Dienstag, 25. Mai 2010

Technische Probleme, Schnee- und Sandstuerme

An alle, die schon etwas besorgt waren ueber unser unerwartet langes Schweigen, es ist hier alles in Ordnung. Die vier Tage Verspaetung haben wir uns wegen technischen Problemen und schlechtem Wetter eingehandelt. Hier die Details:

Am 9. Mai, Tag Nr. 1, verliessen wir San Pedro und "freuten" uns auf die ersten rund 40 km mit guten 2'200m Steigung. Immerhin alles noch auf Asphalt. Der Tag war eher ereignislos, wir keuchten mit durchschnittlich etwa 4 km/h den Berg hoch. Die Steigung betraegt auch ja "nur" rund 7-8%. An jenem Abend campten wir am selben Ort, wo wir zuvor mit Marlis und Matthias gezeltet hatten, als die beiden auf dem Weg zu den Lagunen waren. Der Sonnenuntergang war klar das Aufregendeste des Tages.



Die letzten ca. 600 Hoehenmeter schafften wir am Tag Nr. 2 locker und standen schon bald an der Abzweigung in Richtung Bolivien. Ab dort gab es keine asphaltierten Strassen mehr. Gemaess unserem Bikebuch muesste die Piste bis zur Grenze in einem guten Zustand sein. Leider war dem nicht so, wir kaempften uns schon dort durch viel Kies, Sand und teilweise noch Schnee. Aber zum Glueck nicht fuer lange, schon bald bogen wir auf die erwaehnte gute Strasse ein, auf die man erst ein paar Hundert Meter weiter oben abgebogen waere. Dies war die bolivianische Deppenabzweigung Nr. 1. Es sollten weitere folgen.

Der Grenzuebertritt verlief problemlos und schon bald kamen wir beim Refugio Blanca, dem Ziel des Tages an. Dort mussten wir auch die Eintrittsgebuehr der Reserva Natural Eduardo Avaroa bezahlen. Zehn Tage zuvor hatte die Geguehr noch 30 Bolivianos gekostet, inzwischen hatte sie auf Bs. 150 aufgeschlagen. Das nennt man gutes Timing. Wir bezogen unser Zimmer im Refugio und machten anschliessend eine gepaecklose Velotour zur Laguna Verde. Schon nach wenigen Kilometern waren wir froh, ohne Gepaeck unterwegs zu sein. Zur Laguna Verde fuehren keine Pisten, da gibt es nur Jeepspuren und die waren herzlich beschissen zum Velo fahren. Tiefes Wellblech mit tiefem Sand, eine denkbar schlechte Mischung. Dafuer waren die Laguna Blanca und Laguna Verde interessant. Die eine weiss, die andere gruen (oder fast eher tuerkis), wie die Namen sagen. Die Nacht auf ueber 4'300m wurde eiskalt. Am Morgen hatten wir Eisblumen an den Scheiben.

Laguna Verde


Tag Nr. 3, es war auch noch kalt, als wir losfuhren, aber mit guter Ausruestung und gutem Willen ging auch das. Zumindest 4 km weit. Dann riss Flos Schaltkabel, das anscheinend eingefrohren war. Wie flicken? Ich hatte zwar Ersatzkabel dabei, die Rohloff-Schaltbox war aber mit einer speziellen Stern-Schraube verschlossen und unsere Schraubenschluessel passten nicht. Zurueck beim Refugio versuchten alle Anwesenden vom Refugio-Besitzer bis zum Parkranger zu helfen, aber vergeblich. Flo hitchte schliesslich mit einem Jeep-Fahrer zuruck nach San Pedro und Martina und ich setzten uns in die Sonne und genossen die Pause.

Am naechsten Morgen, Tag Nr. 4 war Flo um ca. halb zeht zurueck, eine Stunde spaeter waren wir unterwegs. Die Piste war gar nicht so schlecht, erst am Vortag war ein"Pistenfahrzeug" durchgefahren. Die haben eine Schaufel, mit der sie die Strassenoberflaeche plattschieben und, zumindest theoretisch, das Wellblech ausebnen. Teilweise hatte das auch funktioniert und wir kamen zwar nicht sehr schnell, aber einigermassen zuegig vorwaerts. Wir mussten ueber einen Pass auf etwa 4'700 m, auf der anderen Seite ging es auf einer sehr steinigen Piste auf ca. 4'400 m herunter zum Salar Chalviri, wo sich auch eine Thermalquelle befindet:-)) Bis wir dort angekommen waren und uns in einem winzigen Zimmerchen neben dem Restaurant eingerichtet hatten, waren alle Jeep-Touris abgefahren. So teilten wir den heissen Pool nur mit Alain, einem Velofahrer aus Montreal.

Salar Chalviri


Dass der 5. Tag anstrengend wuerde, wussten wir. Der hoechste Pass der ganzen Lagunenroute, der Sol de Mañana, wartete auf uns, und damit ein Aufstieg auf ueber 4'900 m. Die ersten paar Kilometer waren easy, dann bog die Strasse nach links in den Wind. Hier kamen ein paar Zutaten zusammen, die Velo fahren eher unvergnueglich machen: Steigung, schlechte Strasse, extreme Hoehe und starker, kalter Gegenwind. Brrrrr, keuch, frier, nachluftschnapp.

Radlerin im einsamen Kampf gegen Steigung und Wind


Am Nachmittag kamen wir an eine Abzweigung, von der wir vermuteten, dass sie zu den Geysiren fuehren muesste. Natuerlich liessen wir uns das von einem Jeep-Fahrer bestaetigen, bevor wir abbogen. Und fluchten trotzdem gehoerig. Das was keine Piste mehr, nur noch Jeep-Spuren durch eine Steinflaeche und damit kaum befahrbar. Deppenabzweigung Nr. 2 eben. Wir kehrten schliesslich um und folgten der "Hauptstrasse", bis wir weitere Spuren fanden, die uns ein bischen geeigneter schienen. Die Geysire dort speien kein Wassen, nur Dampf, das aber auf ziemlich eindrueckliche Art. Und es hat dutzende gemuetlich vor sich hin koechelnde Schlammtuempel. Und das alles stinkt ganz schoen nach Schwefel. Da wir muede waren und es hier so praktisch flache Plaetze hatte, beschlossen wir, trotzt der Hoehe dort zu campen. Das wurde eine eher kuehle Nacht, fuer mich ganz speziell, da meine Matte so extrem leckte, dass ich de facto auf dem Boden lag.

Geysir Sol de Mañana


Am 6. Tag erwartete uns eine spezielle Sehenswuerdigkeit, die Laguna Colorada, die rote Lagune. Die mussten wir uns aber erst verdienen. Es ging immer wieder auf und ab, bis wir endlich zu der Abzweigung, diesmal sogar beschildert, kamen. Unglaublich wie schlecht, ja nichtexistent, eine Piste sein kann. Wir kaempften uns etwa einen Kilometer durch Steine und Schneefelder und kamen ploetzlich auf eine wunderpraechtige Piste, die offensichtlich etwas weiter vorne von der Hauptstrasse abgebogen war. Wir hatten hier die Deppenabzweigung Nr. 3 erwischt.

Piste nach Deppenabzweigung Nr. 3


Irgendwann ging es dann tatsaechlich abwaerts zur Lagune. Zuvor erwarteten uns jedoch noch etliche Kilometer extreme Sandpiste, die viel gefluche und teilweise schieben bedeuteten. Eine Zeit lang tanzten Schneeflocken durch die Luft und errinnerten uns an die drohend grauen Wolken oben am Sol de Mañana. Wir stoppten trotzdem um Flamingos zu beobachten. Dass die Typen dort oben nicht frieren, laesst sich mit dem Verstand kaum erfassen, ich meine, es ist wirklich schon sehr kalt dort.

Chilenische Flamingos


Da es an jenem Tag recht bewoelkt war, war die Laguna nicht sehr rot. Irgendwie scheint sie dazu die Sonne zu benoetigen. Wir waren froh, als wir endlich beim Refugio Colorado ankamen, eine Aussicht auf weniger frieren gab es dort aber nicht wirklich. Immerhin befanden wir uns noch auf ueber 4'200 m und in dem Gebaeude war es fast genausokalt wie draussen.

Laguna Colorada


Da uns nochmals ein fast 4'700 m hoher Pass erwartete, starteten wir am Morgen des 7. Tages zeitig, d.h. um 8 Uhr. Fast vom ersten Meter an hatten wir Gegenwind und es war wieder einmal schweinekalt. Von anderen Velofahrern, die ca. zwei Wochen vor uns dort durch fuhren, wussten wir, dass sie auf jener Strecke oft im Sand steckten und viel schieben mussten. Anscheinend gab es dort keine klare Piste, nur Unmengen von fuer Velos ungeeignete Jeepspuren. Wir stellten uns auf aehnliche Bedingungen ein und waren einigermassen ueberrascht ueber den doch guten Zustand der klar erkennbaren Piste. Bis auf ein paar Meter mussten wir trotzt des fiesen, uns nach Kraeften bekaempfenden Windes nicht schieben. Pistenfahrzeug sei Dank!!! Beim Arbol de Piedra, einer kuriosen Felsformation, die fast wie ein Baum aussieht, machten wir Mittagspause. Danach schafften wir keine 10 km mehr. Zum Glueck fanden wir einen halbwegs windgeschuetzten Ort zum campen auf dieser offenen und flachen Ebene.

Arbol de Piedra


Der 8. Morgen wurde sehr unangenehm. In der Nacht hatte es geschneit. Und gewindet. Unser ganzer Vorraum im Aussenzelt war weiss, wir hatten sogar Schnee auf dem Innenzelt. Martina war fuer dableiben, Flo fand, das mache keinen Sinn, wir muessten weiter. Was wir dann halt auch machten. Schon vom Camport aus hatten wir die Strasse kaum gesehen, da dort der Wind den ganzen Schnee der Nacht rumblies. Als wir auf die Strasse kamen, war schnell klar, dass wir so nicht fahren konnten. Also stiessen wir. Ziemlich idiotisch. Nach kurzer Zeit hatten wir so kalt, dass wir uns entschieden, zum Refugio Colorado zurueckzukehren. Das ging dan zuegiger, aber mit Velos durch Schneeverwehungen zu fahren, geht aehnlich schlecht wie durch Sand.

Viento Blanco, weisser Wind, sprich Schneesturm


Nach einer kurzen Pause im Windschatten eines Felsen gings weiter. Den Schneesturm hatten wir hinter uns gelassen, dafuer befanden wir uns nun inmitten eines filmreifen Sandsturmes. Das war ein echt beschissenes Feeling, man sah zeitweise kaum zwei Meter weit, so dicht war der Sand. Man konnte nur hoffen, dass die anderen mitkamen, zurueckschauen oder sogar umkehren war absolut unmoeglich. Zu unserem Glueck war die Piste wegen der ca. 50 cm hohen Sandmaeuerchen auch im Sturm immer gut erkennbar, sich zu verirren war so unmoeglich. Als die Strasse eine Kurve machte und der Wind von der Seite kam, wurden wir zwar des oefteren in eben diese Maeuerchen hineingeblasen, wo wir dann steckten bis wir uns wieder rausgewuehlt hatten. Manchmal wurden wir auch direkt umgeschmissen, was aber aufgrund des ohnehin langsamen Tempos meist nicht weiter tragisch war. D.h. natuerlich waere diese Rueckfahrt auch schneller moeglich gewesen, den Sturm hatten wir nun ja im Ruecken, aber man moechte ja auf Wellblech oder Steinen nicht sein gesamtes Gepaeck abschuetteln.

Sandsturm


Interessanterweise war der Sturm sehr lokal. Ploetzlich waren wir draussen, die braune Wand befand sich neben uns. Auch als wir uns noch im Sturm drin befunden haben, hatte man manchmal ploetzlich den Himmel und die umliegenden Huegel gesehen und sich schon gefreut, der Sturm lasse nach, nur um Sekunden spaeter wieder voellig vom Sandschleier eingepackt zu sein. Aber das "Dorf" befand sich einigermassen im Windschatten eines Huegels, so dass wir vom Refugio aus gefahrlos die braune Wolke beobachten konnen. Es war schon wiederlich, dieser Sand. Erst mal war die ganze Nase zugekleistert, die Augen trotzt Sonnenbrille sandgarniert und die Haare trotzt Sturmhaube, Kappe und Helm ziemlich versandet. Und dann unser Gepaeck. Wo dieser Sand ueberall eingedrungen war, ist kaum vorstellbar. Und kaum vollstaendig rausputzbar. Martina und ich hatten mal nuetzliche Rueckspiegel gehabt. Die sind nun fast blind, sandgestrahlt wie so manches anderes auch.

Im Refugio mussten wir ein kuemmerlicher Anblick gewesen sein, einer der Jeep-Fahrer lud uns zu seinem Troup zum Kaffee ein und auf meine spassige Nachfrage erhielten wir gleich noch ein gratis Abendessen. Das war mega nett, uns drohte naehmlich das Futter auszugehen, sollten wir noch lange dort blockiert sein.

Tag Nr. 9 unseres kleinen Sonntagsausfluges war langweilig. Es stuermte noch, nicht mehr so fest zwar, aber zu fest und zu sandig um rauszugehen. Aus Zeitgruenden und weil wir keine Lust hatten, diesen bloeden Pass nochmals hochzufahren, versuchten wir, ein Fahrzeug aufzutreiben, um uns auf die andere Seite des Passes fahren zu lassen. Der Besitzer des Refugios hatte einen Jeep, mit dem das gegangen waere, nur leider "no hay gasolina", er hatte kein Benzin. Wir sollten doch die Jeep-Fahrer fragen, ob sie ein Bischen Benzin verkaufen koennten. Also quatschten wir jeden Fahrer an, der dort vorbeikam, aber vergeblich. Die hatte alle nur gerade so viel Benzin, wie sie fuer die Tour brauchen, zum verdealen reicht das leider nicht. Also machten wir uns mit dem Gedanken vertraut, den Pass eben doch nochmals raufzustrampeln. Laenger als einen vollen Tag im Refugio Colorado zu sitzen und nichts zu tun zu haben, haelt man nicht aus. Und eben, unsere Foodvorraete waren beschraenkt, wir mussten weiter. Beim Refugio gab es zwar einen winzigen Laden, der hat aber nur Artikel, die Jeep-Touris kaufen wuerden, d.h. Guetslis, Cracker und einige Getraenke. So kauften wir halt Kuckys (chilenlische Schoko-Guetslis) u.ae. ein, unser aller besonderer Favorit sind die Cracker. Die schmecken nach rein gar nichts und wenn man sie isst, meint man, der Sandsturm sei im Mund angekommen. Aber wenn man Hunger hat, isst man alles.

Nicht ganz so motiviert wie das letzte Mal machten wir uns am Tag Nr. 10 wieder auf. Der Himmel war strahlend blau, kein Wind. Und wider Erwarten waren wir diesmal recht schnell oben, schon krass, wie viel schneller man ist ohne Gegenwind. Beim Arbol de Piedra gab's wieder Mittagessen, in der Sonne und schoen gemuetlich.

Sandwueste beim Arbol de Piedra bei gutem Wetter


Unbeschwert fuhren wir weiter, immer durch die praktisch platte Sandebene, danach noch eine Steigung und dann waren wir oben auf dem Pass. Dort waren wir leider nicht mehr im Nationalpark und anscheinend hat das Pistenfahrzeug an der Parkgrenze gestoppt. Jedenfalls verschwand die schoene Piste und teilte sich in unzaehlige Spuren auf, die das Velo fahren eher zur Qual und das Weg suchen zum Raetsel machten. Es war schon spaet, als ein Gebaeude in Sicht kam. Dort oben gibt es tatsaechlich ein Hotel, mitten im Nirgendwo. Da wir aber wussten, dass das Hotel sehr teuer war, strampelten wir weiter bis wir kurz bevor es dunkel wurde doch noch einen brauchbaren Zeltplatz fanden.

Der naechste Tag, Tag Nr. 11, wurde nicht so anstrengend. Erst stieg die "Piste", eher Spur nochmals an, dann ging es runter zu den Lagunen. Diese Strecke war abenteuerlich. Man hatte das Gefuehl, im Flussbett runterzufahren, so steinig und felsig war der Weg. Die erste Lagune, die wir von oben sahen, stellte sich unten teilweise als helle Sandflaeche heraus, die dank Wind und Lichtspiegelungen wie Wasser ausgesehen hatte. Dass dort tatsaechlich eine Lagune war, die Laguna Ramaditas, verpassten wir, so mit Wegsuche beschaeftigt wie wir waren. Bei der Laguna Honda fanden wir einen Stein, der einerseits den Namen der Lagune benannte, andererseits eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Alpenclub erwaehnte. Falls jemand herausfindet, was genau der SAC im bolivianischen Altiplano macht, waere das noch interessant zu wissen.

Laguna Cañapa mit Flamingos


Die naechste Lagune, die Laguna Hedionda ist anscheinend einer der wichtigsten Brutplaetze der Flamingos im Altiplano. Dort gibt es neuerdings auch ein Hotel, wo wir einen Kaffee tranken und Brot kaufen konnten (keine Crackers mehr zum Mittagessen!!). Wir wollten ohnehin bei der Laguna Hedionda bleiben, also fragten wir nach dem Uebernachtungspreis. USD 100 fuer ein Dreierzimmer! Nein, viel zu viel. Wie viel wir denn zu zahlen bereit seien? Wir nannten mal USD 15 pro Person, einigten uns schliesslich auf USD 20, Fruestueck inbegriffen. Der fuer uns ausschlaggebende Punkt war ganz klar das Vorhandensein einer heissen Dusche. Und sie war auch wirklich heiss. Mann, tat das gut, nach zehn Tagen Schweiss, Staub und Sand.

Laguna Hedionda


Fuer Tag Nr. 12 war vom Bikebuch die schlimmste Piste der gesamten Route angekuendigt. In der Tat war die Piste nach der letzten Lagune, der Laguna Chiar Khota, wo wir nochmals viele Flamingos sahen, kilometerweise extrem steinig und sandig und wir kamen einmal mehr sehr langsam vorwaerts. Sich aus dem Sand rauszuwuehlen, braucht einerseits immer viel Kraft, andererseits macht einen so eine Piste vor allem mental voellig fertig. Und die ganze Zeit flitzen links und rechts Jeeps vorbei und stauben einen von Kopf bis Fuss ein und Touris machen Fotos durchs Fenster. Das nervt mit der Zeit recht massiv. Aber auch die fieseste Piste ist irgendwann vorbei und so bogen wir schliesslich auf eine breite, frisch bearbeitete Strasse ein und kamen endlich richtig vorwaerts. Die obligatorische Schattenseite der Sache war der Gegenwind, den wir nun frontal erwischten. Aber da es nun erst mal lange bergab ging, konnten wir auch das verkraften.

Tag Nr. 13, gemaess Hoehenprofil im Bikebuch sollte an diesem Tag alles platt sein. Was auch stimmte, die Strecke fuehrte quer durch den Salar Chiguana mit einer nur ganz leichten Steigung in Richtung San Juan. Dieser Salar war unterhaltsam. Dank Luftspiegelungen meinte man oft, Lagunen zu sehen, die verschwanden sobald man naeher kam. Kurz nach dem Mittagessen sah ich in meinem Rueckkspiegel ploetzlich mehr Gestalten als gewohnt. Ein belgisches Radlerpaar, Lot und Koen, hatte uns eingeholt. Wir hatten die beiden schon in Punta Arenas getroffen und kurz mit ihnen gesprochen. Das Erstaundliche daran war, dass die beiden sich noch an uns und sogar an unsere Namen erinnerten! Ich haette sie nicht mehr gekannt. Zusammen fuhren wir weiter und genossen die zum Velo fahren gute Oberflaeche des Salars. In San Juan gab es dann die zweite Dusche in drei Tagen und sogar ein paar Laedelis. Leider konnte man im ganzen Dorf kein Brot kaufen.

Am folgenden Morgen, Tag Nr. 14, fuhren wir zusammen mit Lot und Koen in Richtung Salar de Uyuni. D.h. die beiden Belgier flitzten voraus und warteten ab und zu bis wir es auch geschafft hatten. Zu Beginn war die Piste zu unserer Freude gar nicht so schlecht. Mir fiel jedoch auf, dass eine meiner Vordertaschen mehr in der Welt herumschwang als ueblich und stellte fest, dass da eine Schraube fehlte, ebenso ein kleines Platzhalterteil zwischen Rahmen und Lowrider, von dem ich keinen Ersatz dabei hatte. Koen hatte und er sponserte mir freundlicherweise eines, Schrauben hatte ich selber. Natuerlich ueberpruefte ich bei der Gelegenheit die anderen Schrauben und zog einige an. Zu fest wie's scheint, ein zerbrach. Das war nun echt ein Problem, die abgebrochene Schraube steckte fest und wir brachten sie nicht raus. Bloederweise war das eine sehr wichtige Schraube, an der haengt das gesamte Gewicht der Tasche. Was tun? Aus einem Kompressionsriemen, Kabelbinder und Tape bastelten wir einen Flick, der zu meinem Erstaunen saemtliches Geholper und Gehuepf bis Uyuni aushielt.

Kurz darauf kamen wir zu einer Abzweigung mit einem Wegweiser nach Colcha"K". Da wir aus dem Bikebuch wussten, dass wir bei diesem Dorf vorbei mussten, und da Martinas GPS und Koens Karte uns einstimmig in diese Richtung schickten, bogen wir ab. Nach ein paar Kilometern kamen wir zum ersten kleinen Dorf, dessen Namen wir nicht wissen. Eine Einheimische schickte uns weiter ueber einen Huegel. Eine Stunde Fussmarsch bis zum Dorf Maniaca, eine weitere bis Colcha"K". Ok, mit dem Velo sollte das ja bedeutend schneller gehen. Dachten wir. Ueber den Huegel gab es keine Piste, nur eine Art Jeep-Spur, wobei das speziell berggaengige Autos sein muessen, die da drueber kommen. Fuer Velos war das eindeutig nicht gedacht. Wir holperten, fluchten, huepften und kletterten ueber Steine und Felsen, an einer Stelle mussten wir die Velos je zu zweit hochschieben, so steil und felsig war der Weg. Die "Abfahrt" auf der anderen Seite war aehnlich abenteuerlich. Martina und ich schoben die Velos sogar abwaerts einige Dutzend Meter, diese Steine waren fuer uns schlicht unbefahrbar. Ich glaube immer noch, dass der weitere Weg um den Berg herum schneller gewesen waere. In meinem Buch laeuft dieser Weg unter Deppenabzweigung Nr. 4.

Piste in Richtung Maniaca nach Deppenabzweigung Nr. 4


Nach dem Doerflein Maniaca wurde die Piste besser und nicht allzulange spaeter erreichten wir Colcha"K". Beeindruckend, dieses Dorf hat sogar eine geplaettelte Hauptstrasse, eine Turnhalle mit Tribuene und eine kleine Plaza. Dort sassen einige aeltere Leute, die Kleider und Fruechte verkauften. Fruechte! Wie lange hatten wir keine frischen Fruechte mehr gegessen! Wir deckten uns mit Mandarinen und Trauben ein und fragten nach Brot. "Arriba" gaebe es eine Art Baeckerei. Angeschrieben war natuerlich nichts, das Dorf ist klein, jeder weiss, was wo ist. Ausser den Touris. Aber tatsaechlich, nach einigem Suchen und erneutem Fragen fanden wir den Ort. Die weissen Fladenbroetchen waren noch warm und rochen wie echtes Brot. Hmmmmm.

Mit diesen Schaetzen beladen verliessen wir das huebsche Dorf und pedalten weiter auf einer muehsamen Sandpiste. Jetzt kamen immer wieder Jeeps vorbei, die uns einstaubten und denen wir ausweichen mussten. Im Klartext heisst das, jedes Mal in den tiefen Sand fahren und danach eine Ausgrabungs-Aktion starten. Das war extrem ermuedend. Als wir am spaeteren Nachmittag bei einer Abzweigung ein "Hospedaje"-Schild sahen, beschlossen wir deshalb, dort zu schlafen und morgen frueh zum Salar aufzubrechen. Die Hospedaje, deren Schild wir gesehen hatten, fanden wir zwar nie, dafuer ein Hotel aus Salz, dessen Zimmer durchaus bezahlbar waren. Das war echt interessant, das ganze Gebaeude war aus Salzbloecken gebaut, auch der Boden war aus losem Salz. Dort gab es auch Abendessen: Quinoa, Kartoffeln und Lama-Steak, dazu herzige musikalische Unterhaltung von vier Jungs aus dem Dorf. Und dann das Fruehstuck: Kuchen, Brot und Spiegelei. Wir waren im Siebten Himmel, nach tagelangem Haferflocken-Essen. Fuer all das zusammen haben wir pro Person etwa CHF 10 bezahlt. Geniales Preis-Leistungs-Verhaeltnis. Das Hotel befindet sich in Villa Candelaria und heisst Hotel de Sal Samarikuna. Das ist Quechua und heisst "Ort der Erholung". Wir koennen das Hotel waermstens empfehlen.

Tag Nr. 15 begann mit 8 km Sand und Wellblech, die Fortsetzung vom Vortag. Dann jedoch hatten wir den Salar erreicht. Endlich! Zuerst fuehrte die Strecke ueber eine Art erhoehte Hauptpiste, die noch recht holprig war. Dann die Abzweigung auf die weisse Salzflaeche. Wir waren total fasziniert und freuten uns wie Kinder. Zu Beginn war die Oberflaeche noch recht rau, etwa wie Schotter, spaeter war sie glatt und fuhr sich fast wie Asphalt. Und alles war weiss, die ganze unendliche Weite. Und da Schweizer glauben, dass, wenn der Boden weiss und die Luft kalt ist, es Schnee hat, war es fuer uns fast schwierig zu glauben, dass das eben Salz und nicht Schnee ist. Ueber weite Strecken ist der Salar aber mit grossen, unregelmaessigen Wabenmustern verziert, die einem klarmachen, dass das kein Schnee sein kann.

Salar de Uyuni mit Wabenmuster


Die 42 km Fahrt bis zur Isla Incahuasi waren dann nicht ganz so unterhaltsam. Nach dem Mittag kam ein starker Wind auf, natuerlich Gegenwind fuer uns. Irgendwann konnte man die Insel erkennen, ganz klein am Horizont. Ganz langsam kam sie naeher bis man glaubte, man sei schon fast da. War man aber nicht, die Distanzen lassen sich auf einer solchen Flaeche unmoeglich schaetzen. Man faehrt und faehrt und meint, die Insel gleich anfassen zu koennen und hinterher weiss man, dass man noch 8 km weit weg war. Das war ein Bischen frustrierend, war aber nach der Ankunft schnell vergessen. Die Isla Incahuasi ist in erster Linie Ziel saemtlicher Jeep-Touris der Region und tagsueber entsprechend ueberlaufen. Es gibt dort ein Restaurant, wo wir trotzt erst kurz zurueckliegendem Mittagessen alle gleich einen Lama-Burger verschlangen. Daneben hat es auch ein winziges Refugio, nur ein einziges Zimmer mit ein paar Matten. Und mit Panorama-Fenster auf den Salar:-)

Sonnenuntergang auf der Isla Incahuasi


Bevor wir fuer den Sonnenuntergang auf den Huegel stiegen, gaben wir unsere Bestellung fuers Abendessen auf, das Restaurant oeffnete extra fuer uns noch einmal, sehr nett. Leider war der Sonnenuntergang mehrheitlich von Wolken verdeckt und nicht wirklich spektakulaer. Interessanter fanden wir die kleine "Plaza 1° de Agosto", die 1. August Plaza oben auf der Insel. Da gibt es anscheinend ein "Ritual Aymara en Agradecimiento a la Pachamama", ein Dankesritual fuer die Mutter Erde. Was genau das bedeutet, haben wir vergessen zu fragen. Anderes interessantes Detail der Insel: Dort wachsen aussen ein paar kleinen Bueschen vor allem Kakteen. Die groessten sind 9-10 m hoch. Und so ein Kaktus waechst in 100 Jahren gerade mal einen Meter. Die sind also ziemlich alt, die stacheligen Typen dort.

Bevor wir schlafen gingen, brachte uns der Besitzer des Refugios die "Huettenbuecher" vorbei. Es war spannend, die Eintraege von hunderten von Velo- und Motorradfahrern zu studieren, die in den letzten Jahren im Refugio geschlafen hatten. Wenn man das las, hatte man den Eindruck, dass das, was wir hier machten, die normalste Sache der Welt waere. Fuer uns besonders speziell waren die Eintraege von all den Leuten, die wir kannten. Da waren die Oesterreicher, Karin und Gregor, die wir im Nationalpark Torres del Paine getroffen hatten und deren Blog wir konsultiert hatten fuer neuste Information betreffend die Lagunenroute. Und natuerlich Marlis und Matthias, mit denen wir bei ihrem Aufstieg nach San Pedro gecampt hatten. Da waren die Eintraege von Chris und Juan, die wir in SanPedro kennengelernt hatten, und von Matthias, mit dem wir auf dem Paso Jama gefahren waren. Alle hofften sie, am folgenden Tag von demselben Wind profitieren zu koennen, gegen den sie zuvor angekaempft hatten.

Isla Incahuasi und jahrhundertealte Kakteen


Am letzten Morgen vor Uyuni, Tag Nr. 16, stiegen wir zum Sonnenaufgang nochmals auf den Huegel. Und nochmals war die Sonne hinter Wolken versteckt, den einzigen, die an jenem Tag da waren. Danach leisteten wir uns nochmals ein fettes Fruehstueck im Restaurant bevor wir uns auf den etwa 95 km langen Weg nach Uyuni machten. Wir hofften auch auf den selben heftigen Wind wie tags zuvor, da wir den nun im Ruecken gehabt haetten. Aber wer glaubt schon ans Christkind? Waehrend den gesamten 75 km Salar kam kaum ein spuerbarer Wind auf, geschweige denn einer, der uns geschoben haette. Dafuer sahen wir einige der beruechtigen Ojos, Loecher in der Salzkruste, gefuellt mit Wasser und unbedingt zu umfahren. Die groessten davon waren mit Salztuermchen markiert, da sie auch fuer die Jeeps gefaehrlich waeren. In diesen Ojos wachsen spannende Salzkristalle, die aussehen wie echte Kristalle, so eine Art weisse und violette, zusammengewachsene Wuerfel.

Salzkristalle


Die Oberflaeche des Salars war an jenem Tag ohnehin weniger optimal zum Velo fahren. Teilweise fuehlte der Salar sich an wie sulziger Schnee in der Mittagssonne. Ueber viele Kilometer fuhren wir wieder durch die Wabenmuster, die sich dort anfuehlten, als fahre man ueber einen Gartenweg aus grossen Steinplatten, entsprechend holprig war die Sache. Ca. 10 km vor Colchani, dem ersten Dorf nach dem Salar, steht ein weiteres Salzhotel, dem noch weitere folgten. Dort wird auch intensiv Salz abgebaut, was an den vielen etwa einen Meter hohen Salzhaufen zu erkennen war. Die letzten 20 km nach Uyuni waren wieder das gewohnte Wellblech, allerdings nicht ganz so sandig und immerhin etwas besser als erwartet. In Uyuni genossen wir dann die feinen Pizzas und Spaghetti und natuerlich die heisse Dusche und andere Annehmlichkeiten der "Zivilisation".

Was ist nun unser generelle Eindruck der vielgeruehmten Lagunenroute? Haben sie die Strapazen und Entbehrungen gelohnt? Ich bin nicht ganz sicher. Klar, die Landschaft war ueberwaeltigend und die Lagunen ganz huebsch. Aber aehnliche Landschaft haben wir auch auf dem Paso Jama gesehen, dort mehr rot, hier verschiedene Farben wie rot-braun, schwar, grau, violett, weiss und gruenlich. Die Lagunen sind schoen, koennen aber nicht mit den knallblauen Seen Patagoniens mithalten. Und die Pistenqualitaet truebt das Erlebnis zeitweise schon etwas.

Natuerlich wurden auch einige Koerperteile in Mitleidenschaft gezogen. Da ist z.B. die Nase, die gleich doppelt gelitten hat. Erst durch Nasenbluten, das wohl durch die kalte, trockene Luft bedingt war. Wegen eben dieser kalten Luft tropfte die Nase auch dauernd, was mit der Zeit (konkret: seit der Jama-Ueberquerung) zu entzuendeten, schmerzenden Nasenloechern fuehrte. Aus welchem Grund die Haut um die Fingernaegel einriss und blutete, weiss ich nicht, war aber auch laestig und hat weh getan. Und da es bekanntlich sehr kalt war, habe ich auch meine gepolsterten Velohosen wieder getragen, natuerlich auch als Schutz vor der rauen Strassenoberflaeche. Das haette ich besser gelassen, die Naht entland dem Rand der Polsterung hat naemlich dauernd gescheuert, so dass mein Hintern nicht trotzt, sondern wegen den Velohosen ganz wund wurde. Und das wurde mit der Zeit auch extrem schmerzhaft. Das waere nun der Einsatzbereich der Fuedli-Creme von Veloplus, die ich in Bariloche jedoch weggeworfen habe. Zum Glueck hat ein kleines Flaeschchen Gesichts-Creme die Aufraeum-Aktion ueberlebt, das funktioniert auch.

Ein weiterer Aerger war meine Schlafmatte. Die leckt schon seit langem ein Bischen, ploetzlich aber so stark, dass ich sie entweder dreimal pro Nacht aufpumpen musste (was ich natuerlich nicht machte) oder eben auf kaltem, hartem Boden lag. Als wir bei der Laguna Colorada einen Tag lang zum Nichtstun verdammt waren, hatte ich die Moeglichlkeit, die Matte in eine bolivianische Toilettenspuehlung (eine Wassertonne) zu stecken. Wir hatten eigentlich eher ein Loch vermutet, es zeigte sich jedoch, dass tatsaechlich das Ventil das Problem war. Da war irgend ein weisses Teil drin, das da nicht hingehoerte. Nach vielem Blasen und pusten schien das Ventil wieder sauber und die Matte ist seither auch mehr oder weniger dicht. In meinen Augen ist das Ganze aber ein Konstruktionsfehler, was immer das weisse Ding war, eine Feder oder was auch immer, das darf dort einfach nicht hinkommen. Es ist schon muehsam genug, dass die Pumpe mit Federn verstopft ist und extrem streng geht, aber ich kann doch nicht jeden Morgen eine Viertel Stunde lang Federn aus dem Ventil rauspfluecken. Was soll's, im Moment schlafen wir in einer Art Hotel, die Matrazen dort sind ein Bischen besser.

2 Kommentare:

  1. Hallo Monika
    Wenn Du jeweils am Ende eines Berichtes schreiben würdest, was ihr nun vorhabt, dann wissen auch wir, wie lange es etwa geht, bis wieder etwas von euch zu lesen ist.
    Gruss Papi

    AntwortenLöschen
  2. nice pix (I don't envy you though :-) Faz

    AntwortenLöschen