sonnenuntergang war klar das Aufregendeste des Tages.



Die letzten ca. 600 Hoehenmeter schafften wir am Tag Nr. 2 locker und standen schon bald an der Abzweigung in Richtung Bolivien. Ab dort gab es keine asphaltierten Strassen mehr. Gemaess unserem Bikebuch muesste die Piste bis zur Grenze in einem guten Zustand sein. Leider war dem nicht so, wir kaempften uns schon dort durch viel Kies, Sand und teilweise noch Schnee. Aber zum Glueck nicht fuer lange, schon bald bogen wir auf die erwaehnte gute Strasse ein, auf die man erst ein paar Hundert Meter weiter oben abgebogen waere. Dies war die bolivianische Deppenabzweigung Nr. 1. Es sollten weitere folgen.

Der Grenzuebertritt verlief problemlos und schon bald kamen wir beim Refugio Blanca, dem Ziel des Tages an. Dort mussten wir auch die Eintrittsgebuehr der Reserva Natural Eduardo Avaroa bezahlen. Zehn Tage zuvor hatte die Geguehr noch 30 Bolivianos gekostet, inzwischen hatte sie auf Bs. 150 aufgeschlagen. Das nennt man gutes Timing. Wir bezogen unser Zimmer im Refugio und machten anschliessend eine gepaecklose Velotour zur Laguna Verde. Schon nach wenigen Kilometern waren wir froh, ohne Gepaeck unterwegs zu sein. Zur Laguna Verde fuehren keine Pisten, da gibt es nur Jeepspuren und die waren herzlich beschissen zum Velo fahren. Tiefes Wellblech mit tiefem Sand, eine denkbar schlechte Mischung. Dafuer waren die Laguna Blanca und Laguna Verde interessant. Die eine weiss, die andere gruen (oder fast eher tuerkis), wie die Namen sagen. Die Nacht auf ueber 4'300m wurde eiskalt. Am Morgen hatten wir Eisblumen an den Scheiben.

Laguna Verde


Tag Nr. 3, es war auch noch kalt, als wir losfuhren, aber mit guter Ausruestung und gutem Willen ging auch das. Zumindest 4 km weit. Dann riss Flos Schaltkabel, das anscheinend eingefrohren war. Wie flicken? Ich hatte zwar Ersatzkabel dabei, die Rohloff-Schaltbox war aber mit einer speziellen Stern-Schraube verschlossen und unsere Schraubenschluessel passten nicht. Zurueck beim Refugio versuchten alle Anwesenden vom Refugio-Besitzer bis zum Parkranger zu helfen, aber vergeblich. Flo hitchte schliesslich mit einem Jeep-Fahrer zuruck nach San Pedro und Martina und ich setzten uns in die Sonne und genossen die Pause.

Am naechsten Morgen, Tag Nr. 4 war Flo um ca. halb zeht zurueck, eine Stunde spaeter waren wir unterwegs. Die Piste war gar nicht so schlecht, erst am Vortag war ein"Pistenfahrzeug" durchgefahren. Die haben eine Schaufel, mit der sie die Strassenoberflaeche plattschieben und, zumindest theoretisch, das Wellblech ausebnen. Teilweise hatte das auch funktioniert und wir kamen zwar nicht sehr schnell, aber einigermassen zuegig vorwaerts. Wir mussten ueber einen Pass auf etwa 4'700 m, auf der anderen Seite ging es auf einer sehr steinigen Piste auf ca. 4'400 m herunter zum Salar Chalviri, wo sich auch eine Thermalquelle befindet:-)) Bis wir dort angekommen waren und uns in einem winzigen Zimmerchen neben dem Restaurant eingerichtet hatten, waren alle Jeep-Touris abgefahren. So teilten wir den heissen Pool nur mit Alain, einem Velofahrer aus Montreal.

Salar Chalviri


Dass der 5. Tag anstrengend wuerde, wussten wir. Der hoechste Pass der ganzen Lagunenroute, der Sol de Mañana, wartete auf uns, und damit ein Aufstieg auf ueber 4'900 m. Die ersten paar Kilometer waren easy, dann bog die Strasse nach links in den Wind. Hier kamen ein paar Zutaten zusammen, die Velo fahren eher unvergnueglich machen: Steigung, schlechte Strasse, extreme Hoehe und starker, kalter Gegenwind. Brrrrr, keuch, frier, nachluftschnapp.

Radlerin im einsamen Kampf gegen Steigung und Wind


Am Nachmittag kamen wir an eine Abzweigung, von der wir vermuteten, dass sie zu den Geysiren fuehren muesste. Natuerlich liessen wir uns das von einem Jeep-Fahrer bestaetigen, bevor wir abbogen. Und fluchten trotzdem gehoerig. Das was keine Piste mehr, nur noch Jeep-Spuren durch eine Steinflaeche und damit kaum befahrbar. Deppenabzweigung Nr. 2 eben. Wir kehrten schliesslich um und folgten der "Hauptstrasse", bis wir weitere Spuren fanden, die uns ein bischen geeigneter schienen. Die Geysire dort speien kein Wassen, nur Dampf, das aber auf ziemlich eindrueckliche Art. Und es hat dutzende gemuetlich vor sich hin koechelnde Schlammtuempel. Und das alles stinkt ganz schoen nach Schwefel. Da wir muede waren und es hier so praktisch flache Plaetze hatte, beschlossen wir, trotzt der Hoehe dort zu campen. Das wurde eine eher kuehle Nacht, fuer mich ganz speziell, da meine Matte so extrem leckte, dass ich de facto auf dem Boden lag.

Geysir Sol de Mañana


Am 6. Tag erwartete uns eine spezielle Sehenswuerdigkeit, die Laguna Colorada, die rote Lagune. Die mussten wir uns aber erst verdienen. Es ging immer wieder auf und ab, bis wir endlich zu der Abzweigung, diesmal sogar beschildert, kamen. Unglaublich wie schlecht, ja nichtexistent, eine Piste sein kann. Wir kaempften uns etwa einen Kilometer durch Steine und Schneefelder und kamen ploetzlich auf eine wunderpraechtige Piste, die offensichtlich etwas weiter vorne von der Hauptstrasse abgebogen war. Wir hatten hier die Deppenabzweigung Nr. 3 erwischt.

Piste nach Deppenabzweigung Nr. 3


Irgendwann ging es dann tatsaechlich abwaerts zur Lagune. Zuvor erwarteten uns jedoch noch etliche Kilometer extreme Sandpiste, die viel gefluche und teilweise schieben bedeuteten. Eine Zeit lang tanzten Schneeflocken durch die Luft und errinnerten uns an die drohend grauen Wolken oben am Sol de Mañana. Wir stoppten trotzdem um Flamingos zu beobachten. Dass die Typen dort oben nicht frieren, laesst sich mit dem Verstand kaum erfassen, ich meine, es ist wirklich schon sehr kalt dort.

Chilenische Flamingos


Da es an jenem Tag recht bewoelkt war, war die Laguna nicht sehr rot. Irgendwie scheint sie dazu die Sonne zu benoetigen. Wir waren froh, als wir endlich beim Refugio Colorado ankamen, eine Aussicht auf weniger frieren gab es dort aber nicht wirklich. Immerhin befanden wir uns noch auf ueber 4'200 m und in dem Gebaeude war es fast genausokalt wie draussen.

Laguna Colorada


Da uns nochmals ein fast 4'700 m hoher Pass erwartete, starteten wir am Morgen des 7. Tages zeitig, d.h. um 8 Uhr. Fast vom ersten Meter an hatten wir Gegenwind und es war wieder einmal schweinekalt. Von anderen Velofahrern, die ca. zwei Wochen vor uns dort durch fuhren, wussten wir, dass sie auf jener Strecke oft im Sand steckten und viel schieben mussten. Anscheinend gab es dort keine klare Piste, nur Unmengen von fuer Velos ungeeignete Jeepspuren. Wir stellten uns auf aehnliche Bedingungen ein und waren einigermassen ueberrascht ueber den doch guten Zustand der klar erkennbaren Piste. Bis auf ein paar Meter mussten wir trotzt des fiesen, uns nach Kraeften bekaempfenden Windes nicht schieben. Pistenfahrzeug sei Dank!!! Beim Arbol de Piedra, einer kuriosen Felsformation, die fast wie ein Baum aussieht, machten wir Mittagspause. Danach schafften wir keine 10 km mehr. Zum Glueck fanden wir einen halbwegs windgeschuetzten Ort zum campen auf dieser offenen und flachen Ebene.

Arbol de Piedra


Der 8. Morgen wurde sehr unangenehm. In der Nacht hatte es geschneit. Und gewindet. Unser ganzer Vorraum im Aussenzelt war weiss, wir hatten sogar Schnee auf dem Innenzelt. Martina war fuer dableiben, Flo fand, das mache keinen Sinn, wir muessten weiter. Was wir dann halt auch machten. Schon vom Camport aus hatten wir die Strasse kaum gesehen, da dort der Wind den ganzen Schnee der Nacht rumblies. Als wir auf die Strasse kamen, war schnell klar, dass wir so nicht fahren konnten. Also stiessen wir. Ziemlich idiotisch. Nach kurzer Zeit hatten wir so kalt, dass wir uns entschieden, zum Refugio Colorado zurueckzukehren. Das ging dan zuegiger, aber mit Velos durch Schneeverwehungen zu fahren, geht aehnlich schlecht wie durch Sand.

Viento Blanco, weisser Wind, sprich Schneesturm


Nach einer kurzen Pause im Windschatten eines Felsen gings weiter. Den Schneesturm hatten wir hinter uns gelassen, dafuer befanden wir uns nun inmitten eines filmreifen Sandsturmes. Das war ein echt beschissenes Feeling, man sah zeitweise kaum zwei Meter weit, so dicht war der Sand. Man konnte nur hoffen, dass die anderen mitkamen, zurueckschauen oder sogar umkehren war absolut unmoeglich. Zu unserem Glueck war die Piste wegen der ca. 50 cm hohen Sandmaeuerchen auch im Sturm immer gut erkennbar, sich zu verirren war so unmoeglich. Als die Strasse eine Kurve machte und der Wind von der Seite kam, wurden wir zwar des oefteren in eben diese Maeuerchen hineingeblasen, wo wir dann steckten bis wir uns wieder rausgewuehlt hatten. Manchmal wurden wir auch direkt umgeschmissen, was aber aufgrund des ohnehin langsamen Tempos meist nicht weiter tragisch war. D.h. natuerlich waere diese Rueckfahrt auch schneller moeglich gewesen, den Sturm hatten wir nun ja im Ruecken, aber man moechte ja auf Wellblech oder Steinen nicht sein gesamtes Gepaeck abschuetteln.

Sandsturm


Interessanterweise war der Sturm sehr lokal. Ploetzlich waren wir draussen, die braune Wand befand sich neben uns. Auch als wir uns noch im Sturm drin befunden haben, hatte man manchmal ploetzlich den Himmel und die umliegenden Huegel gesehen und sich schon gefreut, der Sturm lasse nach, nur um Sekunden spaeter wieder voellig vom Sandschleier eingepackt zu sein. Aber das "Dorf" befand sich einigermassen im Windschatten eines Huegels, so dass wir vom Refugio aus gefahrlos die braune Wolke beobachten konnen. Es war schon wiederlich, dieser Sand. Erst mal war die ganze Nase zugekleistert, die Augen trotzt Sonnenbrille sandgarniert und die Haare trotzt Sturmhaube, Kappe und Helm ziemlich versandet. Und dann unser Gepaeck. Wo dieser Sand ueberall eingedrungen war, ist kaum vorstellbar. Und kaum vollstaendig rausputzbar. Martina und ich hatten mal nuetzliche Rueckspiegel gehabt. Die sind nun fast blind, sandgestrahlt wie so manches anderes auch.

Im Refugio mussten wir ein kuemmerlicher Anblick gewesen sein, einer der Jeep-Fahrer lud uns zu seinem Troup zum Kaffee ein und auf meine spassige Nachfrage erhielten wir gleich noch ein gratis Abendessen. Das war mega nett, uns drohte naehmlich das Futter auszugehen, sollten wir noch lange dort blockiert sein.

Tag Nr. 9 unseres kleinen Sonntagsausfluges war langweilig. Es stuermte noch, nicht mehr so fest zwar, aber zu fest und zu sandig um rauszugehen. Aus Zeitgruenden und weil wir keine Lust hatten, diesen bloeden Pass nochmals hochzufahren, versuchten wir, ein Fahrzeug aufzutreiben, um uns auf die andere Seite des Passes fahren zu lassen. Der Besitzer des Refugios hatte einen Jeep, mit dem das gegangen waere, nur leider "no hay gasolina", er hatte kein Benzin. Wir sollten doch die Jeep-Fahrer fragen, ob sie ein Bischen Benzin verkaufen koennten. Also quatschten wir jeden Fahrer an, der dort vorbeikam, aber vergeblich. Die hatte alle nur gerade so viel Benzin, wie sie fuer die Tour brauchen, zum verdealen reicht das leider nicht. Also machten wir uns mit dem Gedanken vertraut, den Pass eben doch nochmals raufzustrampeln. Laenger als einen vollen Tag im Refugio Colorado zu sitzen und nichts zu tun zu haben, haelt man nicht aus. Und eben, unsere Foodvorraete waren beschraenkt, wir mussten weiter. Beim Refugio gab es zwar einen winzigen Laden, der hat aber nur Artikel, die Jeep-Touris kaufen wuerden, d.h. Guetslis, Cracker und einige Getraenke. So kauften wir halt Kuckys (chilenlische Schoko-Guetslis) u.ae. ein, unser aller besonderer Favorit sind die Cracker. Die schmecken nach rein gar nichts und wenn man sie isst, meint man, der Sandsturm sei im Mund angekommen. Aber wenn man Hunger hat, isst man alles.

Nicht ganz so motiviert wie das letzte Mal machten wir uns am Tag Nr. 10 wieder auf. Der Himmel war strahlend blau, kein Wind. Und wider Erwarten waren wir diesmal recht schnell oben, schon krass, wie viel schneller man ist ohne Gegenwind. Beim Arbol de Piedra gab's wieder Mittagessen, in der Sonne und schoen gemuetlich.

Sandwueste beim Arbol de Piedra bei gutem Wetter


Unbeschwert fuhren wir weiter, immer durch die praktisch platte Sandebene, danach noch eine Steigung und dann waren wir oben auf dem Pass. Dort waren wir leider nicht mehr im Nationalpark und anscheinend hat das Pistenfahrzeug an der Parkgrenze gestoppt. Jedenfalls verschwand die schoene Piste und teilte sich in unzaehlige Spuren auf, die das Velo fahren eher zur Qual und das Weg suchen zum Raetsel machten. Es war schon spaet, als ein Gebaeude in Sicht kam. Dort oben gibt es tatsaechlich ein Hotel, mitten im Nirgendwo. Da wir aber wussten, dass das Hotel sehr teuer war, strampelten wir weiter bis wir kurz bevor es dunkel wurde doch noch einen brauchbaren Zeltplatz fanden.

Der naechste Tag, Tag Nr. 11, wurde nicht so anstrengend. Erst stieg die "Piste", eher Spur nochmals an, dann ging es runter zu den Lagunen. Diese Strecke war abenteuerlich. Man hatte das Gefuehl, im Flussbett runterzufahren, so steinig und felsig war der Weg. Die erste Lagune, die wir von oben sahen, stellte sich unten teilweise als helle Sandflaeche heraus, die dank Wind und Lichtspiegelungen wie Wasser ausgesehen hatte. Dass dort tatsaechlich eine Lagune war, die Laguna Ramaditas, verpassten wir, so mit Wegsuche beschaeftigt wie wir waren. Bei der Laguna Honda fanden wir einen Stein, der einerseits den Namen der Lagune benannte, andererseits eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Alpenclub erwaehnte. Falls jemand herausfindet, was genau der SAC im bolivianischen Altiplano macht, waere das noch interessant zu wissen.

Laguna Cañapa mit Flamingos


Die naechste Lagune, die Laguna Hedionda ist anscheinend einer der wichtigsten Brutplaetze der Flamingos im Altiplano. Dort gibt es neuerdings auch ein Hotel, wo wir einen Kaffee tranken und Brot kaufen konnten (keine Crackers mehr zum Mittagessen!!). Wir wollten ohnehin bei der Laguna Hedionda bleiben, also fragten wir nach dem Uebernachtungspreis. USD 100 fuer ein Dreierzimmer! Nein, viel zu viel. Wie viel wir denn zu zahlen bereit seien? Wir nannten mal USD 15 pro Person, einigten uns schliesslich auf USD 20, Fruestueck inbegriffen. Der fuer uns ausschlaggebende Punkt war ganz klar das Vorhandensein einer heissen Dusche. Und sie war auch wirklich heiss. Mann, tat das gut, nach zehn Tagen Schweiss, Staub und Sand.

Laguna Hedionda


Fuer Tag Nr. 12 war vom Bikebuch die schlimmste Piste der gesamten Route angekuendigt. In der Tat war die Piste nach der letzten Lagune, der Laguna Chiar Khota, wo wir nochmals viele Flamingos sahen, kilometerweise extrem steinig und sandig und wir kamen einmal mehr sehr langsam vorwaerts. Sich aus dem Sand rauszuwuehlen, braucht einerseits immer viel Kraft, andererseits macht einen so eine Piste vor allem mental voellig fertig. Und die ganze Zeit flitzen links und rechts Jeeps vorbei und stauben einen von Kopf bis Fuss ein und Touris machen Fotos durchs Fenster. Das nervt mit der Zeit recht massiv. Aber auch die fieseste Piste ist irgendwann vorbei und so bogen wir schliesslich auf eine breite, frisch bearbeitete Strasse ein und kamen endlich richtig vorwaerts. Die obligatorische Schattenseite der Sache war der Gegenwind, den wir nun frontal erwischten. Aber da es nun erst mal lange bergab ging, konnten wir auch das verkraften.

Tag Nr. 13, gemaess Hoehenprofil im Bikebuch sollte an diesem Tag alles platt sein. Was auch stimmte, die Strecke fuehrte quer durch den Salar Chiguana mit einer nur ganz leichten Steigung in Richtung San Juan. Dieser Salar war unterhaltsam. Dank Luftspiegelungen meinte man oft, Lagunen zu sehen, die verschwanden sobald man naeher kam. Kurz nach dem Mittagessen sah ich in meinem Rueckkspiegel ploetzlich mehr Gestalten als gewohnt. Ein belgisches Radlerpaar, Lot und Koen, hatte uns eingeholt. Wir hatten die beiden schon in Punta Arenas getroffen und kurz mit ihnen gesprochen. Das Erstaundliche daran war, dass die beiden sich noch an uns und sogar an unsere Namen erinnerten! Ich haette sie nicht mehr gekannt. Zusammen fuhren wir weiter und genossen die zum Velo fahren gute Oberflaeche des Salars. In San Juan gab es dann die zweite Dusche in drei Tagen und sogar ein paar Laedelis. Leider konnte man im ganzen Dorf kein Brot kaufen.

Am folgenden Morgen, Tag Nr. 14, fuhren wir zusammen mit Lot und Koen in Richtung Salar de Uyuni. D.h. die beiden Belgier flitzten voraus und warteten ab und zu bis wir es auch geschafft hatten. Zu Beginn war die Piste zu unserer Freude gar nicht so schlecht. Mir fiel jedoch auf, dass eine meiner Vordertaschen mehr in der Welt herumschwang als ueblich und stellte fest, dass da eine Schraube fehlte, ebenso ein kleines Platzhalterteil zwischen Rahmen und Lowrider, von dem ich keinen Ersatz dabei hatte. Koen hatte und er sponserte mir freundlicherweise eines, Schrauben hatte ich selber. Natuerlich ueberpruefte ich bei der Gelegenheit die anderen Schrauben und zog einige an. Zu fest wie's scheint, ein zerbrach. Das war nun echt ein Problem, die abgebrochene Schraube steckte fest und wir brachten sie nicht raus. Bloederweise war das eine sehr wichtige Schraube, an der haengt das gesamte Gewicht der Tasche. Was tun? Aus einem Kompressionsriemen, Kabelbinder und Tape bastelten wir einen Flick, der zu meinem Erstaunen saemtliches Geholper und Gehuepf bis Uyuni aushielt.

Kurz darauf kamen wir zu einer Abzweigung mit einem Wegweiser nach Colcha"K". Da wir aus dem Bikebuch wussten, dass wir bei diesem Dorf vorbei mussten, und da Martinas GPS und Koens Karte uns einstimmig in diese Richtung schickten, bogen wir ab. Nach ein paar Kilometern kamen wir zum ersten kleinen Dorf, dessen Namen wir nicht wissen. Eine Einheimische schickte uns weiter ueber einen Huegel. Eine Stunde Fussmarsch bis zum Dorf Maniaca, eine weitere bis Colcha"K". Ok, mit dem Velo sollte das ja bedeutend schneller gehen. Dachten wir. Ueber den Huegel gab es keine Piste, nur eine Art Jeep-Spur, wobei das speziell berggaengige Autos sein muessen, die da drueber kommen. Fuer Velos war das eindeutig nicht gedacht. Wir holperten, fluchten, huepften und kletterten ueber Steine und Felsen, an einer Stelle mussten wir die Velos je zu zweit hochschieben, so steil und felsig war der Weg. Die "Abfahrt" auf der anderen Seite war aehnlich abenteuerlich. Martina und ich schoben die Velos sogar abwaerts einige Dutzend Meter, diese Steine waren fuer uns schlicht unbefahrbar. Ich glaube immer noch, dass der weitere Weg um den Berg herum schneller gewesen waere. In meinem Buch laeuft dieser Weg unter Deppenabzweigung Nr. 4.

Piste in Richtung Maniaca nach Deppenabzweigung Nr. 4


Nach dem Doerflein Maniaca wurde die Piste besser und nicht allzulange spaeter erreichten wir Colcha"K". Beeindruckend, dieses Dorf hat sogar eine geplaettelte Hauptstrasse, eine Turnhalle mit Tribuene und eine kleine Plaza. Dort sassen einige aeltere Leute, die Kleider und Fruechte verkauften. Fruechte! Wie lange hatten wir keine frischen Fruechte mehr gegessen! Wir deckten uns mit Mandarinen und Trauben ein und fragten nach Brot. "Arriba" gaebe es eine Art Baeckerei. Angeschrieben war natuerlich nichts, das Dorf ist klein, jeder weiss, was wo ist. Ausser den Touris. Aber tatsaechlich, nach einigem Suchen und erneutem Fragen fanden wir den Ort. Die weissen Fladenbroetchen waren noch warm und rochen wie echtes Brot. Hmmmmm.

Mit diesen Schaetzen beladen verliessen wir das huebsche Dorf und pedalten weiter auf einer muehsamen Sandpiste. Jetzt kamen immer wieder Jeeps vorbei, die uns einstaubten und denen wir ausweichen mussten. Im Klartext heisst das, jedes Mal in den tiefen Sand fahren und danach eine Ausgrabungs-Aktion starten. Das war extrem ermuedend. Als wir am spaeteren Nachmittag bei einer Abzweigung ein "Hospedaje"-Schild sahen, beschlossen wir deshalb, dort zu schlafen und morgen frueh zum Salar aufzubrechen. Die Hospedaje, deren Schild wir gesehen hatten, fanden wir zwar nie, dafuer ein Hotel aus Salz, dessen Zimmer durchaus bezahlbar waren. Das war echt interessant, das ganze Gebaeude war aus Salzbloecken gebaut, auch der Boden war aus losem Salz. Dort gab es auch Abendessen: Quinoa, Kartoffeln und Lama-Steak, dazu herzige musikalische Unterhaltung von vier Jungs aus dem Dorf. Und dann das Fruehstuck: Kuchen, Brot und Spiegelei. Wir waren im Siebten Himmel, nach tagelangem Haferflocken-Essen. Fuer all das zusammen haben wir pro Person etwa CHF 10 bezahlt. Geniales Preis-Leistungs-Verhaeltnis. Das Hotel befindet sich in Villa Candelaria und heisst Hotel de Sal Samarikuna. Das ist Quechua und heisst "Ort der Erholung". Wir koennen das Hotel waermstens empfehlen.

Tag Nr. 15 begann mit 8 km Sand und Wellblech, die Fortsetzung vom Vortag. Dann jedoch hatten wir den Salar erreicht. Endlich! Zuerst fuehrte die Strecke ueber eine Art erhoehte Hauptpiste, die noch recht holprig war. Dann die Abzweigung auf die weisse Salzflaeche. Wir waren total fasziniert und freuten uns wie Kinder. Zu Beginn war die Oberflaeche noch recht rau, etwa wie Schotter, spaeter war sie glatt und fuhr sich fast wie Asphalt. Und alles war weiss, die ganze unendliche Weite. Und da Schweizer glauben, dass, wenn der Boden weiss und die Luft kalt ist, es Schnee hat, war es fuer uns fast schwierig zu glauben, dass das eben Salz und nicht Schnee ist. Ueber weite Strecken ist der Salar aber mit grossen, unregelmaessigen Wabenmustern verziert, die einem klarmachen, dass das kein Schnee sein kann.

Salar de Uyuni mit Wabenmuster


Die 42 km Fahrt bis zur Isla Incahuasi waren dann nicht ganz so unterhaltsam. Nach dem Mittag kam ein starker Wind auf, natuerlich Gegenwind fuer uns. Irgendwann konnte man die Insel erkennen, ganz klein am Horizont. Ganz langsam kam sie naeher bis man glaubte, man sei schon fast da. War man aber nicht, die Distanzen lassen sich auf einer solchen Flaeche unmoeglich schaetzen. Man faehrt und faehrt und meint, die Insel gleich anfassen zu koennen und hinterher weiss man, dass man noch 8 km weit weg war. Das war ein Bischen frustrierend, war aber nach der Ankunft schnell vergessen. Die Isla Incahuasi ist in erster Linie Ziel saemtlicher Jeep-Touris der Region und tagsueber entsprechend ueberlaufen. Es gibt dort ein Restaurant, wo wir trotzt erst kurz zurueckliegendem Mittagessen alle gleich einen Lama-Burger verschlangen. Daneben hat es auch ein winziges Refugio, nur ein einziges Zimmer mit ein paar Matten. Und mit Panorama-Fenster auf den Salar:-)

Sonnenuntergang auf der Isla Incahuasi


Bevor wir fuer den Sonnenuntergang auf den Huegel stiegen, gaben wir unsere Bestellung fuers Abendessen auf, das Restaurant oeffnete extra fuer uns noch einmal, sehr nett. Leider war der Sonnenuntergang mehrheitlich von Wolken verdeckt und nicht wirklich spektakulaer. Interessanter fanden wir die kleine "Plaza 1° de Agosto", die 1. August Plaza oben auf der Insel. Da gibt es anscheinend ein "Ritual Aymara en Agradecimiento a la Pachamama", ein Dankesritual fuer die Mutter Erde. Was genau das bedeutet, haben wir vergessen zu fragen. Anderes interessantes Detail der Insel: Dort wachsen aussen ein paar kleinen Bueschen vor allem Kakteen. Die groessten sind 9-10 m hoch. Und so ein Kaktus waechst in 100 Jahren gerade mal einen Meter. Die sind also ziemlich alt, die stacheligen Typen dort.

Bevor wir schlafen gingen, brachte uns der Besitzer des Refugios die "Huettenbuecher" vorbei. Es war spannend, die Eintraege von hunderten von Velo- und Motorradfahrern zu studieren, die in den letzten Jahren im Refugio geschlafen hatten. Wenn man das las, hatte man den Eindruck, dass das, was wir hier machten, die normalste Sache der Welt waere. Fuer uns besonders speziell waren die Eintraege von all den Leuten, die wir kannten. Da waren die Oesterreicher, Karin und Gregor, die wir im Nationalpark Torres del Paine getroffen hatten und deren Blog wir konsultiert hatten fuer neuste Information betreffend die Lagunenroute. Und natuerlich Marlis und Matthias, mit denen wir bei ihrem Aufstieg nach San Pedro gecampt hatten. Da waren die Eintraege von Chris und Juan, die wir in SanPedro kennengelernt hatten, und von Matthias, mit dem wir auf dem Paso Jama gefahren waren. Alle hofften sie, am folgenden Tag von demselben Wind profitieren zu koennen, gegen den sie zuvor angekaempft hatten.

Isla Incahuasi und jahrhundertealte Kakteen


Am letzten Morgen vor Uyuni, Tag Nr. 16, stiegen wir zum Sonnenaufgang nochmals auf den Huegel. Und nochmals war die Sonne hinter Wolken versteckt, den einzigen, die an jenem Tag da waren. Danach leisteten wir uns nochmals ein fettes Fruehstueck im Restaurant bevor wir uns auf den etwa 95 km langen Weg nach Uyuni machten. Wir hofften auch auf den selben heftigen Wind wie tags zuvor, da wir den nun im Ruecken gehabt haetten. Aber wer glaubt schon ans Christkind? Waehrend den gesamten 75 km Salar kam kaum ein spuerbarer Wind auf, geschweige denn einer, der uns geschoben haette. Dafuer sahen wir einige der beruechtigen Ojos, Loecher in der Salzkruste, gefuellt mit Wasser und unbedingt zu umfahren. Die groessten davon waren mit Salztuermchen markiert, da sie auch fuer die Jeeps gefaehrlich waeren. In diesen Ojos wachsen spannende Salzkristalle, die aussehen wie echte Kristalle, so eine Art weisse und violette, zusammengewachsene Wuerfel.

Salzkristalle


Die Oberflaeche des Salars war an jenem Tag ohnehin weniger optimal zum Velo fahren. Teilweise fuehlte der Salar sich an wie sulziger Schnee in der Mittagssonne. Ueber viele Kilometer fuhren wir wieder durch die Wabenmuster, die sich dort anfuehlten, als fahre man ueber einen Gartenweg aus grossen Steinplatten, entsprechend holprig war die Sache. Ca. 10 km vor Colchani, dem ersten Dorf nach dem Salar, steht ein weiteres Salzhotel, dem noch weitere folgten. Dort wird auch intensiv Salz abgebaut, was an den vielen etwa einen Meter hohen Salzhaufen zu erkennen war. Die letzten 20 km nach Uyuni waren wieder das gewohnte Wellblech, allerdings nicht ganz so sandig und immerhin etwas besser als erwartet. In Uyuni genossen wir dann die feinen Pizzas und Spaghetti und natuerlich die heisse Dusche und andere Annehmlichkeiten der "Zivilisation".

Was ist nun unser generelle Eindruck der vielgeruehmten Lagunenroute? Haben sie die Strapazen und Entbehrungen gelohnt? Ich bin nicht ganz sicher. Klar, die Landschaft war ueberwaeltigend und die Lagunen ganz huebsch. Aber aehnliche Landschaft haben wir auch auf dem Paso Jama gesehen, dort mehr rot, hier verschiedene Farben wie rot-braun, schwar, grau, violett, weiss und gruenlich. Die Lagunen sind schoen, koennen aber nicht mit den knallblauen Seen Patagoniens mithalten. Und die Pistenqualitaet truebt das Erlebnis zeitweise schon etwas.

Natuerlich wurden auch einige Koerperteile in Mitleidenschaft gezogen. Da ist z.B. die Nase, die gleich doppelt gelitten hat. Erst durch Nasenbluten, das wohl durch die kalte, trockene Luft bedingt war. Wegen eben dieser kalten Luft tropfte die Nase auch dauernd, was mit der Zeit (konkret: seit der Jama-Ueberquerung) zu entzuendeten, schmerzenden Nasenloechern fuehrte. Aus welchem Grund die Haut um die Fingernaegel einriss und blutete, weiss ich nicht, war aber auch laestig und hat weh getan. Und da es bekanntlich sehr kalt war, habe ich auch meine gepolsterten Velohosen wieder getragen, natuerlich auch als Schutz vor der rauen Strassenoberflaeche. Das haette ich besser gelassen, die Naht entland dem Rand der Polsterung hat naemlich dauernd gescheuert, so dass mein Hintern nicht trotzt, sondern wegen den Velohosen ganz wund wurde. Und das wurde mit der Zeit auch extrem schmerzhaft. Das waere nun der Einsatzbereich der Fuedli-Creme von Veloplus, die ich in Bariloche jedoch weggeworfen habe. Zum Glueck hat ein kleines Flaeschchen Gesichts-Creme die Aufraeum-Aktion ueberlebt, das funktioniert auch.

Ein weiterer Aerger war meine Schlafmatte. Die leckt schon seit langem ein Bischen, ploetzlich aber so stark, dass ich sie entweder dreimal pro Nacht aufpumpen musste (was ich natuerlich nicht machte) oder eben auf kaltem, hartem Boden lag. Als wir bei der Laguna Colorada einen Tag lang zum Nichtstun verdammt waren, hatte ich die Moeglichlkeit, die Matte in eine bolivianische Toilettenspuehlung (eine Wassertonne) zu stecken. Wir hatten eigentlich eher ein Loch vermutet, es zeigte sich jedoch, dass tatsaechlich das Ventil das Problem war. Da war irgend ein weisses Teil drin, das da nicht hingehoerte. Nach vielem Blasen und pusten schien das Ventil wieder sauber und die Matte ist seither auch mehr oder weniger dicht. In meinen Augen ist das Ganze aber ein Konstruktionsfehler, was immer das weisse Ding war, eine Feder oder was auch immer, das darf dort einfach nicht hinkommen. Es ist schon muehsam genug, dass die Pumpe mit Federn verstopft ist und extrem streng geht, aber ich kann doch nicht jeden Morgen eine Viertel Stunde lang Federn aus dem Ventil rauspfluecken. Was soll's, im Moment schlafen wir in einer Art Hotel, die Matrazen dort sind ein Bischen besser.

Mittwoch, 5. Mai 2010

¡No podés pasar! Pass wegen Schnee gesperrt

Wer glaubt's denn, da regnet es in San Pedro de Atacama etwa alle zwei Jahre und gerade dann wollen wir ueber den Paso Jama. Das Problem dabei ist, wenn es in San Pedro regnet, schneit es auf dem Pass und die Strassen sind gesperrt.

Aber der Reihe nach. Wir sind eines fruehen Morgens von Susques aus losgefahren, in Begleitung von Matthias, eines Deutschen Radfahrers, den wir dort im Hostal getroffen hatten. Nach den obligaten paar Huegeln kamen wir runter auf die Ebene des Salars Olaroz, wo wir zwar Rueckenwind hatten, es aber leider auch regnete. Um den Mittag rum klarte es auf und wir freuten uns schon ueber die Sonne, die leider nicht lange anhielt. Am spaeteren Nachmittag machte Matthias eine Pause, da er sich nicht wohl fuehlte, und schickte uns voraus. Schlechten Gewissens fuhren wir weiter, immer auf eine graue Wolkenwand zu. Schon nach ein paar Kilometern mussten wir das Regenzeug anziehen und kurz darauf waren wir uns mitten in der Regenfront. Wir befanden uns auf einer Hochebene, das Land war wieder einmal platt wie gebuegelt, und es existierten noch zwei Farben: unten braun, oben grau. Ob da noch Berge drumherum waren, war unmoeglich zu erkennen.



Da wir auf ca. 4'200 Metern Hoehe waren, wurde aus dem Regen bald Schnee. In diesem flachen Land war an campen nicht zu denken, nicht bei diesem Wind, der unglaublicherweise immer noch von hinten blies. Darum entschieden wir uns auch, die - wie wir annahmen - 105 km bis zur Grenzstation durchzuziehen. Aus den 105 wurden schliesslich ueber 117 km, aber wir schaften die Strecke noch vor Einbruch der Dunkelheit. Neuerdings gibt es in dem kleinen Dorf Jama eine Tankstelle mit Motel, was uns jedoch zu teuer war. Wir fragten bei den Grenzbeamten, ob es eine andere Uebernachtungsmoeglichkeit gaebe und bekamen eine staubige Garage angeboten. Da es dort trocken und windgeschuetzt war, nahmen wir dankend an. Bevor wir dort drinnen das Zelt aufstellten, ging ich nochmals zu den Polizisten und bat sie, nach Matthias zu suchen. Mir war gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass wir ihn alleine zurueckgelassen hatten. Die hilfsbereiten Herren kehrten jedoch erfolglos von der Suche zurueck, weshalb wir vermuteten, dass der Deutsche nach Susques zurueckgehitched war.

Am naechsten Morgen war der Himmel strahlend blau und die umliegenden Huegel weiss. Wir gingen erst mal zur Tankstelle etwas heisses trinken und entschieden danach, weiterzufahren (d.h. Flo entschied und Martina und ich gingen eben mit). Wir hatten etwa 5 km hinter uns und gerade die Grenze nach Chile passiert, als ein uns Fahrzeug der argentinischen Gendarmeria ueberholte und uns anhielt. Die Polizisten fanden, wir sollten umkehren, das Wetter weiter oben sei schlecht und die Strasse verschneit. Martina und ich waren sofort einverstanden, Flo fand die Idee total daneben. Wir hatten ihn gerade so knapp davon ueberzeugt, zurueckzufahren, als eine Gruppe Motorradfahrern ankam, die meinten, es sei kein Problem ueber den Pass zu fahren, es haette zwar Schnee aber die Strasse sei gut befahrbar. Also fuhren wir weiter.

Trockene Landschaft mit verschneiten Bergen im Hintergrund


Es ging wieder einmal bergauf, nicht steil zwar, aber gegen den Wind und es war kalt. Nach rund 22 km schneite es wieder und wir suchten hinter ein paar Felsen Deckung um etwas zu essen. Nachdem sich das Wetter kurz beruhigt hatte, begann ein regelrechter Schneesturm. Martina und ich hatten so kalt, dass wir uns weigerten, weiterzufahren. In Wind und Wetter stellten wir schliesslich die Zelte auf und krochen in die Schlafsaecke.

Ueber Nacht hatte sich das Wetter einmal mehr beruhigt und wir machten uns auf den Weg. Auch wenn die Sonne schien, war es eiskalt und gegen diesen Wind anzukaempfen war ziemlich witzlos. Zum Glueck gab es dort noch mehr Felsen, wo wir Schutz suchten (und halbwegs fanden). Nach einer heftigen Diskussion beschlossen wir zu versuchen, ein Auto bzw. Laster anzuhalten, der uns nach San Pedro mitnehmen koennte. Es fuhren aber keine Autos, anscheinend war der Pass gesperrt. Da es zu kalt war um noch laenger zu warten, kehrten wir nach Argentinien zurueck. Das ging ruck-zuck, mit Rueckenwind und bergab waren wir innert kuerzester Zeit wieder beim Grenzposten. Auf dem Rueckweg trafen wir Matthias. Er hatte das Unwetter unbeschadet ueberstanden, ja es hatte ihn gar nie erreicht. Er war am Tag zuvor bei der Grenze angekommen, wurde wegen der gesperrten Strasse aber nicht durchgelassen. Trotzt des starken Windes wollte er jetzt weiter.

Zurueck beim Polizeiposten fragten die besorgten Beamten, wass denn passiert sei, und wir schilderten unsere Story. Dann warteten wir, ob allenfalls der Pass wieder geoeffnet und ob sich ein Lasterfahrer finden wuerde, der uns mitnehmen koennte. Nach einigen Stunden kam jedoch der Bescheid von chilenischer Seite, dass der Pass an diesem Tag endgueltig geschlossen bleiben wuerde. Da wir immer noch frohren und keine Lust auf eine weitere kalte Nacht in der Garage hatten, bezogen wir ein Zimmer im Motel. Ironischerweise gab es dort zwar eine Heizung, die aber nicht funktionierte, also frohren wir weiter.

Am naechsten Morgen war der Pass noch immer gesperrt und der Vorsteher der Station sprach ganz gezielt Flo an: "El paso está cerrado. !No podés pasar!" Der Pass ist geschlossen, Du kannst nicht durch. Das letzte Mal haetten wir uns schon in Chile befunden, deshalb haette er nichts machen koennen, aber jetzt wuerde er uns nicht durchlassen. Punkt, Ende der Diskussion. Also setzten wir uns in die Sonne und warteten auf News.

Die knapp zwei Stunden spaeter auch ploetzlich kamen. Zwei chilenische Pickups brachten die Nachricht, dass die Strasse offen sei. So bildete sich erst mal eine lange Schlange vor der Migración, immerhin hatten auch drei Busse und eine Menge Autos gewartet. Waehrend wir warteten, organisierten wir fuer Martina einen Transfer nach San Pedro. Sie hatte mit ihrer Erkaeltung keine Lust mehr, ueber den kalten Pass zu fahren. Netterweise erklaerten sich die Leute der chilenischen Vialidad, der Strassenbehoerde, bereit, sie mitzunehmen. Flo und ich fuhren auch ein paar Kilometer mit um in etwa dort weiterzumachen, wo wir am Vortag umgekehrt waren.

An diesem Nachmittag fuhren wir zu unserem Glueck gegen nur schwachen Wind und durch eine wenn auch oede, aber schoene Landschaft mit Lagunen und Vicuñas, kleineren, wilden Verwandten der Lamas. Wir campten hinter ein paar Felsen und richteten uns auf eine kalte Nacht ein. Am Morgen zeigte das Thermometer ausserhalb des Zeltes -8 Grad an. Wrrr, das war kalt. Der Bidon im Aussenzelt war komplet durchgefrohren. Zum Glueck ging die Sonne bald auf und die Strasse fuehrte ernsthaft bergwaerts, wir kamen also schnell ins Schwitzen.

Was mich allerdings weit mehr stresste als die steile Steigung, war meine Fahrradkette, die ich in Mendoza neu montiert hatte. Im leichtesten Gang faellt sie dauernd raus. Das Problem hatte ich schon seit Purmamarca, an jenem Morgen war es aber extrem. Ich kam gerade mal 10 - 100 Meter weit, bis ich absteigen musste und die Kette wieder ins Zahnrad basteln. Und mit Handschuhen geht das schlecht. Voellig entnervt schob ich das Velo die letzten paar hundert Meter den Pass hinauf. Oben warteten Flo und Matthias, der etwa 5 km vor uns gecampt hatte und den wir jetzt eingeholt hatten.

Auf dem Paso de Jama, 4'838 Meter hoch


Auf der anderen Seite ging es dann rasant etwa 300 Meter in ein Tal hinunter. Auf dem Weg dorthin habe ich einen Schmetterling gesehen! Dass Voegel und Vicuñas an so einem Ort leben koennen geht ja noch. Aber was dieser Schmetterling dort oben weit ab von jeder Blume gesucht hat, ist mit absolut schleierhaft! Unten im Tal fanden wir zu unserer Ueberraschung eine grosse Wiese, Baeche und kleine Weiher. Fuer die heimische Fauna ein richtiges Schlarffenland.



Nach ein paar Kilometern im flachen Tal ging es wieder die Huegel hoch. Ich fand die Landschaft dort extrem faszinierend. Sie ist fast voellig trocken, wir konnten keine Grasbueschelchen mehr erkennen, alles nur rotbraune Erde und Steine. Es gab aber durchaus verschiedene Rot-, Braun- und Gelbtoene, die sich in eleganten Mustern durch die Huegel und Berge zogen. Das Land ist unberuehrt bis auf die gelegentlichen Autospuren oder die Narbe einer Gaspipline, die in der Unendlichkeit verschwindet. Ah ja, es hat auch noch ein paar Antennen, die irgendwelche astronomische Informationen enpfangen. Sonst gibt es da rein gar nichts. Diese Hochebene liegt auf ca. 4'600-4'800 Metern und ist wortwoertlich atemberaubend. Dass wir dort, in einer so unwirtlichen Region, Vicuñas sahen, hat uns doch ueberrascht. Warum waren die nicht im Paradis im Tal unten? Was die dort oben zu fressen fanden, haben wir nie herausgefunden.



Weiter ging's, immer rauf und runter, wieder rauf und runter, bis zur zweiten Passhoehe ueber 4'800 Metern. Inzwischen blies wieder ein kalter Wind und wir waren nicht mehr so sicher, dass wir es an jenem Tag noch bis San Pedro de Atacama schaffen wuerden. Wir erwarteten sehnlichst die Abzweigung nach Bolivien, da es gemaess Velobuch danach endgueltig abwaerts gehen soll. Die Abzweigung kam dann auch, ganz anonym, ohne irgendwelche Ankuendigung. Einzig ein kleines gruenes Schild mit einer Strassennummer und einem "B" wiesen darauf hin, dass die Strasse nach Bolivien fuehrte.

Oben auf dem Pass hat es noch Schnee, unten liegt die Atacama, eine der normalerweise trockensten Wuesten der Welt.


Diese Abfahrt war es wert gewesen, dafuer lange auf und ab zu fahren. Es geht da in etwa 25 km ueber 2'000 Meter runter! Nach ein paar Minuten runterfetzen sah ich ploetzlich zwei Leute am Strassenrand stehen und winken. Marlis und Matthias, auf dem Weg nach Bolivien. Flo musste erst angeschrien werden, bis er realisierte, wer da winkte, aber er war es dann, der vorschlug dort mit den beiden zu campen und am naechsten Morgen nach San Pedro zu fahren. Fuer mich kam das etwas ueberraschend, nachdem er so darauf bestanden hatte, am selben Tag dort anzukommen. Aber gut, umso besser. Wir tauschten alle moeglichen Informationen und Erfahrungen aus und ich war wieder beeindruckt, wie genau Marlis unseren Blog kennt. Man koennte meinen, sie haette die Texte auswendig gelernt.

Da es bald kalt wurde, verzogen wir uns alle in die Zelte. Angeblich wurde es in dieser Nacht nur -3 Grad kalt, was wir als deutliche Verbesserung ansahen. Den Rest der Abfahrt am Morgen genossen wir in der Morgensonne, immer im Wissen, dass wir da in ein paar Tagen wieder rauf muessen. Ein interessantes Detail dieser Strasse: In den wirklich steilen Abschnitten hat es etwa pro Kilometer eine "Pista Emergencia". Das ist eine etwa 200 Meter lange, mit Kies aufgefuellte Spur, das in huebschen Wellen "frisiert" ist, und in einen grossen Sandhaufen muendet. Es waere sicher ein spektakulaerer Anblick, wenn ein Laster dort hineinblocht, weil er nicht mehr bremsen kann.

In San Pedro erwartete uns das uebliche Einreiseprozedere von Chile. Wie von Marlis und Matthias angekuendet, wurden alle Taschen genaustens durchsucht, immerhin mussten wir nicht alles durch den Roentgenapparat schicken. Diesmal versuchten wir jedoch nichts zu schmuggeln, ausser ein paar Cocablaettern besassen wir nichts "de origen vegetal o animal" mehr. Den Honig hatten wir diesmal auf ca. 3'900 Metern Hoehne deponiert, um ihn bei der Ausreise nach Bolivien wieder mitzunehmen.

San Pedro de Atacama ist ein interessantes Dorf, ganz anders als alle Ortschaften, die wir bisher gesehen hatten. Auf den ersten Blick koennte man meinen, man sei irgendwo in Nordafrika. Der Baustil und die Tatsache, dass das Dorf sich mitten in der Wueste befindet, wirkte auf uns richtig exotisch und hat nichts mit den Doerfern beispielsweise an der Carretera Austral gemeinsam. Wie viele Einheimische jedoch noch hier wohnen ist fraglich, der Dorfkern besteht praktisch nur aus Hostales, Restaurants und Tourenanbietern.

Trotzt der Hoehe und den schwierigen Bedingungen haben wir bei der Ueberquerung des Paso de Jama einige neue Rekorde aufgestellt. Da waren erst mal die 117 km von Susques zur Grenze, die den Kilometerrekord pro Tag darstellen, und das erst noch auf ueber 4'000 Metern Hoehe. Auf dem Rueckweg zum argentinischen Grenzposten stellte ich den neuen persoenlichen Geschwindigkeitsrektord von 69 km/h auf, allerdings mit Rueckenwind von ueber 60 km/h. Dann ist da noch der gestrige Tages-Geschwindigkeitsdurchschnitt, der genau 30 km/h betraegt, was wir bisher noch nicht annaehernd geschaft hatten.

Mein Ketten-Problem sollte jetzt auch geloest sein. Gestern hat ein Mech ein Bischen an der Schaltung rumgeschraubt, was erwartungsgemaess rein gar nichts genuetzt hatte. Waehrend einem kurzen Test heute ist die Kette in kuerzester Zeit gleich drei mal rausgeflogen. Jetzt habe ich den gesamten Zahnradkranz wechseln und eine neue Kette montieren lassen, womit auch dieser Aerger aus der Welt geschaft sein sollte. An alle Ciclistas, die in San Pedro einen Mech suchen: an der Avenida de Incas liegt die Velowerkstatt "BRUNA", dort wird einem kompetent und guenstig geholfen.


PS: Viel Glueck an alle Weinbergschnecken und -turbos an der Sola-Stafette am Samstag!