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Sonntag, 29. Januar 2012

Lateinamerika Rückblick

Also erst mal off-topic: Ganz herzliche Gratulation an Renée und Res zur Geburt ihres Sohnes Nick! Schade, dass ich einmal mehr nur mit Fotos vorlieb nehmen muss, aber auch da sieht der Winzling mega schnüsig aus. Ich wünsche den jungen Eltern ganz viel Freude, Geduld, Ausdauer und was man eben alles so braucht in dem Moment und für die nächsten paar Jahre.



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Das Ende steht bevor. Nicht gerade das der ganzen Welt oder zumindest der Reise, aber doch immerhin unseres Aufenthaltes im Spanisch sprechenden Teil Amerikas. Das ist hart. Nicht nur, weil die Medien uns  ein Leben lang ein fieses Bild der USA vermittelt haben, sondern vielmehr weil unsere eignen Erfahrungen in den letzten zwei Jahren die meisten von denselben Medien (und Berichte anderer Velofahrer) vermittelten gemeinen Bilder so vieler Latino-Länder widerlegt haben. Ich weiss gar nicht recht, wo ich beginnen soll und bestimmt ist ein solcher Rückblick etwas unfair gegenüber schon lange verlassenen Ländern in Südamerika, einfach, weil da die Erinnerungen nicht mehr so frisch sind und von so vielen neuen Eindrücken überlagert werden. Aber ich werde mal versuchen, mich an jedes Land und die entsprechenden Vorurteile, so es denn welche gab, einzeln zu erinnern.


VORURTEILE UND REALITÄTEN

Argentinien
Die Argentinier seien sauschlechte Autofahrer, gewisse Strassen damit gefährlich für Ciclistas.

Nun, wir waren in Argentinien zum Glück nie auf so richtig grossen, vielbefahrenen Transitstrecken unterwegs, wo das vielleicht zutrifft. Ich habe die Argentinier jedenfalls nicht als speziell agressive Fahrer erlebt.

Chile
Keine negativen Bilder die es zu widerlegen galt.

Bolivien
Auch hier, hartes Klima auf den Strassen. Dass das Land sehr arm ist, war nicht in dem Sinne ein negatives Bild, sondern schlicht eine Tatsache, die sich auch bestätigt hat.

Auch in Bolivien waren wir nicht extrem viel auf stark befahrenen Strassen unterwegs, die Strecke Potosí - La Paz war jedoch verkehrsmässig relativ harmlos mit Ausnahme der Einzugsbereiche/Zentren der Städte Oruro und La Paz. Martina wurde im Busterminal in La Paz beklaut.

Perú
Die Peruaner seien Gringos gegenüber unfreudlich, werfen Steine/Kartoffel, schreien "Gringo!" und klauen viel.

Die Gringo-Rufe stimmen, je nach Region mehr oder weniger, i.d.R. sind es jedoch die Kinder, meist waren die Rufe auch nicht unfreundlich gemeint. In/um einige Dörfer wurden wir sehr reserviert behandelt, d.h. ignoriert, selbst wenn wir grüssten. Das war aber sehr regional und konnte von Dorf zu Dorf stark varieren. Oft wurden wir auch enthusiastisch von einer Schar Kinder empfangen, Grüsse wurden i.d.R. erwiedert und wir wurden auch von völlig Unbekannten eingeladen, sei es zum Mittagessen, zu einem Teller Suppe oder es wurden uns Früchte geschenkt. In Cusco versuchte eine Gruppe älterer Señoras, mich zu beklauen, hat aber nicht geklappt. Sonst gab es keine Zwischenfälle. Verkehrsmässig war Perú für uns das übelste Land in Lateinamerika, Autofahrer hupen dauernd (was v.a. nervt) und sind absolut rücksichtslos. Auch die Hunde Perús waren die agressivsten überhaupt.

Ecuador
Auch Ecuador sei nicht gerade das sicherste Reiseland, es seien schon Überfälle auf Ciclistas vorgekommen.

Wir fühlten uns in Ecuador so sicher wie überall in Lateinamerika auch. In Quito muss man aber durchaus vorsichtig sein, wie in Cusco locken die vielen Touristen auch viele unehrliche Zeitgenossen an. Martina wurde im Bus nach Otavalo Geld geklaut. Die Hunde sind z.T. so mühsam wie in Perú.

Kolumbien
Uhh, Kolumbien hatte natürlich ein superschlechtes Image, zumindest was die Medien betrifft. Schlagworte: Guerilla, Drogen, Kriminalität. Berichte anderer Velofahrer sprachen jedoch eine ganz andere Sprache, insofern hatte Kolumbien im Gegenteil ziemlich hohe positive Erwartungen zu erfüllen, was z.B. die Freundlichkeit der Leute betrifft.

Im Süden Kolumbiens sind die FARC noch immer aktiv, deshalb hohe Militär- und Polizeipräsenz. Wir haben auf diese Leute gehört und hatten nie irgendwelche Probleme. Die Kolumbianer waren fast ausnahmslos extrem nett und hilfsbereit, ja erfreut über die Anwesenheit von Ausländern/Touristen in ihrem Land. Die hohen Erwartungen hat das Land/die Kolumbianer mit Bravour erfüllt.

Panamá
Keine wirklich negativen Vorurteile. Wir hatten gehört, Panamá sei teuer und sehr amerikanisiert.

Stimmt, in Panama City dominieren amerikanische Laden- und Restaurantketten das Bild, das Land ist teurer als z.B. Kolumbien. Die überaus netten Panameños, insb. die Bomberos haben das aber relativiert, wir konnten sehr oft gratis übernachten.

Costa Rica
Das "offizielle" Vorurteil von Costa Rica ist eigentlich ein sehr gutes. Etwa 25 % des Landes sind Nationalparks, es ist neutral und hat keine Armee. Klingt eigentlich sehr sympathisch.

Das Land ist schweineteuer. Wir haben keinen Nationalpark gesehen, da wir nicht bereit waren, solche Preise zu bezahlen. Wir hatten einen äusserst schlechten Einstieg im Land, Martina wurde in Puerto Limón beklaut, viele Leute dort waren extrem unsympathisch und unfreundlich, die Hotels verhältnismässig bis sehr schlecht für recht hohe Preise. Das hat sich später etwas relativiert, zumindest was die Leute betrifft. Auch viele Ticos sind Touris gegenüber hilfsbereit und aufgeschlossen.

Nicaragua
Was haben wir da erwartet? In den Medien existiert das Land kaum, Ciclistas meinten es sei arm und darum günstig, die Leute seien freundlich.

Nicaragua ist sicher arm, im Gegensatz zu Bolivien oder Perú trotzdem nicht sonderlich günstig. Die Leute sind sicher nett, die Männer aber so aufdringlich/primitiv, dass sie unser insgesamt gutes Bild von Nicaragua ziemlich beeinträchtigt haben.

Honduras
Wird in den Medien auch kaum erwähnt. Weibliche Ciclistas fanden schon, die Männer seien nervig, wohl etwa so, wie wir die Nicas empfunden haben.

Zwei Tage in Honduras war zu wenig, um eine Aussage zu machen. Am ersten Tag kam kaum ein blöder (männlicher) Spruch, besoffene Typen in Städten sind aber auch in Honduras nicht unser Ding.

El Salvador
El Salvador wird oft als gefährlich bezeichnet, viele Gangs (Maras), Drogenkriminalität, insgesamt eher instabil und mit brutaler Bürgerkriegsvergangenheit.

Yep, vor fast jedem Laden, bei jeder Tankstelle etc. steht ein Bewaffneter mit Pump-Gun. Vermutlich nicht aus Jux, wir fühlten uns aber sicher, wurden auch nie bedroht oder dumm angemacht. Die Männer sind höflicher als in Nicaragua. Wir haben uns aber kaum in grösseren Städten aufgehalten, gerade in San Salvador  gibt es bestimmt nicht empfehlenswerte Quartiere.

Guatemala
Soll auch gefährlich sein, v.a. wegen wegen organisierten Drogenbanden und der üblichen Kriminalität und Instabilität in einem Land mit langer Bürgerkriegsvergangenheit.

Hohe Polizeipräsenz in den Städten. Auf Nebenstrassen wurden wir von Einheimischen öfters gewarnt, die Region sei nicht sicher, passiert ist nie etwas. Die Leute sind oft eher zurückhaltend (Indígena), wenn wir aber gefragt haben, wurde uns immer geholfen (z.B. Übernachtung bei Kirchen, wenn es keine Unterkünfte gab).

Belize
Ich hatte kaum ein Bild von Belize, in unseren Medien spielt das Ländli keine Rolle.

Belize war ein Preisschock nach Guatemala, betr. Sicherheit waren wir aber nie besorgt. Wie wir später hörten, ist das Land aber durchaus nicht sicherer als der Rest von Lateinamerika, was aber schliesslich auch nie jemand behauptet hat.

Mexiko
Drogenkrieg in Mexiko!!!!!! Lastwagen voller Toten gefunden, Polizeichef ermordet!!!!!! Schiesserei hier, Massaker da!!!!!!!!! Mexikaner sind die schlimmsten Autofahrer überhaupt und dazu erst noch elende Obermachos. Zwei Frauen "allein" in Mexiko muss also fast Selbstmord gleichkommen!!!

Unsere Familien hatten ihrer Sorge über unseren Aufenthalt in Mexiko durchaus Ausdruck verliehen und wir behaupten auch nicht, die Sicherheit hier nicht ernst genommen zu haben. Die Polizeipräsenz ist hier auch hoch, in gewissen Gegenden sogar extrem hoch. Polizei- und Militär-Pick-ups haben festinstallierte Maschinengewehre auf den Ladenflächen, die immer bemannt sind und schussbereit aussehen, bei Strassenkontrollen stehen auch mal Radpanzer herum. Wir wurden mehr als einmal von Polizisten oder Privatpersonen darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns in nicht sicherer Gegend aufhalten und doch bitte aufpassen sollten. Wir haben solche Warnungen nie ausser Acht gelassen, viel mehr als weiterfahren konnten wir aber eh nicht machen. Es hat uns in fast sechs Monaten in Mexiko nie jemand bedroht, niemand hat auch nur versucht, uns zu beklauen! Die Leute sind nett und hilfsbereit, zwei Chicas gegenüber sowieso. Dank den Cuotas ("Zahlstrassen") mit breiten Seitenstreifen hatten wir auf den Strassen i.d.R. keine Probleme, auch auf den normalen, engen Strassen wurde es selten kritisch (ausser auf der Baja California). Abgesehen von zwei eher speziellen Fällen waren auch die Männer i.d.R. durchaus in Ordnung.

Insgesamt lässt sich also mit supergutem Gewissen sagen, dass Lateinamerika, wenn mit etwas gesundem Menschenverstand bereist, bei weitem weniger gefährlich ist als gerne behauptet wird. Wie viel Glück da im Spiel war, können wir natürlich nicht so genau sagen, da wir aber auch von anderen Ciclistas selten (nicht nie!) negative Sachen hörten, nehmen wir an, dass positive Erfahrungen der Alltag, Negatives die Ausnahme sind. Viele Leute fragen uns auch, welches unser Lieblingsland war. Auf diese Frage gibt es schlicht keine Antwort, zu unterschiedlich sind Länder und Leute. Da es aber in fast jedem Land Highlights gab, mache ich nochmals eine Liste mit dem, was mir persönlich jeweils am besten gefallen hat.


HIGHLIGHTS ZWISCHEN USHUAIA UND TIJUANA

Argentinien
Parque Nacional los Glaciares: Gletscher Perito Moreno und Gegend um El Chaltén (Fitzroy und Cerro Torre). Paso Jama.


Chile
Carretera Austral.


Bolivien
Lagunen Route.


Perú
Machu Picchu, Trekking in den Cordilleras Blanca und Huayhuash. Casa de Ciclistas in Trujillo.


Ecuador
Cuenca, Teilnahme am Huaira Sinchi, Casa de Ciclistas in Tumbaco.


Kolumbien
Die Kolumbianer als extrem gastfreundliches, offenes und hilfsbereites Volk. Hier etwas zu verlinken würde wohl nicht viel bringen, da das vermutlich sämtliche Kolumbien-Posts betreffen würde.


Panamá
Panama-Kanal, Inseln Bocas del Toro.


Costa Rica
Intakte Natur und wilde Tiere.



Nicaragua
Cañon de Somoto.


El Salvador
Die Pazifikküste mit ihren Megawellen.


Guatemala
Lago Atitlan, Tikal.


Mexiko
Cenotes, Chichén Itzá, Palenque, Landschaft zwischen Durango und Mazatlán, Baja California.



Der Grenzübertritt in die USA steht nun unmittelbar bevor. Für uns, wie ihr vermutlich schon erraten habt, einen viel grösseren emotionalen Schritt als der Wechsel von Süd- nach Mittelamerika. Das war mehr geographisch gewesen, aber alles in allem hat sich zwischen Kolumbien und Panama nicht so viel geändert. Jetzt wird ALLES anders werden, und beginnen wird das mit dem Durchschlupf durch den Tortillavorhang. In Lateinamerika waren Grenzübertritte meist eine kurze und unkomplizierte Sache gewesen, aber von Mexiko nach Gringolandia? Sollte das alles etwas skeptisch klingen, wir bemühen uns um eine offene Einstellung und sind bereit, uns von den Amis überzeugen zu lassen, dass auch in ihrem Fall die Vorurteile nicht gerechtfertigt waren. Aber vorerst mal: Adios amigo/as, adios Latino America, que les vaya bien!

Samstag, 12. Juni 2010

Warten auf Martinas Ersatzteile

Jetzt haben wir etliche Tage in La Paz verbracht und uns an die riesige, quirrlige und recht überfüllte Stadt gewöhnt. Nach ein paar Tagen haben wir sogar das Parlamentsbegäude gefunden. Was auffällt hier ist, dass bei allen Regierungsgebäuden nicht nur die bolivianische Flagge hängt, sondern auch die Wiphala, die Flagge der Aymara (indigenes Andenvolk). Diese bunte Fahne wird auch als Bandera Andina bezeichnet, als die Fahne aller Indígenas der Anden. Seit 2008 ist sie auch offizielles Symbol des bolivianischen Staates (sagt Wikipedia).

Congreso Nacional mit bolivianischer und indígena Flagge


Dass der Verkehr in La Paz recht chaotisch ist, haben wir glaub' schon erwähnt. Damit die Stadt nicht im Chaos untergeht, gibt es bei manchen Fussgängerstreifen Zebras, die den Autofahrern helfen, bei Rotlicht anzuhalten. Diese fröhlichen Helfer sind, ganz unbolivianisch, überhaupt nicht kamerascheu und tanzen manchmal regelrecht auf der Strasse rum.



Ein paar Tage nach uns ist ein weiteres Schweizer Velofahrerpaar in der Casa de Ciclista angekommen, Janine und Thomas. Wir hatten ihre Blogadresse im Torres del Paine Nationalpark von einem Oestreicherpaar erhalten, wir haben die beiden aber nie persönlich getroffen. Andere Langzeitfahrer zu treffen, ist immer wieder ein Ereignis und Anlass zu längeren Plaudereinheiten. Da die beiden auch in Luisas Haus einquartiert wurden, wurde das gegenseitige Erzählen natuerlich stark vereinfacht.

Da wir über zehn Tage auf Martinas Ersatzteile aus der Schweiz warten mussten, haben wir uns in der Zwischenzeit anderweitig beschäftigt. Wir wohnen hier ja bei Luisa und als Gegenleistung ist es üblich, dass man im Café Chuquiago, dem Zentrum der Casa de Ciclista, hilft, was wir natürlich gerne machten. Und als Christian Hilfe brauchte, um eine Ausstellung von Werken seines Vaters, eines Künstlers, aufzuräumen, waren wir und Ian natürlich mit dabei. Dass diese Übung erst mal eine grössere Lachnummer werden würde, konnte niemand ahnen.

Es begann scheinheilig damit, dass Christian den Schlüssel für den VW Bus, mit dem wir die Bilder transportieren sollten, zuhause vergass. Währende er und Ian den Schlüssel holen gingen, untersuchten Flo, Martina und ich das ehemalige Atelier von Christians Vater. Das Haus ist angeblich höchstens 15 Jahre alt, wir hätten es auf 40-50 geschätzt, so heruntergekommen sieht es aus. Es ist dreistöckig, die Decken bzw. Böden bestehen aber nur aus dünnen Leisten und man fühlt sich herzlich unsicher, wenn man darauf herumspatziert. Das Haus ist vollgestopft mit Bildern und allen möglichen seltsamen Figürchen, die der Künstler geschaffen oder gesammelt hatte.



Ok, Christian wieder da, Ian wieder da, Schlüssel auch da. Gut. Der VW Bus hatte aber schon seit über einem Jahr keinen Auslauf mehr gehabt und alle ausser Christian zweifelten daran, dass der sich je wieder von der Stelle bewegen würde. Aber Christian hat ja einen Jeep mit funktionierender Batterie, also kann man überbrücken. Theoretisch. Aber immer, wenn die Kabel wieder weg waren, starb der Motor wieder. Die Batterien austauschen wollte Christian nicht, weil sich die alte ja wieder aufladen sollte. Was genau er da am Motor rumbastelte, war mir nicht klar, was aber vermutlich damit zusammenhängt, dass ich nichts von Motoren verstehe.



Nach einer kleinen Ewigkeit schaffte Ian es, den Motor zum selbstständigen Laufen zu bringen und Christian kurvte durchs Tor aus dem Garten. Oder zumidest unter den Torbogen und dort krepierte der Motor wieder. Also schoben wir das Büssli an, der Motor würde so schon wieder anspringen. Wir schoben und schoben - zum Glück abwärts - aber der Motor hatte keinen Bock mehr. Also um die Kurve und weiter schieben, voll Chrösti auf die Kreuzung mit einer stärker befahrenen Strasse zu. Dort kam Christian zum Schluss, dass das Problem vermutlich daran liegt, dass kein Benzin mehr im Tank ist:-) Martina und ich stiegen also in das nächste Taxi, fuhren zu einer Tankstelle und brachten den begehrten Saft zum alten VW Bus. Und siehe da, nach einer weiteren Schiebeaktion fuhr der Bus wieder wie von selbst.

Die Galerie befand sich in San Miguel, dem nobelsten Quartier von La Paz. Die Bilder rauszutragen war ja soweit kein Problem, sie sinnvoll ins Büssli zu laden, stellte sich als komplizierter heraus. Die Schnur, mit der die grösseren Werke aufs Dach gebunden wurde, sah für uns auch eher wie ein Geschenkbändli aus. Wundersamerweise ist aber nichts runtergefallen (ausser einem Karton, der sich zur Polsterung dort oben befand) und wir haben es alle geschafft, wieder ins Auto zu steigen. Zurück zum Atelier, alles ausladen und zurück zur Galerie. Die nächste Ladung bestand mehrheitlich aus Drahtfigürchen, die wir zum - ziemlich bonzigen - Haus von Christians Verwandten brachten. Dort wurden wir kurzerhand zum Mittagessen eingeladen, wo es selbstgemachtes Glace zum Dessert gab. Mega fein. Die ganze Aktion, die für den Vormittag geplant gewesen war, dauerte schliesslich bis nach 15 Uhr, aber der Unterhaltungswert war doch deutlich höher gewesen als erwartet. Übrigens: der Bus fährt inzwischen problemlos und ohne anstossen.

Am Tag darauf unternahmen wir eine Touri-Velotour nach Coroico in den Yungas (Subtropen). Nach Coroico gelangt man über die berüchtigte Death Road, eine schmale, angeblich äusserst gefährliche Strasse an steilen Abhängen, die sich aber - dank der neuen, asphaltierten Strasse, die den Verkehr übernimmt - als nicht mal halb so schlimm herausgestellt hat. Eher abenteuerlich waren dafür die Velos unseres Tourenanbieters. Erst kreuzte er eine Stunde später als abgemacht auf, und bevor die Velotour starten konnte, bastelten er und unser Gía (Führer) über eine halbe Stunde an den Velos rum. Natürlich beruhigte uns das nicht gerade. Meine hydraulische Bremse funktionierte dann auch während Stunden nur mehr oder weniger, meistens weniger als mehr. Und das ist nicht wirklich lustig wenn es fast nur bergab geht.

Recht cool fühlte sich hingegen die Vollfederung an, mit der wir über Stock und Stein brettern konnten und kaum durchgeschüttelt wurden. Der erste Teil unserer Tour führte über eine alte, nicht mehr unterhaltene Strasse, wo kein Verkehr herrschte und uns auch keine anderen Velofahrer in die Quere kamen. Landschaftlich war die Region für uns interessant. Das Tal, durch das die Strasse aus La Paz führte, erinnerte uns erst an das Schweizer Hochtal Avers im Herbst, recht eng, kahl und gelb-braun. Weiter oben öffnete sich das Tal, wurde breiter und Martina meinte, es sehe aus wie auf dem Splügen Pass. Ausser, dass auf dem Splügen keine Alpakas weiden.

Je weiter wir auf der anderen Talseite hinunter kamen, desto weniger Ähnlichkeit mit den Schweizer Bergen hatte die Landschaft. Es wurde immer grüner und wärmer und zum ersten Mal seit Wochen sahen wir Blumen! Wir waren richtig fasziniert von all den Büschen mit Blüten, dieser Klimawandel war ein ziemlicher Kulturschock.



Auch herzig waren die kleinen Dörfer, durch die wir durchflitzten. Bei einer schönen steinernen Kirch mussten Martina und ich aber erst mal die Flitzerei stoppen und Fotos machen.



Weiter unten gesellte sich plötzlich ein neues Geräusch zu dem Quitschen und Rattern der Kette. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich einen totalen Platten hatte und de facto auf den Felgen fuhr. Das Ungewohnte dabei war, dass ich das Problem nicht selber lösen musste, sondern dem Führer und Jeepfahrer überlassen konnte.

Zwischendurch wurden die Velos wieder auf den Jeep verladen und es ging über einen Hügel zum Beginn der "richtigen" Death Road. Leider befanden wir uns inzwischen in einer dichten Wolkenschicht, die Aussicht in die Abgründe war also erst mal komplett inexistent. Zwischendrin lichteten sich die Wolken und man sah die Strasse, die sich auf der anderen Talseite durchschlängelte, dann war wieder alles dicht. Der Nebel störte uns aber nicht sehr, die Atmosphäre war richtig mystisch, passend zum Ort.

"Aussicht" vom Beginn der Death Road


Die Qualität der Strasse war viel besser als erwartet und wir empfanden sie als überhaupt nicht gefährlich. Klar, neben der Strasse ging es ein paar hundert Meter in die Tiefe, aber wenn man mit gesundem Menschenverstand fuhr, war das kein Problem. Dass es das früher aber war, als da viel Verkehr herrschte und jede Menge schwere Lastwagen durchfuhren, kann man sich leicht vorstellen. Die Strasse ist einspurig mit ein paar Ausweichstellen und ganz gewiss nicht zum Rasen geeignet. An einer Stelle stürzt ein Wasserfall auf die Strasse. Zum Glück ist jetzt Trockenzeit, da ist der Wasserfall eher ein feiner Schleier, wenn man da aber während der Regenzeit durchfährt, wird man vermutlich fast weggeschwemmt.

So fetzten wir mehr oder weniger schnell die Strasse runter, bis wir den nächsten Grund für einen Stopp trafen: Steve, ein walliser Velofahrer, der mit vollem Gepäck und etwas gemütlicher als wir auf dem Weg nach Coroico war. Er wollte in den tiefen Lagen der Yungas ein paar Tage Pause machen und danach einige Berge besteigen. Wir schwatzten eine Weile, verabredeten uns provisorisch für den Abend in Coroico und fuhren weiter.

Death Road in die Yungas


Zuunterst im Tal angekommen, zogen wir erst mal so einiges aus, so warm war es dort (auf ca. 1'200 m.ü.M.). Als wir aber in Coroico (auf ca. 1'700 m.ü.M.) aus dem Jeep ausstiegen, fühlte sich die Luft wieder recht kühl an. Dieses Gefühl von "esistjagarnichtwarmhierunten" wurde durch die - natürlich nur in meinem Fall - kalte Dutsche noch versträrkt. Das Frieren nahm danach im Restaurant mit starkem Durchzug seine Fortsetztung. Dabei wollten wir in die Yungas, um zur Abwechslung mal einen warmen Ort zu finden!

Zurück in La Paz planten wir den nächsten Trip: Per Bus nach Copacabana und Puno am Lago Titicaca. Copacabana ist das Ziel vieler Pilger, da sich dort die berühmte Virgen de Copacabana befindet. Irgendwie haben wir es aber nicht geschafft, die Virgen zu finden, was aber auch nicht unsere erste Priorität war.

Plaza und Kirche von Copacabana


Für uns faszinierender war der Titicacasee, der höchste schiffbare See. Er liegt auf 3'812 m.ü.M., hat eine Fläche von 8'372 m2 und 1'125 km Küstenlinie. Am tiefsten Ort ist er 281 m tief, wobei der Wasserspiegel saisonal stark schwankt. Zur Regenzeit fliessen 26 Flüsse in den See, in der Trockenzeit gerade noch 5. Aus dem See raus fliesst nur ein einziger Fluss, der Río Desaguadero, was auf Deutsch wohl etwa so viel wie "Entwässerungsfluss" bedeutet.

Lago Titicaca und Cordillera Real


Eine der Touristenattraktionen ist die Isla del Sol, die Sonneninsel, deren Nordseite wir von Copacabana aus per Boot in zwei Stunden erreichten. Dort gibt es Tempelruinen aus der Vorinkazeit, einen heiligen Felsen und einen steinernen Gabentisch zu bestaunen. Ausserdem führt ein 8 km langer Wanderweg zum Südteil der Insel, der mit Hostales und Restaurants zugepackt ist. Landschaftlich gleicht die Insel Griechenland, das meint jedenfalls Martina, ich kann's nicht beurteilen, da ich noch nie in Griechenland war. Auf jedenfall ist die Insel zu dieser Jahreszeit bräunlich-gelb, mit grünen Flecken um die Häuser rum. Fast die ganze Insel ist terrassiert und die Terrassen werden auch noch landwirtschaftlich genutzt, die Felder sind jetzt aber alle braun und kahl.

Bucht am Nordteil der Isla del Sol


Nach einer Nacht in harten, schiefen Betten in einem billigen Hostal ohne fliessendem Wasser wollten wir ein Boot zurück nach Copacabana nehmen. Zwanzig Minuten Verspätung ist wohl immer noch pünktlich, was uns (und auch andere Touris) mehr überraschte und nervte, war, dass die Rückfahrt doppelt so teuer war wie die Hinfahrt. Auf meine Frage, wieso das so sei, erhielten wir die ebenso genervte Antwort, dass es in Copacabana eben viel Konkurrenz gebe, hier auf der Insel eben nicht. Ziemliche Abzockerei auf dieser Insel, man muss dort sogar für die Benützung des Wanderweges bezahlen. Einerseits verständlich, alle wollen ein Stück des "Tourismus-Kuchens" abschneiden, andererseits wird's irgendwann nervig.

Die Fahrt nach Puno verlief ereignislos, der Grenzübertritt nach Peru problemlos. Im Bus bekamen wir auch schon ein Hostal angeboten, welches sich als gute Wahl herausstellte. Die Stadt Puno ist an sich nicht weiter aufregend, der Trip zu den Islas Flotantes, den schwimmenden Inseln hingegen war interessant. Von diesen selbstgebauten Inseln gibt es etwa 50 und es leben dort um die 2'000 Menschen, die Uros. Es gab eine kurze Zeitraffer-Vorfürung im Inselnbauen und wir erfuhren, dass man aus jenem Schilf nicht nur Inseln und Boote bauen kann, sondern, dass ein Teil davon sogar essbar ist. Traditionell leben die Inselbewohner vom Fischfang und vom Sammeln von Eiern, dass die Mehrheit aber inzwischen vom Tourismus lebt, hat uns nicht weiter überrascht, auch wir wurden praktisch zum Kauf von Souvenirs genötigt.

Schwimmende Insel mit Souvenirstand


Nach weiteren etwa sechs Stunden Busfahrt kamen wir wieder in La Paz (schon fast "zu Hause") an, wo uns eine schlechte Nachricht erwartete. Ian war auf dem Weg nach Coroico von einem Auto angefahren worden und befand sich im Spital. Sein Zustand war zu jener Zeit noch nicht klar, aber es war von einer Blutung im Gehirn die Rede und alle waren entsprechend beunruhigt. Am nächsten Morgen gingen wir ihn im Spital besuchen und fanden ihn zu unserer Erleichterung bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand.

Ian war auf dem Weg nach Coroico auf der neuen Asphaltstrasse, als er wegen herbeirennenden Hunden abbremsen musste und er von einem nachfolgenden Auto, dessen Fahrer ihn schlicht nicht wahrgenommen hatte, gerammt und etliche Meter weit weg geschleudert wurde. Offenbar verlor er nie das Bewusstsein und hatte zum Glück Christians Natelnummer gespeichert und konnte ihn anrufen. Der Fahrer des Unglücksautos war auch so anständig, ihn in ein Spital zu bringen und ein Anderer, der den Unfall gesehen hatte, brachte sein Velo und Gepäck zurück nach La Paz. Inzwischen ist auch ein MRI gemacht worden (ja, sogar das gibt es in Bolivien) und das Blutgerinsel im Gehirn sei so klein, dass es kein Problem sei. Er könne Mittags um ein Uhr das Spital verlassen.

Gleichzeitig mit uns war auch der ältere Herr, der Ian angefahren hatte, zu Besuch. Er wirkte extrem niedergeschlagen und war auch absolut willig, alles zu bezahlen, was bezahlt werden musste. Mit seinem Handy konnten wir Luisa kontaktieren, die ankündigte, mit Christian gegen ein Uhr ins Spital zu kommen und Ian abzuholen. Um ein Uhr war dann aber leider irgend ein Büro geschlossen, wir müssten bis zwei Uhr warten. Luisa und Chrisian gingen inzwischen Ians Velo abholen und wir warteten weiter. Ebenfalls nzwischen verschwand auch der Unfallverursacher wieder, was uns weitere Wartezeiten verursachte. Denn als das besagte Büro wieder geöffnet hatte, stellte sich heraus, dass die Rechnung noch nicht ganz bezahlt war, und Ian könne das Spital erst verlassen, wenn alles bezahlt sei. Um halb vier verliessen wir drei das Spital, da wir noch einige Besorgungen machen mussten. Ian kam am selben Tag tatsächlich noch "frei", der ältere Herr war offenbar zur Bank gegangen um Bargeld zu holen. Als wir von unserer Shoppingtour nach Hause kam, waren alle inklusive Ian da und wir feierten seine Entlassung gebührend mit einem Haufen Spaghetti.


Was ich schon länger mal erwähnen wollte, ist die Art, wie sich die Indígenafrauen hier anziehen und wie sie ihre Kinder transportieren. Während die Männer i.d.R. "normal", d.h. westlich gekleidet sind, bleiben die Frauen ihrem Indígenastil treu. In den Dörfern tun sie das zu fast 100%, in den Städten auch noch zu einem grossen Teil. Diese Tracht besteht aus einem knie- bis knöchellangen Rock, einem - je nach Region und Kälte - wollenen Puli oder Jacke, einem bunten Tuch um die Schultern, hier in La Paz mit langen Fransen, und einem Hut. Das alles bildlich festzuhalten war bisher nicht einfach, da sich die Indígena nicht gerne fotografieren lassen. Sie glauben anscheinend, dass fotografieren die Seele klaut. Anlässlich eines Festes im Dorf Yumani auf der Isla del Sol wurde das aber nicht so eng gesehen, da eh alle Gringos Fotos machten. Das ist nun zwar eine festliche Variante, die Alltagskleider sind dem aber recht ähnlich.



Der andine Kindertransport ist auch immer wieder sehr herzig. Kinderwagen oder moderne Tragevorrichtungen gibt es hier kaum, und wenn, nur in grossen Städten. Viel weiter verbreitet sind quadratische Tücher, in denen die Kinder eingewickelt und auf den Rücken gebunden werden. Wenn sie schlafen, werden sie meist quer gebunden, wenn sie wach sind, aufrecht. Vielleicht liegt es daran, dass man hier so wenige Kinder weinen hört. Sie sind dauernd in Körperkontakt mit den Müttern und wirken meist sehr zufrieden.

Indigena-Familie am Busterminal in Coroico



Gestern sind nun Martinas Ersatzteile tatsaechlich angekommen und heute Nachmittag soll alles montiert werden. Hoffentlich klappt alles, wir haben fuer morgen frueh Bustickets nach Cusco.

An dieser Stelle möchte ich nochmal die Casa de Ciclista hier in La Paz erwähnen, d.h. Chrisian und Luisa. Diese Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Einsatz fuer ihre Gäste ist unglaublich. Wir konnten nun über eine Woche fast gratis bei Luisa wohnen, Christian hatte einiges an Umtrieben wegen den Ersatzteilen aus der Schweiz und dann kam noch Ians Unfall dazu, mit diversen Polizei- und anderen Terminen. Und das alles gerade, als Christian einen neuen Job angefangen hat, der ihn momentan noch zusätzlich stresst. Alles kein Problem, die beiden schmeissen dieses Radlerhaus hier mit Herzblut. Vielen, vielen Dank für Eure Hilfe und Euren Einsatz, Christian und Luisa!!!

Falls das noch nicht klar genug war: Alle Velofahrer, die in Bolivien ein Problem haben, hier wird Euch geholfen: Chuquiago Cafe, Linares 903 an der Ecke zu Sagarnaga.

Sonntag, 6. Juni 2010

Altiplano

Also erst mal: Flo und ich pedalten alleine nach La Paz, Martina hat einen Bus genommen, um in La Paz auf ihre Ersatzteile zu warten. Alleine Busfahren geht ja, das Gepäck ausladen ist komplizierter. So wurde ihr im Busterminal in La Paz auch promt die Lenkertasche gestohlen, zum Glück hatte sie ihre wirklich wertvollen Gegenstände im Rucksack.

Wir sind für einmal schneller als gedacht an einem Ort angekommen. Das hat einerseits damit zu tun, dass der Weg kürzer war als gedacht, andererseits, dass wir weniger Gegenwind hatten als gedacht. Und das ist absolut bemerkenswert.

Angeblich sollten wir ja schon seit längerem auf dem Altiplano sein, wobei wir nicht genau wissen, wo das beginnt bzw. aufhört. Auf jeden Fall haben wir das Plano bisher noch nicht gefunden, nur die Alticolinas. Da gibt es zwar seit dem Paso Jama immer wieder mehr oder weniger flache Ebenen, dazwischen aber auch mehr oder wengier steile Pässe. Nach Potosí hat sich das erst mal ein paar Tage so fortgesetzt. Zuerst ging es rasant fast 20 km abwärts, dann auf und ab und auf und ab. Das übliche Spiel.

Da wir nun zum ersten Mal so richtig auf bolivianischen Strasse fuhren, mussten wir erst mal die hier herrschenden Regeln lernen.
Erstens: Autos hupen einen immer an.
Zweitens: Finde heraus, wieso.
Drittens: Falls Du Nr. 2 nicht gelöst hast, mach' Platz und verlasse die Strasse.

Zu Beginn, wo die Strasse noch eher schmal war, war klar, dass zumindest Lastwagen hupten, um einen von der Fahrbahn zu schicken. Da aber auch PWs an völlig übersichtlichen und breiten Stellen hupten, nahmen wir bald mal an, dass das einfach so viel wie "hallo du da" heisst, und wir juckten nicht mehr jedes Mal zur Seite. Natürlich hupt hier auch der Gegenverkehr, häufig von winken begleitet, das ist die einzige glasklare Situation, die man mit Zurückwinken beantworten kann.

Hier begegneten uns auch viele Fussgänger, die ich immer mit "hola, buen día" grüsste. Dass da zurückgegrüsst wird, ist soweit normal. Interessanterweise sind die Frauen aber meistens viel reservierter als die Männer, die manchmal recht begeistert winken und einem Dinge zurufen, die ich jedoch nie verstanden habe. Es hat jedoch immer positiv getönt. Obwohl wir hier in Bolivien in einem sehr armen Land sind, scheint es die wenigsten der Einheimischen zu stören, dass da "reiche Gringos" herumkurven.

Gegen Abend des ersten Tages stellte sich uns eine andere Frage: wo schlafen. In den Dörfern nach Potosí gab es teilweise noch Hospedajes, je länger der Tag dauerte und je weiter wir kamen, umso kleiner wurden die Käfflis und Unterkünfte gab es keine mehr. Auch einen Zeltplatz zu finden, stellte sich als schwierig heraus, da es kaum ebene Flächen gab und wir wenn möglich ausser Sichtweite von Häusern campen wollten. Und die Region ist "dicht" besiedelt, es wohnen fast überall Leute. Schliesslich fanden wir in einem kleinen Flusstal hinter einem Hügeli ein Versteck für die Nacht.

Am nächsten Morgen ging es erst mal wieder bergauf, was hätte man anderes erwarten können. Kurioses Vorkommnis: Mein Tacho hatte irgend einen Schaden weg und zeigte immer so 5-15 km/h zuviel an. Die Kilometeranzeige schien jedoch zu stimmen. Keine Ahnung, womit das zusammenhängen könnte, jedoch war es etwas frustrierend, wenn da 12 km/h angezeigt waren und ich genau wusste, dass ich nicht schneller als mit 5 km/h den Hügel hochkroch. Da wir uns hier aber im Land der Alpakas befanden, bot der Anblick der bunten Tiere ab und zu etwas Abwechslung.



Landschaftlich war der zweite Tag sehr ähnlich wie der erste. Die Strasse führte entlang eines Berghanges, immer wieder durch kleine Dörfer, wo die Hauswände mit Wahlsprüchen vermalt waren. "Evo de nuevo" war etwas vom häufigsten, anscheinend steht die Region um Potosí zu ihrem Präsidenten. Die Dörflis entlang der Strasse scheinen auch mehrheitlich am Stromnetz angeschlossen zu sein und wirken generell ein wenig moderner (z.T. mit verputzten Mauern und Wellblechdächern) als die Siedlungen auf der anderen Talseite, die eher so aussehen, als hätte sich dort in den letzten 500 Jahren kaum was verändert. Die Gebäude sind aus selbstgemachten Lehmziegeln gebaut, die immer die gleiche Farbe haben, wie die Erde rundherum: rot, gelblich, braun oder grau, alle mit Strodächern. Meist erkennt man diese Dörfer aus der Distanz kaum, sie sind perfekt getarnt.



An den Berghängen um die Dörfer herum erstrecken sich meistens dutzende kleine, inzwischen meist kahle Felder. Warum die Leute die Felder nicht in den Talböden anlegen, ist uns nicht ganz klar, auf jeden Fall sehen die Hänge oft aus wie Plätzchendecken. Dass solche hochliegenden Felder nur funktionieren, weil hier alles von Hand bearbeitet wird, ist klar. Der Abtransport der Ernte erfolgt entweder mit Eseln oder auf dem Rücken der Leute.



Das zweite Nachtcamp war weniger gut als das erste. Die Mauer, hinter der wir uns installierten, war nicht sehr hoch und wir mussten erst einige Dornbüschlis roden, bevor wir das Zelt aufstellen konnten. Ob nun irgendjemand wusste, dass wir da waren, oder nicht, passiert ist nichts. Da wir das Höhenprofil der Route hatten, wussten wir, dass wir am nächsten Morgen das "Plano" erreichen sollten. Vorher sollte es jedoch nochmals kräftig aufwärts gehen, hoffentlich ohne den fiesen Gegenwind, der uns am Tag davor das Leben schwer gemacht hatte.

Die Sache mit dem Wind klappte nur teilweise. Dafuer kamen wir in eine landwirtschaftlich immer stärker genutzte Region, wo sich die Felder auch im Tal unten befanden und zum Teil noch nicht abgeerntet waren. Dort sahen wir auch Leute bei der Arbeit. Eine ältere Frau warf irgendwelche Körner in die Luft, so wie man es bei uns bis vor ein paar hundert Jahren auch gemacht hatte, um die Körner von den Schalen zu trennen. Andere Leute liessen Esel im Kreis um einen Haufen Grünzeug laufen. Wozu das genau diente, wissen wir nicht genau, wir nehmen an, so wird gedrescht.



An jenem Nachmittag erreichten wir Challapata, ein kleines Städtchen zwischen Potosí und Oruro. Als wir auf der Suche nach einer Unterkunft umherfuhren, sprangen auf einmal zwei kleine Knirpse auf, liefen uns nach und riefen "Gingo, Gingo!" Dieses in Peru angeblich eher lästige Ritual liess uns hier laut auflachen. Die beiden Winzlinge, vielleicht etwa vier Jahre alt, brachten noch nicht mal ein korrektes R raus. Woher die beiden die Idee dazu hatten, ist uns schleierhaft, hier macht das sonst nämlich niemand. Da wir an jener Hauptstrasse nicht fündig wurden, kehrten wir um, um ins Zentrum zu fahren. Dabei passierten wir unsere beiden kleinen Freunde nochmals und amüsierten uns noch einmal über ihr mit Inbrunste gerufenes "Gingo, Gingo!".

Wir fanden schliesslich die einzige Residencial des Städtchens und genossen erst mal eine warme Dusche. Beim anschliessenden Einkaufen begegnete uns eine der ulkigsten Gestalten bisher: Ramiro, el Conejo, ein etwa 60-jähriger, ehemaliger 800 m-Läufer. Nach längerem Plaudern überredete er uns zum Essen im "Restaurant" seiner Frau, wo er uns Gesellschaft leistete und über sich erzählte. Er hatte im Jahr 1979 an der Universiade in Mexico City teilgenommen als einer von sieben bolivianischen Sportlern und war (zu Recht) extrem stolz darauf. Diese Teilnahme wurde den Bolivianern von der mexikanischen Universität bezahlt, da ihr eigener Staat dafür kein Geld hatte. Er konnte auch verlegen darüber lachen, dass eine Frau damals schneller rannte als er, was ihn sehr sympatisch machte. Da er studium- und arbeitsbedingt immer nachts zwischen 22 und 23 Uhr trainieren mussten, und es auf dieser Höhe um diese Zeit bekanntlich sehr kalt ist, bekam er irgendwann Knieprobleme und musste mit dem Sport aufhören. Nach dem allgemeinen Geschichtenerzählen spielte er uns auf seiner Guitarre vor. Eines der Lieder hatte angeblich Evo Morales vor langer Zeit im selben Lokal vorgetragen. Wir hatten am Abend leider keine Kamera dabei und der Fototermin am nächsten Morgen hatte nicht geklappt.

Die Etappe nach Oruro war wie erwartet flach. Endlich im richtigen platten Altiplano!



Leider wurde mir da schon nach ein paar Stunden langweilig, aber was soll's, wir kamen schnell voran. Und wir stellten sogar einen neuen Rekord auf: 120 km an einem Tag, und das ohne Rückenwind. Allerdings auch ohne Gegenwind. Dass wir in die Nähe einer Grossstadt kamen, merkte man einige Kilometer vor Oruro deutlich. Der Verkehr nahm zu, und der bisher überraschend rücksichtsvolle Fahrstil wurde rauer. Wirklich spannend wurde es am Stadtrand. Dort begann das übliche südamerikanische Chaos mit Autos, Bussen, Lastwagen, Fussgänger und Marktständen. Oruros Strassen sind eng und chronisch verstopft. Mir drehte es fast den Magen um, so voller Abgasen war die Luft. Dank der Hilfe eines netten Einheimischen fanden wir aber die schon vorher im Buch ausgewählte Residencial innert nützlicher Frist (d.h. bei Tageslicht).

Oruro wird im Bikebuch als eher bedrückende, sterbende Minenstadt beschrieben. Wir haben die Stadt als quirrlig und lebendig kennen gelernt. Zu unserer Überraschung fand an jenem Abend ein langer Umzug mit viel Musik statt, der sich als 25-jähriges Jubiläum des Collegios Comibol herausgestellt hat. Und da feierten die anderen Schulen der Stadt mit und blockierten laut musizierend das ganze Zentrum.



Den richtigen Weg aus der Stadt heraus zu finden, war nicht ganz einfach, da es keine Strassenschilder gibt. Wir schafften es aber tatsächlich, die letzten Kilometer vorbei an Baustellen, die zwischendurch als Müllhalden verwendet werden. Wir fanden das wiederlich, aber die Schweine und Hunde, die dort auf Futtersuche waren, fanden es wohl praktisch. Viel passierte an jenem Tag nicht, es war mehrheitlich platt, abgesehen von ein paar kleineren Wellen in der Landschaft. Llamas gab es seit Challapata kaum mehr, dafür wieder viele Schafe und Rinder. Gegen 17 Uhr kamen wir in einem Dorf mit Hospedaje an, da wir aber unser Tagessoll von etwa 90 km noch nicht erreicht hatten, fuhren wir weiter in der Hoffnung, im nächsten Dorf, das immerhin auf der Karte verzeichnet war, was zu finden. Fehlanzeige, zwei Dörfer weiter soll es angeblich etwas geben. So weit wollten wir aber nun auch nicht mehr. Ein paar Kilometer weiter fanden wir einen brauchbaren Platz hinter einer Backsteinmauer, die eine Art Betonbühne davor hatte. Keine Ahnung, was das war, aber die Mauer bot Sichtschutz zur Strasse. Bis es dunkel wurde, spatzierten eine Schafherde auf dem Heimweg und andere Leute mit Tieren vorbei, es schien sich jedoch niemand an unserer Anwesenheit zu stören. Zur Sicherheit schlossen wir die Velos ans Zelt an, es versuchte jedoch niemand, irgend etwas zu klauen.

Nach einem weiteren ereignislosen, verkehrsreichen Tag fuhren wir in Calamarca ein. Das ist eine weitere kleine hübsche Siedlung and der Strasse, gemäss Bikebuch mit Unterkunft. In der Realität gab es die aber leider nicht, wie uns widerholt bestätigt wurde. Wir sollten zum Haus des Pfarrers, dort gäbe es eine Art Quartier. Das war zwar nur ein leerer Raum und ohne Fenster, unsere Ansprüche waren aber nicht hoch und eine Alternative hatten wir eh nicht. Dazu war die Übernachtung gratis, contribución voluntario, man konnte freiwillig etwas bezahlen, für den Strom (es gab eine Lampe). Haben wir natürlich gemacht.

Am Abend erhielten wir noch ein SMS von Martina, wir sollen tags darauf früh aufstehen, sie warte in La Paz mit einem Barbeque auf uns. Wir wunderten uns zwar noch, wo sie denn wohnte, stellten aber den Wecker auf 5.30 Uhr. Wir hatten immerhin noch 60 km vor uns und mussten dann Martina in einer riesengrossen, unbekannten und chaotischen Stadt finden.

Die ersten Hälfte der Strecke war nicht sonderlich aufregend, das Gleiche wie in den Tagen zuvor, ausser immer dichter bewohnt. Dann standen wir auf einer kleinen Anhöhe und schauten auf El Alto und die dahinterliegende Smogschicht hinunter. Und da wollen wir wirklich hin. Flo meinte, nein, aber wir müssten trotzdem gehen.



Nach einer Weile in El Alto wurde es anspruchsvoller. Die Kleinbusse, die den örtlichen ÖV darstellen, wurden immer mehr und mehr. Die halten ohne Warnung am Strassenrand an und fahren ebenso ohne Warnung wieder ab. Und da wir, immer möglichst korrekt, am rechten Strassenrand fahren, schnitten die uns dauernd den Weg ab, bremsten uns aus und nervten langsam aber sicher gewaltig. Je dichter wir ans Zentrum von El Alto kamen, umso absurder wurde der Minibusverkehr. Die Strasse war dreispurig und komplett verstopft von haltenden Bussen. Am Strassenrand befanden sich Geschäfte, die mehrheitlich mit Autos zu tun hatten, dazu Marktstände, die alles mögliche und unmögliche anboten. Zwischen all den Büsslis drängten sich natürlich Leute durch, die ein- und aussteigen wollten. Das dauernde Gehupe muss wohl kaum mehr erwähnt werden.

Nach eineinhalb Stunden erreichten wir die Mautstelle vor der Autobahn, die ins Zentrum von La Paz hinunterführt. Da wir noch nie Maut bezahlen mussten, fuhren wir bei einer geschlossenen Spur durch und bemerkten gerade noch knapp das "No bicicletas"-Schild. Zu spät, wir sind schon drin. Etwas weiter unten gab es am Strassenrand einen Mirador, von wo aus man eine spektakuläre Sicht auf La Paz hat.

La Paz mit Cerro Illimani im Hintergrund


Und dann ab durch die Mitte. Bzw. natürlich wieder brav am rechten Strassenrand auf einer kaum benutzten Spur, die möglicherweise eine Art Pannenstreifen darstellt und ganz schön uneben und holprig war. Logischerweise gibt es hier auch entlang der Autobahn Bushaltestellen. Und Passerellen zu den angrenzenden Quartieren. Und dort, wo es keine Passrelle gibt, latschen die Leute halt quer über die Strasse. Klar, wie sollte man sonst zur Haltestelle kommen? Wobei Haltestelle sowieso relativ ist, die Busse halten einfach dort, wo Leute stehen und winken.

Aber auch der Begriff Autobahn ist relativ. Dort gingen nämlich auch Leute spatzieren und joggen und irgendwo an der Böschung hat ein Feuer gebrannt. Dass da zwei illegale Velofahrer durchflitzten, scheint niemanden gewundert zu haben.

Im Zentrum von La Paz angekommen, wurde es erst richtig unterhaltsam. Dank der Hilfe einer jungen Dame fanden wir das Touri-Office an der Plaza del Estudiante. Schlauerweise ist das Büro aber samstags und sonntags geschlossen. So fragten wir halt die dort herumstehenden Polizisten nach der Adresse, die uns Martina durchgegeben hatten. Und erhielten die Antwort ohne dafür bezahlen zu müssen! Immer geradeaus auf der grossen Avenida 6 de Agosto. Natürlich war das Chaos im Zentrum nicht kleiner als in El Alto, Minibusse hier, Minibusse dort und alle halten, wo es ihnen gerade passt. Also verkehrsorganisatorisch hat La Paz noch viel Potenzial! Aber irgendwie kamen wir vorwärts und nach der rasanten Abfahrt von El Alto ging es jetzt nochmals fetzig bergab bis ins Quartier Obrajes. Dort suchten wir nochmals recht lange bis wir die gewünschte Adresse fanden. Das Barbeque war gerade erst in den ersten Vorbereitungen.

Aber wer sind die Leute, bei denen sich Martina einquartiert hatte? Luisa und Chrisian führen hier in La Paz eine Casa de Ciclista mit Internetcafé und kleinem Restaurant. Normalerweise haben Casas de Ciclistas gratis Unterkunft für Velofahrer, hier gibt es drei Familien, die Tourenfahrer aufnehmen. Nicht ganz, aber fast gratis. Da sind wir nun auch und versuchen, uns ein Bild dieser Megastadt zu machen und nötige Besorgungen wie z.B. neue Rückspiegel zu machen.

Samstag, 29. Mai 2010

Potosí

Wie ich im letzten Text schon geschrieben habe, ist der kulturelle Mix hier in Potosí sehr interessant. Da verkaufen die Quechua Frauen an der Plaza frischgepressten Orangensaft, tragen traditionelle Trachten und ihre Babies und kleinen Kinder in farbigen Tuechern auf den Ruecken gebunden. Auf der Bank daneben sitzt die "westlich" angezogene Familie und die Kinder amuesieren sich beim Taubenfuettern.

Auch eher ungewohnt fuer Europaer ist das Gewusel auf den Maerkten hier. Einkaufszentren gibt es nicht, man kauft alles auf dem Markt. Die Palette reicht von Schuhen ueber Kleider und allen moeglichen Haushaltartikel zu diversen Nahrungsmitteln und natuerlich Fruechten und Gemuese. Fuer mich witzig: normalerweise sehe ich in solchen Menschenmassen rein gar nichts, hier sind die Leute aber so klein, dass sogar ich einen super Ueberblick habe.

Mercado Central


Als wir gestern Abend in einer Pizzeria beim Abendessen sassen, kamen ploetzlich Lot und Koene reingeschneit. Wir haben die beiden seit der Isla Incahuasi nicht mehr gesehen. Kaum zu glauben, dass wir es geschafft hatten, uns im kleinen Uyuni nicht zu treffen, im grossen Potosí jedoch schon.

Calle Ayacucho und La Basilica Catedral


Heute Morgen haben wir jedoch die dunklen Seiten von Potosí gesehen. Hier muss erst mal betont werden, dass es ein extrem zwiespaeltiges Gefuehl ist, als Tourist eine Mine zu besuchen, wo heute noch Maenner unter brutalen Bedingungen ihre Arbeit verrichten. Andererseits verdienen ehemalige Mineros heute ihr Geld mit diesen Fuehrungen, was wohl ein bedeutend besserer, und vor allem gesuenderer" Beruf ist. Die Mineros schienen sich an uns auch nicht zu stoeren, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass wir als Geschenk anlaesslich der heutigen Feier Alkohol mitbrachten. Der wurde allerdings nur den Arbeitern ausgehaendigt, die auf dem Weg nach oben waren, in den Minen wird kein Alkohol konsumiert.

Die Minen im Cerro Rico existieren seit ueber 500 Jahren, urspruenglich wurde tonnenweise Silber abgebaut, heute vor allem Zink, Zinn und Blei. Silber gibt es auch noch, aber in kleineren Mengen und sehr weit unten im Berg. Die oberen Lagen sind ausgebeutet, leer. Es hat hier 500 Minen, wovon 200 heute noch in Betrieb sind. Pro Tag werden 2'700 Tonnen Gestein aus dem Berg gefoerdert, 50 Tonnen davon sind brauchbare Mineralien. Insgesamt fuehren 2'000 km Stollen durch den Berg, wo 12'000 Mineros rund um die Uhr arbeiten. Die juengsten unter ihnen sind gerade mal 12-13 Jahre alt und beginnen die Arbeit unter Tag in der Regel nach dem Tod des Vaters um die Familie zu ernaehren. Unfaelle mit Knochenbruechen kommen taeglich vor, jaehrlich gibt es rund 40 Tote, vor allem wegen einstuerzenden Stollen nach Sprengungen.

Dass Mineros frueh sterben, kommt oft vor, da es dort unten im Berg nicht nur wertvolle Mineralien sondern auch viel Arsen gibt. Bei Bohrungen oder Sprengungen wird das Arsen in Form von Staub freigesetzt. Wenn man nun jahrelang diesen Staub einatmet, verstopft mit der Zeit die Lunge, die Maenner erkranken an Silicosis. Symptome dieser Krankheit sind Husten, Kurzatmigkeit, gelbliches Gesicht, Husten von Blut und sogar von abgestorbenen Lungenteilchen etc. (siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Silicosis). Klingt extrem haesslich und doch ist die Arbeit in den Mienen das Schicksal von ca. 90 % aller Jungs aus den Familien der Mineros.

Mineros bei der Arbeit in der "Powerful Mine"


Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind auch nicht gerade wie von einer starken Gewerkschaft ausgehandelt. Die Mineros arbeiten 16-18 Stunden pro Tag, wenn sie sonst ihr Soll (10 Tonnen pro Woche pro Dreiergruppe) nicht erreichen koennen. Alle 2-3 Stunden gibt es eine kurze Pause, vor allem um neue Cocablaetter zu "tanken", etwas zu trinken und vielleicht eine Zigarette zu rauchen. Ausser Coca und Wasser nehen die Maenner keine Nahrungsmittel mit in die Mine, es waere sowieso viel zu staubig um dort zu essen.

El Tio, der Onkel der Mineros


El Tio ist quasi der Gott der Mineros. Jeden Freitag ueberreichen die Arbeiter ihm Cocablaetter, Alkohol und Zigaretten. Er ist hier der Herr, der Reichtuemer austeilt oder eben nicht.

Gemaess unserem Fuehrer haben sich die Arbeitsbedingungen in den Minen in den letzten Jahren eher verschlechtert. Mit der Einfuehrung moderner Bohrer hat sich der giftige Staub vervielfacht, die Schutzausruestung ist jedoch nicht besser geworden. Und anscheinend wird an den meisten Orten der Welt, wo mit solchen Bohrern gearbeitet wird, Wasser verwendet um den Staub zu binden, hier jedoch nicht, aus Kostengruenden.

Wenn der Preis fuer Mineralien hoch ist (wie im Moment), und man in einer guten Mine arbeitet, kann man hier angeblich durchaus wohlhabend werden. Es sind jedoch wenige, die das schaffen, und der (gesundheitliche) Preis, den man dafuer bezahlt, ist in der Regel hoch. Silicosis ist nicht heilbar.

Natuerlich haben auch ein paar Frauen ihren Platz bei den Minen. Einige wenige wohnen be den Minen mit ihren Kindern und sind verantwortlich fuer die Umgebuch der Minen. Sie kochen auch fuer die Arbeiter, wenn diese Ueberstunden machen muessen. Dann arbeiten noch weitere 80 Frauen. Deren Job ist es, die Abfallsteine der Minen zu sortieren um moeglicherweise doch noch ein paar verwertbare Brocken zu finden. Diese Arbeit ist vermutlich die am schlechtesten bezahlte der gesamten Minen.

Heute war fuer die Mineros einer von drei speziellen Feiertagen (letzter Samstag, heute, naechster Samstag), wo Llamas geopfert wurden. Jede Gruppe von Mineros muss an jedem dieser Feiertage zwei Llamas opfern. Deshalb wurde nur am Vormittag gearbeitet, denn es bringt Unglueck, zu arbeiten, wenn die Llamas getoetet werden. Auf dem Mercado de los Mineros konnte man darum heute jede Menge Llamas kaufen. Die weissen Llamas bringen am meisten Glueck, sind jedoch extrem viel teuer als die braunen und gefleckten. Die meisten dieser Opferllamas wurden gefesselt auf den Ladeflaechen von Lastern transportiert, zwei der armen Viecher mussten sogar Bus fahren.

Opferllama im Bus, sieht nicht gerade happy aus.


Nach unserer Minenfuehrung sahen wir der Opferung eines Llamas zu. Das arme Tier wird mit zusamengebundenen Beinen auf den Boden gedrueckt und es wird ihm die Kehle durchgesaebelt (mit einem Messer, das nicht gerade superscharf aussah). Echt krass, das hat bestimmt eine Minute gedauert, bis das Llama tot war. Das Blut wurde mit Tellern aufgefangen und an den Mineneingang gespritzt. Hoffen wir, dass das archaische Ritual den Mineros auch tatsaechlich Glueck bringt.

Der naechste Text kommt voraussichtlich aus La Paz (ca. 10 Tage), vielleicht auch schon aus Oruro (ca. 6 Tage).

Freitag, 28. Mai 2010

Noch mehr technische Probleme

Ja, wir sind gestern in Richtung Potosí aufgebrochen. Leider haben wir keine 4 km geschafft, dann ist Martinas Pedale abgefallen. Sie hat schon seit laengerem Probleme mit dieser Pedale, da ist eine Schraube verlorengegangen, die nicht haette verloren gehen sollen. Darum ist irgendwann ein Teil abgebrochen, das nicht haette abbrechen duerfen. Vermutlich hat die Pedale auf der Lagunenroute nur gehalten, weil alles versandet war. Nach putzen und fetten in Uyuni wollte das Teil definitiv nicht mehr.

Wir sind also nach Uyuni zurueckgekehrt und direkt zum Terminal de Autobuses gegangen. Dieses "Terminal" ist eine Strasse mit vielen kleinen Bueros von vielen kleinen Busunternehmen. Vor diesen Bueros steht i.d.R. eine junge Frau, die die naechste Destination und Abfahr ausruft. Immer und immer wieder. Auf diese Weise haben auch wir unseren Bus gefunden. Erst hiess es, die Velos koennten gratis mit, dann mussten wir ploetzlich 20 Bolivianos zusaetzlich bezahlen. Der Fahrpreis kostete allerdings nur Bs. 30 pro Person. Beim aktuellen Kurs ca. CHF 4.80 fuer eine fast 6-stuendige Fahrt!

Unsere Velos werden auf den Bus gepackt.


Ist schon krass, wieviel weniger kompliziert als beispielsweise die Argentinier die Bolivianer sind. Da musste nichts eingepackt oder abmontiert werden, die Velos wurden einfach mit dem restlichen Gepaeck aufs Dach gepackt. Beim Zuschauen tat das fast ein Bischen weh, es scheint aber nichts kaputt gegangen zu sein.

In diesem Bus befanden sich ausser uns keine weiteren Touris. Aber auch bei den Einheimischen gibt es Unterschiede. Die Mehrheit war wohl aus Uyuni und Region und entsprachen recht gut dem Bild der typischen Bolivianer. Dann waren da noch zwei junge Frauen mit kleinem Huendchen, die eher dem Grossstadt-Chick-Typ entsprachen. Ziemlich ueberrascht waren wir, als eine dieser aelteren "Postkarten-Bolivianerinnen" in einem kleinen Kaff ausstieg und als erstes ihr Handy zueckte. Keine Ahnung, ob sie dort Kontakt hatte, aber nur schon die Tatsache, dass sie ein Natel besass, liess uns staunen

Im Bus reiste noch eine kleine Familie, Eltern und ein drei- bis vierjaehriges Maedchen. Die Kleine langweilte sich offenbar und spatzierte ab und zu durch den Bus oder kletterte auf den Sitzen rum. Fuer den skeptischen Gesichtsausdruck ist glaub' Flo respektive sein Bart verantwortlich, der scheint ihr hoechst suspekt erschienen zu sein.

Durch das Busfenster hat es leider keine guten Landschaftsbilder gegeben, wobei die Landschaft auch nicht spektakulaer war. Ein paar Schluchten mit markanten Felsformationen waren das Highlight eines ueber 200 km waehrenden Auf und Ab. Die Strasse ist im Begriff, asphaltiert zu werden, d.h. im Moment ist sie eine grosse Baustelle mit vielen "Desvios", Umleitungen, sehr guten und sehr schlechten Strecken. Einerseits ist es schade, dass wir sie nicht mit dem Velo gefahren sind, andererseits waere es teilweise wohl sehr anstrengend geworden. So hat sich die Anstrengung darauf beschraenkt, die Velos vom Terminal de Autobuses zu einem Hostal zu stossen, allerdings ging das etwa 10 min steil bergauf, und das immerhin wieder auf etwa 4'000 m Hoehe.

Bemerkenswert an Potosí: Hier ist es trotzt der Hoehe relativ warm, was wir uns nicht recht erklaeren koennen. Auch sonst gefaellt uns die Stadt, es herrscht zwar ein totales Chaos und Gewimmel in den Strassen, umso interessanter ist es, hier die Leute zu beobachten. Das Gemisch von Moderne einerseits, traditionell gekleideten Indigena-Frauen andererseits ist sehr speziell

Morgen machen wir eine Touri-Tour in die Minen des Cerro Rico, der naechste Blog sollte also morgen Nachmittag (Bolivien-Zeit) online gehen.

Dienstag, 25. Mai 2010

Technische Probleme, Schnee- und Sandstuerme

An alle, die schon etwas besorgt waren ueber unser unerwartet langes Schweigen, es ist hier alles in Ordnung. Die vier Tage Verspaetung haben wir uns wegen technischen Problemen und schlechtem Wetter eingehandelt. Hier die Details:

Am 9. Mai, Tag Nr. 1, verliessen wir San Pedro und "freuten" uns auf die ersten rund 40 km mit guten 2'200m Steigung. Immerhin alles noch auf Asphalt. Der Tag war eher ereignislos, wir keuchten mit durchschnittlich etwa 4 km/h den Berg hoch. Die Steigung betraegt auch ja "nur" rund 7-8%. An jenem Abend campten wir am selben Ort, wo wir zuvor mit Marlis und Matthias gezeltet hatten, als die beiden auf dem Weg zu den Lagunen waren. Der Sonnenuntergang war klar das Aufregendeste des Tages.



Die letzten ca. 600 Hoehenmeter schafften wir am Tag Nr. 2 locker und standen schon bald an der Abzweigung in Richtung Bolivien. Ab dort gab es keine asphaltierten Strassen mehr. Gemaess unserem Bikebuch muesste die Piste bis zur Grenze in einem guten Zustand sein. Leider war dem nicht so, wir kaempften uns schon dort durch viel Kies, Sand und teilweise noch Schnee. Aber zum Glueck nicht fuer lange, schon bald bogen wir auf die erwaehnte gute Strasse ein, auf die man erst ein paar Hundert Meter weiter oben abgebogen waere. Dies war die bolivianische Deppenabzweigung Nr. 1. Es sollten weitere folgen.

Der Grenzuebertritt verlief problemlos und schon bald kamen wir beim Refugio Blanca, dem Ziel des Tages an. Dort mussten wir auch die Eintrittsgebuehr der Reserva Natural Eduardo Avaroa bezahlen. Zehn Tage zuvor hatte die Geguehr noch 30 Bolivianos gekostet, inzwischen hatte sie auf Bs. 150 aufgeschlagen. Das nennt man gutes Timing. Wir bezogen unser Zimmer im Refugio und machten anschliessend eine gepaecklose Velotour zur Laguna Verde. Schon nach wenigen Kilometern waren wir froh, ohne Gepaeck unterwegs zu sein. Zur Laguna Verde fuehren keine Pisten, da gibt es nur Jeepspuren und die waren herzlich beschissen zum Velo fahren. Tiefes Wellblech mit tiefem Sand, eine denkbar schlechte Mischung. Dafuer waren die Laguna Blanca und Laguna Verde interessant. Die eine weiss, die andere gruen (oder fast eher tuerkis), wie die Namen sagen. Die Nacht auf ueber 4'300m wurde eiskalt. Am Morgen hatten wir Eisblumen an den Scheiben.

Laguna Verde


Tag Nr. 3, es war auch noch kalt, als wir losfuhren, aber mit guter Ausruestung und gutem Willen ging auch das. Zumindest 4 km weit. Dann riss Flos Schaltkabel, das anscheinend eingefrohren war. Wie flicken? Ich hatte zwar Ersatzkabel dabei, die Rohloff-Schaltbox war aber mit einer speziellen Stern-Schraube verschlossen und unsere Schraubenschluessel passten nicht. Zurueck beim Refugio versuchten alle Anwesenden vom Refugio-Besitzer bis zum Parkranger zu helfen, aber vergeblich. Flo hitchte schliesslich mit einem Jeep-Fahrer zuruck nach San Pedro und Martina und ich setzten uns in die Sonne und genossen die Pause.

Am naechsten Morgen, Tag Nr. 4 war Flo um ca. halb zeht zurueck, eine Stunde spaeter waren wir unterwegs. Die Piste war gar nicht so schlecht, erst am Vortag war ein"Pistenfahrzeug" durchgefahren. Die haben eine Schaufel, mit der sie die Strassenoberflaeche plattschieben und, zumindest theoretisch, das Wellblech ausebnen. Teilweise hatte das auch funktioniert und wir kamen zwar nicht sehr schnell, aber einigermassen zuegig vorwaerts. Wir mussten ueber einen Pass auf etwa 4'700 m, auf der anderen Seite ging es auf einer sehr steinigen Piste auf ca. 4'400 m herunter zum Salar Chalviri, wo sich auch eine Thermalquelle befindet:-)) Bis wir dort angekommen waren und uns in einem winzigen Zimmerchen neben dem Restaurant eingerichtet hatten, waren alle Jeep-Touris abgefahren. So teilten wir den heissen Pool nur mit Alain, einem Velofahrer aus Montreal.

Salar Chalviri


Dass der 5. Tag anstrengend wuerde, wussten wir. Der hoechste Pass der ganzen Lagunenroute, der Sol de Mañana, wartete auf uns, und damit ein Aufstieg auf ueber 4'900 m. Die ersten paar Kilometer waren easy, dann bog die Strasse nach links in den Wind. Hier kamen ein paar Zutaten zusammen, die Velo fahren eher unvergnueglich machen: Steigung, schlechte Strasse, extreme Hoehe und starker, kalter Gegenwind. Brrrrr, keuch, frier, nachluftschnapp.

Radlerin im einsamen Kampf gegen Steigung und Wind


Am Nachmittag kamen wir an eine Abzweigung, von der wir vermuteten, dass sie zu den Geysiren fuehren muesste. Natuerlich liessen wir uns das von einem Jeep-Fahrer bestaetigen, bevor wir abbogen. Und fluchten trotzdem gehoerig. Das was keine Piste mehr, nur noch Jeep-Spuren durch eine Steinflaeche und damit kaum befahrbar. Deppenabzweigung Nr. 2 eben. Wir kehrten schliesslich um und folgten der "Hauptstrasse", bis wir weitere Spuren fanden, die uns ein bischen geeigneter schienen. Die Geysire dort speien kein Wassen, nur Dampf, das aber auf ziemlich eindrueckliche Art. Und es hat dutzende gemuetlich vor sich hin koechelnde Schlammtuempel. Und das alles stinkt ganz schoen nach Schwefel. Da wir muede waren und es hier so praktisch flache Plaetze hatte, beschlossen wir, trotzt der Hoehe dort zu campen. Das wurde eine eher kuehle Nacht, fuer mich ganz speziell, da meine Matte so extrem leckte, dass ich de facto auf dem Boden lag.

Geysir Sol de Mañana


Am 6. Tag erwartete uns eine spezielle Sehenswuerdigkeit, die Laguna Colorada, die rote Lagune. Die mussten wir uns aber erst verdienen. Es ging immer wieder auf und ab, bis wir endlich zu der Abzweigung, diesmal sogar beschildert, kamen. Unglaublich wie schlecht, ja nichtexistent, eine Piste sein kann. Wir kaempften uns etwa einen Kilometer durch Steine und Schneefelder und kamen ploetzlich auf eine wunderpraechtige Piste, die offensichtlich etwas weiter vorne von der Hauptstrasse abgebogen war. Wir hatten hier die Deppenabzweigung Nr. 3 erwischt.

Piste nach Deppenabzweigung Nr. 3


Irgendwann ging es dann tatsaechlich abwaerts zur Lagune. Zuvor erwarteten uns jedoch noch etliche Kilometer extreme Sandpiste, die viel gefluche und teilweise schieben bedeuteten. Eine Zeit lang tanzten Schneeflocken durch die Luft und errinnerten uns an die drohend grauen Wolken oben am Sol de Mañana. Wir stoppten trotzdem um Flamingos zu beobachten. Dass die Typen dort oben nicht frieren, laesst sich mit dem Verstand kaum erfassen, ich meine, es ist wirklich schon sehr kalt dort.

Chilenische Flamingos


Da es an jenem Tag recht bewoelkt war, war die Laguna nicht sehr rot. Irgendwie scheint sie dazu die Sonne zu benoetigen. Wir waren froh, als wir endlich beim Refugio Colorado ankamen, eine Aussicht auf weniger frieren gab es dort aber nicht wirklich. Immerhin befanden wir uns noch auf ueber 4'200 m und in dem Gebaeude war es fast genausokalt wie draussen.

Laguna Colorada


Da uns nochmals ein fast 4'700 m hoher Pass erwartete, starteten wir am Morgen des 7. Tages zeitig, d.h. um 8 Uhr. Fast vom ersten Meter an hatten wir Gegenwind und es war wieder einmal schweinekalt. Von anderen Velofahrern, die ca. zwei Wochen vor uns dort durch fuhren, wussten wir, dass sie auf jener Strecke oft im Sand steckten und viel schieben mussten. Anscheinend gab es dort keine klare Piste, nur Unmengen von fuer Velos ungeeignete Jeepspuren. Wir stellten uns auf aehnliche Bedingungen ein und waren einigermassen ueberrascht ueber den doch guten Zustand der klar erkennbaren Piste. Bis auf ein paar Meter mussten wir trotzt des fiesen, uns nach Kraeften bekaempfenden Windes nicht schieben. Pistenfahrzeug sei Dank!!! Beim Arbol de Piedra, einer kuriosen Felsformation, die fast wie ein Baum aussieht, machten wir Mittagspause. Danach schafften wir keine 10 km mehr. Zum Glueck fanden wir einen halbwegs windgeschuetzten Ort zum campen auf dieser offenen und flachen Ebene.

Arbol de Piedra


Der 8. Morgen wurde sehr unangenehm. In der Nacht hatte es geschneit. Und gewindet. Unser ganzer Vorraum im Aussenzelt war weiss, wir hatten sogar Schnee auf dem Innenzelt. Martina war fuer dableiben, Flo fand, das mache keinen Sinn, wir muessten weiter. Was wir dann halt auch machten. Schon vom Camport aus hatten wir die Strasse kaum gesehen, da dort der Wind den ganzen Schnee der Nacht rumblies. Als wir auf die Strasse kamen, war schnell klar, dass wir so nicht fahren konnten. Also stiessen wir. Ziemlich idiotisch. Nach kurzer Zeit hatten wir so kalt, dass wir uns entschieden, zum Refugio Colorado zurueckzukehren. Das ging dan zuegiger, aber mit Velos durch Schneeverwehungen zu fahren, geht aehnlich schlecht wie durch Sand.

Viento Blanco, weisser Wind, sprich Schneesturm


Nach einer kurzen Pause im Windschatten eines Felsen gings weiter. Den Schneesturm hatten wir hinter uns gelassen, dafuer befanden wir uns nun inmitten eines filmreifen Sandsturmes. Das war ein echt beschissenes Feeling, man sah zeitweise kaum zwei Meter weit, so dicht war der Sand. Man konnte nur hoffen, dass die anderen mitkamen, zurueckschauen oder sogar umkehren war absolut unmoeglich. Zu unserem Glueck war die Piste wegen der ca. 50 cm hohen Sandmaeuerchen auch im Sturm immer gut erkennbar, sich zu verirren war so unmoeglich. Als die Strasse eine Kurve machte und der Wind von der Seite kam, wurden wir zwar des oefteren in eben diese Maeuerchen hineingeblasen, wo wir dann steckten bis wir uns wieder rausgewuehlt hatten. Manchmal wurden wir auch direkt umgeschmissen, was aber aufgrund des ohnehin langsamen Tempos meist nicht weiter tragisch war. D.h. natuerlich waere diese Rueckfahrt auch schneller moeglich gewesen, den Sturm hatten wir nun ja im Ruecken, aber man moechte ja auf Wellblech oder Steinen nicht sein gesamtes Gepaeck abschuetteln.

Sandsturm


Interessanterweise war der Sturm sehr lokal. Ploetzlich waren wir draussen, die braune Wand befand sich neben uns. Auch als wir uns noch im Sturm drin befunden haben, hatte man manchmal ploetzlich den Himmel und die umliegenden Huegel gesehen und sich schon gefreut, der Sturm lasse nach, nur um Sekunden spaeter wieder voellig vom Sandschleier eingepackt zu sein. Aber das "Dorf" befand sich einigermassen im Windschatten eines Huegels, so dass wir vom Refugio aus gefahrlos die braune Wolke beobachten konnen. Es war schon wiederlich, dieser Sand. Erst mal war die ganze Nase zugekleistert, die Augen trotzt Sonnenbrille sandgarniert und die Haare trotzt Sturmhaube, Kappe und Helm ziemlich versandet. Und dann unser Gepaeck. Wo dieser Sand ueberall eingedrungen war, ist kaum vorstellbar. Und kaum vollstaendig rausputzbar. Martina und ich hatten mal nuetzliche Rueckspiegel gehabt. Die sind nun fast blind, sandgestrahlt wie so manches anderes auch.

Im Refugio mussten wir ein kuemmerlicher Anblick gewesen sein, einer der Jeep-Fahrer lud uns zu seinem Troup zum Kaffee ein und auf meine spassige Nachfrage erhielten wir gleich noch ein gratis Abendessen. Das war mega nett, uns drohte naehmlich das Futter auszugehen, sollten wir noch lange dort blockiert sein.

Tag Nr. 9 unseres kleinen Sonntagsausfluges war langweilig. Es stuermte noch, nicht mehr so fest zwar, aber zu fest und zu sandig um rauszugehen. Aus Zeitgruenden und weil wir keine Lust hatten, diesen bloeden Pass nochmals hochzufahren, versuchten wir, ein Fahrzeug aufzutreiben, um uns auf die andere Seite des Passes fahren zu lassen. Der Besitzer des Refugios hatte einen Jeep, mit dem das gegangen waere, nur leider "no hay gasolina", er hatte kein Benzin. Wir sollten doch die Jeep-Fahrer fragen, ob sie ein Bischen Benzin verkaufen koennten. Also quatschten wir jeden Fahrer an, der dort vorbeikam, aber vergeblich. Die hatte alle nur gerade so viel Benzin, wie sie fuer die Tour brauchen, zum verdealen reicht das leider nicht. Also machten wir uns mit dem Gedanken vertraut, den Pass eben doch nochmals raufzustrampeln. Laenger als einen vollen Tag im Refugio Colorado zu sitzen und nichts zu tun zu haben, haelt man nicht aus. Und eben, unsere Foodvorraete waren beschraenkt, wir mussten weiter. Beim Refugio gab es zwar einen winzigen Laden, der hat aber nur Artikel, die Jeep-Touris kaufen wuerden, d.h. Guetslis, Cracker und einige Getraenke. So kauften wir halt Kuckys (chilenlische Schoko-Guetslis) u.ae. ein, unser aller besonderer Favorit sind die Cracker. Die schmecken nach rein gar nichts und wenn man sie isst, meint man, der Sandsturm sei im Mund angekommen. Aber wenn man Hunger hat, isst man alles.

Nicht ganz so motiviert wie das letzte Mal machten wir uns am Tag Nr. 10 wieder auf. Der Himmel war strahlend blau, kein Wind. Und wider Erwarten waren wir diesmal recht schnell oben, schon krass, wie viel schneller man ist ohne Gegenwind. Beim Arbol de Piedra gab's wieder Mittagessen, in der Sonne und schoen gemuetlich.

Sandwueste beim Arbol de Piedra bei gutem Wetter


Unbeschwert fuhren wir weiter, immer durch die praktisch platte Sandebene, danach noch eine Steigung und dann waren wir oben auf dem Pass. Dort waren wir leider nicht mehr im Nationalpark und anscheinend hat das Pistenfahrzeug an der Parkgrenze gestoppt. Jedenfalls verschwand die schoene Piste und teilte sich in unzaehlige Spuren auf, die das Velo fahren eher zur Qual und das Weg suchen zum Raetsel machten. Es war schon spaet, als ein Gebaeude in Sicht kam. Dort oben gibt es tatsaechlich ein Hotel, mitten im Nirgendwo. Da wir aber wussten, dass das Hotel sehr teuer war, strampelten wir weiter bis wir kurz bevor es dunkel wurde doch noch einen brauchbaren Zeltplatz fanden.

Der naechste Tag, Tag Nr. 11, wurde nicht so anstrengend. Erst stieg die "Piste", eher Spur nochmals an, dann ging es runter zu den Lagunen. Diese Strecke war abenteuerlich. Man hatte das Gefuehl, im Flussbett runterzufahren, so steinig und felsig war der Weg. Die erste Lagune, die wir von oben sahen, stellte sich unten teilweise als helle Sandflaeche heraus, die dank Wind und Lichtspiegelungen wie Wasser ausgesehen hatte. Dass dort tatsaechlich eine Lagune war, die Laguna Ramaditas, verpassten wir, so mit Wegsuche beschaeftigt wie wir waren. Bei der Laguna Honda fanden wir einen Stein, der einerseits den Namen der Lagune benannte, andererseits eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Alpenclub erwaehnte. Falls jemand herausfindet, was genau der SAC im bolivianischen Altiplano macht, waere das noch interessant zu wissen.

Laguna Cañapa mit Flamingos


Die naechste Lagune, die Laguna Hedionda ist anscheinend einer der wichtigsten Brutplaetze der Flamingos im Altiplano. Dort gibt es neuerdings auch ein Hotel, wo wir einen Kaffee tranken und Brot kaufen konnten (keine Crackers mehr zum Mittagessen!!). Wir wollten ohnehin bei der Laguna Hedionda bleiben, also fragten wir nach dem Uebernachtungspreis. USD 100 fuer ein Dreierzimmer! Nein, viel zu viel. Wie viel wir denn zu zahlen bereit seien? Wir nannten mal USD 15 pro Person, einigten uns schliesslich auf USD 20, Fruestueck inbegriffen. Der fuer uns ausschlaggebende Punkt war ganz klar das Vorhandensein einer heissen Dusche. Und sie war auch wirklich heiss. Mann, tat das gut, nach zehn Tagen Schweiss, Staub und Sand.

Laguna Hedionda


Fuer Tag Nr. 12 war vom Bikebuch die schlimmste Piste der gesamten Route angekuendigt. In der Tat war die Piste nach der letzten Lagune, der Laguna Chiar Khota, wo wir nochmals viele Flamingos sahen, kilometerweise extrem steinig und sandig und wir kamen einmal mehr sehr langsam vorwaerts. Sich aus dem Sand rauszuwuehlen, braucht einerseits immer viel Kraft, andererseits macht einen so eine Piste vor allem mental voellig fertig. Und die ganze Zeit flitzen links und rechts Jeeps vorbei und stauben einen von Kopf bis Fuss ein und Touris machen Fotos durchs Fenster. Das nervt mit der Zeit recht massiv. Aber auch die fieseste Piste ist irgendwann vorbei und so bogen wir schliesslich auf eine breite, frisch bearbeitete Strasse ein und kamen endlich richtig vorwaerts. Die obligatorische Schattenseite der Sache war der Gegenwind, den wir nun frontal erwischten. Aber da es nun erst mal lange bergab ging, konnten wir auch das verkraften.

Tag Nr. 13, gemaess Hoehenprofil im Bikebuch sollte an diesem Tag alles platt sein. Was auch stimmte, die Strecke fuehrte quer durch den Salar Chiguana mit einer nur ganz leichten Steigung in Richtung San Juan. Dieser Salar war unterhaltsam. Dank Luftspiegelungen meinte man oft, Lagunen zu sehen, die verschwanden sobald man naeher kam. Kurz nach dem Mittagessen sah ich in meinem Rueckkspiegel ploetzlich mehr Gestalten als gewohnt. Ein belgisches Radlerpaar, Lot und Koen, hatte uns eingeholt. Wir hatten die beiden schon in Punta Arenas getroffen und kurz mit ihnen gesprochen. Das Erstaundliche daran war, dass die beiden sich noch an uns und sogar an unsere Namen erinnerten! Ich haette sie nicht mehr gekannt. Zusammen fuhren wir weiter und genossen die zum Velo fahren gute Oberflaeche des Salars. In San Juan gab es dann die zweite Dusche in drei Tagen und sogar ein paar Laedelis. Leider konnte man im ganzen Dorf kein Brot kaufen.

Am folgenden Morgen, Tag Nr. 14, fuhren wir zusammen mit Lot und Koen in Richtung Salar de Uyuni. D.h. die beiden Belgier flitzten voraus und warteten ab und zu bis wir es auch geschafft hatten. Zu Beginn war die Piste zu unserer Freude gar nicht so schlecht. Mir fiel jedoch auf, dass eine meiner Vordertaschen mehr in der Welt herumschwang als ueblich und stellte fest, dass da eine Schraube fehlte, ebenso ein kleines Platzhalterteil zwischen Rahmen und Lowrider, von dem ich keinen Ersatz dabei hatte. Koen hatte und er sponserte mir freundlicherweise eines, Schrauben hatte ich selber. Natuerlich ueberpruefte ich bei der Gelegenheit die anderen Schrauben und zog einige an. Zu fest wie's scheint, ein zerbrach. Das war nun echt ein Problem, die abgebrochene Schraube steckte fest und wir brachten sie nicht raus. Bloederweise war das eine sehr wichtige Schraube, an der haengt das gesamte Gewicht der Tasche. Was tun? Aus einem Kompressionsriemen, Kabelbinder und Tape bastelten wir einen Flick, der zu meinem Erstaunen saemtliches Geholper und Gehuepf bis Uyuni aushielt.

Kurz darauf kamen wir zu einer Abzweigung mit einem Wegweiser nach Colcha"K". Da wir aus dem Bikebuch wussten, dass wir bei diesem Dorf vorbei mussten, und da Martinas GPS und Koens Karte uns einstimmig in diese Richtung schickten, bogen wir ab. Nach ein paar Kilometern kamen wir zum ersten kleinen Dorf, dessen Namen wir nicht wissen. Eine Einheimische schickte uns weiter ueber einen Huegel. Eine Stunde Fussmarsch bis zum Dorf Maniaca, eine weitere bis Colcha"K". Ok, mit dem Velo sollte das ja bedeutend schneller gehen. Dachten wir. Ueber den Huegel gab es keine Piste, nur eine Art Jeep-Spur, wobei das speziell berggaengige Autos sein muessen, die da drueber kommen. Fuer Velos war das eindeutig nicht gedacht. Wir holperten, fluchten, huepften und kletterten ueber Steine und Felsen, an einer Stelle mussten wir die Velos je zu zweit hochschieben, so steil und felsig war der Weg. Die "Abfahrt" auf der anderen Seite war aehnlich abenteuerlich. Martina und ich schoben die Velos sogar abwaerts einige Dutzend Meter, diese Steine waren fuer uns schlicht unbefahrbar. Ich glaube immer noch, dass der weitere Weg um den Berg herum schneller gewesen waere. In meinem Buch laeuft dieser Weg unter Deppenabzweigung Nr. 4.

Piste in Richtung Maniaca nach Deppenabzweigung Nr. 4


Nach dem Doerflein Maniaca wurde die Piste besser und nicht allzulange spaeter erreichten wir Colcha"K". Beeindruckend, dieses Dorf hat sogar eine geplaettelte Hauptstrasse, eine Turnhalle mit Tribuene und eine kleine Plaza. Dort sassen einige aeltere Leute, die Kleider und Fruechte verkauften. Fruechte! Wie lange hatten wir keine frischen Fruechte mehr gegessen! Wir deckten uns mit Mandarinen und Trauben ein und fragten nach Brot. "Arriba" gaebe es eine Art Baeckerei. Angeschrieben war natuerlich nichts, das Dorf ist klein, jeder weiss, was wo ist. Ausser den Touris. Aber tatsaechlich, nach einigem Suchen und erneutem Fragen fanden wir den Ort. Die weissen Fladenbroetchen waren noch warm und rochen wie echtes Brot. Hmmmmm.

Mit diesen Schaetzen beladen verliessen wir das huebsche Dorf und pedalten weiter auf einer muehsamen Sandpiste. Jetzt kamen immer wieder Jeeps vorbei, die uns einstaubten und denen wir ausweichen mussten. Im Klartext heisst das, jedes Mal in den tiefen Sand fahren und danach eine Ausgrabungs-Aktion starten. Das war extrem ermuedend. Als wir am spaeteren Nachmittag bei einer Abzweigung ein "Hospedaje"-Schild sahen, beschlossen wir deshalb, dort zu schlafen und morgen frueh zum Salar aufzubrechen. Die Hospedaje, deren Schild wir gesehen hatten, fanden wir zwar nie, dafuer ein Hotel aus Salz, dessen Zimmer durchaus bezahlbar waren. Das war echt interessant, das ganze Gebaeude war aus Salzbloecken gebaut, auch der Boden war aus losem Salz. Dort gab es auch Abendessen: Quinoa, Kartoffeln und Lama-Steak, dazu herzige musikalische Unterhaltung von vier Jungs aus dem Dorf. Und dann das Fruehstuck: Kuchen, Brot und Spiegelei. Wir waren im Siebten Himmel, nach tagelangem Haferflocken-Essen. Fuer all das zusammen haben wir pro Person etwa CHF 10 bezahlt. Geniales Preis-Leistungs-Verhaeltnis. Das Hotel befindet sich in Villa Candelaria und heisst Hotel de Sal Samarikuna. Das ist Quechua und heisst "Ort der Erholung". Wir koennen das Hotel waermstens empfehlen.

Tag Nr. 15 begann mit 8 km Sand und Wellblech, die Fortsetzung vom Vortag. Dann jedoch hatten wir den Salar erreicht. Endlich! Zuerst fuehrte die Strecke ueber eine Art erhoehte Hauptpiste, die noch recht holprig war. Dann die Abzweigung auf die weisse Salzflaeche. Wir waren total fasziniert und freuten uns wie Kinder. Zu Beginn war die Oberflaeche noch recht rau, etwa wie Schotter, spaeter war sie glatt und fuhr sich fast wie Asphalt. Und alles war weiss, die ganze unendliche Weite. Und da Schweizer glauben, dass, wenn der Boden weiss und die Luft kalt ist, es Schnee hat, war es fuer uns fast schwierig zu glauben, dass das eben Salz und nicht Schnee ist. Ueber weite Strecken ist der Salar aber mit grossen, unregelmaessigen Wabenmustern verziert, die einem klarmachen, dass das kein Schnee sein kann.

Salar de Uyuni mit Wabenmuster


Die 42 km Fahrt bis zur Isla Incahuasi waren dann nicht ganz so unterhaltsam. Nach dem Mittag kam ein starker Wind auf, natuerlich Gegenwind fuer uns. Irgendwann konnte man die Insel erkennen, ganz klein am Horizont. Ganz langsam kam sie naeher bis man glaubte, man sei schon fast da. War man aber nicht, die Distanzen lassen sich auf einer solchen Flaeche unmoeglich schaetzen. Man faehrt und faehrt und meint, die Insel gleich anfassen zu koennen und hinterher weiss man, dass man noch 8 km weit weg war. Das war ein Bischen frustrierend, war aber nach der Ankunft schnell vergessen. Die Isla Incahuasi ist in erster Linie Ziel saemtlicher Jeep-Touris der Region und tagsueber entsprechend ueberlaufen. Es gibt dort ein Restaurant, wo wir trotzt erst kurz zurueckliegendem Mittagessen alle gleich einen Lama-Burger verschlangen. Daneben hat es auch ein winziges Refugio, nur ein einziges Zimmer mit ein paar Matten. Und mit Panorama-Fenster auf den Salar:-)

Sonnenuntergang auf der Isla Incahuasi


Bevor wir fuer den Sonnenuntergang auf den Huegel stiegen, gaben wir unsere Bestellung fuers Abendessen auf, das Restaurant oeffnete extra fuer uns noch einmal, sehr nett. Leider war der Sonnenuntergang mehrheitlich von Wolken verdeckt und nicht wirklich spektakulaer. Interessanter fanden wir die kleine "Plaza 1° de Agosto", die 1. August Plaza oben auf der Insel. Da gibt es anscheinend ein "Ritual Aymara en Agradecimiento a la Pachamama", ein Dankesritual fuer die Mutter Erde. Was genau das bedeutet, haben wir vergessen zu fragen. Anderes interessantes Detail der Insel: Dort wachsen aussen ein paar kleinen Bueschen vor allem Kakteen. Die groessten sind 9-10 m hoch. Und so ein Kaktus waechst in 100 Jahren gerade mal einen Meter. Die sind also ziemlich alt, die stacheligen Typen dort.

Bevor wir schlafen gingen, brachte uns der Besitzer des Refugios die "Huettenbuecher" vorbei. Es war spannend, die Eintraege von hunderten von Velo- und Motorradfahrern zu studieren, die in den letzten Jahren im Refugio geschlafen hatten. Wenn man das las, hatte man den Eindruck, dass das, was wir hier machten, die normalste Sache der Welt waere. Fuer uns besonders speziell waren die Eintraege von all den Leuten, die wir kannten. Da waren die Oesterreicher, Karin und Gregor, die wir im Nationalpark Torres del Paine getroffen hatten und deren Blog wir konsultiert hatten fuer neuste Information betreffend die Lagunenroute. Und natuerlich Marlis und Matthias, mit denen wir bei ihrem Aufstieg nach San Pedro gecampt hatten. Da waren die Eintraege von Chris und Juan, die wir in SanPedro kennengelernt hatten, und von Matthias, mit dem wir auf dem Paso Jama gefahren waren. Alle hofften sie, am folgenden Tag von demselben Wind profitieren zu koennen, gegen den sie zuvor angekaempft hatten.

Isla Incahuasi und jahrhundertealte Kakteen


Am letzten Morgen vor Uyuni, Tag Nr. 16, stiegen wir zum Sonnenaufgang nochmals auf den Huegel. Und nochmals war die Sonne hinter Wolken versteckt, den einzigen, die an jenem Tag da waren. Danach leisteten wir uns nochmals ein fettes Fruehstueck im Restaurant bevor wir uns auf den etwa 95 km langen Weg nach Uyuni machten. Wir hofften auch auf den selben heftigen Wind wie tags zuvor, da wir den nun im Ruecken gehabt haetten. Aber wer glaubt schon ans Christkind? Waehrend den gesamten 75 km Salar kam kaum ein spuerbarer Wind auf, geschweige denn einer, der uns geschoben haette. Dafuer sahen wir einige der beruechtigen Ojos, Loecher in der Salzkruste, gefuellt mit Wasser und unbedingt zu umfahren. Die groessten davon waren mit Salztuermchen markiert, da sie auch fuer die Jeeps gefaehrlich waeren. In diesen Ojos wachsen spannende Salzkristalle, die aussehen wie echte Kristalle, so eine Art weisse und violette, zusammengewachsene Wuerfel.

Salzkristalle


Die Oberflaeche des Salars war an jenem Tag ohnehin weniger optimal zum Velo fahren. Teilweise fuehlte der Salar sich an wie sulziger Schnee in der Mittagssonne. Ueber viele Kilometer fuhren wir wieder durch die Wabenmuster, die sich dort anfuehlten, als fahre man ueber einen Gartenweg aus grossen Steinplatten, entsprechend holprig war die Sache. Ca. 10 km vor Colchani, dem ersten Dorf nach dem Salar, steht ein weiteres Salzhotel, dem noch weitere folgten. Dort wird auch intensiv Salz abgebaut, was an den vielen etwa einen Meter hohen Salzhaufen zu erkennen war. Die letzten 20 km nach Uyuni waren wieder das gewohnte Wellblech, allerdings nicht ganz so sandig und immerhin etwas besser als erwartet. In Uyuni genossen wir dann die feinen Pizzas und Spaghetti und natuerlich die heisse Dusche und andere Annehmlichkeiten der "Zivilisation".

Was ist nun unser generelle Eindruck der vielgeruehmten Lagunenroute? Haben sie die Strapazen und Entbehrungen gelohnt? Ich bin nicht ganz sicher. Klar, die Landschaft war ueberwaeltigend und die Lagunen ganz huebsch. Aber aehnliche Landschaft haben wir auch auf dem Paso Jama gesehen, dort mehr rot, hier verschiedene Farben wie rot-braun, schwar, grau, violett, weiss und gruenlich. Die Lagunen sind schoen, koennen aber nicht mit den knallblauen Seen Patagoniens mithalten. Und die Pistenqualitaet truebt das Erlebnis zeitweise schon etwas.

Natuerlich wurden auch einige Koerperteile in Mitleidenschaft gezogen. Da ist z.B. die Nase, die gleich doppelt gelitten hat. Erst durch Nasenbluten, das wohl durch die kalte, trockene Luft bedingt war. Wegen eben dieser kalten Luft tropfte die Nase auch dauernd, was mit der Zeit (konkret: seit der Jama-Ueberquerung) zu entzuendeten, schmerzenden Nasenloechern fuehrte. Aus welchem Grund die Haut um die Fingernaegel einriss und blutete, weiss ich nicht, war aber auch laestig und hat weh getan. Und da es bekanntlich sehr kalt war, habe ich auch meine gepolsterten Velohosen wieder getragen, natuerlich auch als Schutz vor der rauen Strassenoberflaeche. Das haette ich besser gelassen, die Naht entland dem Rand der Polsterung hat naemlich dauernd gescheuert, so dass mein Hintern nicht trotzt, sondern wegen den Velohosen ganz wund wurde. Und das wurde mit der Zeit auch extrem schmerzhaft. Das waere nun der Einsatzbereich der Fuedli-Creme von Veloplus, die ich in Bariloche jedoch weggeworfen habe. Zum Glueck hat ein kleines Flaeschchen Gesichts-Creme die Aufraeum-Aktion ueberlebt, das funktioniert auch.

Ein weiterer Aerger war meine Schlafmatte. Die leckt schon seit langem ein Bischen, ploetzlich aber so stark, dass ich sie entweder dreimal pro Nacht aufpumpen musste (was ich natuerlich nicht machte) oder eben auf kaltem, hartem Boden lag. Als wir bei der Laguna Colorada einen Tag lang zum Nichtstun verdammt waren, hatte ich die Moeglichlkeit, die Matte in eine bolivianische Toilettenspuehlung (eine Wassertonne) zu stecken. Wir hatten eigentlich eher ein Loch vermutet, es zeigte sich jedoch, dass tatsaechlich das Ventil das Problem war. Da war irgend ein weisses Teil drin, das da nicht hingehoerte. Nach vielem Blasen und pusten schien das Ventil wieder sauber und die Matte ist seither auch mehr oder weniger dicht. In meinen Augen ist das Ganze aber ein Konstruktionsfehler, was immer das weisse Ding war, eine Feder oder was auch immer, das darf dort einfach nicht hinkommen. Es ist schon muehsam genug, dass die Pumpe mit Federn verstopft ist und extrem streng geht, aber ich kann doch nicht jeden Morgen eine Viertel Stunde lang Federn aus dem Ventil rauspfluecken. Was soll's, im Moment schlafen wir in einer Art Hotel, die Matrazen dort sind ein Bischen besser.