Mittwoch, 23. Juni 2010

Abschied in Cusco

Wir nahmen also einen Bus nach Cusco, damit Flo seinen Heimflug am 23. Juni erwischt. Da der Bus ein moderner war, d.h. das Gepäck kam unten rein und nicht aufs Dach, mussten die Velos in Schachteln verpackt werden. Pracktischerweise gibt es am Busterminal von La Paz diverse Stände, wo man seine Sachen verpacken lassen kann, z.B. auch Velos. Wir verteilten unsere drei Drahtesel auf drei der Läden und so ging das ruck zuck. Im Gepäckraum des Buses hatte es sogar problemlos genügend Platz, von Argentinien waren wir anderes gewohnt.

So eine Busfahrt ist bekanntlich eher ereignislos und langweilig, darum ist es gar nicht schlecht, dass es ab und zu eine Polizeikontrolle gibt. Konkret heisst das, dass der Bus plötzlich hielt, alle mussten aussteigen und sich in eine Schlange stellen, wir glaubten uns schon an der Grenze. Da wurden aber nur kurz die Pässe durchgeblättert, dann stiegen wir wieder ein. Wir waren einigermassen verblüfft ab der Aktion, aber wir verstehen schliesslich auch nicht alles.

Irgendwann kamen wir tatsächlich im Dorf Desaguadero an. Dort fliesst der gleichnamige Fluss durch, der einzige Ausfluss des Lago Titicaca. Und dort verläuft auch die Grenze zu Perú. Also wieder aussteigen und anstehen. Also wir schon recht weit vorne waren, wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir in der falschen Schlange stehen, in der nur für Peruaner. Super, vielen Dank für die frühzeitige Information! Wir wechselten zu einer anderen, viel längeren Schlange und waren froh, gerade noch rechtzeitig dort hinübergewechselt zu haben. Kurz darauf kamen wohl etliche Busse an und die Schlange wurde entsprechend länger. Allerdings, Flo fehlte immer noch. Als wir unseren Anstehort gewechselt hatte, wurden unsere Pässe kontrolliert und Flo blieb dort hängen. Anscheinend vermisste der Beamte irgendeinen Stempel und verbrachte bestimmt eine Viertelstunde mit der Suche. Schliesslich gab er auf (es fehlt aber kein Stempel, alles korrekt und vollzählig).

Mit unseren Ausreisestempeln in den Pässen überquerten wir den Fluss und stellten uns in die nächste Schlange, hier für die Einreise nach Perú. Das dauerte auch so seine Weile, glücklicherweise wurde für Ablenkung gesorgt. Die Zollbeamten wollten nämlich unsere Velos sehen. Autsch, wieso denn dass? Wir hatten kein Packband dabei, wenn die Kartons mal offen wären, blieben sie es auch. Ich meldete mich freiwillig, mit den Beamten verhandeln zu gehen. Dort wurde ich erst mal angeschnautzt, ob wir die Velos via Iquique (Zollfreihafen in Chile, von wo aus viele Güter nach Bolivien kommen) eingeführt hätten. Ich erklärte, dass die Velos nicht neu seien und dass wir nicht von Iquique kämen, sondern Argentinien und Chile durchquert hätten. Aha, wir seien mit den Rädern unterwegs? Ja, genau, normalerweie radeln wir, hier nehmen wir den Bus, um etwas Zeit zu sparen. Ok, so sahen die Dinge schon anders aus. Aber ob wir die Velos deklariert hätten? Haben wir nicht, wir hatten das Zollformular nicht geschnallt. Also musste ich unsere Formulare aus dem Stapel aller Formulare unseres Busses raussuchen und das Versäumte nachholen (die ausgefüllten Formulare sind im Bus wieder eingesammelt und alle zusammen dem Zoll übergeben worden). Da nur Gegenstände mit einem Wert von bis zu USD 1'000 zollfrei eingeführt werden dürfen, machte ich auf Understatement und schrieb USD 500 hin, was fraglos akzeptiert wurde. Dazu entschuldigte ich mich schuldbewusst und schon blickten die finsteren Herren wieder freundlicher.

Als wir endlich im Gebäude der Migración angekommen waren, wunderten wir uns auch nicht mehr über die lange Wartezeit. Der obligate Fernseher, der normalerweise in Richtung Wartende zeigt, war den Beamten zugedreht, die vermutlich die halbe Zeit Fussball schauten anstatt Pässe zu stempeln. Wir kriegten aber problemlos die benötigten 90 Tage Aufenthalt und konnten beruhigt wieder in den Bus steigen. Ah ja, wir hatten auch noch unsere Zollformulare zurückgekriegt, schön mit einem Stempel "controlado" versehen. Auch unsere Velos befanden sich jetzt offiziell und legal im Land.

In Cusco angekommen, mussten wir mit unserem Gepäckberg fertigwerden. Zu Dritt sein ist da extrem praktisch. Jemand wartet beim Ort, wo man das Gepäck hinschleppt, jemand schleppt und jemand wartet dort, wo alles ausgeladen worden ist. Irgendwie hatte aber unsere Hostal-Reservation für Cusco nicht geklappt und wir wurden am Terminal nicht abgeholt. In diesem Land ist sowas aber kein Problem, uns wurde gleich ein anderes Hostal angeboten, zum gleichen Preis. Offensichtlich ist die Stadt nicht ganz so voll, wie wir angenommen hatten. Die eingepacken Velos mit dem Taxi zu transportieren, sei ganz bestimmt auch kein Problem. Wir waren hier nicht so zuversichtlich, passiert ist aber unglaublicherweise nichts.

Velotransport auf Taxidach


Da in der Stadt gerade Fiesta war, konnten wir mit dem Taxi nicht zu dem geplanten Hostal fahren. Die Dame schien aber Beziehungen zu diversen Hostales zu haben, jedenfalls konnte sie uns problemlos ein anderes anbieten. Wir könnten am nächsten Morgen ja wechseln. Haben wir auch gemacht, aber nicht zu der empfohlenen Unterkunft direkt an der Plaza de Armas (Fiesta = viel Lärm), sondern zu einem anderen, welches unsere Vermittlerin auch empfehlen konnte. Dort hatten wir auch einen grossen Innenhof, wo Martina und ich gemütlich unsere Velos zusammenbauen konnen. Flo liess seins im Karton, er brauchte es ja nicht mehr und konnte sich so ein weiteres Einpacken für den Flug sparen.

In Cusco war wie gesagt tagelang Fest und die Plaza de Armas permanent verstopft mit Umzügen. Nach einer Weile zuschauen hatte man die Sache aber gesehen. Da kamen alle möglichen Gruppen, die meisten tanzten irgendwie, einige marschierten einfach nur durch die Strassen.

Plaza de Armas, im Vordergrund eine Tanzgruppe, im Hintergrund die Catedrál


Um die architektonischen Künste der Inkas gebührend zu würdigen, besuchten Flo und ich die Ruinen um Cusco. Die grösste davon ist Saqsayhuaman, eine riesige, ehemalige Tempelanlage, die natürlich, wie fast alles hier, von den Spaniern plattgemacht wurde (sie glaubten, es sei eine Festung). Es steht aber noch genug von der auf drei Ebenen gebauten Anlage, um die geniale Bautechnik zu erkennen. Hier wurde kein Mörtel oder andere "Kleber" verwende, die Steine sind einfach auf- und ineinander gestellt. Es sind aber keine Quader, keine zwei Steine haben die gleiche Form. Sie sind aber so perfekt aufeinander abgestimmt und so fein geschliffen, dass dazwischen kein Pflänzen oder Moos gewachsen ist. Gemäss unserem Führer und den Angaben im Inkamuseum wurden diese Steine mit Bronzewerkzeugen zugehauen und danach mit Wasser und Quarzsand geschmirgelt.

Puerta del Sol in Saqsayhuaman


Nach Saqsayhuaman besuchten wir noch die Ruinen Q'enqo, Pukapukara und Tambomachay. Von den ersten beiden ist recht wenig erhalten geblieben. In Q'enqo hatten wir keinen Führer, darum wissen wir auch nicht, was dort mal gestanden hatte. Pukapukara soll anscheinend eine Art Kontrollposten vor Qusco gewesen sein, dort führt auch der Inkatrail nach Machu Picchu durch. Was genau Tambomachay darstellt, wissen wir auch nicht, vermutlich auch eine Art Tempel mit einem noch intakten Wasser-(Bewässerungs-?)System. Dass dort mal ein Tempel gestanden hat, vermuten wir wegen den vier fensterartigen Nischen, in die Kultobjekte gestellt wurden.

Ruinen von Tambomachay


Am folgenden Morgen besuchten wir alle drei das Inkamuseum, wo die gesamte Besiedlungsgeschichte der peruanischen Anden dargestellt ist, die natürlich lange vor den Quechua (Inka wurde nur der Herrscher genannt) beginnt. Während die Anden schon um 5'000 vor Christus bevölkert waren, expandierte der Staat der Quechua erst im 13. bis 16. Jahrhundert. Als die Spanier hier ankamen, reichte das vom Inka kontrollierte Gebiet "Tawantinsuyo", das Reich der vier Regionen, vom Norden Argentiniens und Chiles bis nach Kolumbien und von der Küste bis in den Amazonas. Wie man ein solches Riesenreich mit einer so anspruchsvollen Geographie mit den damals verfügbaren Mitteln regieren konnte (hier gab es keine Pferde, die Leute gingen zu Fuss), ist mir ein Rätsel.

Hier in Cusco wurde der Mercado San Pedro bald zu einem Lieblingsort von Flo und mir. Dort gibt es nämlich Fruchtsäfte, die jeweils gleich nach Wunsch gepresst und gemixt werden. Während wir auf der Lagunenroute rein gar nichts Frisches hatten und uns bald um unsere Vitaminversorgung sorgten, ist das hier das reinste Schlaraffenland. Jeden Tag ein oder zwei verschiedene Säfte nach Wahl, und pro Portion ist das etwa ein halber Liter, der 3.5 bis 4 Soles, also etwa CHF 1.50 kostet. Paradisisch!

Rina, meine Lieblings-Saftfrau


Schon bald aber war Mittwoch und hiess es Abschied nehmen. Dass Flo am 23. Juni nach Hause fliegen würde wusste ich ja, dass aber Martina für nochmals eine bis zwei Wochen zurück nach La Paz wollte, kam als nicht so schöne Überraschung. Nach der 3-wöchigen Pause wäre ich eigentlich motiviert gewesen, bald wieder aufs Velo zu steigen und die über 1'800 km nach Trujillo in Angriff zu nehmen. Nicht so Martina. Flos Reisetempo hat sie anscheinend etwas überfordert und sie braucht eine längere Pause. Also nahm sie, ebenfalls am 23. Juni, ein Bus zurück nach La Paz und ich war mit einem Schlag alleine. Eher frustriert buchte ich eine 4-tägige Tour in den Manú Nationalpark (im Regenwald) und einen Platz für Inti Raymi, das Sonnenfest anlässlich der Wintersonnenwende.

Iti Raymi

Am 24. Juni findet in Cusco das Sonnenfest statt. Ursprünglich fand es natürlich am 21. Juni statt, wurde aber von Feiern für spanische heilige verdrängt und schliesslich erst mal verboten. Seit einigen Jahren gibt es das für die andine Kultur sehr wichtige Fest wieder. Die Quechua verehrten die Sonne als ihren höchsten Gott und der drohte sie zu verlassen. Also musste er während einer grossen Feier vom Inka und seinen höchsten Generälen persönlich angefleht werden, zu seinem Volk zurückzukommen. Was er nach dem 21. Juni ja auch macht.

Ich war also an jenem Morgen Teil einer grösseren "Schafherde", die ihrem Hirten hinterherläuft. Erst ging's zum Sonnentempel in Cusco, wo schon eine riesige Mengschenmenge auf den Beginn der Feierlichkeiten wartete. Zum Glück steht dieser Tempel auf einem Hügel, sonst hätte es dort nicht viel zu sehen gegeben. Nach ein paar Minuten kamen bunt bekleidete Tänzerinnen aus einer Tür und bewegten sich zur Musik eines mitwandernden, hauptsächlich aus diversen Flöten und Trommeln bestehenden Orchesters den Hang herunter. Kaum waren sie unten auf der Wiese angekommen, kam die nächste Gruppe. So ging das eine Weile, jede Gruppe hatte ihren eigenen Tanz und war in andere Farben gekleidet. Unten auf der Wiese gingen die Tänze weiter, ausser einigen sich bewegenden Federn habe ich aber nichts mehr gesehen.

Dann wurde es mit einem Schlag still und oben beim Tempel, ganz in gold, erschien der Inka. Er begrüsste die Sonne auf Quechua und verschwand kurz darauf wieder. Anscheinend wiederholte sich diese Szene später auf der Plaza de Armas, unsere Gruppe ging aber zu unserem wartenden Bus, der uns nach Saqsayhuaman raufbringen sollte. Die Fotos von diesem ersten Teil sind leider aus lichttechnischen Gründen nicht wirklich brauchbar.

Wir fuhren in der Zwischenzeit zu den grossen Tempelruinen hinauf, wo wir anschliessend gute drei Stunden auf unserem Hügel rumhängten und warteten. Mit nur einer knappen Stunde Verspätung erschienen gegen 14 Uhr die ersten farbigen Gruppen wieder. Hier oben nahmen viel mehr Gruppen teil als in der Stadt, nicht nur Tanzgruppen sondern auch Soldaten.

Tänzerinnen beim Einmarsch in Saqsayhuaman


Im Vordergrund eine Gruppe Soldaten, im Hintergrund
eine einmarschierende Gruppe Tänzer/innen


Bestimmt etwa zwanzig Minuten lang war die Fläche von den quirligen Tänzern und Soldaten in Beschlag genommen bis endlich der Inka wieder auftauchte. Anscheinend geht er jeweils nur wenige Schritte, wenn er "weitere Distanzen" zurücklegen muss, wird er getragen. Alle auf der Fläche Anwesenden kauerten sich mit gesenkten Kopf hin und blieben während der ganzen Feier mehr oder weniger so. Auf mich wirkte das Ganze ein Bischen wie bei Asterix und Obelix bei den Ägyptern wenn Kleopatra erscheint.



Die anschliessenden Zeremonien dauerten ziemlich lang und wurden ausschliesslich auf Quechua gehalten, weshalb mir die Details verschlossen blieben (ich habe noch nicht alles nachgelesen). Jedenfalls gab es erst einen Teil wo viel geredet wurde, dann wurde der Sonne Chicha, ein heiliger Drink aus Mais, geopfert. Dann wurden traditionellerweise ein weisses und ein schwarzes Llama geschlachtet, die die Balance von Tag und Nacht darstellen sollen. Hier wurde nur ein schwarzes Llama geopfert, wobei ich den Eindruck hatte, dass nur so getan wurde, als ob. Diese traditionelle Opfer-Schlachtmethode war auch ziemlich krass. Gemäss Inkamuseum wurde den Tieren ein kleines Loch in die Seite geschlitzt und dort Herz und Lunge rausgerissen.

Inka bei der Beschwörung der Sonne


So als eine Art Schlussbouquet wurde nochmals viel Musik gemacht und getanzt und dann wurde der Inka nach einer Ehrenrunde wieder weggetragen.

1 Kommentar:

  1. hoi Moni
    die Leute am Sommerfest sehen herrlich aus. So ein Fest möchte ich hier auch haben. Die Fotos nehme ich mit in die Schule, wegen dem Indianerfederschmuck. Wir haben immer noch Indianerthema.
    Viele liebe Grüsse von Lukas

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