Samstag, 3. Juli 2010

Konstanten und Veränderungen

Martina hat angekündigt, Mitte nächster Woche zurück in Cusco zu sein, also habe ich bis dahin Zeit, über all das zu schreiben, was ich schon lange wollte, aber nie dazu kam, u.a. weil es nicht zu einer bestimmten Etappe gehört. Die Fotos haben hier keinen Zusammenhang mit dem Text, sie sind von heute in Cusco.

Da gibt es so Einiges, das uns schon seit Beginn unserer Reise konstant begleitet, sich dabei aber auch verändert hat. Z.B. das Spanisch, oder Castellano, wie man hier sagt. Dass ein Grossteil von Südamerika Spanisch spricht, ist allgemein bekannt. Dabei gibt es aber ziemlich deutliche Unterschiede, d.h. als ich in Buenos Aires ankam verstand ich erst mal oft kaum ein Wort, da die argentinische Aussprache doch deutlich vom spanischen Spanisch abweicht. Speziell ist hier das "ll", das in Spanien ungefähr wie ein deutsches "j" ausgesprochen wird, in Argentinien jedoch, je nach dem als "schj" oder schlicht als "sch". Und so klangen die Wörter eben krass anders als erwartet.

Kaum hatte ich das argentinische Spanisch einigermassen geschnallt, überquerten wir die Grenze nach Chile und schon war alles wieder zur Sau. Das chilenische Spanisch empfand ich insgesamt als recht undeutlich, als würden sie die Hälfte verschlucken. Wie genau es sich unterscheidet, ist schwer zu beschreiben. Beispielsweise "mosca", Mücke. Meine Spanischleherin hätte hier jeden Buchstaben ausgesprochen, während die Chilenen eher so etwas wie "mohca" sagen, wobei das H nicht der Verlängerung des O dient, sondern eine Mischung zwischen H, Platzhalter und irgendwie geplättetem S ist. Mit chilenischem Spanisch hatte ich bis zum Schluss Mühe.

Seit Bolivien hat sich dieses Sprachproblem grösstenteils gelöst. Die Boliviander und auch Peruaner sprechen weder schnell noch sonstwie komisch (abgesehen von Quechua und Aymara) und sie zu verstehen, ist nicht weiter schwer. Hier mal abgesehen von alten Leuten, die einem auf der Strasse um Geld anbetteln und kaum mehr Zähne haben. Aber auch dort ist recht klar, was sie wollen.

Militärparade heute auf der Plaza de Armas


Dann sind da die berühmten Empanadas, die seit Argentinien vor allem für Flo sehr wichtig waren. In Argentinien haben wir die besten Empanadas und die grösste Auswahl gefunden, manchmal fritiert, meistens aber aus dem Ofen. In Chile ist Fleischfüllung am häufigsten und die Empanadas sind i.d.R. grösser und öfter fritiert, was meinem Magen nicht immer passte. Die Empanadas auf dem Paso Jama waren klein mit einer Fleisch-Kartoffel-Ei-Füllung. Mega fein, diesen Stil haben wir aber nicht mehr getroffen. Die bolivianischen Empanadas hatten meistens kaum Füllung und waren einfach nur trocken und geschmacklos. Dafür aber extrem billig. Nur in Oruro haben wir Empanadas gefunden, die dem argentinischen Stil recht ähnlich waren. Andererseits gab es dort etwas ähnliches, die Salteñas. Das sind eine Art süsse Fleisch-Huhn-Kartoffel Empanadas mit Ei und je einer Olive. Etwas gewöhnungsbedürftig aber nicht schlecht. Nur in Oruro haben wir Empanadas gefunden, die dem argentinischen Stil recht ähnlich waren. In Peru scheinen die "normalen" Empanadas wieder üblicher zu sein, wobei es sie meistens nur mit Huhn gibt. Auf der Strasse werden hier auch hausgemachte Empanadas verkauft, ähnlich den bolivianischen aber aus Blätterteig und meistens mit ein Bischen mehr Geschmack.

Dann, meine Lieblings-Begleiter seit der Frachterreise, die Sternen. Die wollte ich schon lange einmal erwähnen. Sie sind die loyalsten, haben uns bisher kaum je im Stick gelassen. Wenn man nachts in die Kälte rausmusste, sah man als Entschädigung meistens die Milchstrasse quer über dem Himmel stehen. Leider gab es hier zu Beginn nicht viel zu erkennen, einfach weil wir ausser der Cruz del Sur, dem Kreuz des Südens kaum was kannten. Ausser noch Orion, aber der war nicht so oft zu sehen, und wenn klebte er jeweils im Norden am Horizont. Inzwischen steht er höher, ungefähr seit San Pedro ist der grosse Wagen, damals ebenfalls tief am nördlichen Horizont erkennbar, jetzt ist auch der etwas weiter oben.

Seit unserer Sternguck-Tour in San Pedro kennen wir nun auch Sirius, hell, rot-blau flackernd, und Alpha und Beta Centauri, zwei hell leuchtende Sterne neben dem Southern Cross. Die beiden heissen so, weil sie die hellsten beiden Sterne der Centauri-Formation sind, die ich jedoch noch nicht entdeckt habe. Zu meinem Liebling-Sternbild neben dem Southern Cross ist aber das Skorpion avanciert. Riesengross, wunderschön und klar zu erkennen. Res, Dein Sternzeichen ist im Fall megacool! Seit der Rückreise vom Manú kenne ich nun auch ein Llama und einen Frosch. Das sind nicht wirklich Sternformationen, sondern Schatten in der Milchstrasse, zumindest im Fall des Llamas auch eine recht klare Sache. Diese Milchstrasse ist ohnehin absolut genial. Mann müsste in der Schweiz ab und zu einen Riesenkurzschluss provozieren, einfach nur um die Sterne richtig zu würdigen.

Nach dem Militär kamen noch ein paar bunte Tanzgruppen


Eine weitere Veränderung zu Argentinien und Chile sind die recht zahlreichen Bettler in den Strassen. Während uns in diesen beiden Ländern nie jemand angebettelt hat, waren sie seit La Paz fast allgegenwärtig. Dort waren es fast ausschliesslich alte Frauen, hier in Cusco auch alte Männer. Im Busterminal in La Paz wurden sie teilweise richtig lästig, wenn sie aufdringlich wurden und einem am Ärmel zupfen. Wir sind schliesslich auch keine Bancomaten. Die Bettler an der Grenze haben wohl einen Standortvorteil. Wenn man denn noch welches hat, stört es einen nicht, dort sein ganzes Münz loszuwerden. In Copacabana ist uns aber unser eigenes widersprüchliches Verhalten diesbezüglich aufgefallen. Den Bettlern vor der Kirche haben wir etwas gegeben, der Frau, die dort Blumen verkauft hat, haben wir aber keine abgekauft. Wir brauchten schliesslich keine Blumen. Hinterher fand ich das aber recht kontraproduktiv. Wer bettelt, erhält etwas, wer sich die Mühe macht, etwas zu verkaufen, nicht. Das ist nicht ok. Seither kaufe ich ab und zu kleinere Dinge auf der Strasse, wie z.B. ein Stück Ananas (eh immer fein), geröstete Kakaobohnen (steinhart aber eigentlich nicht schlecht) oder gebrannte Erd- oder andere Nüsse. Den Bettlern gebe ich aber immer noch ab und zu ein paar Münzen.

Eine anderer Unterschied zu Argentinien und Chile, dass die Leute in Bolivien und Peru nicht anständig hinten anstehen können oder wollen. Wenn man z.B. in einem Laden auf Bedienung wartet oder auch gerade bedient wird, kommt jemand rein und redet drein oder stellt sich kurzerhand vor einen hin. So auch als wir an der peruanischen Grenze bei der Migracion in der Schlange warteten, stand plötzlich kurz vor uns eine Dame, die da vorher nicht gestanden hatte. Anderes Beispiel: in einer Menschenmenge halte ich kurz an, um jemanden durchzulassen. Auch das funktioniert nicht, weil sich inzwischen etwa vier oder fünf andere Leute dazwischen gequetscht haben. Überhaupt scheint es üblich zu sein, im Gedränge die Leute anzurempeln und sich rücksichtslos einfach durchzuschieben. Klar, andere Länder, andere Sitten, dass muss man einerseits akzeptieren, andererseits ist dies etwas, das langsam aber sicher nervt.

Plaza San Francisco


Dann sind da noch die Schuhputzer. In Chile haben wir keine gesehen. In Argentinien im Süden auch nicht, in Mendoza gab es einige, meistens ältere Männer. In La Paz schwirrten die zu Dutzenden herum, die Mehrheit junge Männer, die sich mit einer Wollmütze übers Gesicht vermummten, anscheinend wollten die nicht erkannt werden. Die Schuhputzer älteren Semesters schienen dies nicht nötig gehabt zu haben. Hier in Cusco sind es (v.a. nachmittags, wenn keine Schule ist und am Wochenende) Jungs, die sich um die schmutzigen Schuhe reissen. Sich zu vermummen scheint hier keinem in den Sinn zu kommen. Gerade eben fand so ein 10-12-Jähriger meine noch vom Regenwald dreckigen Schuhe unzumutbar. Keine Ahnung, ob die drei Soles, die ich bezahlt habe, normal oder Gringapreis sind, jedenfalls war der Junge einige Zeit lang beschäftigt und meine abgetragenen Salomon-Latschen glänzen jetzt wie Lackschuhe.

Heute habe ich noch etwas gefunden, nämlich Moorenköpfe. In Bolivien werden die günstig auf der Strasse verkauft, die Füllung hat teilweise noch einen eigenen Geschmack. Hier in Cusco gibt es auch welche, meist in Bäckereien oder auch im Supermercado. Erstens sind sie viel teurer als in Bolivien, zweitens ist die Füllung kein weicher Eischaum, sondern eher eine Art Merengue. Komische Sache.

Und hier noch off-topic: Vorhin wurde ich am helllichten Tag auf offener Strasse fast Opfer eines "Überfalls". Ich bin da nichtsahnend durch eine mir wohlbekannte Strasse spatziert auf der Suche nach einer Torte für die 4. Juli-Feier (US-Nationalfeiertag) heute Abend im Hostal. Plötzlich wurde ich von irgendwoher angespruckt und ich war umringt von lauter nett aussehenden, älteren, molligen Damen. Ich war natürlich empört und suchte nach dem Übeltäter, worauf eine der "Damen" zu einem Fenster hoch zeigte (jaja, gute Ablenkung). Mir war wohl bewusst, was da gerade ablief und versuchte mich aus dem Gewühl zu befreien, worauf eine der Ladies noch die Frechheit hatte, mir vorzuwerfen, ich sei ihr auf den Fuss gestanden. Ich hatte die ganze Zeit meine Tasche umklammert und endlich gelang es mir, mich auf die andere Strassenseite hinüber zu retten.

Meine Amiga, die zuvor das Fenster des Spukens beschuldigt hatte, verfolgte mich mit ein paar anderen Figuren und machte mich besorgt darauf aufmerksam, dass mein linker Ärmel noch voll Spuke war. Da sich schon wieder der ganze Trupp an mich drängte, wurde ich nun echt genervt und machte das auch lautstark klar. Irgendwie schien das gewirkt zu haben, jedenfalls konnte ich jetzt ungehindert entfernen und wurde auch nicht mehr verfolgt. Geekelt ging ich erst mal zum Hostal zurück um mein Gesicht und das T-Shirt zu waschen. Ein genaueres Nachschauen ergab, dass es diesen Arschgeigen nicht gelungen ist, mir etwas zu klauen.

Obwohl ich mich bisher in Cusco immer sicher gefühlt habe, ist so ein Vorkommnis nicht weiter überraschend. In den Reiseführern wird dieses Vorgehen beschrieben und in Hotels wird mit Plakaten davor gewarnt. Der Einsatz von älteren, mütterlich scheinheilig aussehenden Frauen ist natürlich clever, die wagt man kaum etwas Bösen zu beschuldigen. Ich hatte mich auch dafür entschuldigt, der Einen auf den Fuss gestanden zu sein, im Nachhinein bin ich aber sicher, dass die dazugehört hatte und das nur ein weiteres Ablenkungsmanöver gewesen ist. Schade, dass sich so ein negatives Vorurteil von Peru bestätigt.

1 Kommentar:

  1. Liebe Moni, herzliche Gratulation zu deiner gelungenen Befreiungsaktion aus dem Kreis der Arschgeigen! Beim Lesen dieser Story sind gleich einige Peru-Müsterchen wieder in den Vordergrund gerückt. Tja, ein Völkchen für sich. Geniess die letzten Tage in Cuzco noch und dann wünsch ich gute Weiterfahrt per Velo. Ob sich deine Beine noch gewöhnt sind zu radeln?
    Liebs Grüessli Marlis

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